JudikaturJustiz2Ob517/95

2Ob517/95 – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. März 1995

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Melber als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Margarethe W*****, vertreten durch Dr.Michael Kinberger und Dr.Alexander Schubert, Rechtsanwälte in Zell am See, wider die beklagten Parteien 1.) Mag.Helmut H***** und 2.) Roswitha H*****, vertreten durch Dr.Hartmut Ramsauer, Dr.Peter Perner und Dr.Christian May, Rechtsanwälte in Salzburg, wegen S 1,329.570,-- sA, infolge Rekurses der klagenden Partei und der beklagten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgerichtes vom 15. Dezember 1994, GZ 2 R 145/94-44, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Rekurse und die Rekursbeantwortungen der klagenden Partei und der beklagten Parteien werden zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Mit der am 18.2.1991 beim Erstgericht eingebrachten Klage begehrten der am 14.1.1993 verstorbene Helmut W***** als Erstkläger und die Zweitklägerin von den Beklagten die Zahlung von S 1,329.570,-- sA.

Mit Schriftsatz vom 25.1.1993 teilte der Vertreter der klagenden Parteien dem Erstgericht mit, der Erstkläger sei am 14.1.1993 verstorben, er berichtigte die Parteibezeichnung der erstklagenden Partei im Sinne des § 235 ZPO auf Verlassenschaft nach Helmut W*****.

Mit Urteil vom 28.3.1994 erkannte das Erstgericht die beklagten Parteien zur ungeteilten Hand für schuldig, den klagenden Parteien den Betrag von S 388.704,57 sA zu bezahlen.

Gegen dieses Urteil erhoben die Verlassenschaft nach Helmut Werth, die Zweitklägerin und die Beklagten Berufung.

Mit Schriftsatz vom 10.8.1994 teilte der Vertreter der klagenden Parteien dem Berufungsgericht mit, die Ehegatten Helmut und Margarethe W***** hätten ein gemeinschaftliches Testament mit wechselseitiger Gesamtrechtsnachfolge errichtet, die Zweitklägerin habe von ihrem Recht, die ihr demgemäß anfallende Erbschaft auszuschlagen, keinen Gebrauch gemacht. Der Klagevertreter folgerte daraus, daß "die Verlassenschaft nach Helmut W***** nicht Prozeßpartei werden konnte", er schreitet jedoch nach wie vor in deren Namen ein (Schriftsatz vom 14.9.1994).

Die Beklagten wehren sich gegen ein formelles Ausscheiden der bisherigen Erstklägerin aus dem Prozeß.

Mit dem angefochtenen Beschluß stellte das Berufungsgericht fest, daß gemäß den §§ 1922 ff BGB ab 14.1.1993 an die Stelle der zuvor erstklagenden Partei Helmut W*****, die zweitklagende Partei Margarethe W***** getreten sei, so daß diese ab diesem Zeitpunkt infolge Vereinigung der Prozeßrechtsverhältnisse auf Klägerseite als alleinklagende Partei anzusehen sei.

Der Rekurs gegen diesen Beschluß an den Obersten Gerichtshof wurde für jedenfalls zulässig erklärt.

Das Berufungsgericht führte dazu aus, gemäß § 12 IPRG richte sich die Parteifähigkeit einer Person nach deren Personalstatut, sohin im vorliegenden Fall nach deutschem Recht. Gemäß §§ 1922 ff BGB gehe mit dem Tod einer Person die Erbschaft als ganzes auf eine oder mehrere andere Personen über. Es finde somit ein sogenannter "Von-Selbst-Erwerb" der Erbschaft statt; die Rechtsfigur des ruhenden Nachlasses sei dem deutschen Recht fremd. Soferne der berufene Erbe von seinem Recht, die Erbschaft auszuschlagen, keinen Gebrauch mache, komme es zu einem Zusammenfallen des Erbschaftserwerbes mit dem Erbfall.

Daraus folge, daß Margarethe W***** (Zweitklägerin) zum Zeitpunkt des Ablebens des Helmut W***** (Erstkläger) dessen Gesamtrechtsnachfolgerin geworden sei.

Eine Unterbrechung des Verfahrens nach § 155 Abs 1 ZPO trete nicht ein, weil der verstorbene Erstkläger durch einen Rechtsanwalt vertreten gewesen sei. Aufgrund der Gesamtrechtsnachfolge seien die bei ihrem Eintritt anhängigen Rechtsstreitigkeiten mit dem Universalsukzessor ohne weiteres fortzuführen. Die Änderung der Partei sei von Amts wegen zu berücksichtigen, sobald die Rechtsnachfolge eingetreten sei.

Da das Erstgericht die Bezeichnung des Erstklägers auf das nicht existente Rechtssubjekt "Verlassenschaft nach Helmut W*****" berichtigt habe, seien nunmehr die Fragen der Aktivlegitimation und der Parteienbezeichnung vom Berufungsgericht aufzugreifen.

Hiezu käme die Fassung eines Feststellungsbeschlusses oder eines Berichtigungsbeschlusses analog zu § 235 Abs 5 ZPO in Betracht. Das Institut der Berichtigung der Parteienbezeichnung sei jedoch unzulässig, wenn ein anderes Rechtssubjekt an die Stelle des bisherigen treten solle, weshalb der erstgenannten Vorgangsweise der Vorzug zu geben sei. Diese eröffne auch die Rekursmöglichkeit an den Obersten Gerichtshof, weil es sich um einen der Rechtssystematik der ZPO fremden Beschluß handle, sodaß dessen Anfechtbarkeit nicht durch § 519 ZPO ausgeschlossen werden könne. Aber auch wenn man den Standpunkt vertrete, die Möglichkeiten zur Anrufung des Obersten Gerichtshofes seien in § 519 Abs 1 ZPO taxativ geregelt, biete eine sinngemäße Interpretation der Z 1 dieser Bestimmung die Eröffnung der Rekursmöglichkeit, da der Feststellungsbeschluß hinsichtlich der ausscheidenden Partei Helmut W***** bzw "Verlassenschaft nach Helmut W*****" prozeßbeendigend wirke.

Gegen diesen Beschluß erhoben die "Verlassenschaft nach Helmut W*****", die Klägerin Margarethe W***** und die beklagten Parteien Rekurs. Sie haben jeweils zum Rechtsmittel der anderen Parteien eine Rekursbeantwortung erstattet.

Rechtliche Beurteilung

Diese Rekurse sind unzulässig.

Gemäß § 155 Abs 1 ZPO wird das Verfahren durch den Tod einer Partei nur dann unterbrochen, wenn die verstorbene Partei weder durch einen Rechtsanwalt, noch durch eine andere von ihr mit Prozeßvollmacht ausgestattete Person vertreten war. An die Stelle einer verstorbenen physischen Person tritt deren Gesamtrechtsnachfolger. Hatte die physische Person - wie im vorliegenden Fall - einen Prozeßbevollmächtigten, so hat ihr Tod nur insofern prozeßrechtliche Auswirkungen, als die Parteibezeichnung auf den Gesamtrechtsnachfolger richtig zu stellen ist (Gitschthaler in Rechberger, ZPO Rz 2 zu § 155). Im Falle der Gesamtrechtsnachfolge tritt der Erwerber auch in einen bestehenden Prozeß seines Vorgängers ein und ist die Bezeichnung der Partei durch Beschluß richtig zu stellen (7 Ob 639/94).

Gemäß § 519 Abs 1 ZPO ist der Rekurs gegen im Berufungsverfahren ergehende Beschlüsse des Berufungsgerichtes nur zulässig in den Fällen der Zurückweisung der Klage oder der Berufung oder der Aufhebung des Ersturteiles unter ausdrücklicher Zulassung des Rekurses. Die Anwendung des § 519 ZPO ist nicht auf Beschlüsse beschränkt, die das Berufungsverfahren beenden, die Rechtsmittelbeschränkung umfaßt auch Unterbrechungsbeschlüsse, Urteilsberichtigungsbeschlüsse, Entscheidungen über Klagsänderungen, Richtigstellung der Parteienbezeichnung sowie die Zurückweisung unzulässiger Schriftsätze (1 Ob 560/94 mwN).

Wäre daher im vorliegenden Fall nicht die ursprüngliche Zweitklägerin Gesamtrechtsnachfolgerin des verstorbenen Helmut W*****, dann könnte der Beschluß, mit dem die Parteienbezeichnung auf den Gesamtrechtsnachfolger berichtigt wird, ohne Zweifel nicht angefochten werden. Der Umstand, daß nun die Zweitklägerin Margarethe W***** Universalsukzessorin des verstorbenen Helmut W***** ist, vermag aber nicht zur Anfechtbarkeit des Berichtigungsbeschlusses führen. Es kam (nach der hier nicht zu überprüfenden Rechtsansicht des Berufungsgerichtes) zu einer Verschmelzung zwischen Erst- und Zweitkläger welchen Umstand durch Berichtigung der Parteibezeichnung Rechnung zu tragen war. Durch diesen Beschluß ist nicht ein existentes Rechtssubjekt aus dem Prozeß ausgeschieden und trat durch diesen Beschluß auch keine prozeßbeendigende Wirkung ein. Durch den Beschluß des Berufungsgerichtes wurde lediglich deklarativ einer bereits eingetretenen materiellen Rechtslage Rechnung getragen.

Daß das Berufungsgericht diese Entscheidung in die Form eines Feststellungsbeschlusses kleidete, vermag daran nichts zu ändern, daß es sich in Wahrheit dabei um einen Berichtigungsbeschluß handelt, der nicht anfechtbar ist.

Es waren daher die Rekurse und, da kein Fall des § 521 a ZPO vorliegt, auch die Rekursbeantwortungen zurückzuweisen.