JudikaturJustiz22Ds1/22z

22Ds1/22z – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. Dezember 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof als Disziplinargericht für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter hat am 12. Dezember 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden, die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Richterin sowie die Rechtsanwälte Dr. Jilek und Dr. Kretschmer als Anwaltsrichter in Gegenwart der Schriftführerin Richteramtsanwärterin Mag. Seidenschwann in der Disziplinarsache gegen *, Rechtsanwalt in *, wegen der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt über die Berufung des Beschuldigten gegen das Erkenntnis des Disziplinarrats der Oberösterreichischen Rechtsanwaltskammer vom 4. Oktober 2021, GZ D 26/21 21, nach mündlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Mag. Stani, des Kammeranwalts Mag. Kammler sowie des Beschuldigten und seines Verteidigers Mag. Voggenberger zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Dem Beschuldigten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

[1] Mit dem angefochtenen Erkenntnis wurde * der Disziplinarvergehen der Verletzung von Berufspflichten und der Beeinträchtigung der Ehre oder des Ansehens des Standes nach § 1 Abs 1 DSt schuldig erkannt.

[2] Danach hat er als Rechtsvertreter des * A* im Verfahren AZ 34 C 382/20v des Bezirksgerichts Salzburg in einem gegen die Richterin Dr. * N* gerichteten schriftlichen Ablehnungsantrag vom 18. März 2021 durch die Aussagen

„Bagatellverfahren sind keine Spielwiese für die Willkür von Richtern! Jedenfalls sollten sie das nicht sein!“

„Die Beschränkung des Berufungsverfahrens im Bagatellverfahren als Freibrief für Willkür zu verstehen, ist grundsätzlich falsch. Richter, die das missverstehen, erheben sich arrogant über die Streitigkeiten kleiner Leute und verhöhnen sie in ihren Urteilen.“

„Die abgelehnte Richterin hatte im gegenständlichen Verfahren nur ein einziges – unsachliches – Ziel vor Augen, nämlich den Abschluss eines lästigen Bagatellaktes. Sie hat alles, und wie nun ersichtlich auch das Urteil, diesem Ziel untergeordnet.“

„Sowohl die Sachverhaltsfeststellung und Beweiswürdigung, als auch die rechtliche Würdigung zeigen deutlich, dass die abgelehnte Richterin mit aller Macht versucht hat, alles so zu biegen, dass ihre abrupte Beendigung des Beweisverfahrens gerechtfertigt erscheint.“

„Vielmehr sprechen alle Umstände dafür, dass die rechtliche Würdigung wider besseres Wissen erfolgt ist, getragen allein von der Absicht, den abrupten und vorzeitigen Abbruch des Beweisverfahrens zu rechtfertigen.“

„An einer sachlichen und objektiven Urteilsfindung war sie jedenfalls nicht interessiert.“

„Diese im Urteil fortgesetzte und vollendete Willkür ist schon fast geeignet, das Ansehen des Richterstandes zu schädigen. Auch wenn ein Richter keine Lust dazu hat, ein lästiges Bagatellverfahren mit allem Aufwand zu führen, den der Fall fordert, muss er sich dieser Pflicht stellen und nach Objektivität trachten! Die Beschränkungen des § 501 Abs 1 ZPO dürfen nicht dazu missbraucht werden, ein lästiges Verfahren ganz einfach abzuschütteln, wie es die abgelehnte Richterin getan hat. Die Motivation der abgelehnten Richterin war völlig unsachlich, da das Streben nach möglichst schneller Beendigung eines Verfahrens in aller Regel – so auch hier – nicht dazu führt, dass man der Sache gerecht wird und objektiv urteilt.“

unsachliche Äußerungen getätigt und die Grenzen der Freiheit der Meinungsäußerung überschritten.

Rechtliche Beurteilung

[3] Die dagegen wegen des Ausspruchs über die Schuld erhobene Berufung des Beschuldigten geht fehl.

[4] Der Verzicht des DSt auf die in der StPO vorgesehene Berufung wegen vorliegender Nichtigkeitsgründe bedeutet, dass der von den Kategorien der (die Schuldfrage betreffenden) Nichtigkeitsgründe erfasste Fehlerbereich von der Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld erfasst wird. Letzterer meint demnach im DSt die Berufungspunkte des § 464 Z 1 und 2 erster Fall StPO (RIS Justiz RS0128656 [T1]).

[5] Da der Beschuldigte aber weder in der Berufungs schrif t noch bei Anmeldung seiner Berufung Nichtigkeitsgründe einzeln und bestimmt bezeichnete, ist seiner Berufung unter dem Aspekt des allfälligen Vorliegens von Nichtigkeitsgründen einer meritorischen Erledigung nicht zugänglich (§§ 285 Abs 1 zweiter Satz, 467 Abs 1 erster Satz StPO).

[6] Indem sich die Berufung wegen des Ausspruchs über die Schuld im engeren Sinn (§ 464 Z 2 erster Fall StPO) – im Übrigen ohne methodisch vertretbare Ableitung aus dem Gesetz – gegen die Rechtsansicht des Disziplinarrats wendet , die inkriminierten Äußerungen würden die von § 9 Abs 1 RAO und Art 10 MRK umschriebenen Grenzen zulässiger Kritik überschreiten, verlässt sie den – in der Bekämpfung der vom Disziplinarrat festgestellten Tatsachen gelegenen ( 11 Os 132/06f, SSt 2007/79; RIS Justiz RS0122980; eingehend mwN Ratz, WK StPO § 464 Rz 2 und 8) – gesetzlichen Anfechtungsrahmen.

[7] Argumente, die geeignet wären, Bedenken gegen die Beweiswürdigung der angefochtenen Entscheidung zu wecken und solcherart die dort getroffenen Konstatierungen substantiiert in Frage zu stellen, sind der Berufung nicht zu entnehmen.

[8] Der Disziplinarrat verhängte über den Beschuldigten nach § 16 Abs 1 Z 2 DSt eine Geldbuße von 2.500 Euro und wertete dabei keinen Umstand als erschwerend, den bisher ordentlichen Lebenswandel als mildernd.

[9] Nach ständiger Judikatur sind die für die Strafbemessung maßgebenden Grundsätze des Strafgesetzbuchs (§§ 32 ff StGB) auch für das anwaltliche Disziplinarverfahren sinngemäß heranzuziehen (RIS Justiz RS0054839).

[10] Hievon ausgehend wirkt der von der Berufung hervorgehobene Umstand, dass „die inkriminierten Äußerungen nicht in einer öffentlichen Verhandlung, etwa in Form eines Schreiduells mit der Richterin gefallen sind“, keineswegs mildernd. Vielmehr wiegt eine schriftlich – und solcherart überlegt – vorgetragene standeswidrige Äußerung nach den allgemeinen Grundsätzen der Strafbemessung schwerer als eine im Zuge einer emotional aufgeladenen Situation spontan gefallene (§ 32 Abs 3 StGB).

[11] Die Person des Anzeigers und der Umstand, dass der vom Beschuldigten in dem in Rede stehenden Rechtsstreit Vertretene unterlegen ist, sind – der Berufung zuwider – für die Strafbemessung irrelevant.

[12] Ebensowenig trifft der Einwand zu, die inkriminierten Äußerungen würden sich an der „Grenze des Zulässigen“ bewegen. Die vom Disziplinarrat – zu Recht –beiden Fällen des § 1 Abs 1 DSt unterstellten Aussagen entbehren jeder sachlichen Grundlage und sind im Ton grob beleidigend, womit die von der Berufung angesprochene „Grenze“ unter Anlegung des für den Rechtsanwaltsstand insoweit geltenden besonderen Standards bei Weitem überschritten ist.

[13] Hinzu kommt, dass die vom Disziplinarrat angenommenen besonderen Strafbemessungsgründe durch den Erschwerungsgrund der Begehung mehrerer strafbarer Handlungen (§ 1 Abs 1 erster und zweiter Fall DSt) zu ergänzen sind (§ 33 Abs 1 Z 1 StGB).

[14] Hievon ausgehend sowie unter Berücksichtigung der Einkommens und Vermögensverhältnisse des Beschuldigten (§ 16 Abs 6 DSt) erweist sich die vom Disziplinarrat – ohnedies im untersten Bereich der Strafdrohung des § 16 Abs 1 Z 2 DSt – ausgesprochene Geldbuße einer Reduktion keinesfalls zugänglich.

[15] Der Berufung war somit insgesamt ein Erfolg zu versagen.

[16] Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 54 Abs 5 DSt.