JudikaturJustiz3Nc32/14g

3Nc32/14g – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Januar 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hoch als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Jensik als weitere Richter in der beim Handelsgericht Wien zu AZ 29 Cg 98/14b anhängigen Rechtssache der klagenden Partei B***** Baugesellschaft m.b.H., *****, vertreten durch Saxinger Chalupsky Partner Rechtsanwälte GmbH in Wels, gegen die beklagten Parteien 1. R***** GmbH Co KG und 2. R***** GmbH, beide: *****, beide vertreten durch Dr. Georg Vetter, Rechtsanwalt in Wien, wegen 16.108,91 EUR sA, über den Delegierungsantrag der klagenden Partei den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Zur Verhandlung und Entscheidung der Rechtssache wird an Stelle des Handelsgerichts Wien das Landesgericht Salzburg als örtlich zuständig bestimmt.

Text

Begründung:

Die klagende Baugesellschaft m.b.H. (mit dem Sitz im Sprengel des Landesgerichts Wels) errichtete im Auftrag der erstbeklagten Partei, einer GmbH Co KG, auf einem in St. Gilgen (im Sprengel des Landesgerichts Salzburg, im Grenzgebiet zu Oberösterreich) gelegenen Grundstück einen Zaun und einen Schwimmsteg. Die zweitbeklagte GmbH ist die Komplementärin der erstbeklagten Partei; beide haben ihren Sitz in Wien.

Die Beauftragung erfolgte am 24. Juni 2013 in St. Gilgen. In dem Auftragsschreiben ist handschriftlich unter dem Punkt „Sonstige Vertragsbestandteile“ vermerkt: „Gerichtsstandort Wien“. Das Auftragsschreiben ist (zumindest) auf Seiten der klagenden Partei nicht von einem Organ unterfertigt.

Die am 8. Juli 2014 beim Handelsgericht Wien eingebrachte Klage ist auf Zahlung des restlichen Werklohns von 16.108,91 EUR gerichtet. Die beklagten Parteien wenden im Wesentlichen die Mangelhaftigkeit des Werks ein: Der Schwimmsteg habe sich aufgrund eines schief eingesetzten Piloten „verzogen“; der Zaun habe mangels Bewilligungsfähigkeit (infolge seiner Höhe) wieder abgetragen werden müssen.

Von den Parteien wurde die Aufnahme folgender Beweise beantragt:

Parteienvernehmung,

Vernehmung von vier Zeugen mit einer Adresse im Ort des Sitzes der klagenden Partei, der ca 20 km von St. Gilgen entfernt ist,

Vernehmung von drei Zeugen mit einer Adresse in St. Gilgen,

Vernehmung eines Zeugen mit einer Adresse in Baden bei Wien,

Vornahme eines Ortsaugenscheins in St. Gilgen.

Die Klagevertreterin hat ihren Kanzleisitz in Wels, der Beklagtenvertreter hat seinen Kanzleisitz in Wien.

In der vorbereitenden Tagsatzung am 19. November 2014 wies die Richterin des Handelsgerichts Wien vorerst auf die Möglichkeit einer einvernehmlichen Delegierung hin; die beklagte Partei sprach sich dagegen aus.

In der Folge beantragte die klagende Partei die Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht Salzburg, weil sechs von ihr beantragte Zeugen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in St. Gilgen bzw in der Nähe hätten, ebenso der Geschäftsführer der klagenden Partei. Auch der von der beklagten Partei beantragte Ortsaugenschein habe in St. Gilgen stattzufinden, weshalb aus Gründen der Prozessökonomie, insbesondere im Hinblick auf die zu erwartende Prozesskostenverringerung eine Delegierung an das Landesgericht Salzburg zweckmäßig erscheine.

Die beklagte Partei sprach sich gegen eine Delegierung aus.

Das Handelsgericht Wien befürwortete eine Delegierung im Hinblick auf die Lage des Werks und die kürzere Anreise für die Mehrzahl der Beteiligten; sie sei zur Verfahrensbeschleunigung und zur Kostenminimierung geeignet und diene dem Unmittelbarkeitsgrundsatz.

Rechtliche Beurteilung

Der Delegierungsantrag ist berechtigt.

Gemäß § 31 Abs 1 JN kann aus Gründen der Zweckmäßigkeit auf Antrag einer Partei anstelle des an sich zuständigen Gerichts ein anderes Gericht gleicher Gattung zur Verhandlung und Entscheidung bestimmt werden, wobei nach Abs 2 Delegierungen aus einem Oberlandesgerichtssprengel in einen anderen dem Obersten Gerichtshof vorbehalten sind.

Eine Delegierung ist nur nach strenger Prüfung der Zweckmäßigkeit zulässig (RIS Justiz RS0118569). Die Zweckmäßigkeit ist im Allgemeinen dann zu bejahen, wenn die Delegation zur Verkürzung des Verfahrens, zur Erleichterung der Amtstätigkeit oder zur wesentlichen Verbilligung des Verfahrens beitragen kann (RIS Justiz RS0046333 [T6]). Zweckmäßigkeitsgründe dieser Art bilden etwa der Wohnort der Parteien und der zu vernehmenden Zeugen oder die Lage des Augenscheinsgegenstands ( Mayr in Rechberger , ZPO 4 § 31 JN Rz 4). Das Ziel einer Delegation wird vor allem anderen dann erreicht, wenn das Beweisverfahren (oder zumindest der maßgebliche Teil davon) vor dem erkennenden Gericht durchgeführt werden kann, weil die Wahrung des Unmittelbarkeitsgrundsatzes bedeutsamer erscheint als die Einhaltung der örtlichen Zuständigkeitsordnung (RIS Justiz RS0046333 [T3]).

Im vorliegenden Fall überwiegen die Gründe für eine Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht Salzburg gravierend:

Das maßgebliche, in dem Rechtsstreit zu beurteilende Geschehen fand in St. Gilgen statt. In diesem Ort bzw in räumlicher Nähe hat der Großteil der beantragten Zeugen den gewöhnlichen Aufenthalt. Nur der Geschäftsführer der zweitbeklagten Partei und ein Zeuge haben von auswärts (Wien bzw Baden bei Wien) anzureisen. Ein allfälliges Sachverständigengutachten wird zweckmäßigerweise von einem im Sprengel des Delegierungsgerichts wohnhaften Sachverständigen zu erstatten sein. Insgesamt liegt die Delegierung unter diesen Aspekten im Interesse beider Parteien, weil die Rechtssache aller Voraussicht nach rascher und mit geringerem Kostenaufwand vor dem Landesgericht Salzburg durchgeführt werden kann. Dies hat selbst dann zu gelten, wenn sich der von der beklagten Partei beantragte Ortsaugenschein als nicht mehr zur Klärung der Rechtssache zweckmäßig erweisen sollte.

Gegen die Delegierung spricht auch nicht der im Auftragsschreiben handschriftlich angeführte Gerichtsstand. Eine Gerichtsstandsvereinbarung muss nach § 104 Abs 1 JN urkundlich nachgewiesen werden. Urkundlich nachgewiesen ist eine Parteienerklärung aber nur insoweit, als ihr Inhalt durch die Unterschrift gedeckt ist (RIS Justiz RS0046701; 4 Ob 46/11k). Die von der klagenden Partei vorgelegte Urkunde Blg./F ist allerdings nicht von einem Organ der klagenden Partei, sondern von einem Mitarbeiter unterfertigt, dessen Vollmacht, im Namen der klagenden Partei zu handeln, nicht erkennbar ist.

Da eine Delegierung der Rechtssache an das Landesgericht Salzburg somit als zweckmäßig anzusehen ist, war dem Antrag der klagenden Partei stattzugeben.