JudikaturJustiz2Ob102/97g

2Ob102/97g – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Mai 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Angst als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Graf, Dr.Schinko, Dr.Tittel und Dr.Baumann als weitere Richter in der Pflegschaftssache des am 17.Dezember 1981 geborenen Johannes M***** infolge Revisionsrekurses 1. des Vaters Dr.Adolf M*****, vertreten durch Dr.Gunter Griss, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 26.November 1996, GZ 2 R 549/96a-16, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 3.Oktober 1996, GZ 6 P 2403/95d-7, bestätigt wurde, und 2. der Eltern Dr.Adolf M*****, und Christine M*****, vertreten durch Dr.Gunter Griss, Rechtsanwalt in Graz, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Leoben als Rekursgericht vom 26.November 1996, GZ 2 R 550/96y-17, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Bruck an der Mur vom 7.Oktober 1996, GZ 6 P 2403/95d-9 bestätigt wurde, den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

1. Der Revisionsrekurs gegen den Beschluß ON 17 wird, soweit er die Punkte 1 und 2 a) und b) des Beschlusses des Erstgerichtes vom 7. Oktober 1996 (ON 9) betrifft, zurückgewiesen.

2. Im übrigen wird den Revisionsrekursen teilweise Folge gegeben

a) Die Entscheidungen des Rekursgerichtes werden dahin abgeändert, daß der Beschluß des Erstgerichtes vom 3.Oktober 1996 (ON 7) sowie der letzte Absatz des Punktes 2 und der Punkt 4 des Beschlusses des Erstgerichtes vom 7.Oktober 1996 (ON 9) aufgehoben werden.

b) Soweit der Beschluß des Rekursgerichtes ON 17 den Punkt 3 des Beschlusses des Erstgerichtes vom 7.Oktober 1996 (ON 9) betrifft, wird er bestätigt.

Text

Begründung:

Der Vater des am 17.12.1981 geborenen Minderjährigen und dessen Mutter sowie Großmutter betrieben mit anderen Beteiligten ein Forstgut in Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts; zu dem Gut gehörten Liegenschaften in der Größe mehrerer tausend Hektar; sein Verkehrswert wurde im Jahre 1993 unter Berücksichtigung des mehrfachen Eigentums mit 254 Millionen Schilling geschätzt. Mit Notariatsakt vom 16.12.1992 übertrug die Großmutter des Minderjährigen ihrem Sohn zu dessen bisherigen 20 % weitere 20 % der Geschäftsanteile am Forstgut und willigte in die Verbücherung der damit korrespondierenden Miteigentumsanteile an den betreffenden Liegenschaften ein. In dem Notariatsakt (Punkt 4) verpflichtete sich der Übernehmer (Vater des Minderjährigen), die Liegenschaftsanteile ohne Zustimmung seiner Mutter, der Übergeberin, nicht zu veräußern und nicht zu belasten und räumte ihr demgemäß das Veräußerungs- und Belastungsverbot nach § 364 c ABGB ein, wobei der Übernehmer jedoch berechtigt wurde, die Liegenschaftsanteile bis zu einem Höchtsbetrag von 25 Millionen Schilling zu belasten, und sich die Verbotsberechtigte in diesem Fall verpflichtete, die erforderlichen Zustimmungserklärungen grundbuchsfähig zu unterfertigen. Weiters verpflichtete sich der Übernehmer im Punkt 5 des Notariatsaktes, die Liegenschaftsanteile seinem Sohn über dessen jederzeitige Aufforderung, frühestens jedoch am 17.12.2006, schenkungsweise in dessen Eigentum zu übertragen. Eine Verbücherung dieses Notariatsaktes unterblieb.

Am 31.10.1994 schlossen die Großmutter des Minderjährigen und sein Vater in Form eines Notariatsaktes einen neuen, als Nachtrag zum oben genannten Notariatsakt formulierten Vertrag. In dieser Vereinbarung erklärten sie, den Punkt 5 des Notariatsvertrages vom 16.12.1992 vollinhaltlich rückwirkend aufzuheben und diesen neu zu formulieren, indem sich der Vater des Minderjährigen nun verpflichtete, seinem Sohn entweder den Rest aus der Differenz zwischen dem Verkaufserlös und des zur Abdeckung sämtlicher Verpflichtungen notwendigen Kapitals in bar zu verschaffen oder aber die nach Abdeckung seiner Verpflichtungen verbleibenden Grundstücksreste zu übertragen. Die Vertragsparteien fügten erklärend an, das Forstgut solle zur Verwirklichung eines umfangreichen Sanierungskonzeptes real geteilt und die dem Vater zugefallenen Liegenschaften zur Abdeckung von Verbindlichkeiten verkauft werden. Mit Vertrag vom September 1995 gelang die Realteilung des Gutes und im November 1995 der Verkauf der dem Vater zugewiesenen Revieranteile um 145 Millionen Schilling. Mit diesem Kaufpreis wurden nach einer vorliegenden Aufstellung aushaftende Verbindlichkeiten, Provisionen und Honorare, die im Zusammenhang mit der Unternehmenssanierung angefallen waren, abgedeckt, sodaß zuletzt noch ein Guthaben auf einem Sparbuch von S 20,506.548 sowie ein Kontoguthaben von S 24.710 verblieben.

Von diesen Vorgängen erhielt das Erstgericht erstmals durch eine (ua) vom Vater überreichte Eingabe vom September 1996 Kenntnis. In dieser Eingabe wird ausgeführt, daß nach Auflassung einer kaufvertraglichen Bindung für einen Gewährleistungs- und Haftrücklaß von S 5 Mio, welche Anfang Dezember 1996 erfolgen werde, ein Resterlös von über S 20 Mio frei verfügbar sein werde, für welchen die Auflage der Übertragung an den Minderjährigen nach Vollendung des 25.Lebensjahres gemäß Punkt 5 des Notariatsaktes vom 16.12.1992 in der Fassung des Nachtrages vom 31.10.1994 gelte. Das durch diese Auflage gebundene Vermögen werde derzeit (bis zum Ablauf der Bindungsfrist aus dem Kaufvertrag) vom Vertreter des Vaters auf einem als Anderkonto deklarierten Sparbuch treuhändig verwahrt. Nach Ablauf der Bindungsfrist werde dieses Vermögen vom Treuhänder an den Vater übertragen werden und von diesem sodann weiter mit pflegschaftsgerichtlicher Genehmigung zu veranlagen sein. Es wird beantragt, den Bericht des Vaters vorläufig pflegschaftsbehördlich zur Kenntnis zu nehmen und ihn zu beauftragen, nach Ablauf der kaufvertraglichen Bindungsfrist für den Gewährleistungs- und Haftrücklaß von S 5 Mio nochmals zu berichten, das nach Ablauf dieser Bindungsfrist vorhandene Vermögen nochmals anzugeben und einen Vorschlag für die weitere Veranlagung dieses Vermögens zu unterbreiten. Dazu wird ausgeführt, es sei schon 1992 die Notwendigkeit einer Entschuldung im Raume gestanden. Damals habe man vermeint, den Entschuldungsaufwand mit S 25 Mio abschätzen zu können; dies sei der Grund für die eingeräumte Möglichkeit gewesen, die Liegenschaften ungeachtet des zugunsten der Übergeberin vereinbarten Veräußerungs- und Belastungsverbotes bis zum Höchstbetrag von S 25 Mio zu belasten. Später habe man aber erkennen müssen, daß eine Entschuldung nur durch Realteilung und Verkauf der Anteile durchführbar sei. Mit dem Verkaufserlös sollten alle Verbindlichkeiten getilgt werden, erst ein fälliger Resterlös oder Grundstücksrest solle dem Minderjährigen zugewendet werden. Deshalb habe man mit dem Nachtrag vom 31.10.1994 den Punkt 5 des Vertrages vom 16.12.1992 geändert. Wie schon in diesem Vertrag sollte die Begünstigung des Minderjährigen erst mit dessen 25.Geburtstag (17.12.2006) wirksam werden, wenngleich dies im Nachtrag nicht eigens festgehalten worden sei. Nach Abzug der Kosten für die zwischenzeitlich abgeschlossene Sanierung sei vom Erlös aus den Liegenschaftsverkäufen ein Überschuß von rund S 20 Mio verblieben.

Mit Beschluß vom 3.10.1996 (ON 7) wies das Erstgericht die S***** Bank- ***** AG an, das auf den Vater des Minderjährigen lautende Sparbuch mit einem Einlagenstand von S 20,506.548 sofort mit dem Vermerk "Mündelgeld für mj.Johannes M*****....." zu versehen und so zu sperren, daß Verfügungen über dieses Sparbuch nur mit ausdrücklicher schriftlicher Zustimmung des Erstgerichtes möglich sind.

In Punkt 1 des Beschlusses vom 7.10.1996 (ON 9) legte das Erstgericht seinen rechtlichen Standpunkt zum Bericht des Vaters wie folgt dar:

a) der Punkt 5 des Notariatsaktes vom 16.12.1992 stelle einen echten Vertrag zugunsten des Minderjährigen dar, der zu dessen Lasten nicht mehr abgeändert werden habe können, weshalb er formell weiterhin rechtswirksam sei;

b) trotzdem sei mit Notariatsakt vom 31.10.1994 in die bereits erworbenen Rechte des Minderjährigen durch Aufhebung des Punktes 5 des Notariatsaktes vom 16.12.1992 und dessen Neufassung zu dessen Lasten eingegriffen worden;

c) durch den Realteilungsvertrag vom 13.9.1995 und den folgenden Kaufvertrag vom 2.11.1995 sei praktisch die materiell-rechtliche Durchsetzung dieser formalrechtlich bestehenden Ansprüche des Minderjährigen aus Punkt 5 des Notariatsaktes vom 16.12.1992 abgeschnitten worden, weil die Käufer der Liegenschaften zweifellos gutgläubig gewesen seien.

Unter Punkt 2 dieses Beschlusses stellte das Erstgericht fest, daß es über sämtliche Vorgänge erstmals durch den Bericht vom 16.9.1996 informiert worden (Abs 1 lit a) und daß die erforderliche pflegschaftsbehördliche Genehmigung des Vertrages vom 31.10.1994 nicht eingeholt worden sei (Abs 1 lit b). Aufgrund dieser nicht rechts- und vertragskonformen Vorgangsweise werde zur Vermeidung jeglicher Mißverständnisse zu dem Bericht vom 16.9.1996 ausdrücklich darauf hingewiesen, daß jegliche rückwirkende oder gegenwärtige Billigung, geschweige denn Genehmigung, der geschaffenen vollendeten Tatsachen ausdrücklich versagt werde (Abs 2).

Unter Punkt 3 dieses Beschlusses wurde zur Wahrung der Rechte des Minderjährigen und zur Prüfung, welche rechtlichen Möglichkeiten ihm zur Wahrung seiner Rechte derzeit offenstehen, ein Rechtsanwalt zum Widerstreitsachwalter für den Minderjährigen bestellt und beauftragt, dem Gericht binnen zwei Monaten nach Rechtskraft des Beschlusses darüber schriftlich zu berichten bzw allfällige rechtliche Vorgangsweisen zu unterbreiten. Unter Punkt 4 wurden zur sofortigen Sicherung des dem Minderjährigen zukommenden Vermögens die über das Sparkonto bei der S***** Bank- ***** AG mit einem Einlagenstand von S 20,506.548 verfügungsberechtigten Rechtsanwälte Dr.G***** und Dr.M***** angewiesen, dieses Sparbuch so lange für das gefertigte Gericht in Verwahrung zu halten und nicht an den Vater oder an die Mutter oder an eine sonstige Person weiterzugeben, bis über Auftrag des gefertigten Gerichtes nach Vorschlag der Eltern eine entsprechende mündelsichere und zugunsten des gefertigten Gerichtes zu sperrende andere Veranlagung erfolge. Die S***** Bank- ***** AG wurde ebenfalls angewiesen, die Sperre zugunsten des gefertigten Gerichtes vorzunehmen.

In der Begründung des Beschlusses führte das Erstgericht aus, der Minderjährige habe im Vertrag vom 16.12.1992 als begünstigter Dritter unmittelbar Rechte erworben; seine Rechte hätten zu seinen Lasten nicht mehr abgeändert werden dürfen. Die später vorgenommene Abänderung habe seine Vermögensrechte geschmälert. Die Notwendigkeit einer Sanierung des Vermögens des Vaters sei zwar einsehbar, doch hätten die Vermögensrechte des Minderjährigen dabei nicht geschmälert werden dürfen. Jedenfalls bedürfe es der Bestellung eines Widerstreitsachwalters. Da nach dem Notariatsakt vom 31.10.1994 der Minderjährige sofort Vermögensrechte erworben habe, sei es geboten gewesen, sogleich Sicherungsmaßnahmen zu seinen Gunsten zu ergreifen.

Den gegen diese Beschlüsse erhobenen Rekursen wurde keine Folge gegeben; das Rekursgericht bewertete den Entscheidungsgegenstand jeweils mit über 50.000 S und sprach aus, daß der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei.

Zum Beschluß des Erstgerichtes ON 7 führte das Rekursgericht aus, daß es sich bei dem Sparguthaben um ein gebundenes Vermögen handle, welches die vom Erstgericht verfügte Sicherungsmaßnahme rechtfertige. Obwohl die Bestimmungen über die Sperre und Inventur und die gerichtliche Verwahrung (§ 193 Abs 2 Satz 3 AußStrG) nach herrschender Ansicht nur für den Fall der Vermögensverwaltung durch Vormünder oder Kuratoren anzuwenden seien, würden hier die Höhe des Vermögens sowie die Vorgeschichte die vom Erstgericht einstweilen bestimmten Maßnahmen zur Vermögenssicherung rechtfertigen.

Der ordentliche Revisionsrekurs gegen diese Entscheidung des Rekursgerichtes (ON 16) wurde für zulässig erachtet, weil Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes aus jüngerer Zeit darüber fehle, ob Verfügungen der vorliegenden Art unstatthaft in die Rechte Dritter eingreifen.

Zum Beschluß des Erstgerichtes ON 9 führte das Rekursgericht aus, daß es sich bei den ersten beiden Punkten dieser Entscheidung um bloße Absichtserklärungen, Erläuterungen und Klarstellungen handle. Auch zur Frage einer nachträglichen pflegschaftsbehördlichen Genehmigung lasse der Beschluß keine unverrückbaren Standpunkte des Erstgerichtes erkennen. Das Erstgericht habe lediglich sicherstellen wollen, daß seine Vorgangsweise nicht als Genehmigung der ohne seine Befassung abgeschlossenen Verträge gedeutet werden dürfe; dem sei beizutreten.

Das Rekursgericht billigte auch die Bestellung eines Widerstreitsachwalters. Die Absicht der Parteien des Vertrages vom 16.12.1992 könne durchaus zu einer Qualifikation als echter Vertrag zugunsten Dritter führen. Bei einer derartigen Konstellation sei das Gebot, zur Abklärung der Rechtsposition des Minderjährigen einen Widerstreitsachwalter zu bestellen, offenkundig. Es liege eine Kollision sowohl im formellen als auch im materiellen Sinn vor, worauf mit dem Bestellen eines Widerstreitsachwalters zu reagieren sei. Das Erstgericht habe dem Widerstreitsachwalter auch nicht die Einleitung kostspieliger Prozesse aufgetragen, sondern werde es der sorgfältigen Beurteilung des Sachwalters und der nachfolgenden Überprüfung des Pflegschaftsgerichtes obliegen, inwieweit und ob dem Minderjährigen wirklich mit dem Einleiten eines Prozesses gedient werde. Allfällige Erhebungen könnten durchaus noch den Schluß zulassen, die Parteienabsicht sei nicht darauf gerichtet gewesen, dem Minderjährigen unmittelbar Rechte einzuräumen. Unumstößlich stehe aber nach all dem eine Interessenkollision des Minderjährigen mit seinem gesetzlichen Vertreter fest, was die Bestellung eines Widerstreitsachwalters erzwinge (§ 271 ABGB).

Der ordentliche Revisionsrekurs wurde für zulässig angesehen, weil jüngere höchstgerichtliche Rechtsprechung zu den aufgeworfenen Fragen, insbesondere zur Interpretation eines dem § 881 ABGB subsumierbaren Vertrages aus pflegschaftsbehördlicher Sicht, fehle.

Gegen die Bestätigung des Beschlusses des Erstgerichtes ON 7 richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters mit dem Antrag, diesen Beschluß ersatzlos aufzuheben. Gegen die Bestätigung des Beschlusses des Erstgerichtes ON 9 richtet sich der Revisionsrekurs des Vaters und der Mutter mit dem Antrag, auch diesen Beschluß ersatzlos aufzuheben; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revisionsrekurse sind zulässig, sie sind zum Teil auch berechtigt.

Zum Beschluß des Erstgerichtes ON 7 wird im Revisionsrekurs geltend gemacht, die Eltern seien in der Vermögensverwaltung freier als andere gesetzliche Vertreter; Sicherungsmaßnahmen seien nur dann zu treffen, wenn das Kindesvermögen gefährdet sei. Das mit Beschluß des Erstgerichtes gesperrte Sparguthaben sei kein Mündelvermögen, sondern stehe dem Vater des Minderjährigen zu, der es nach Abdeckung aller Verpflichtungen seinem Sohn zu übertragen habe. Nach dem Parteiwillen solle der Minderjährige das Vermögen erst mit Vollendung des 25. Lebensjahres erhalten. Das Sparguthaben wäre aber selbst dann nicht Mündelvermögen, wenn dem Minderjährigen schon jetzt ein Anspruch auf Übertragung des Guthabens zustünde. In diesem Fall besäße der Minderjährige eine fällige Forderung gegen seinen Vater, ihm das Vermögen zu übertragen. Sollte das Pflegschaftsgericht diese Ansicht vertreten, sei der Vater bereit, das Vermögen seinem Sohn schon jetzt zu übertragen und über die Vermögensveranlagung dem Pflegschaftsgericht zu berichten. Eine Sicherung der Forderung des Minderjährigen gegen seinen Vater durch Sperre des Sparguthabens widerspreche dem Gesetz, weil damit in die Rechte eines Dritten - des Vaters als Inhaber des Sparguthabens - eingegriffen werde und weil eine Gefährdung der Forderung des Minderjährigen gegen seinen Vater weder festgestellt noch sonst dem Akt zu entnehmen sei. Die Höhe der Forderung sei jedenfalls für die Frage der Gefährdung ohne Belang. Der Vater habe durch seinen Bericht vom 16.9.1996 bewiesen, daß er die Bindung des Vermögens für den Minderjährigen anerkenne und auch bereit sei, das Guthaben im Einvernehmen mit dem Pflegschaftsgericht zu veranlagen.

Hinsichtlich des erstgerichtlichen Beschlusses ON 9 wird im Revisionsrekurs ausgeführt, daß es sich bei den Punkten 1 und 2 des angefochtenen Beschlusses um Absichtserklärungen, Erläuterungen und Klarstellungen des Pflegschaftsrichters handle; derartige Rechtsausführungen und Feststellungen seien aber nicht Gegenstand des Spruches eines Beschlusses. Der Beschluß sei insoweit ersatzlos aufzuheben.

Zur Bestellung des Widerstreitsachwalters wird im Revisionsrekurs geltend gemacht, daß weder eine Kollision im formellen noch eine solche im materiellen Sinn bestehe. Der Vater habe seinem Sohn Vermögen zu übertragen, er anerkenne dies und füge sich in der Frage der Fälligkeit der Entscheidung des Pflegschaftsgerichtes. Dem Minderjährigen stünden auch keine Schadenersatzansprüche gegen seinen Vater zu, deren Geltendmachung die Bestellung eines Kurators notwendig machten. Die Vertragspartner der Vereinbarung vom 16.12.1992 hätten dem Minderjährigen keine unwiderrufliche Rechtsposition einräumen wollen; selbst wenn dies aber der Fall gewesen wäre, wäre die Drittbegünstigung wegen Wegfalles der Geschäftsgrundlage unwirksam, weil beide Parteien von einem Sanierungsbedarf von S 25 Mio ausgegangen seien; im nachhinein habe sich jedoch herausgestellt, daß der Sanierungsbedarf höher war. Schadenersatzansprüche des Minderjährigen seien demnach ausgeschlossen und sei es auch nicht evident, daß dem Minderjährigen mehr an Vermögen zugekommen wäre, wenn er von seinem Vater den 20 %igen Anteil übertragen erhalten hätte. Vielmehr sei das Gegenteil der Fall, weil bei einer Zwangsverwertung des 20 %igen Anteiles der Erlös nicht einmal ausgereicht hätte, um die Verbindlichkeiten des Vaters und der Großmutter zu decken. Dem Minderjährigen wäre vielmehr nichts geblieben. Durch die gelungene Sanierung hätten rund S 20 Mio für den Minderjährigen gerettet werden können. Dem Minderjährigen sei demnach nicht nur kein Schaden entstanden, sondern sei seine Vermögenslage weit besser als sie es wäre, hätte das Unternehmen nicht durch den Verkauf saniert werden können. Die dem Widerstreitsachwalter aufgetragene Überprüfung der Sach- und Rechtslage sei auch nicht Aufgabe eines Kurators, sondern des Gerichtes.

Diese Ausführungen sind zum Teil zutreffend. Was die Punkte 1 und 2 des Beschlusses des Erstgerichtes ON 9 betrifft, so ist es richtig, daß die dort geäußerten Absichtserklärungen, Erläuterungen und Klarstellungen nicht Gegenstand des Spruches einer gerichtlichen Entscheidung sind. Gerichtliche Entscheidungen sind vielmehr hoheitliche Willenserklärungen des Gerichtes, mit denen es eine Rechtsfolge anordnet oder ausspricht (Fasching, LB**2 1373), Rechtsfolgen werden aber in den Punkten 1 und 2 lit a und b des erstgerichtlichen Beschlusses ON 9 weder angeordnet noch ausgesprochen. Es fehlt daher das Rechtsschutzinteresse zu deren Anfechtung, weshalb der Rekurs in diesem Umfang vom Rekursgericht zurückzuweisen gewesen wäre, zumal nur eine gerichtliche Entscheidung angefochten werden kann, eine solche nach dem Gesagten in den angeführten Teilen aber nicht vorliegt. Die Revisionsrekurswerber sind aber nicht dadurch beschwert, daß dies nicht geschehen und daß ihrem Rekurs statt dessen nicht Folge gegeben wurde. Es fehlt das Rechtsschutzinteresse dafür, daß ihr Rekurs in Abänderung des angefochtenen Beschlusses statt ab- zurückgewiesen wird. Der Revisionsrekurs ist daher in diesem Punkt mangels Beschwer zurückzuweisen.

Soweit im letzten Absatz des Punktes 2 des erstgerichtlichen Beschlusses ON 9 "jegliche rückwirkende oder gegenwärtige Billigung geschweige denn Genehmigung der geschaffenen vollendeten Tatsachen ausdrücklich versagt" wird, kann dies noch als hoheitliche Willenserklärung mit Rechtsfolgen gewertet werden. Da hiefür nach der derzeitigen Verfahrenslage jede gesetzliche Grundlage fehlt und insbesondere die pflegschaftsbehördliche Genehmigung von "Tatsachen" ohnedies nicht in Betracht kommt, war dieser Teil des erstgerichtlichen Beschlusses ersatzlos zu beheben.

Hinsichtlich der Frage der Bestellung eines Kurators ordnet § 271 ABGB an, daß das Gericht in Geschäften, welche zwischen Eltern und einem minderjährigen Kinde vorfallen, das Gericht "angegangen werden" muß, für den Minderjährigen einen besonderen Kurator zu bestellen. Der Ausdruck "Geschäfte" in § 271 ABGB ist weit auszulegen: Darunter fallen ein- und mehrseitige Rechtsgeschäfte, Rechtshandlungen, Rechtsverhältnisse, Rechtsstreite und behördliche Verfahren; der Begriff ist so weit zu fassen, wie Kollision im materiellen Sinn droht (RZ 1966, 163; Pichler in Rummel**2 Rz 3 zu §§ 271, 272). Eine solche Kollision droht, wenn bei Kollision im formellen Sinn zusätzlich noch ein Interessenwiderspruch besteht. Dieser kann sich auch aus den Interessen anderer Personen als des Vertretungsbefugten ergeben, wenn letzterer geneigt sein könnte, diese Interesse denen des von ihm Vertretenen vorzuziehen. Kollision im formellen Sinn liegt vor, wenn ein zufolge Gesetz oder behördlicher Verfügung Vertretungsbefugter in bestimmten Angelegenheiten nicht nur zu vertreten, sondern auch im eigenen oder im Namen Dritter zu handeln hätte. Voraussetzung für die Kuratorbestellung ist Kollision im formellen und materiellen Sinn (10 ObS 5/95 mwN). Die Bestellung eines Kurators setzt nicht voraus, daß der Interessenwiderspruch schon zu einer Schädigung des Minderjährigen geführt hat, vielmehr soll durch die Bestellung des Kurators eine derartige Schädigung hintangehalten werden. Ein Kurator ist also schon dann zu bestellen, wenn aufgrund eines objektiv gegebenen Interessenwiderspruches eine Gefährdung der Interessen des Minderjährigen möglich ist. Im vorliegenden Fall besteht ein derartiger Widerspruch zwischen den Interessen des Vaters einerseits und jenen des Minderjährigen andererseits. Ein derartiger Interessenwiderspruch besteht schon in der Frage, wann das auf dem Sparbuch erliegende Vermögen an den Minderjährigen auszufolgen ist. Während der Vater hiezu die Ansicht vertritt, daß dieses Vermögen erst mit Vollendung des 25.Lebensjahres auszufolgen ist, sind auch Interessen des Minderjährigen, die auf eine frühere Ausfolgung gerichtet sind, vorstellbar. Der Vertrag selbst enthält in diesem Punkt keine eindeutige Regelung.

Daß die vom Vater des Minderjährigen durchgeführte Unternehmenssanierung seinen eigenen Interessen diente, ist evident; daß sie auch im Interesse des Minderjährigen geschah, hingegen nicht. Auch und vor allem hier ist der Widerstreit zwischen den Interessen des Pflegebefohlenen und jenen des Vaters objektiv gegeben, mag auch eine Prüfung ergeben, daß den Interessen des Minderjährigen nicht zuwider gehandelt wurde. Dies setzt aber voraus, daß dem Minderjährigen auch die Möglichkeit gegeben wird, sich zu dieser Frage durch einen nicht im Interessenwiderstreit befindlichen Vertreter zu äußern. Hinsichtlich des Punktes 3 des Beschlusses des Erstgerichtes ON 9 war dem Revisionsrekurs daher nicht Folge zu geben.

Was nun die Sperre und Anordnung der Verwahrung des Sparbuches betrifft (Beschluß des Erstgerichtes ON 7 und Punkt 4 des Beschlusses ON 9), so ist es richtig, daß es sich dabei nicht um Vermögen des Minderjährigen, sondern um ein solches des Vaters handelt. Ein Anspruch des Pflegebefohlenen auf Ausfolgung des Guthabens kann nur aufgrund der §§ 379 ff EO durch eine einstweilige Verfügung gesichert werden, wobei hier zur Antragstellung der ohnedies bestellte Widerstreitkurator berufen wäre. Eine solche Verfügung kann aber nicht im Rahmen eines Pflegschaftsverfahrens getroffen werden, wenn sich das Guthaben nicht im Vermögen des Pflegebefohlenen befindet. Unter diesen Umständen muß nicht erörtert werden, ob ihr nicht auch noch andere Gründe, wie etwa, daß eine konkrete Gefährdung nicht bescheinigt wurde (vgl 3 Ob 2204/96), entgegenstehen.

Es war sohin in teilweiser Stattgebung der Revisionsrekurse spruchgemäß zu entscheiden.

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