JudikaturJustiz2Ob127/88

2Ob127/88 – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. Februar 1989

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Scheiderbauer als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kralik, Dr.Vogel, Dr.Melber und Dr.Kropfitsch als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Zdenka S***, Schneidergehilfin, Koschatstraße 10, 9020 Klagenfurt, vertreten durch Dr.Franz Zimmermann, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei E*** A*** Versicherungs-AG, Brandstätte 7-9, 1010 Wien, vertreten durch Dr.Johann Etienne Korab, Rechtsanwalt in Wien, wegen S 295.470,98 s.A., Feststellung (S 100.000,--) und Zwischenantrag der beklagten Partei auf Feststellung (S 61.000,--), Rekursstreitwert S 61.000,--, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 8.Juni 1988, GZ 16 R 114/88-27, womit das mit "30.2.1988" datierte Zwischenurteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien, GZ 17 Cg 744/86-22, aufgehoben und der Zwischenantrag auf Feststellung der beklagten Partei zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei hat die Kosten ihres Rekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Die Klägerin wurde am 3.August 1984 in Jugoslawien als Insassin des von Marijan G*** gelenkten, bei der Beklagten haftpflichtversicherten PKW mit dem Kennzeichen W 364.327 verletzt. Im vorliegenden Rechtsstreit begehrte sie aus dem Rechtsgrund des Schadenersatzes aus diesem Verkehrsunfall die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von S 295.470,98 sA (Schmerzengeld, Verunstaltungsentschädigung, Zahnbehandlungskosten, Kleiderschaden, Fahrtkosten, Telefonspesen, Trinkgelder und Verdienstentgang); überdies stellte sie ein auf Feststellung der Haftung der Beklagten für künftige Unfallschäden im Rahmen des Haftpflichtversicherungsvertrages gerichtetes Feststellungsbegehren. Die Klägerin stützte ihr Begehren auf die Behauptung, daß Marijan G*** den Unfall allein verschuldet habe. Die Schadenersatzansprüche der Klägerin gegen die Beklagte seien nach österreichischem Recht zu beurteilen, weil zwischen der Klägerin und G*** ein Beförderungsvertrag bestanden habe.

Die Beklagte wendete im wesentlichen ein, daß G*** kein Verschulden an diesem Verkehrsunfall treffe; es habe sich für ihn um ein unabwendbares Ereignis gehandelt. Da zwischen G*** und der Klägerin kein Beförderungsvertrag bestanden habe und am Unfall drei weitere in Jugoslawien zugelassene Fahrzeuge beteiligt gewesen seien, seien die behaupteten Schadenersatzansprüche der Klägerin nach jugoslawischem Recht zu beurteilen.

Die Beklagte stellte einen Zwischenantrag auf Feststellung, "daß die Schadensansprüche der Klägerin aus dem gegenständlichen Verkehrsunfall nach jugoslawischem Recht zu beurteilen seien, und zwar der beklagten Partei gegenüber, sohin auf das Rechtsverhältnis der Streitteile, und die Klägerin auch ein Feststellungsbegehren gestellt habe, sodaß alle weiteren und künftigen Ansprüche nach jugoslawischem Recht zu beurteilen wären, wenn dem Feststellungsbegehren stattgegeben werde" (ON 21 S 106). Die Klägerin sprach sich gegen die Stattgebung dieses Zwischenantrages auf Feststellung aus (ON 21 S 107). Das Erstgericht entschied mit Zwischenurteil (datiert mit "30.2.1988") wie folgt: "Es wird festgestellt, daß die Schadenersatzansprüche der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 3.8.1984 in Bihac/Bosnien, Jugoslawien, bei welchem die Klägerin als Beifahrerin in dem von Marijan G*** gelenkten PKW mit dem polizeilichen Kennzeichen W 364.327, welcher bei der beklagten Partei haftpflichtversichert war, schwer verletzt wurde, nach jugoslawischem Recht zu beurteilen sind, und zwar der beklagten Partei gegenüber und zwar alle klagsgegenständlichen und künftigen Ansprüche der Klägerin gegenüber der beklagten Partei". Aus Anlaß der gegen diese Entscheidung des Erstgerichtes gerichteten Berufung der Klägerin hob das Berufungsgericht mit dem angefochtenen Beschluß dieses Zwischenurteil auf und wies den Zwischenantrag der Beklagten auf Feststellung, daß die Schadenersatzansprüche der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 3. August 1984 nach jugoslawischem Recht zu beurteilen seien, zurück. Das Berufungsgericht sprach aus, daß der Wert des Streitgegenstandes, über den es entschieden hat, S 15.000,-- übersteigt.

Das Berufungsgericht führte im wesentlichen aus, ein Zwischenfeststellungsantrag sei nur zur Feststellung eines streitig gewordenen Rechtsverhältnisses oder Rechtes, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über das Klagebegehren ganz oder zum Teil abhängig sei, zulässig. Gegenstand eines Zwischenfeststellungsantrages sei das Begehren, urteilsmäßig über den Bestand oder Nichtbestand eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses abzusprechen. Eine Tatsache könne nicht Gegenstand der Feststellung sein. Die Wirkung der durch den Zwischenantrag begehrten Feststellung müsse über den konkreten Rechtsstreit hinausreichen. Diese Wirkung müsse aus dem Vorbringen des Antragstellers bzw aus der ganzen Sachlage klar erkennbar sein. Die bloß unkonkretisierte und auch durch den Sachverhalt nicht gedeckte Behauptung, daß die begehrte Feststellung über den Prozeß hinausreiche, genüge nicht. Das festzustellende Recht oder Rechtsverhältnis müsse in der Regel dem Privatrecht entstammen; ausgeschlossen sei die Feststellung unklagbarer Rechte. Das Begehren könne nur auf die Bejahung oder Verneinung eines solchen Rechtes oder Rechtsverhältnisses gerichtet sein und dürfe nicht die Feststellung der Möglichkeit, Zulässigkeit oder Denkbarkeit eines bestimmten Rechtes oder Rechtsverhältnisses bezwecken. Daraus ergebe sich zwingend das Verbot, Feststellungsklagen zum Zweck der rechtlichen Qualifikation eines Rechtsverhältnisses zu erheben. Deshalb seien Feststellungsklagen, wie ein bestimmter Anspruch rechtlich zu qualifizieren sei, unzulässig.

Im vorliegenden Fall habe das Erstgericht mit Zwischenurteil nicht über das Bestehen eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses zwischen der Klägerin und dem Versicherungsnehmer der Beklagten entschieden, nicht darüber, ob der Klägerin als Beifahrerin Ansprüche zustünden, sondern lediglich darüber, welches materielle Recht zur Anwendung kommen solle. Eine Entscheidung über das anzuwendende Recht in Form eines Zwischenurteils entspreche nicht dem Gesetz und sei somit unzulässig. Von der Beklagten sei weder zur Präjudizialität noch zur Begründung ihres rechtlichen Interesses ein Vorbringen erstattet worden. Der gemäß § 259 Abs 2 ZPO gestellte Zwischenantrag solle lediglich prozeßökonomischen Zwecken dienen, nämlich die Frage des anzuwendenden materiellen Rechtes für die zu beurteilenden Schadenersatzansprüche klären. Abgesehen davon, daß die Frage der Anwendung ausländischen Rechtes kein feststellungsfähiges Recht oder Rechtsverhältnis im Sinne der §§ 236, 259 Abs 2 ZPO darstelle, fehle es dem Zwischenantrag auch an der über den Rechtsstreit hinausreichenden Wirkung. Es müsse daher aus Anlaß der zulässigen Berufung der Klägerin die Unzulässigkeit des Zwischenfeststellungsantrages wahrgenommen werden. Das Zwischenurteil des Erstgerichtes sei aufzuheben und der Zwischenantrag auf Feststellung der Beklagten zurückzuweisen. Gegen diese Entscheidung des Berufungsgerichtes richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluß aufzuheben und dem Berufungsgericht die Entscheidung über die Berufung der Klägerin aufzutragen.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt. Gemäß § 259 Abs 2 ZPO kann der Beklagte während der mündlichen Streitverhandlung, ohne der Zustimmung des Klägers zu bedürfen, einen Antrag auf Feststellung im Sinne des § 236 ZPO stellen. Nach § 236 Abs 1 ZPO kann der Kläger ohne Zustimmung des Beklagten bis zum Schluß der mündlichen Verhandlung den Antrag stellen, daß ein im Lauf des Prozesses streitig gewordenes Rechtsverhältnis oder Recht, von dessen Bestehen oder Nichtbestehen die Entscheidung über das Klagebegehren ganz oder zum Teil abhängt, in dem über die Klage ergehenden oder in einem demselben vorausgehenden Urteil festgestellt werde.

Der Zwischenfeststellungsantrag des Beklagten ist ein aktives Abwehrmittel, mit dem er die rechtskräftige und über den Rechtsstreit hinausgehende Feststellung begehrt, daß ein für den Anspruch des Klägers präjudizielles Rechtsverhältnis nicht besteht (siehe dazu Fasching, Zivilprozeßrecht Rz 1076 ff). Gegenstand des Zwischenfeststellungsantrages ist das Begehren, urteilsmäßig über den Bestand oder Nichtbestand eines Rechtes oder Rechtsverhältnisses abzusprechen (Fasching, Kommentar III 132 f). Daraus ergibt sich, daß die Stellung eines Zwischenfeststellungsantrages nur zu dem Zweck, eine Rechtsfrage für sich allein herauszuheben und zum Gegenstand eines Urteils zu machen, ebenso unzulässig ist (JBl 1961, 327; SZ 51/96; 7 Ob 585/78; 9 Ob A 194/87 ua) wie zum Zweck der bloßen rechtlichen Qualifikation eines bestimmten, in seinem Bestand unbestrittenen Rechtsverhältnisses (siehe dazu Fasching, Kommentar III 58 f und für Zivilprozeßrecht Rz 1093). Die Beklagte weist in ihrem Rechtsmittel zutreffend darauf hin, daß in der Rechtsprechung die Frage, ob ein bestimmter Bestandvertrag den Bestimmungen des Mietengesetzes unterlag oder nicht, für feststellungsfähig erachtet wurde (MietSlg 3751 ua). Daraus ist aber zu ihren Gunsten nichts zu gewinnen. Denn in Wahrheit handelte es sich dabei darum, daß damit über den Bestand oder Nichtbestand eines aus der Anwendung oder Nichtanwendung des Mietengesetzes abgeleiteten Rechtes entschieden wurde (siehe dazu Fasching, Kommentar III 59). Im vorliegenden Fall strebt aber die Beklagte die Feststellung an, daß die von der Klägerin behaupteten Schadenersatzansprüche nach jugoslawischem Recht zu beurteilen seien. Dabei handelt es sich ausschließlich um die Beurteilung einer einzelnen für Bestand und Höhe des Klagsanspruches bedeutsamen Rechtsfrage, die im Sinne des § 3 IPRG von Amts wegen zu erfolgen hat, nicht aber um die Feststellung eines im Lauf des Prozesses streitig gewordenen Rechtsverhältnisses. Dies wird schon aus der Überlegung deutlich, daß auch im Fall der Stattgebung des von der Beklagten gestellten Zwischenfeststellungsantrages über Bestand und Höhe der von der Klägerin behaupteten Schadenersatzforderungen in keiner Weise bindend abgesprochen wäre.

Mit Recht hat unter diesen Umständen das Berufungsgericht die Zulässigkeit des von der Beklagten gestellten Zwischenfeststellungsantrages verneint.

Dem Rekurs der Beklagten muß daher ein Erfolg versagt bleiben. Die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels hat die Beklagte selbst zu tragen (§§ 40, 50 ZPO).