JudikaturJustiz26Ds14/18k

26Ds14/18k – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. November 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 11. November 2019 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Angermaier und Dr. Hofmann sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, AZ ***** des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer *****, über die Beschwerde des Beschuldigten gegen den Beschluss des Disziplinarrats der Rechtsanwaltskammer ***** vom 2. Februar 2017 nach Einsichtnahme durch die Generalprokuratur gemäß § 60 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo. 2005 den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluss verhängte der Disziplinarrat der Rechtsanwaltskammer ***** über den Beschuldigten als einstweilige Maßnahme gemäß § 19 Abs 1 Z 1 und Abs 3 Z 1b DSt die Entziehung des Vertretungsrechts vor der Staatsanwaltschaft Wien, der Zentralen Staatsanwaltschaft zur Verfolgung von Wirtschaftsstrafsachen und Korruption sowie allen diesen beigeordneten Strafverfolgungsbehörden. Mit Beschluss vom 24. Oktober 2018 hob der Disziplinarrat diese einstweilige Maßnahme wieder auf.

Den erstgenannten Beschluss begründete der Disziplinarrat zusammengefasst damit, dass die Staatsanwaltschaft Wien mitgeteilt habe, dass gegen ***** ein Strafverfahren wegen § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB anhängig ist. Dem lag eine Eingabe des Genannten vom 6. September 2016 zugrunde, mit der im Verfahren AZ ***** des Landesgerichts Steyr Revision erhoben und ein Ablehnungsantrag betreffend Mitglieder des Obersten Gerichtshofs gestellt wurde. In der Begründung des Beschlusses gab der Disziplinarrat mehrere Passagen des Ablehnungsantrags vom 6. September 2016 wörtlich wieder. Diese Passagen beinhalten massive Vorwürfe rechtswidrigen Verhaltens von Richtern mehrerer Instanzen im Zusammenhang mit Verfahren beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien und beim Landesgericht Leoben.

Unter anderem bediente sich ***** in dem Ablehnungsantrag der Ausdrücke, es zeige sich in dem Verfahren beim Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien „eindrucksvoll die – dem Antragsteller mittlerweile als üblich bekannte – konzertierte Vorgangsweise der Gerichtshöfe aller drei Instanzen zur 'Erledigung' unliebsamer Ansprüche“, die Klagsabweisung sei mit einer Begründung erfolgt, „welche als Beleidigung des Intellekts aufzufassen war“, das Berufungsgericht sei „grundlos und begründungslos von einer klaren und eindeutigen Rechtslage abgewichen“. Zum betreffenden Verfahren des Landesgerichts Leoben führte ***** im Ablehnungsantrag vom 6. September 2016, wie der Disziplinarrat unter anderem feststellte, aus, es sei ihm als Antragsteller „klar, dass der Amtshaftungssenat des LG Leoben aus offenbar unsachlichen Gründen anscheinend gegen ihn als Partei – bzw. genauer gesagt: gegen ihn als Träger des von ihm erhobenen Anspruchs – eingestellt war“, weiters, die von Richter ***** in diesem Zusammenhang entwickelte kriminelle Energie sei nach Auffassung des Antragstellers beträchtlich und reiche von amtsmissbräuchlicher Urkundenunterdrückung über die Verzögerung von Zustellungen bis zur falschen Beurkundung im Amt, zudem: „Es war daher evident, dass ein Amtsmissbrauch des Obersten Gerichtshofs in diesem Zusammenhang vorliegen musste, denn die Zivilprozessgesetze sehen nicht vor, dass ein Rechtsmittelgericht sich nach Willkür aussuchen kann, in welcher Instanz es entscheiden möchte“. Ergänzt wurde dies laut der Begründung der Entscheidung des Disziplinarrats durch die Ausführungen: „Solche Vorgänge sind nach der Österreichischen Zivilprozessordnung völlig unmöglich, und das wissen nach Auffassung des Antragstellers insbesondere auch die Mitglieder des Obersten Gerichtshofs, insbesondere jene des Senates 1 des OGH. Da dieser unglaubliche Tiefpunkt an Rechtstreue von jenem Senat 1 zu verantworten war, welcher dem Antragsteller gleichsam in ständiger Judikatur und – nach Auffassung des Antragstellers ebenso wider besseren Wissens – permanent 'rechtsmissbräuchliche Antragstellung' vorwarf …“.

Weiters brachte ***** in jener Eingabe vom 6. September 2016, wie aus den Feststellungen des Disziplinarrats hier auszugsweise wiedergegeben sei, vor: „Bloß der Vollständigkeit halber sei erwähnt, wie das Verfahren ***** des LG Leoben endete: Durch ein absichtlich nichtiges Berufungsurteil und willkürliche Zurückweisung der Revision, ausgeführt vom Senat 1 des OGH“, woraus der Genannte in seiner Eingabe den Schluss zog, es lägen Spuren einer staatsfeindlichen Verbindung (seitens der Gerichte) vor, denn: „Nach Zählung des Antragstellers wurde er von den beteiligten steirischen Gerichtshöfen fünf Mal durch amtsmissbräuchliche Urkundenunterdrückung seinem gesetzlichen Richter entzogen, und mit Bezug auf das Verfahren ***** des LG Leoben ergingen nach Zählung des Antragstellers mindestens 60 amtsmissbräuchlich Senatsbeschlüsse.“ Daran schließen sich Ausführungen ***** wie „… die unglaubliche Fülle an massiven Gesetzwidrigkeiten führte den Antragsteller zur Annahme, dass an den Gerichtshöfen der Republik Österreich anscheinend ein 'Zwei-Klassen-System' von RichterInnen errichtet wurde, welches einen 'engeren Kreis' von RichterInnen aufweist, wobei die dem 'engeren Kreis' angehörigen RichterInnen anscheinend völlig anderen Vorgaben gehorchen, als die Bundesverfassung und die Gesetzgebung der Republik Österreich ihnen vorschreiben. Da die beobachtbare Tätigkeit dieses 'engeren Kreises' in Bezug auf den Zivilprozess des Klägers offenbar mit der konsequenten Begehung von Amtsmissbräuchen verbunden war, lag die Vermutung nahe, dass hier die Tätigkeit einer dem Rechtsstaat feindlich gesinnten, somit einer staatsfeindlichen Verbindung anzunehmen sein könnte“.

Rechtliche Beurteilung

Die angefochtene Entscheidung enthält weitere zahlreiche Zitate dieser und ähnlicher Art aus der Eingabe ***** vom 6. September 2016 (S 2–8 der angefochtenen Entscheidung).

Rechtlich erwog der Disziplinarrat, dass er gemäß § 19 Abs 1 Z 1 DSt eine einstweilige Maßnahme beschließen könne, wenn gegen den Rechtsanwalt als Beschuldigten oder Angeklagten ein Strafverfahren nach der StPO geführt wird, was hier der Fall sei. Das Strafverfahren wegen des Verdachts des Verbrechens der Verleumdung sei zu ***** der Staatsanwaltschaft Wien anhängig. Der Disziplinarrat gelangte zur Auffassung, dass die aufgezeigten Vorwürfe den Verdacht gerichtlich strafbaren Verhaltens *****, nämlich der Verleumdung begründen. Schließlich wies der Disziplinarrat darauf hin, dass der Beschuldigte die Staatsanwaltschaft Wien als „Kettenhund einer hoch verräterischen staatsfeindlichen Verbindung“ bezeichne, der nur daran gelegen sei, ihn in eine Anstalt einweisen zu lassen (S 8 der angefochtenen Entscheidung). Der Disziplinarrat betonte, bei einer einstweiligen Maßnahme gemäß § 19 DSt handle es sich nicht um eine Strafe, sondern um eine sichernde Maßnahme. Der Nachweis einer zugleich ein Disziplinarvergehen verwirklichenden gerichtlich strafbaren Handlung sei keine Prämisse für die Zulässigkeit einer einstweiligen Maßnahme. Es genüge die Besorgnis schwerer Nachteile für die rechtsuchende Bevölkerung oder das Ansehen des Rechtsanwaltsstandes. Der Eintritt solcher Nachteile sei nicht Voraussetzung. Die Entziehung eines Vertretungsrechts sei ein notwendiges und adäquates Mittel zum Schutz des Vertrauens der Bevölkerung hinsichtlich ihrer rechtsfreundlichen Vertretung durch Mitglieder eines gut funktionierenden Rechtsanwaltsstandes. Die Vorwürfe, die ***** erhebe, seien schwerwiegend und richteten sich nicht nur gegen Gerichtsorgane im Zusammenhang mit seinem Zivilverfahren, sondern insbesondere auch gegen die Staatsanwaltschaft Wien. Dies mit einer außergewöhnlichen Intensität. Auch die Diktion in seiner Stellungnahme vom 26. Jänner 2017, in der er beispielsweise die Staatsanwaltschaft Wien als Kettenhund einer hoch verräterischen staatsfeindlichen Verbindung bezeichne, ließen erkennen, dass er emotional in diese Angelegenheit in äußerste Maße verstrickt sei. Damit sei die schwere Besorgnis verbunden, dass er nicht in der Lage sei, für Mandanten vor den Behörden, auf die sich die einstweilige Maßnahme beziehe, in einem unbefangenen Ausmaß einzutreten, das die Interessen der rechtschutzsuchenden Bevölkerung gewährleiste. Diese Besorgnis rechtfertige zum Schutz seiner Mandanten die einstweilige Maßnahme (S 9 f der angefochtenen Entscheidung).

Mit Beschluss vom 24. Oktober 2018 hob der Disziplinarrat die verhängte einstweilige Maßnahme auf. In seiner Begründung führte er aus, die Staatsanwaltschaft habe am 3. Oktober 2017 Strafantrag gegen ***** wegen des Verbrechens der Verleumdung beim Landesgericht für Strafsachen Wien gestellt. In der Hauptverhandlung zum AZ ***** des Landesgerichts für Strafsachen Wien habe der vom Gericht beigezogene Sachverständige am 5. April 2018 dargelegt, dass dem Genannten kein Schuldvorwurf gemacht werden könne, weil er bei der Tatbegehung über kein ausreichendes Diskretions- und Dispositionsvermögen verfügt habe. Am 9. April 2018 habe die Staatsanwaltschaft Wien den Strafantrag zurückgezogen, sodass das Strafverfahren mit Beschluss des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. April 2018 eingestellt worden sei. Am 23. Mai 2018 sei bei der Rechtsanwaltskammer eine Mitteilung der Staatsanwaltschaft Wien vom 16. Mai 2018 eingelangt, wonach ein weiteres Ermittlungsverfahren gegen ***** wegen des Verdachts der Verleumdung, begangen mit einem Schriftsatz an das Bezirksgericht Josefstadt vom 21. April 2016, im Hinblick auf das zuvor erwähnte Sachverständigengutachten eingestellt worden sei. Da gegen ***** kein Strafverfahren und kein strafrechtliches Ermittlungsverfahren mehr anhängig sei, falle der Grund für die verhängte einstweilige Maßnahme weg.

Gegen den erstgenannten Beschluss des Disziplinarrats richtet sich die Beschwerde des Beschuldigten.

Die Überprüfung der Entscheidung auf ihre Gesetzmäßigkeit (14 Os 85/12z) ergab, dass daran mit Blick auf die Aktenlage und die vom Disziplinarrat angeführten Gründe nichts zu beanstanden ist.

Indem der Beschwerdeführer „Nichtigkeit, insbesondere wegen nicht gehöriger Besetzung des erkennenden Senates (insbesondere gemäß § 281 Abs. 1 Z 1 StPO), wegen Unterlassung der Protokollführung (insbesondere gemäß § 281 Abs. 1 Z 3 StPO), wegen Beteiligung ausgeschlossener Mitglieder des Disziplinarrates an der Entscheidung (insbesondere gemäß § 281 Abs. 1 Z 1 StPO) sowie wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (insbesondere gemäß § 81 Abs. 1 Z 9a StPO)“ geltend macht, greift er auf Anfechtungskategorien zurück, die Urteile betreffen, nicht aber Beschlüsse.

Zum erstatteten Vorbringen sei festgehalten, dass die Senatsmitglieder, deren Ersatz und deren Nachrücken dem Beschuldigten bekannt gegeben wurden und dass der von ihm geäußerten Ablehnung von Senatsmitgliedern entsprochen wurde. Eine Verletzung der Geschäftsverteilung ist nicht zu ersehen, ebenso wenig die reklamierte Ausgeschlossenheit des Vorsitzenden, die der Beschwerdeführer aus seiner Annahme ableitet, „dass der Genannte als Teilnehmer oder Unterstützung einer rechtsstaatsfeindlichen Verbindung (§ 46 StGB) fungiert“.

Was die Protokollführung anbelangt, sei darauf verwiesen, dass selbst bei Anfechtung eines Disziplinarerkenntnisses mit Berufung (§ 77 Abs 3 DSt) nur die Nichtaufnahme eines Protokolls, nicht aber dessen Inhalt unter Nichtigkeitssanktion steht (RIS-Justiz RS0113211). Dazu kommt, dass im Verfahren über die Verhängung einer einstweiligen Maßnahme die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme genügt. Ein darüber hinausgehendes Recht auf Anhörung steht im Verfahren über die Verhängung einer einstweiligen Maßnahme nicht zu (RIS Justiz RS0124019). Eine Gesetzesverletzung ist daher auch insoweit nicht auszumachen.

Was die weiters in der Beschwerde beanstandete rechtliche Beurteilung durch den Disziplinarrat anbelangt, ist zu erwidern, dass für die Verhängung einer einstweiligen Maßnahme die Besorgnis von schweren Nachteilen für die rechtsuchende Bevölkerung oder das Ansehen des Rechtsanwaltsstandes ausreichend ist (RIS Justiz RS0078293). Ein solcher schwerer Nachteil liegt bereits in der Möglichkeit, dass der vom Rechtsanwalt seinen Mandanten geschuldete umfassende Einsatz vor der Strafverfolgungsbehörde nicht mehr gewährleistet ist, wenn sich dieser Rechtsvertreter selbst als Beschuldigter zu verantworten hat (RIS Justiz RS0104960, RS0056748, RS0056752). Die einstweilige Maßnahme wurde daher zu Recht verhängt.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

Rechtssätze
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