JudikaturJustiz2Ob134/17w

2Ob134/17w – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. September 2017

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin Hon. Prof. Dr. Lovrek als Vorsitzende und die Hofräte Dr. Veith und Dr. Musger, die Hofrätin Dr. E. Solé und den Hofrat Dr. Nowotny als weitere Richter in der Verlassenschaftssache nach der am ***** gestorbenen L***** G*****, zuletzt *****, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Erbansprecherinnen 1. G***** R*****, und 2. F***** G*****, beide vertreten durch Dr. Franz Stefan Pechmann, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts Korneuburg vom 23. Mai 2017, GZ 23 R 47/17z 156, mit welchem der Beschluss des Bezirksgerichts Klosterneuburg vom 30. März 2017, GZ 12 A 66/12y 152, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem außerordentlichen Revisionsrekurs wird Folge gegeben. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben, und die Sache wird zur neuerlichen Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

Die Erblasserin hinterließ drei Töchter. In einem 2002 errichteten fremdhändigen Testament setzte sie eine davon als Alleinerbin ein und hielt fest, dass die Pflichtteilsansprüche der beiden anderen durch Vorschüsse erfüllt seien. Punkt V des Testaments lautete wie folgt:

„Dieses Testament habe ich in gleichzeitiger und ununterbrochener Gegenwart dreier erbetener Testamentszeugen als meinen letzten Willen ausdrücklich erklärt und bestätigt, sohin eigenhändig unterfertigt, worauf es auch von [den] Testamentszeugen eigenhändig unterschrieben wurde.“

Die im Testament bedachte Tochter gab (nur) aufgrund des Testaments eine unbedingte Erbantrittserklärung zum gesamten Nachlass ab. Die beiden anderen Töchter gaben aufgrund des Gesetzes eine bedingte Erbantrittserklärung je zur Hälfte des Nachlasses ab. Sie bestritten aus mehreren Gründen die Gültigkeit des Testaments und behaupteten Erbunwürdigkeit ihrer Schwester. Mangels Einigung kam es zum Verfahren über das Erbrecht. Im Revisionsrekursverfahren ist nicht mehr strittig, dass

- die Erblasserin bei Errichtung des Testaments testierfähig war und lesen konnte (§ 581 ABGB aF),

- die bedachte Tochter das Testament in Gegenwart der Erblasserin und der Zeugen laut vorgelesen hatte,

- die Erblasserin das Testament in Gegenwart der Zeugen eigenhändig unterschrieben hatte,

- die Zeugen das Testament eigenhändig und unter Hinweis auf ihre Zeugeneigenschaft unterschrieben hatten,

- die bedachte Tochter nicht erbunwürdig ist.

Gegenstand des Verfahrens ist daher ausschließlich die Frage, ob die Erblasserin in Gegenwart der Zeugen ausdrücklich erklärt hatte, dass die Verfügung ihren letzten Willen enthalte (§ 579 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015). Die beiden anderen Töchter hatten in erster Instanz das Fehlen einer solchen Erklärung („Nuncupatio“) behauptet, die bedachte Tochter hatte dieses Vorbringen bestritten.

Das Erstgericht stellte (erkennbar) das Erbrecht der bedachten Tochter fest und wies die Erbantrittserklärungen der anderen Töchter ab. Zur noch strittigen Frage nahm es als erwiesen an, dass die Erblasserin auf die Zeugen den „Eindruck gemacht“ habe, dass es in ihrem Sinn gewesen sei, dass „ein Testament mit diesem Inhalt in diesem Kreis gemacht wurde“. Das Erfordernis der „ausdrücklichen Erklärung“ iSv § 579 ABGB aF sei erfüllt, weil das Testament und damit auch dessen Punkt V vorgelesen worden sei und die Erblasserin unterschrieben habe.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 30.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei.

Eine „ausdrückliche“ Erklärung iSv § 579 ABGB aF könne auch durch allgemein anerkannte Zeichen abgegeben werden. Dafür genüge im vorliegenden Fall die Unterschrift der Erblasserin, weil das Testament eine solche Erklärung enthalten habe und laut vorgelesen worden sei. Dies unterscheide den Sachverhalt von jenem, der der Entscheidung 5 Ob 185/12k zugrunde gelegen sei. Eine erhebliche Rechtsfrage liege nicht vor, weil die Rechtswirksamkeit des Testaments von den Umständen des Einzelfalls abhänge.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs streben die beiden anderen Töchter (erkennbar) die Feststellung ihres Erbrechts an, hilfsweise stellen sie einen Aufhebungsantrag. Die Unterschrift unter dem Testament könne nach 5 Ob 185/12k nicht die von § 579 ABGB aF geforderte Erklärung ersetzen.

Die bedachte Tochter beantragt in der Revisionsrekursbeantwortung , den Revisionsrekurs zurückzuweisen, hilfsweise ihm nicht Folge zu geben. Maßgebend sei das Gesamtverhalten der Erblasserin; dieses lasse keinen Zweifel an ihrem Testierwillen. Jedenfalls liege aber ein formgültiges mündliches Testament vor; die „Konversion“ habe von Amts wegen stattzufinden.

Rechtliche Beurteilung

Der außerordentliche Revisionsrekurs ist aus dem von den Rechtmittelwerberinnen genannten Grund zulässig ; er ist im Sinn des Aufhebungsantrags berechtigt .

1. Die Gültigkeit des Testaments ist gemäß § 1503 Abs 7 Z 5 ABGB nach § 579 ABGB idF vor dem ErbRÄG 2015 zu beurteilen. Sie setzt daher die vor den Zeugen abgegebene „ausdrückliche“ Erklärung des Erblassers voraus, „dass der Aufsatz seinen letzten Willen enthalte“. Diese Erklärung ist ein selbstständiges Gültigkeitserfordernis, das nicht schon durch die Unterfertigung der letztwilligen Verfügung erfüllt ist; ihr Zweck liegt darin, das Unterschieben einer nicht gewollten Verfügung zu verhindern (5 Ob 185/12k SZ 2012/123 mwN; 2 Ob 61/13d SZ 2013/101; Welser in Rummel/Lukas 4 § 579 Rz 6). Weshalb dieser Zweck auch durch das Verlesen des Testaments durch eine bedachte Person erfüllt sein soll, ist nicht erkennbar. Der Umstand, dass eine Verfügung dem Willen des Erblassers entspricht, kann das Nichterfüllen der gesetzlichen Formerfordernisse nicht substituieren; maßgebend ist nur der gültig erklärte Wille (RIS Justiz RS0012352; Welser in Rummel/Lukas 4 § 601 Rz 1 mwN).

2. Weshalb bei Fehlen jeder mündlichen Erklärung ein mündliches Testament iSv § 585 ABGB idF vor dem FamErbRÄG 2004 vorliegen soll, ist nicht erkennbar (1 Ob 749/83 SZ 56/180). Die von der bedachten Tochter gewünschte Konversion ist daher nicht möglich.

3. Damit ist entscheidend, ob eine über die Unterschrift hinausgehende Erklärung der Erblasserin iSv § 579 ABGB aF vorlag. Dafür ist ihr gesamtes Verhalten zu berücksichtigen, es genügen allgemein angenommene Zeichen, unter Umständen ein Nicken bzw Minenspiel (1 Ob 11/31 SZ 13/9: 6 Ob 16/66 SZ 39/20; Welser in Rummel/Lukas 4 § 579 Rz 6 mwN) oder auch eine Danksagung an die Zeugen, die sich inhaltlich konkret auf die Unterfertigung der letztwilligen Verfügung bezogen hat (5 Ob 185/12k); der bloße (subjektive) Eindruck der Zeugen reicht allerdings nicht (5 Ob 185/12k). Ob ein solches Verhalten vorlag, kann aufgrund der Feststellungen des Erstgerichts nicht beurteilt werden. Danach hat die Erblasserin „den Eindruck gemacht“, dass sie mit dem Testiervorgang einverstanden gewesen sei. Diese Formulierung (Eindruck gemacht ) deutet zwar auf ein iSv § 579 ABGB aF ausreichendes Verhalten, eine zur Bejahung oder Verneinung der Nuncupatio ausreichende Feststellung liegt darin aber ebenso wenig wie eine – der Testamentserbin zur Last fallende (6 Ob 16/66; 5 Ob 185/12k) – Negativfeststellung.

4. Dieser sekundäre Feststellungsmangel führt zur Aufhebung in die erste Instanz. Im fortgesetzten Verfahren sind Feststellungen darüber zu treffen, welches konkrete Verhalten der Erblasserin bei den Zeugen den Eindruck erweckte, dass die Errichtung des Testaments mit diesen Inhalt in diesem Kreis in ihrem Sinn war. Ob dafür eine Ergänzung des Beweisverfahrens erforderlich ist, haben die Vorinstanzen zu beurteilen. Auf der Grundlage des ergänzten Sachverhalts ist dann das Vorliegen der Nuncupatio zu prüfen.

5. Der Kostenvorbehalt gründet sich auf § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG.