JudikaturJustiz26Ds4/17p

26Ds4/17p – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. Mai 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 29. Mai 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Buresch und Dr. Morent sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hoch, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Gschiel, LL.M., als Schriftführerin in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 12. Oktober 2016, AZ D 182/14, DV 78/15 und D 160/14, DV 106/15, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin MMag. Jennichl, des Kammeranwalt-Stellvertreters Dr. Boesch, des Beschuldigten und seines Verteidigers Dr. Breitenfeld zu Recht erkannt:

Spruch

Aus Anlass der Berufung wird das angefochtene Erkenntnis, das im Übrigen unberührt bleibt, in der Subsumtion der Tat zu 2./ als Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung nach § 1 Abs 1 erster Fall DSt sowie demzufolge im Strafausspruch aufgehoben und hinsichtlich dieser Tat in der Sache selbst erkannt:

*****, Rechtsanwalt in ***** ist schuldig, er hat seine Leistungen gemäß Honorarnote vom 13. März 2014 gegenüber Bekim S***** überhöht abgerechnet, da die geltend gemachte Honorarforderung von 19.561,81 Euro sowohl auf einer Verrechnung nach Einheitssatz als auch auf Einzelleistungen (Korrespondenz, Telefonate) sowie der Heranziehung einer überhöhten Bemessungsgrundlage beruht, was einem größeren Personenkreis, nämlich Anton S***** und Organen der Rechtspflege, nämlich der Staatsanwaltschaft Wien, bekannt wurde. Er hat hiedurch das Disziplinarvergehen der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 zweiter Fall DSt begangen.

Er wird hiefür sowie für die ihm weiterhin zur Last liegenden Disziplinarvergehen unter Bedachtnahme auf das Erkenntnis des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 9. November 2015 zu AZ D 205/13 und D 162/14 gemäß § 16 Abs 1 Z 3 DSt zur Disziplinarstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für die Dauer von drei Monaten als Zusatzstrafe verurteilt.

Gemäß § 16 Abs 2 DSt wird die Disziplinarstrafe unter Bestimmung einer Probezeit von einem Jahr bedingt nachgesehen.

Im Übrigen wird der Berufung wegen Nichtigkeit und Schuld nicht Folge gegeben. Mit seiner Berufung wegen Strafe wird der Beschuldigte auf die Strafneubemessung verwiesen.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde *****, Rechtsanwalt in *****, der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung (1./ bis 3./) und des Disziplinarvergehens der „Beeinträchtigung des Ansehens des Standes“ (3./) schuldig erkannt.

Danach hat er

1./ aus einem von Anton S***** am 3. Jänner 2014 eingezahlten, als Kaution für Bekim S***** gewidmeten Betrag von 19.000 Euro trotz mehrfacher Aufforderung des Einzahlers diesen Betrag mangels Erwirkung der Freilassung von Bekim S***** im Verfahren ***** zu refundieren, erst am 15. Dezember (richtig: [vgl RS 5]) 2015 gezahlt;

2./ seine Leistungen gemäß Honorarnote vom 13. März 2014 gegenüber Bekim S***** überhöht abgerechnet, da die geltend gemachte Honorarforderung von 19.561,81 Euro sowohl auf einer Verrechnung nach Einheitssatz als auch auf Einzelleistungen (Korrespondenz, Telefonate) sowie der Heranziehung einer überhöhten Bemessungsgrundlage beruht;

3./ am 12. Juni 2014 in Vertretung der B***** KEG sowie von M***** bei der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft gegen DI Walter K*****, die ***** GmbH, die ***** Aktiengesellschaft, Lars Bl*****, Regina Mi***** und die L***** GmbH ohne Prüfung und Begründung der erhobenen schwerwiegenden Vorwürfe lediglich zum Zweck der Druckausübung und Einschüchterung eine Sachverhaltsdarstellung eingebracht.

Unter Berücksichtigung des Erkenntnisses des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 9. November 2015, AZ D 205/13 und D 162/14, wurde der Beschuldigte zu einer unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen (ON 38) Zusatzstrafe der Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft für eine Dauer von vier Monaten verurteilt, wobei „die nach § 19 [zu ergänzen: Abs 3 Z 1 lit b; vgl ON 26] DSt verhängte Teilsperre“ im Zeitraum vom 24. Februar 2016 bis 22. April 2016 in der Dauer von einem Monat auf die Strafe angerechnet wurde.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die auch Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 5 StPO relevierende (vgl RIS Justiz RS0128656 [T1]) Berufung des Disziplinarbeschuldigten wegen Schuld und Strafe.

Die Berufung verfehlt ihr Ziel:

1. Zum als Aktenwidrigkeit kritisierten Fehlen des Ausspruchs über die bedingte Strafnachsicht ist auf die mit Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer Wien vom 29. März 2017 vorgenommene „Berichtigung“ (richtig: Angleichung; vgl RIS Justiz RS0098973, RS0098948) der schriftlichen Ausfertigung an das mündlich verkündete Erkenntnis zu verweisen (ON 38).

Die – lediglich im Zuge der Nennung der bei der mündlichen Disziplinarverhandlung anwesenden Personen erfolgte (ES 2) – Bezeichnung des Kammeranwalt-Stellvertreters als „Kammerstellvertreter“ stellt einen unbeachtlichen Schreibfehler dar (vgl RIS Justiz RS0107358).

2. Die gegen den Schuldspruch 3 . / gerichtete Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld vermag mit den Hinweisen auf den vom Kammeranwalt Stellvertreter diesbezüglich beantragten Freispruch, die mehr als sechswöchige Bearbeitungsdauer der gegenständlichen Anzeige vom 12. Juni 2014 durch die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft sowie die behauptete Unmöglichkeit der Einschüchterung der Angezeigten, weil es sich dabei um „allgemein bekannte Größen der österreichischen Anwaltei, der Finanzwirtschaft und der Sachwalterszene“ gehandelt habe, keine Bedenken an der Lösung der Schuldfrage zu wecken.

Gleiches gilt für die Note vom 9. Juni 2017 (ON 42) samt beigelegtem Urteil des Landesgerichts ***** vom *****, AZ *****, in der der Beschuldigte ebenfalls eine sorgfältige und kritische Prüfung des Sachverhalts vor Anzeigeerstattung gar nicht behauptet, welche jedoch die Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Anzeige als adäquate Maßnahme zur Durchsetzung von Ansprüchen wäre ( Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 9 RAO Rz 15; RIS Justiz RS0056158).

Der von der Masseverwalterin im Konkursverfahren abgeschlossene Kaufvertrag wurde mit Beschluss des Handelsgerichts Wien vom *****, genehmigt. Im Beschluss vom *****, hat sich das Oberlandesgericht Wien besonders ausführlich mit den vom Beschuldigten in seinem namens der B***** KEG dagegen erhobenen Rekurs erhobenen Argumenten auseinandergesetzt. Insbesondere wurde auch der vom Beschuldigten schon damals vorgetragene Einwand behandelt, dass die vertragsgegenständliche Liegenschaft laut einem Sachverständigengutachten aus dem Jahr 2009 einen Verkehrswert von 3,8 Millionen Euro habe und ausgeführt, dass dieser Berechnung völlig unrealistische Annahmen zugrunde lagen. Das Oberlandesgericht Wien kam zum Ergebnis, dass eine Verschleuderung der Liegenschaft nicht ersichtlich und ein besseres Kaufanbot nicht in Aussicht sei.

In seiner kurz darauf am 12. Juni 2014 erstatteten Sachverhaltsdarstellung verschwieg der Beschuldigte diese Entscheidung. Darüber hinaus lässt seine Sachverhaltsdarstellung – entgegen der Verpflichtung zur sorgfältigen Prüfung auch des Aspekts der subjektiven Tatseite (Bkd 22/90 in AnwBl 1991, 25) – jeglichen Hinweis auf ein den dort angezeigten Personen auch in subjektiver Hinsicht vorwerfbares Fehlverhalten vermissen. Damit hat der Beschuldigte gegen das Verbot der Anwendung sachlich nicht gerechtfertigter Druckmittel bzw Maßnahmen verstoßen (§ 2 RL BA 1977, nunmehr § 17 RL BA 2015, vgl 20 Os 6/16g mwH).

Im Übrigen vermag auch die im Gerichtstag vom Beschuldigten vorgelegte Bestätigung der Staatsanwaltschaft Wien, dass gegen den im Insolvenzverfahren tätig gewesenen Sachverständigen nun ein Ermittlungsverfahren anhängig ist, den Beschuldigten nicht zu entlasten: Daraus ergibt sich nämlich nur, dass die von einem anderen Rechtsanwalt später neuerlich eingebrachte Sachverhaltsdarstellung offenbar sorgfältiger ausgearbeitet wurde als der leichtfertige und substanzlose Schriftsatz des Beschuldigten. Außerdem geht aus dieser Verständigung nicht hervor, dass nun ein Ermittlungsverfahren gegen die anderen vom Beschuldigten angezeigten Personen anhängig sei.

Der Berufung des Beschuldigten wegen Schuld war daher ein Erfolg zu versagen.

3. Allerdings war aus Anlass der Berufung eine dem Schuldspruch 2./ anhaftende – dem Beschuldigten zum Nachteil gereichende – Nichtigkeit nach § 281 Abs 1 Z 10 StPO von Amts wegen wahrzunehmen (§ 77 Abs 3 DSt, § 290 Abs 1 zweiter Satz erster Fall StPO).

Nach den insofern maßgeblichen Feststellungen (ES 5) legte der Disziplinarbeschuldigte am 13. März 2014 an Bekim S***** eine auf einer sachlich nicht gerechtfertigten Bemessungsgrundlage von 300.518 Euro basierende Honorarnote über 19.561,81 Euro. Zudem verrechnete er Einzelleistungen, wobei er zwei Schriftsätze auch mit 50 % Einheitssatz verzeichnete.

Bei Geltendmachung seiner Honoraransprüche handelt der Rechtsanwalt in „eigener Sache“, weshalb die Forderung eines überhöhten Honorars entgegen der vom Disziplinarrat vorgenommenen Subsumtion keine Verletzung von Berufspflichten begründet (RIS Justiz RS0055853).

Die vom Disziplinarrat festgestellten Abrechnungsmängel sind aber unter dem Aspekt der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes von Relevanz. Ein solcher Vorwurf erfordert entweder schwerwiegendes Verschulden oder die Entfaltung einer hinreichenden Publizitätswirkung (vgl RIS Justiz RS0054876, RS0055086; Feil/Wennig , Anwaltsrecht 8 § 1 DSt, 859 f; Lehner in E ngelhart/Hoffmann/Lehner/Rohregger/Vitek , RAO 9 § 1 DSt Rz 12 f). Diese Voraussetzungen liegen hier vor:

Schon die ursprüngliche Honorarnote vom 24. Februar 2014 war durch die Wahl einer Bemessungsgrundlage von 300.518 Euro, welche die korrekte Bemessungsgrundlage von 17.440 Euro um ein Vielfaches überstieg, und die gleichzeitige Verrechnung von Einheitssatz und Einzelleistungen bei weitem überhöht. Auch wenn diese Honorarnote den Hinweis enthielt, dass darin „keine Telefonate zur Verrechnung gelangten“, kann dies nicht als ein die nachträgliche Erhöhung rechtfertigender Vorschlag eines ermäßigten Honorars (14 Bkd 3/92, AnwBl 1992, 902 mwH) verstanden werden, weil Telefonate bei Anwendung des Einheitssatzes nicht verrechnet werden dürfen (§ 23 RATG). Schon deshalb war die Erhöhung des mit Honorarnote vom 24. Februar 2014 verrechneten Betrags auf rund das Doppelte mit Honorarnote vom 13. März 2014 unzulässig, wobei fallbezogen besonders schwer wiegt, dass diese Erhöhung als Reaktion auf das sachlich gerechtfertigte Begehren des Anton S***** auf Rückzahlung der für seinen Bruder ausgelegten Kaution erfolgte.

Dazu kommt, dass – wie sich aus der vom Obersten Gerichtshof vorgenommenen Verfahrensergänzung ergibt – die weitaus überhöhte Honorarabrechnung nicht nur dem eigenen Mandanten, Bekim S*****, sondern auch Dritten, nämlich dessen Bruder und Erleger der Kaution, Anton S*****, sowie Organen der Rechtspflege, nämlich der Staatsanwaltschaft Wien (und damit jedenfalls einem größeren Personenkreis, 24 Os 6/15k) bekannt geworden ist. Demnach war im Schuldspruch zu 2./ ein Vorgehen wie aus dem Spruch ersichtlich geboten.

4. Bei der hiedurch erforderlich gewordenen Strafbemessung war der lange Zeitraum von fast zwei Jahren als erschwerend zu werten, den der Beschuldigte hindurch die Kaution nicht zurückgezahlt hat. Zu berücksichtigen war dabei insbesondere, dass die Rückzahlung erst nach der Disziplinarverhandlung vom 9. November 2015 erfolgte, in welcher der Beschluss verkündet worden war, den Sachverhalt der Staatsanwaltschaft wegen des Verdachts nach § 133 StGB zur Anzeige zu bringen. Zum Schuldspruch 3 . / war die besondere Leichtfertigkeit der vom Beschuldigten erstatteten Sachverhaltsdarstellung, die sich darüber hinwegsetzt, dass das Oberlandesgericht Wien in seiner Rekursentscheidung den Verkauf der Liegenschaft nicht beanstandet hat, erschwerend zu berücksichtigen.

Mildernd waren das reumütige Geständnis und die lange Verfahrensdauer.

Auch im Hinblick auf die Vorverurteilungen geht der erkennende Senat davon aus, dass mit der Verhängung einer Geldbuße nicht das Auslangen gefunden werden kann und es einer (bedingten) Untersagung der Ausübung der Rechtsanwaltschaft bedarf, um den Beschuldigten von der Begehung weiterer Disziplinarvergehen abzuhalten.

Bei der Verhängung der

Disziplinarstrafe

war die gegen den Beschuldigten mit den Beschlüssen des Disziplinarrats vom 24. Februar 2016 angeordnete und vom 18. April 2016 aufgehobene einstweilige Maßnahme gemäß § 19 DSt (Entzug des Vertretungsrechts vor der Staatsanwaltschaft Wien sowie allen dieser Behörde nachgeordneten Behörden) angemessen zu berücksichtigen (§ 19 Abs 7 erster Satz DSt). Die vom Disziplinarrat vorgenommene absolute zeitliche Anrechnung (§ 19 Abs 7 zweiter Satz DSt) kam mangels Kongruenz der angeordneten einstweiligen Maßnahme und der Disziplinarstrafe nicht in Betracht ( Lehner in Engelhart/Hoffmann/Lehner/ Rohregger/Vitek , RAO 9 § 19 DSt Rz 39 f). Mit Blick auf die lange Verfahrensdauer war die Probezeit mit einem Jahr festzusetzen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

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