JudikaturJustiz2Ob639/90

2Ob639/90 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Januar 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Kralik als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Melber, Dr. Zehetner, Dr. Schwarz und Dr. Schinko als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache betreffend Andreas R* infolge Revisionsrekurses des Betroffenen, vertreten durch Dr. Gottfried Reif, Rechtsanwalt in Judenburg, gegen den Beschluß des Landesgerichtes für ZRS Graz als Rekursgericht vom 22. Oktober 1990, GZ R 278/90-74, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes für ZRS Graz vom 16. Mai 1990, GZ 20 SW 34/86-57, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung und der Beschluß des Erstgerichtes werden aufgehoben.

Dem Erstgericht wird eine neuerliche Entscheidung aufgetragen.

Text

Begründung:

Der am 15. Februar 1989 verstorbene Ferdinand R* hatte eine uneheliche Tochter, die er später adoptierte und die nach ihrer Eheschließung Cäcilia F* hieß. Diese war die eheliche Mutter des Betroffenen, sie ist am 23. Mai 1972 verstorben. Der eheliche Vater des Betroffenen ist schon vorher verstorben. Walpurga R* ist die Witwe nach Ferdinand R*. Diese beiden Personen sind noch als bücherliche Eigentümer einer Bergbauernwirtschaft (Erbhof) eingetragen, die auf Grund eines Übergabsvertrages auf den Betroffenen übergegangen ist. In einem Nachtrag vom 23. Jänner 1974 zum Übergabsvertrag gab der Betroffene das neu gebildete Grundstück 436/2 Acker im Ausmaß von 3.597 m 2 , auf dem sich bereits ein Rohbau befand, zurück. Mit Notariatsakt vom 26. Juli 1978 übergaben Ferdinand und Walpurga R* dieses Grundstück dem Betroffenen auf den Todesfall. Gegenleistungen wurden dabei keine vereinbart, eine ausdrückliche Erklärung der Geschenkgeber, auf den freien Widerruf der Schenkung zu verzichten, scheint im Vertrag nicht auf. Mit Adoptionsvertrag vom 12. September 1979 nahmen Ferdinand und Walpurga R* den Betroffenen an Kindes statt an.

Nach dem Tod des Ferdinand R* gaben die Witwe Walpurga R* der Betroffene und Sophie W* eine Adoptivtochter des Ferdinand R* auf Grund des Gesetzes zu je einem Drittel bedingte Erbserklärungen ab. Die Nachlaßaktiven bestehen im wesentlichen aus dem Hälfteanteil am Grundstück 436/2, wobei im Verlassenschaftsverfahren die Meinung vertreten wurde, der Vertrag, mit dem dieses Grundstück auf den Todesfall dem Betroffenen übertragen worden war, sei mangels eines Widerrufsverzichtes nicht gültig. Am 13. November 1989 schlossen die drei erbserklärten Erben - der Betroffene vertreten durch seinen Sachwalter Johann S* und den zur Verfahrenshilfe beigegebenen Rechtsanwalt Dr. Gottfried R* - ein Erbübereinkommen, nach welchem Walpurga R* den Drittelanteil des Betroffenen am Nachlaß in ihr Eigentum übernimmt und hiefür dem Betroffenen einen mit 5 % p.a. zu verzinsenden, nach Aufkündigung fälligen Betrag von S 136.000 bezahlt.

Am 15. Mai 1990 langte beim Erstgericht ein Schreiben des Sachwalters vom 14. Mai 1990 ein, in welchem ersucht wurde, das Erbübereinkommen nicht zu genehmigen. Diesem Übereinkommen sei die Idee zugrundegelegen, Sophie W* werde den Erbhof pachten und allenfalls später übernehmen. Dazu werde es nun aber nicht kommen, Sophie W* mache Geldansprüche geltend und fordere Pflichtteilsergänzung.

Das Erstgericht versagte dem Erbübereinkommen die sachwalterschaftliche Genehmigung mit der Begründung, der Notariatsakt vom 26. Juli 1978 sei gemäß § 956 ABGB als Vermächtnis gültig, weshalb die Liegenschaftshälfte des Erblassers dem Betroffenen zur Gänze zukommen müsse und das Erbübereinkommen diesem daher nicht zum Vorteil gereiche.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Sachwalters (dieser führte aus, entgegen seinem Schreiben vom 14. Mai 1990 sei er nun doch der Meinung, das Erbübereinkommen diene dem Wohl des Betroffenen) nicht Folge und erklärte den Rekurs an den Obersten Gerichtshof für zulässig. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, im Rechtsmittel würden keine stichhältigen Gründe geltend gemacht, die eine Genehmigung des Erbübereinkommens rechtfertigen könnten, es werde sogar behauptet, die Gründe, die zum Abschluß des Übereinkommens geführt hätten, seien weggefallen. Der Übergabsvertrag auf den Todesfall scheine der Bestimmung des § 579 ABGB zu entsprechen, zumal die vor dem Notar und zwei Zeugen errichtete Verfügung jedenfalls als Privattestament bzw. Vermächtnis gültig sei. Tatsächlich sei der Vertrag vor dem Notar, der Notariatsangestellten und dem jeweiligen Ehegatten abgeschlossen und vormundschaftsbehördlich genehmigt worden. Die Zulassung des Revisionsrekurses wurde damit begründet, daß die Frage, ob der Notariatsakt vom 26. Juli 1978 als Vermächtnis aufzufassen oder ungültig sei, verschieden gelöst werden könne.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Betroffenen gegen den Beschluß des Rekursgerichtes erhobene Revisionsrekurs ist zulässig (§ 14 Abs. 1 AußStrG) und auch berechtigt.

Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß der Rechtsmittelwerber legitimiert war, den Beschluß des Erstgerichtes zu bekämpfen, obwohl dieser im Sinne des Antrages des Sachwalters ergangen war, weil die Frage, ob das Erbübereinkommen zu genehmigen ist, der Parteiendisposition entzogen ist (vgl. SZ 60/222; EFSlg 19.003, 32.449).

Die Ansicht der Vorinstanzen, die Übergabe auf den Todesfall laut Notariatsakt vom 26. Juli 1978 sei als Vermächtnis gültig, kann nicht geteilt werden. Hiefür wäre nämlich gemäß § 956 ABGB "die Beobachtung der vorgeschriebenen Förmlichkeiten" erforderlich. Bei Abschluß des Notariatsaktes waren der Notarsubstitut, eine Notariatsangestellte als Kollisionskuratorin für den Begünstigten sowie die Ehegatten Ferdinand und Walpurga R* anwesend, diese vier Personen haben auch unterschrieben. Nach § 579 ABGB sind für die Gültigkeit eines fremdhändigen Testamentes drei Zeugen erforderlich, nach § 70 NO die Anwesenheit zweier Notare oder eines Notars und zweier Zeugen. Außer dem Notarsubstituten wären daher noch zwei (weitere) Zeugen erforderlich gewesen. Die Kollisionskuratorin käme als Zeugin in Betracht, weil nach herrschender Ansicht gesetzliche Vertreter nicht ausgeschlossen sind ( Welser in Rummel 2 , Rz 3 zu den §§ 591 bis 596; vgl SZ 52/148). Bei den Ehegatten R* handelte es sich jedoch nicht um taugliche Zeugen. Sie waren damals zwar noch nicht die Adoptiveltern des Begünstigten, Ferdinand R* war jedoch dessen Großvater und als solcher gemäß § 594 ABGB kein fähiger Zeuge, zumal gemäß § 42 ABGB unter "Eltern" alle Verwandten in der aufsteigenden Linie zu verstehen sind ( Welser aaO; Ehrenzweig-Kralik , Erbrecht 143; Weiß in Klang 2 III 339 f; NZ 1937, 143; von der früheren, gegenteiligen, von Weiß aaO zitierten Meinung wurde schon vor langer Zeit abgegangen). Walpurga R* ist zwar nicht - wie von den Vorinstanzen ausgeführt - die Großmutter des Betroffenen, sie war aber die Ehegattin des Großvaters des Betroffenen, ist also mit dem Betroffenen in gerader Linie verschwägert (§ 41 ABGB) und daher nach § 594 ABGB ebenfalls keine taugliche Zeugin ( Ehrenzweig-Kralik aaO; Weiß aaO). Der Betroffene kann daher aus dem Notariatsakt vom 26. Juli 1978, der mangels Widerrufsverzichtes keine gültige Schenkung auf den Todesfall darstellt, auch keine Vermächtnisforderungen ableiten, weil die für eine letztwillige Verfügung notwendige Form nicht eingehalten wurde.

Der von den Vorinstanzen für die Versagung der Genehmigung angeführte Grund ist somit nicht stichhältig. Es ist Sache des Erstgerichtes neuerlich zu prüfen, ob das Erbübereinkommen, auch wenn der Betroffene aus dem Notariatsakt vom 26. Juli 1978 keine Rechte ableiten kann, dem Wohl des Betroffenen entspricht. Aus diesem Grund mußten die Beschlüsse der Vorinstanzen aufgehoben werden.