JudikaturJustiz24Os2/16y

24Os2/16y – OGH Entscheidung

Entscheidung
07. Dezember 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 7. Dezember 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, die Anwaltsrichter Dr. Bartl und Dr. Sturm Wedenig sowie den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Hopf in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Beran als Schriftführer in der Disziplinarsache gegen *****, Rechtsanwalt in *****, wegen der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes über die Berufung des Beschuldigten wegen Schuld und Strafe gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 27. Mai 2015, AZ D 39/14, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Holzleitner, des Kammeranwalts Dr. Lindner, sowie des Beschuldigten zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Erkenntnis, das sonst unberührt bleibt, im Strafausspruch aufgehoben.

Im Übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Über den Beschuldigten wird für die ihm zur Last liegenden Disziplinarvergehen eine Geldbuße von 2.500 Euro verhängt.

Ihm fallen die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde Rechtsanwalt ***** der Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt schuldig erkannt.

Danach hat er in G*****

1./ ein bei ihm erliegendes Kostenakonto von 4.000 Euro trotz der Tatsache, dass das Verfahren, für das es gewidmet worden war, im Jänner 2014 rechtskräftig beendet war und der Beschuldigte sämtliche ihm in diesem Verfahren zugesprochenen Kosten am 20. und 23. Dezember 2013 erhalten hatte, seinem ehemaligen Klienten Harald S***** (bis zum Erkenntniszeitpunkt) nicht rückausgefolgt und damit widmungswidrig zurückbehalten,

2./ einen bei ihm am 20. und 23. Dezember 2013 für seinen Klienten Harald S***** in Form der gegnerischen Kostenzahlung eingegangenen Fremdgeldbetrag iHv 5.500 Euro einbehalten, ohne diesen sogleich zu verrechnen, die Verrechnung desselben erst nach Anhängigkeit des gegenständlichen Disziplinarverfahrens am 26. Juni 2014 vorgenommen und ihn – in Kenntnis der Bestreitung der Richtigkeit der Verrechnung – erst am 27. August 2014 an seinen Klienten weitergeleitet, sohin gegen seine sofortige Abrechnungs- und Weiterleitungsverpflichtung von Fremdgeldern an den eigenen Klienten verstoßen,

3./ unter Berufung auf eine ihm von seinem Klienten Harald S***** angeblich erteilte Vollmacht das von diesem selbst zu AZ ***** des Bezirksgerichts G***** gegen die R***** GmbH eingeleitete Fahrnisexekutionsverfahren wegen 9.500 Euro sA am 14. April 2014 zur Einstellung gebracht, obwohl er hiefür von seinem Klienten weder beauftragt noch bevollmächtigt gewesen war.

Der Beschuldigte wurde hiefür nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt zu einer Geldbuße von 3.000 Euro verurteilt.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich seine Berufung wegen Schuld (zur Geltendmachung von Nichtigkeitsgründen in deren Rahmen vgl RIS Justiz RS0128656 [T1]) und Strafe, der nur in letzterem Punkt Berechtigung zukommt.

Soweit sich die Schuldberufung unter Berufung auf ein Schreiben vom 27. Dezember 2013 gegen den Ausspruch wendet, dass Harald S***** vom Beschuldigten keine Informationen über die Erfüllung des Kostenzuspruchs im Verfahren AZ ***** des Landesgerichts ***** bekam (ES 5 unten), betrifft sie keine entscheidende Tatsache. Denn es macht für die rechtliche Beurteilung zu 1./ und 2./ keinen Unterschied, ob die Zurückbehaltung der angeführten Geldbeträge mit oder ohne Kenntnis des Mandanten erfolgte, käme doch dessen Schweigen zu einer ihm zugegangenen Information – der Berufung zuwider – grundsätzlich kein Erklärungswert zu (§ 863 ABGB; vgl RIS Justiz RS0014124, RS0014347, RS0047273).

Auch im Übrigen vermag die Schuldberufung keine Umstände aufzuzeigen, die geeignet wären, Zweifel an den Feststellungen des Disziplinarrats zu wecken, der die wesentlichen Verfahrensergebnisse einer widerspruchsfreien und lebensnahen Bewertung unterzogen und überzeugend und logisch nachvollziehbar dargetan hat, wie er zu den relevanten Konstatierungen gelangt ist.

Soweit die Rechtsrüge (Z 9 lit a) zu 1./ unter – rechtsrichtigem (6 Ob 16/02z; Engelhart/Hoffmann/Lehner/ Rohregger/Vitek RAO 9 , § 19 Rz 3) – Hinweis auf die Auslegung des in § 19 Abs 1 RAO verwendeten Ausdrucks „für seine Partei an ihn eingegangene Barschaften“ dahin, dass es sich insoweit um Geldbeträge handeln muss, die von einem Dritten, also nicht vom Mandanten, dem Rechtsanwalt übergeben werden und seinem Mandanten zugedacht sind, die Subsumtion des inkriminierten Verhaltens auch unter § 19 Abs 1 RAO kritisiert, legt sie nicht dar, warum dies an der Beurteilung des jedenfalls gegen § 16 RL-BA 1977 verstoßenden Verhaltens als Disziplinarvergehen der Berufspflichtenverletzung und der Beeinträchtigung von Ehre oder Ansehen des Standes nach § 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt (vgl RIS-Justiz RS0055109) etwas ändern soll.

Zu 2./ orientiert sich die Rechtsrüge nicht an den gesetzlichen Anfechtungskriterien, indem sie behauptet, dass der „Sachverständigenkostenvorschuss“ keine Barschaft iSd § 19 Abs 1 RAO darstelle, weil dieser nicht von einem Dritten übergeben worden sei. Sie vernachlässigt dabei die Feststellungen, dass die „Gegenseite“ dem Beschuldigten am 19. und 20. Dezember 2013 in Summe 29.929,42 Euro (darin die in Rede stehenden 5.500 Euro an Barauslagen [das ist der zuvor von S***** bei Gericht erlegte Kostenvorschuss]) überwiesen hat (ES 5). Solcherart unterlässt die Rüge den gebotenen Vergleich des festgestellten Sachverhalts mit dem zur Anwendung gebrachten materiellen Recht, weshalb sie diesbezüglich nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt ist (RIS-Justiz RS0099810).

Indem die Rechtsrüge zu 3./ einen Feststellungsmangel dahingehend behauptet, dass der Beschuldigte im Zuge des zu AZ ***** des Landesgerichts ***** anhängig gewesenen Verfahrens zum Verfahrenshilfevertreter S*****s bestellt worden und demnach auch im allenfalls anschließenden Exekutionsverfahren vertretungsbefugt gewesen sei, erklärt sie nicht, warum dies am Fehlen seiner Berechtigung, das Exekutionsverfahren ohne Auftrag und gegen den (zu vermutenden) Willen des Mandanten (vgl ES 6) zur Einstellung zu bringen (vgl RIS-Justiz RS0055431), etwas ändern soll.

Zutreffend moniert die Berufung unter Bezugnahme auf den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z 11 zweiter Fall StPO (zu dessen Geltung auch im Verfahren nach dem DSt vgl bereits 20 Os 15/15d, 22 Os 10/15h, 26 Os 15/15y, 20 Os 6/16g), dass der Disziplinarrat die „fehlende Schuldeinsicht“ des Beschuldigten, im Ergebnis also seine leugnende Verantwortung, als eine für die Strafzumessung entscheidende Tatsache wertete (ES 10). Dies stellt eine unrichtige Gesetzesanwendung dar, widerspricht doch diese Annahme dem – verfassungsrechtlich aus Art 6 Abs 2 MRK und Art 90 Abs 2 B VG abzuleitenden, einfachgesetzlich durch § 7 Abs 2 erster Satz StPO (iVm § 77 Abs 3 DSt) normierten – Verbot des Zwangs zur Selbstbelastung (RIS Justiz RS0090897). Das Urteil war daher im Strafausspruch aufzuheben und mit Strafneubemessung vorzugehen.

Dabei wertete der Oberste Gerichtshof die disziplinarrechtliche Unbescholtenheit als mildernd, das Zusammentreffen mehrerer Disziplinarvergehen hingegen als erschwerend. Eine Geldbuße von 2.500 Euro entspricht Tatunrecht und Schuld des Beschuldigten und trägt auch dessen wirtschaftlichen Verhältnissen hinreichend Rechnung.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.

Rechtssätze
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