JudikaturJustiz2Ob7/02x

2Ob7/02x – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Januar 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Niederreiter als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko, Dr. Tittel, Dr. Baumann und Hon. Prof. Dr. Danzl als weitere Richter in der Pflegschaftssache des mj Rene S*****, geboren am 18. Juni 1993, wegen Adoption, über den Revisionsrekurs des Minderjährigensowie des Adoptivvaters Mathias K*****, geboren am 23. Februar 1978, *****, beide vertreten durch Dr. Heide Strauss, Rechtsanwältin in Gänserndorf, gegen den Beschluss des Landesgerichtes Korneuburg als Rekursgericht vom 15. November 2001, GZ 25 R 183/01s-33, womit der Beschluss des Bezirksgerichtes Gänserndorf vom 26. September 2001, GZ 2 P 71/00f-30, bestätigt wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird zur neuerlichen Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Das Erstgericht wies den Antrag auf Genehmigung des Vertrages vom 12. 7. 2001 zur Annahme an Kindesstatt des mj Rene S*****, geboren am 18. 6. 1993, als Wahlkind durch Mathias K*****, geboren am 23. 2. 1978, als Wahlvater im Wesentlichen mit der Begründung ab, der Wahlvater unterschreite in nicht mehr vertretbarer Weise das Mindestalter von 30 Jahren und sei überdies lediglich 15 Jahre und 4 Monate älter als das Wahlkind. Eine Unterschreitung der Altersgrenze von 16 Jahren im Fall des § 180 Abs 2, zweiter Fall ABGB sei nicht möglich.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs beider Parteien des Adoptionsvertrages nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs - wegen fehlender Judikatur des Obersten Gerichtshofes zu den relevanten Fragen - zulässig sei. Es führte zu § 180 Abs 1 ABGB aus, grundsätzlich könne davon ausgegangen werden, dass bei Adoption des leiblichen Kindes des Ehegatten eine Unterschreitung der Altersgrenze bis zur Volljährigkeit möglich sei. Zu § 180 Abs 2 ABGB fasste das Rekursgericht den Meinungsstand dahin zusammen, dass es sich bei der geringfügigen Unterschreitung des Altersunterschiedes von 18 Jahren jedenfalls um einen bedeutend geringeren Zeitraum als zwei Jahre handeln müsse. Offen bleibe dabei aber die Frage, ob die von Judikatur und Lehre hauptsächlich zur geringfügigen Unterschreitung des Altersunterschiedes von 18 Jahren entwickelten groben Grundsätze (wesentlich weniger als zwei Jahre als Obergrenze) auf die geringfügige Unterschreitung des Altersunterschiedes von 16 Jahren direkt umzulegen und anzuwenden seien oder ob an die geringfügige Unterschreitung der Altersgrenze von 16 Jahren ein strengerer Maßstab anzulegen sei. Das Rekursgericht vertrete jedenfalls die Ansicht, dass die Kombination einer Unterschreitung der Altersgrenze des Wahlvaters von 30 Jahren um rund 6 ½ Jahre mit einer Unterschreitung der Altersdifferenz von 16 Jahren um rund 8 Monate insgesamt zu einer Abweisung des Antrages auf Genehmigung des Adoptionsvertrages führen müsse, unabhängig davon, ob die in § 180 ABGB definierte Beziehung zwischen Annehmenden und Wahlkind bestehe.

Gegen diese Rekursentscheidung richtet sich der Revisionsrekurs beider Parteien des Adoptionsvertrages mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss dahin abzuändern, dass der Adoptionsvertrag genehmigt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Revisionsrekurs ist zulässig und im Sinne des Aufhebungsantrages auch berechtigt.

Die Rechtsmittelwerber machen im Wesentlichen geltend, dass die Voraussetzungen des § 180 Abs 1 und 2 ABGB gegeben seien.

Rechtliche Beurteilung

Hiezu wurde erwogen :

Gemäß § 180 Abs 1 ABGB muss der Wahlvater das 30., die Wahlmutter das 28. Lebensjahr vollendet haben. Nehmen Ehegatten gemeinsam an oder ist das Wahlkind ein leibliches Kind des Ehegatten des Annehmenden, so ist eine Unterschreitung dieser Altersgrenze zulässig, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind bereits eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht.

Gemäß § 180 Abs 2 ABGB müssen Wahlvater und Wahlmutter mindestens 18 Jahre älter als das Wahlkind sein; eine geringfügige Unterschreitung dieses Zeitraumes ist unbeachtlich, wenn zwischen dem Annehmenden und dem Wahlkind bereits eine dem Verhältnis zwischen leiblichen Eltern und Kindern entsprechende Beziehung besteht. Ist das Wahlkind ein leibliches Kind des Ehegatten des Annehmenden oder mit dem Annehmenden verwandt, so genügt ein Altersunterschied von 16 Jahren.

Bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 180 Abs 1 Satz 2 ABGB kann das Mindestalter des Wahlvaters von 30 Jahren bis zur absoluten Untergrenze der Volljährigkeit sinken (Schwimann in Schwimann 2 § 180 ABGB Rz 1; Stabentheiner in Rummel 3 § 180 ABGB Rz 1 mwN). Die Unterschreitung kann - anders als im Fall des Abs 2 - auch mehr als geringfügig sein, also auch mehrere Jahre betragen. Dabei ist auf die Besonderheiten des jeweiligen Einzelfalles abzustellen (Schwimann aaO). Im vorliegenden Fall soll das Mindestalter gleich um mehr als 6 Jahre unterschritten werden. Dies wäre nur im Fall einer besonders intensiven und gefestigten “Vater-Sohn”-Beziehung zulässig. Ob eine entsprechende Beziehung bereits besteht, kann anhand der erstgerichtlichen Feststellungen nicht verlässlich beurteilt werden, weshalb das Verfahren einer Ergänzung bedarf.

Zu § 180 Abs 2 Satz 2 ABGB wurde bereits ausgesprochen, dass auch der Altersunterschied von 16 Jahren geringfügig unterschritten werden darf, wenn bereits eine Eltern-Kind-Beziehung im Sinne des Satz 1 Halbsatz 2 besteht (2 Ob 37/67 = SZ 40/16; 1 Ob 252/99m = EvBl 2000/58; vgl Stabentheiner aaO Rz 2). Zur Frage der Geringfügigkeit existiert eine kasuistische Rechtsprechung (vgl die Nachweise bei Schwimann aaO Rz 2; Stabentheiner aaO Rz 2; aus jüngerer Zeit 5 Ob 1516/92 = EFSlg 68.901; 10 Ob 212/97t = EFSlg 84.228; 1 Ob 252/99m = EvBl 2000/58), die der erkennende Senat dahin ergänzt, dass die im vorliegenden Fall gegebene Unterschreitung um ca 8 Monate dann noch toleriert werden könnte, wenn bereits eine besonders intensive und gefestigte “Vater-Sohn”-Beziehung besteht. Auch hier bedarf es aber noch ergänzender Feststellungen, die eine abschließende Beurteilung der zwischen den Parteien des Adoptionsvertrages bestehenden Beziehung im Lichte des § 180 Abs 2 Satz 1 Halbsatz 2 ABGB erlauben.

Die Rechtssache war daher unter Aufhebung der vorinstanzlichen Beschlüsse an das Erstgericht zurückzuverweisen, welches die erforderlichen Vernehmungen und Anhörungen vorzunehmen haben wird.