JudikaturJustiz2Ob542/94

2Ob542/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
30. Juni 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei T***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Ernst Brunner, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei T***** GmbH, ***** vertreten durch Dr.Wenzel Drögsler, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 56.671,94 s.A. und Räumung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Berufungsgerichtes vom 15.Februar 1994, GZ 41 R 17/94-30, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Bezirksgerichtes Döbling vom 8.September 1993, GZ 4 C 2232/91v-23, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben; das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens sind als weitere Verfahrenskosten zu behandeln.

Text

Begründung:

Mit Pachtvertrag vom 20.7.1984 hat die beklagte Partei von der Klägerin den Restaurantbetrieb in ***** W***** gepachtet. Als Pachtzins wurden monatlich S 7.500,-- vereinbart.

Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Klage die Zahlung von S 56.674,91 mit der Begründung, die beklagte Partei habe die vereinbarte Wertsicherung des Pachtschillings nicht bezahlt. Da sich die beklagte Partei im qualifizierten Zahlungsverzug befinde, habe sie auch das Bestandobjekt geräumt zu übergeben.

Die beklagte Partei wendete ein, den monatlichen Pachtzins fristgerecht und ordnungsgemäß entrichtet zu haben. Auf die Bezahlung von Wertsicherungsbeträgen habe die Klägerin verzichtet. Die von der Klägerin geltend gemachte Wertsicherungsvereinbarung sei mangels Schlüssigkeit ungültig, die gesetzliche Kündigungsfrist für Pachtverhältnisse sei nicht eingehalten worden, weshalb das Räumungsbegehren nicht berechtigt sei. Da die klagende Partei zur Weitergabe des Objektes nicht berechtigt sei, seien ihre Ansprüche gegen die Beklagte nicht gerechtfertigt. Die Erhöhung um die Wertsicherungsbeträge sei der beklagten Partei nie angezeigt und auch nie in Rechnung gestellt worden. Weiters machte die beklagte Partei compensando eine Gegenforderung von S 50.000,-- an hinterlegter Kaution geltend und wendete in eventu Verjährung ein.

Das Erstgericht sprach aus, daß das Zahlungsbegehren mit S 47.709,94 s. A. zu Recht bestehe, nicht aber die eingewendete Gegenforderung; es verurteilte die beklagte Partei zur Zahlung von S 47.709,94 samt Zinsen und zur Räumung des Bestandobjektes.

Über den eingangs wiedergegebenen Sachverhalt hinausgehend wurden im wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Der zwischen den Parteien vereinbarte Pachtzins beträgt S 7.500,-- monatlich. Punkt V des Pachtvertrages enthält die Bestimmung, daß zur Sicherung von Geldwertveränderungen eine Wertsicherung des monatlichen Pachtschillings dahingehend vereinbart wird, daß sich dieser mit dem gleichen Prozentsatz erhöht oder erniedrigt, mit welchem sich der für den Zahlungstag gültige, vom Österreichischen Statistischen Zentralamt verlautbarte Index der Verbraucherpreise (Basis 1976 = 100) von dem gleichartigen, für den Monat August 1984 gültigen Index unterscheidet. Sollte der Lebenskostenindex 1976 nicht mehr veröffentlicht werden, so gilt ein allfälliger nachfolgender Index als vereinbart. Indexschwankungen bis zu 5 % finden keine, größere Schwankungen jedoch volle Berücksichtigung. Hat eine Neuberechnung stattgefunden, so findet die nächste erst dann statt, wenn neuerlich eine Indexschwankung von mehr als 5 % eingetreten ist.

Gemäß Punkt IX des Pachtvertrages erlegt der Pächter zur Sicherstellung aller ihm aus dem Pachtvertrag obliegenden Verpflichtungen eine Kaution von S 50.000,--, die ihm unter der Voraussetzung einer ordnungsgemäßen Rückstellung des Pachtobjektes und nach dem erbrachten Nachweis, daß keine Verbindlichkeiten aus dem gegenständlichen Pachtverhältnis, die der Pächter dem Verpächter gegenüber zu erfüllen hat, oder für welche den Verpächter eine Haftung treffen könnte, offenstehen, abzugsfrei zurückzustellen ist. Nicht festgestellt werden konnte, ob diese Kaution tatsächlich bezahlt wurde.

Die beklagte Partei hat vom Beginn des Pachtverhältnisses an monatlich S 7.500,-- an Pachtzins entrichtet. Ende 1988 bemerkte man in der Buchhaltung der klagenden Partei, daß von der beklagten Partei keine Wertsicherungsbeträge bezahlt wurden.

Der Geschäftsführer der klagenden Partei, Dr.***** L*****, erhält von der beklagten Partei monatlich S 2.000,-- für die Überlassung der Konzession für das Restaurant. Im Zuge eines Gerichtsverfahrens, in welchem ***** S***** Forderungen gegen Dr.L***** geltend machte, mußte die Beklagte eine Drittschuldnererklärung abgeben. Mit Hilfe von Judith G*****, einer Versicherungsangestellten, und Paoli S*****, die als Dolmetscherin fungierte, wurde die Drittschuldnererklärung dahingehend ausgefüllt, daß Dr.L***** gegen die Beklagte eine Forderung von S 2.000,-- monatlich habe.

Noch im Dezember 1988 brachte ***** S***** gegen die Beklagte beim ASG Wien eine Mahnklage ein, in welcher eine Forderung von S 6.000,--, die Dr.L***** gegen die Beklagte zustand, geltend gemacht wurde. Die Exekution auf diese Forderung war vm Exekutionsgericht Wien zu ***** bewilligt worden. Die beklagte Partei ließ den vom ASG Wien erlassenen Zahlungsbefehl in Rechtskraft erwachsen.

In weiterer Folge forderte Dr.L***** von der Beklagten die Nachzahlung der Wertsicherungsbeträge. Zu diesem Zweck ließ er von seinem Vertreter ein Schreiben verfassen, in dem die Zahlung gefordert wurde. Johann B*****, ein Angestellter der beklagten Partei, sprach daraufhin mit Dr.L***** und erklärte, der Beklagten sei es nicht möglich, einen erhöhten Pachtzins zu bezahlen.

Nachdem die Beklagte einen weiteren Zahlungsbefehl erhalten hatte, kam es zu einer Besprechung zwischen Dr.L***** und A*****, dem Geschäftsführer der beklagten Partei. Da Dr.L***** daran gelegen war, daß sein Gläubiger nichts von ihm erhalte, schlug er A***** vor, auf die Wertsicherungsbeträge zu verzichten, wenn dieser in einem Drittschuldnerprozeß wahrheitswidrig aussage, er bezahle ihm nichts für die Überlassung der Konzession. A***** war mit diesem Vorschlag einverstanden. Noch am selben Tag erstellte Dr.L***** Fragen, von denen er annahm, daß sie A***** vor Gericht gestellt werden könnten und hielt auch die Antworten, die er geben sollte, fest.

Noch vor der Verhandlung ging Dr.L***** mit A***** zu seinem Rechtsvertreter und ließ ihn dort eine Vollmacht unterschreiben.

Um sich zu vergewissern, daß Dr.L***** die Vereinbarung über den Verzicht auf die Wertsicherungsbeträge auch einhalten würde, bat A***** seinen Buchhalter Johann B*****, mit Dr.L***** noch einmal telefonisch Rücksprache zu halten. Bei diesem Telefonat meinte Dr.L***** aber, er könne doch nicht auf die Erhöhung des Pachtzinses verzichten, weil seine Frau damit nicht einverstanden sei.

Nach dieser Auskunft fühlte sich auch A***** nicht mehr an die Abmachung gebunden und ging nicht zu der für den 18.4.1989 anberaumten Verhandlung.

Der Verbraucherpreisindex hat sich seit 1984 wie folgt erhöht:

Mai 1987: 5,09 %

Juli 1989: 6,05 %

Juni 1991: 5,5 %

Juli 1992: 5,2 %.

Mit Schreiben vom 5.11.1991 forderte der Klagevertreter die beklagte Partei zur Zahlung der rückständigen Pachtzinse (Indexnachzahlung Mai 1987 bis Oktober 1991) im Gesamtbetrag von S 41.217,32 auf. Die beklagte Partei leistete jedoch keine Zahlung.

In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Ansicht, der zwischen den Parteien vereinbarte Verzicht auf die Geltendmachung der Wertsicherungsklausel sei als Gegenleistung für eine falsche Aussage des Geschäftsführers der beklagten Partei vor Gericht vereinbart worden, er sei sittenwidrig und gemäß § 879 Abs.1 ABGB nichtig. Der klagenden Partei stünden somit für einen Zeitraum von drei Jahren die vertraglich vereinbarten Wertsicherungsbeträge zu. Auch rückständige Wertsicherungsbeträge seien Teile des geschuldeten Bestandzinses und rechtfertigten das auf § 1118 ABGB gestützte Räumungsbegehren.

Das von der beklagten Partei angerufene Berufungsgericht änderte die Entscheidung im klagsabweisenden Sinne ab.

Ohne auf die Beweisrüge einzugehen, führte das Berufungsgericht in rechtlicher Hinsicht aus, die Bestimmung einer Partei zu einer Falschaussage sei rechtswidrig und unerlaubt, da die Partei auch bei ihrer unbeeideten Aussage im Zivilprozeß die Wahrheitspflicht treffe. Gemäß § 1174 Abs.1 ABGB könne jedoch das, was jemand wissentlich zur Bewirkung einer unerlaubten Handlung gegeben habe, nicht zurückgefordert werden. Eine erfüllte Zuwendung im Sinne dieser Gesetzesstelle könne in der Übertragung eines Rechts, der Verschaffung eines sonstigen Vorteiles oder in der Befreiung von einer Last erblickt werden, wobei die unzulässige Handlung den Geschäftszweck der Leistung bilden müsse. Der Verzicht auf das Recht der Klägerin, Wertsicherungen aus einem Pachtvertrag zu fordern, stelle einen derartigen Vermögensvorteil der Beklagten dar. Da Verzichtsvereinbarungen auch über künftige Rechte geschlossen und erfüllt werden könnten, sei der beklagten Partei schon durch die Einigung zwischen den Parteien, die klagende Partei verzichte als Gegenleistung für eine gleichzeitig vereinbarte falsche Aussage des Geschäftsführers der beklagten Partei vor Gericht auf die Geltendmachung der im Pachtvertrag vereinbarten Wertsicherung, eine Leistung tatsächlich zugekommen, die die klagende Partei wissentlich zur Bewirkung einer unerlaubten Handlung gegeben habe. Der Zweck des § 1174 ABGB liege darin, daß die Rückforderbarkeit der Leistung im Regelfall einen Anreiz für den Empfänger bilden könnte, die unerlaubte Gegenleistung zu erbringen. Die Rechtsordnung dürfe, wenn sie diese Gefahr vermeiden wolle, eine Rückforderung nicht gestatten, die sich auf das Ausbleiben des Leistungszweckes, nämlich der unerlaubten Handlung, gründe. Würde man zulassen, daß sich die Klägerin auf die Sittenwidrigkeit ihrer Vereinbarung mit der beklagten Partei und damit auf die Ungültigkeit des Verzichts auf die Wertsicherungsvereinbarung berufe, würde man einen Anreiz für die beklagte Partei begründen, die rechtlich mißbilligte Handlung auch tatsächlich auszuführen. Die Vorschrift des § 1174 Abs.1 ABGB stehe daher einer Geltendmachung der Wertsicherung durch die Klägerin entgegen.

Die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt, weil zur Frage der Rückforderbarkeit wissentlich zur Begehung unerlaubter Handlungen gegebener Leistungen, die einen Rechtsverzicht für die Zukunft beinhalten, keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes vorliege.

Dagegen richtet sich die Revision der klagenden Partei mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung dahingehend abzuändern, daß die Entscheidung des Erstgerichtes wiederhergestellt werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die beklagte Partei hat Revisionsbeantwortung erstattet und beantragt, dem Rechtsmittel der klagenden Partei keine Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist zulässig und im Sinne ihres Eventualantrages auf Aufhebung auch berechtigt.

Die klagende Partei vertritt in ihrem Rechtsmittel die Ansicht, die Zusage des Verzichts auf die Wertsicherung sei unter der Bedingung der wahrheitswidrigen Aussage erfolgt. Diese Bedingung sei aber nicht eingetreten, weshalb auch der Grund für die Zusage, auf die Wertsicherung zu verzichten, weggefallen sei.

Jedenfalls aber sei die Verzichtserklärung einschränkend dahingehend auszulegen, daß die klagende Partei lediglich auf jene Wertsicherungsbeträge verzichtet habe, die bis zum Zeitpunkt der Absprache mit dem Geschäftsführer der beklagten Partei aufgelaufen sind; ein Verzicht auf die zukünftigen Wertsicherungsbeträge sei keinesfalls erfolgt.

Hiezu wurde erwogen.

Zutreffend hat das Berufungsgericht dargelegt, daß auch die Parteien des Zivilprozesses der Wahrheitspflicht unterliegen, weil sie gemäß § 178 ZPO die erforderlichen tatsächlichen Umstände "der Wahrheit gemäß" vollständig und bestimmt anzugeben haben (siehe auch Fasching, LB2, 1023). Die Vereinbarung eines Entgeltes oder eines Verzichtes auf ein Recht als Gegenleistung für eine falsche Zeugenaussage ist daher unerlaubt und gemäß § 879 Abs.1 ABGB nichtig. Daraus folgt für den vorliegenden Fall, daß sich die beklagte Partei auf den Verzicht der im Pachtvertrag vereinbarten Wertsicherungsbeträge nicht berufen kann.

Richtig ist zwar, daß gemäß § 1174 Abs.1 ABGB das, was jemand wissentlich zur Bewirkung einer unerlaubten Handlung gegeben hat, nicht zurückgefordert werden kann. Die Bestimmung des § 1174 Abs.1 ABGB ist allerdings eng auszulegen (Rummel in Rummel2, Rz 2 zu § 1174), als Ausnahmevorschrift ist sie nur in den Grenzen ihres Wortlautes anzuwenden (BankArch 1960, 301 = ZfRV 1961, 18). Diese gebotene enge Auslegung der Bestimmung des § 1174 Abs.1 ABGB im Rahmen seines Wortlautes führt aber dazu, daß diese Norm im vorliegenden Fall nicht anwendbar ist. Die klagende Partei fordert nämlich nicht etwas "zurück", was sie der beklagten Partei "gegeben hat", sie begehrt lediglich das, was bereits im Pachtvertrag vom 20. Juli 1984 vereinbart wurde und worauf sie nicht rechtswirksam verzichtete.

Der vom Berufungsgericht herangezogene Grund für die Abweisung des Klagebegehrens erweist sich sohin als nicht berechtigt, sodaß dessen Entscheidung aufzuheben und ihm eine neue Entscheidung aufzutragen war, zumal auch Tatfragen (Höhe der nicht verjährten Forderung, Leistung der S 50.000,--) strittig sind (§ 510 Abs.1 ZPO).

Der Kostenvorbehalt beruht auf § 52 ZPO.