JudikaturJustiz2Ob169/12k

2Ob169/12k – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. März 2013

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Baumann als Vorsitzenden und die Hofräte Dr. Veith, Dr. E. Solé, Dr. Schwarzenbacher und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dietmar S*****, vertreten durch Dr. Michael Barnay, Rechtsanwalt in Bregenz, gegen die beklagte Partei M***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Gustav Etzl, Rechtsanwalt in Wien, wegen 8.218,03 EUR sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wiener Neustadt als Berufungsgericht vom 30. Mai 2012, GZ 18 R 83/12b 16, womit das Urteil des Bezirksgerichts Neunkirchen vom 30. Jänner 2012, GZ 3 C 1776/11a 11, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden aufgehoben. Die Rechtssache wird an das Erstgericht zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die Kosten das Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Der Kläger erwarb am 1. 9. 2004 vier A***** Genussscheine. Die Beklagte war Abschluss und Konzernprüferin für die Jahresabschlüsse 2000 bis 2008 bei der A***** AG, deren IAS Konzernabschlüsse für die Jahre 2004 bis 2008 und der Jahres und Konzernabschlüsse 2001 bis 2008 der A***** Gruppe AG (vormals A********** Beteiligungs AG). Die Jahres und Konzernabschlüsse samt Bestätigungsvermerken der Beklagten wurden jeweils im Firmenbuch veröffentlicht. Bei sämtlichen Abschlüssen bis zum Jahr 2007 erteilte die Beklagte einen uneingeschränkten Bestätigungsvermerk, bei den Jahresabschlüssen des Jahres 2008 einen eingeschränkten.

Bei den A***** Genussscheinen handelt es sich um ein sogenanntes Schneeballsystem (Pyramidenspiel). Bis zum Oktober 2008 kauften die A***** Gesellschaften die Genussscheine zum jeweiligen Kurswert zurück, ab diesem Zeitpunkt nicht mehr. Im Mai 2010 wurden über die A***** AG und die A***** Gruppe AG Insolvenzverfahren eröffnet.

Mit seiner am 26. 9. 2011 bei Gericht eingelangten Klage begehrt der Kläger den Kaufpreis der Genussscheine samt Agio, hilfsweise Zug um Zug gegen die Übergabe der Genussscheine. Ein weiteres Eventualbegehren lautet auf Feststellung der Haftung der Beklagten für jeden Schaden, der dem Kläger aus dem Ankauf der Genussscheine entstehe. Er wirft der Beklagten vor, sie habe bei Prüfung der Jahres und Konzernabschlüsse zumindest grob fahrlässig gehandelt, indem sie diverse näher angeführte Unrichtigkeiten in den Bilanzen nicht aufgedeckt und uneingeschränkte Bestätigungsvermerke erteilt habe. Gegen den Geschäftsführer der Beklagten werde auch ein Strafverfahren wegen Verdachts der Bilanzfälschung geführt. Wäre die Beklagte ihrer Warnpflicht nachgekommen, hätte der Kläger keine Ankäufe getätigt und allenfalls gehaltene Genussscheine unverzüglich verkauft. Weiters hafte die Beklagte als Prospektprüfer nach dem KMG.

Die Beklagte wandte Verjährung im Hinblick auf § 275 Abs 5 UGB ein. Im Übrigen könne der Kläger nur den Vertrauensschaden fordern. Für das Feststellungsbegehren bestehe kein rechtliches Interesse. Das Verhalten der Beklagten sei nicht kausal für den Schaden des Klägers geworden. Die Beklagte habe die Bilanzen ordnungsgemäß geprüft, allfällige Mängel seien nicht erkennbar gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab, das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Das Klagebegehren sei verjährt. § 275 Abs 5 UGB komme auch in Fällen einer Dritthaftung und selbst bei vorsätzlichem Handeln zur Anwendung. Die Verjährungsfrist beginne mit Eintritt des Primärschadens zu laufen, ohne dass es darauf ankäme, wann der Kläger Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt habe. Der Primärschaden des Klägers sei aber bereits mit dem Kauf der Genussscheine eingetreten. Dass der Kläger bei pflichtgemäßer Prüfung seine Genussscheine sofort wieder verkauft hätte, sei schon deshalb nicht schlüssig, weil bei früherer Aufdeckung der Markt für die A***** Genussscheine früher zusammengebrochen wäre und dann keine Verkaufsmöglichkeit mehr bestanden hätte.

Die Revision wurde zugelassen mangels höchstgerichtlicher Rechtsprechung zur Frage, ob § 275 Abs 5 UGB auch auf geschädigte Dritte anzuwenden sei, ob diese Bestimmung auch bei vorsätzlichem Handeln gelte und wann der (Primär )Schaden bei einem Schneeballsystem eintrete.

Dagegen erhebt der Kläger Revision mit dem Abänderungsantrag, dem Klagebegehren zur Gänze stattzugeben, in eventu, die Urteile der Vorinstanzen aufzuheben.

Die Beklagte beantragt in ihrer Revisionsbeantwortung, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, in eventu, ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf das Abweichen der Berufungsentscheidung von der mittlerweile ergangenen Judikatur des Obersten Gerichtshofs zulässig und im Sinne des eventualiter gestellten Aufhebungsantrags auch berechtigt:

Wie der Oberste Gerichtshof jüngst in seiner Leitentscheidung 3 Ob 230/12p und dem folgend auch in 2 Ob 241/12y ausgesprochen hat, ist für im Rahmen der Tätigkeit als Abschlussprüfer begründete Schadenersatz-Ansprüche nach der Spezialnorm des § 275 Abs 5 UGB, die nicht nur der geprüften Gesellschaft sondern auch gegenüber Dritten anzuwenden ist, je nach dem, ob ein fahrlässiges oder ein vorsätzliches Fehlverhalten zugrunde liegt, die fünfjährige Verjährungsfrist objektiv oder subjektiv anzuwenden.

Hier wird dem Abschlussprüfer die aktive Beteiligung an strafbaren Handlungen in Zusammenhang mit A***** und das Bestehen des Verdachts der Bilanzfälschung vorgeworfen (ON 3), somit vorsätzliches Handeln, sodass von der fünfjährigen Verjährungsfrist in der subjektiven Variante auszugehen ist.

Das Erstgericht wird daher im fortgesetzten Verfahren diese Rechtslage sowie insbesondere die Frage zu erörtern haben, wann der Kläger ausreichende Kenntnis von Schaden und Schädiger erlangt hat. Sollte der Verjährungseinwand unberechtigt sein, wäre sodann die Berechtigung der erhobenen Vorwürfe zu prüfen.

Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 52 ZPO.