JudikaturJustiz21R104/06m

21R104/06m – LG St. Pölten Entscheidung

Entscheidung
23. März 2006

Kopf

Das Landesgericht St. Pölten hat durch die Richter des Landesgerichtes Dr. Schramm (Vorsitzender) sowie Dr. Hintermeier und Dr. Steger in der Rechtssache der klagenden Partei H ***** GmbH, *****, vertreten durch Dr. Rudolf Hein, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagte Partei Markus G *****, vertreten durch Graff, Nestl, Baurecht, Zorn, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen € 815,49 s.A., über die Berufung der Klägerin (Berufungsinteresse € 673,19 s.A.) gegen das Urteil des Bezirksgerichtes St. Pölten vom 13.1.2006, 6 C 431/05z-11, gemäß § 501 Abs. 1 ZPO in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Berufung wird n i c h t F o l g e gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten binnen 14 Tagen dessen mit €

166,66 (darin € 27,78 USt) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens

zu ersetzen.

Die Revision ist j e d e n f a l l s u n z u -

l ä s s i g .

Text

Entscheidungsgründe:

Das Berufungsgericht hält die Rechtsmittelaus- führungen für nicht stichhältig, erachtet hingegen die damit bekämpfte Begründung des angefochtenen Urteiles für zutreffend. Die Wiedergabe des Parteienvorbringens, der Feststellungen und der rechtlichen Beurteilung des Erstgerichtes ist daher nicht erforderlich, es genügt vielmehr eine kurze Begründung (§ 500 a zweiter Satz ZPO).

Rechtliche Beurteilung

In ihrer Rechtsrüge vertritt die Klägerin zusammengefasst die Auffassung, sie als Netzbetreiberin schulde keinen Erfolg, der in einer erfolgreichen Gesprächsverbindung oder erfolgreichen SMS-Übermittlung bestehen würde. Der Mobilfunkbetreiber erbringe also keine Leistungen wie ein Werkunternehmer, sondern stelle lediglich dem Kunden das gesamte Funknetz an technischen Einrichtungen als unverbrauchbare Gesamtsache zum Gebrauch zur Verfügung. Das prägende Leistungselement sei demnach mietvertraglicher Natur. Da im Ausmaß von 25 % Telefonate möglich gewesen seien, müsse davon ausgegangen werden, dass die Klägerin dem Beklagten den Zugang zum Netz zur Verfügung gestellt habe.

Zunächst ist daher die Frage nach der Rechtsnatur des Mobilfunkvertrages zu beantworten.

Der OGH hat in der Entscheidung 6 Ob 69/05y, die über eine Verbandsklage erging und in der es primär um die Anwendbarkeit des § 15 KSchG ging, die Auffassung des klagenden Verbandes, es liege ein reiner Werkvertrag im Rahmen eines Dauerschuldverhältnisses vor, abgelehnt. Der OGH hat gemeint, dass es auch bei der Beurteilung des Mobilfunkvertrags entscheidend auf die vertraglichen Umstände des Einzelfalls ankomme, also darauf, welcher Vertragstyp den Kern des Vertragsverhältnisses nach dem Parteiwillen ausmache. Während beim Werkvertrag der Unternehmer einen bestimmten Erfolg schulde, habe beim freien Dienstvertrag (der sich vom echten Dienstvertrag der §§ 1151 f ABGB durch das Fehlen persönlicher Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit unterscheide - RIS-Justiz RS 0021518) der Dienstnehmer seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und persönliche Dienstleistungen zu erbringen, schulde aber keinen bestimmten Erfolg. Charakteristischer Geschäftsinhalt des Bestandvertrags wiederum sei die Gebrauchsüberlassung einer unverbrauchbaren Sache gegen Entgelt (§ 1090 ABGB) mit einer Erhaltungspflicht des Bestandgebers (§ 1096 Abs. 1 ABGB). Der OGH beurteilte den Mobilfunkvertrag im konkreten Fall so, dass er kein Werkvertrag, sondern ein Mischvertrag sui generis mit dienstvertraglichen und mietvertraglichen Elementen sei. Der Netzbetreiber schulde keinen Erfolg, der in einer erfolgreichen Gesprächsverbindung oder erfolgreichen SMS-Übermittlung bestehe. Er stelle kein Werk her, weil das vollautomatisierte Netz mit allen technischen Einrichtungen (Funknetz mit Sende- und Empfangsanlagen samt technischen Einrichtungen) schon bestehe. Wenn man in der Verpflichtung des Netzbetreibers, dem Kunden auf Vertragsdauer den Zugang zum öffentlichen Telekommunikationsnetz und so die Möglichkeit zum Austausch von Sprache und Daten zu eröffnen, einen vom Unternehmer herzustellenden Erfolg und damit ein werkvertragliches Element erblicken wollte, trete dieses Element deutlich hinter dem mietrechtlichen Vertragselement zurück. Gewährleistungsansprüche des Verbrauchers sprächen nicht gegen diese Lösung, weil diese zwar allenfalls gegen die Annahme eines Dienstvertrags ins Treffen geführt werden könnten, nicht aber gegen das mietvertragliche Element, zumal im Mietrecht (dem Bestandrecht des ABGB) ebenso wie im Werkvertragsrecht gesetzliche Gewährleistungsregeln bestünden. Der hier zu beurteilende Fall ist deshalb etwas anders gelagert, weil anlässlich des Abschlusses des Mobilfunkvertrages zwischen den Streitteilen konkret zu erwartende oder möglicherweise auftretende Probleme mit der Netzabdeckung oder Software nicht erörtert wurden, dem Beklagten allerdings zugesichert wurde, dass die Kunden der Klägerin generell auch über das Netz von A 1 telefonieren könnten, sollte die Abdeckung über das Netz der Klägerin nicht ausreichen. Dass eine - zumindest dem Netz von A 1 entsprechende - Netzabdeckung bei Abschluss des Mobilfunkvertrages zwischen den Streitteilen besprochen und vereinbart war, wurde somit bindend festgestellt. Dessen ungeachtet war dem Beklagten aber nach den Feststellungen von Anfang an ein verlässliches aktives wie auch passives Telefonieren unmöglich. In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle kam es entweder gar nicht zu einem Gesprächsaufbau oder das einmal aufgebaute Gespräch wurde bald wieder abgebrochen. Der Beklagte war jedoch aus beruflichen Gründen auf die Möglichkeit ständiger verlässlicher telefonischer Kontaktaufnahme angewiesen, weshalb er auf der Baustelle in Wien-Simmering (und dort durfte der Beklagte wohl mit einer Netzabdeckung grundsätzlich rechnen) auf Funkgeräte und ein Mobiltelefon eines anderen Betreibers zurückgreifen musste. Auch in St. Pölten traten Verbindungsprobleme auf. Ein Gesprächsaufbau und eine konstante Gesprächsverbindung waren nur in rund 25 % aller versuchten Gespräche erzielbar.

Welche technischen Ursachen konkret (Mobilfunknetz und/oder Telefon, Software der Klägerin) den Telefonieproblemen des Beklagten tatsächlich zugrundelagen, konnte der Erstrichter nicht feststellen. Damit wurde zwar nicht positiv festgestellt, dass eine mangelhafte Netzabdeckung der Klägerin bzw. Mängel bei der Zurverfügungstellung des Netzes an die Telefoniekunden (etwa aufgrund der Software) die Ursache für die Probleme des Beklagten waren, ausschließen konnte der Erstrichter dies aber ebensowenig.

Diesbezüglich kommt nach Auffassung des Berufungsgerichtes dem Beklagten der Anscheinsbeweis zugute. Dieser beruht auf der Auswertung allgemeiner Erfahrungsgrundsätze, die sich aus der Beobachtung stereotyper Geschehnisabläufe gleichsam zu natürlicher Gesetzmäßigkeit verdichtet haben, für jedermann nachvollziehbar sind und bis zum Hervorkommen einer möglichen Ausnahmesituation die Vermutung des Vorliegens einer Tatsache beim Nachweis einer damit regelmäßig im Zusammenhang stehenden anderen begründen (MGA JN/ZPO15, E. 4 zu § 272 ZPO). Der Anscheinsbeweis kann daher durch den Beweis entkräftet werden, dass der typische Geschehnisablauf im konkreten Fall nicht zwingend ist und die ernsthafte Möglichkeit eines atypischen Ablaufs besteht (MGA a.a.O., E. 13).

Diese Entkräftung ist hier nicht gelungen. Der Umstand, dass der Beklagte von Anfang an weder aktiv noch passiv verlässlich telefonieren konnte und zustandegekommene Gespräche in einer Vielzahl der Fälle vorzeitig abgebrochen wurden, ist typischerweise auf Probleme mit der Netzabdeckung des Betreibers zurückzuführen. Der Berufungswerberin ist schon recht zu geben, dass ein einzelner Gesprächsabbruch oder die Unmöglichkeit eines Verbindungsaufbaus diesen Schluss noch nicht rechtfertigen würde, vor allem wenn es sich um ein Gespräch in geschlossenen Räumen oder bei fahrendem Zug etc. handelt. Nach allgemeiner Lebenserfahrung bezieht sich das aber nicht auf das Ausmaß der Telefonieprobleme des Beklagten, wenn nämlich überhaupt nur 25 % aller versuchten Gespräche konstant geführt werden konnten. Hier muss ein Fehler auf Seiten der Klägerin entweder infolge einer mangelhaften Software, was die Zurverfügungstellung des Netzes an den konkreten Telefonkunden anlangt, oder infolge des Netzausbaues grundsätzlich vorliegen; allfällige technische Mängel des Telefons selbst sind nach Auffassung des Berufungsgerichts nicht typischerweise Ursache derartiger Probleme. Hat das Telefon selbst einen wesentlichen technischen Mangel, wird es nicht einmal in den festgestellten 25 % der versuchten Gespräche zu einer konstanten Verbindung kommen können. Dem Beklagten ist im konkreten Fall daher der Anscheinsbeweis gelungen, dass Mängel der Netzabdeckung bzw. der Zurverfügungstellung der Netzabdeckung auf Seiten der klagenden Partei vorlagen. Dass diese Mängel aber - und zwar auch nach der zitierten Entscheidung des OGH - sehr wohl zu Gewährleistungsansprüchen berechtigen, kann schon nach § 1096 Abs. 1 ABGB nicht zweifelhaft sein. Nach der genannten Bestimmung sind Vermieter und Verpächter verpflichtet, das Bestandstück auf eigene Kosten in brauchbarem Stand zu übergeben und zu erhalten und die Bestandinhaber im bedungenen Gebrauch oder Genuss nicht zu stören. Ist das Bestandstück bei der Übergabe derart mangelhaft oder wird es während der Bestandzeit ohne Schuld des Bestandnehmers derart mangelhaft, dass es zum bedungenen Gebrauch nicht taugt, so ist der Bestandnehmer für die Dauer und im Maß der Unbrauchbarkeit von der Entrichtung des Zinses befreit. Der bedungene Gebrauch des Netzes der Klägerin sollte hier nach den Feststellungen jedenfalls einen Umfang erreichen, wie ihn das A 1 Netz bietet (anders kann die festgestellte Zusicherung der Klägerin nicht verstanden werden). Diesen bedungenen Gebrauch hat die Klägerin nach den Feststellungen dem Beklagten von Anfang an nicht verschaffen können, dies ungeachtet des Umstandes, dass der Beklagte bereits im Juli 2003 (also wenige Wochen nach Abschluss des Mobilfunkvertrages) die mangelnde Netzabdeckung reklamiert hatte. Dem Beklagten stand somit tatsächlich ein Zinsminderungsanspruch zu, den er (spätestens mit Telefax vom 15.10.2003) der Klägerin gegenüber auch ausdrücklich geltend machte. Das Ausmaß der Zinsbefreiung richtet sich nach dem Grad der Unbrauchbarkeit der Bestandsache, letztlich ist es nach § 273 ZPO auszumessen (immolex 2000/100). Dabei ist auch der vom Mieter effektiv erzielte Vorteil zu berücksichtigen (WoBl 1993/66). Den vom Beklagten erzielten Vorteil hat der Erstrichter hier ohnedies durch die Klagsstattgebung im Ausmaß von € 142,30 angerechnet, was der Erbringung von rund 25 % der vereinbarten Leistungen entsprechen sollte. Der Höhe nach wird dies nicht in Zweifel gezogen. Im Übrigen ist der Erstrichter dort zutreffend von einem Anspruch des Beklagten auf Zinsminderung ausgegangen bzw. hinsichtlich der Rechnungen für nach dem 9.11.2003 gelegene Zeiträume von einer berechtigten Auflösungserklärung des Beklagten im Sinn des § 1117 ABGB. Auch diesbezüglich (§ 1117 ABGB) ist die Rechtsmeinung des Erstgerichts, die insoweit von der Berufungswerberin gar nicht in Zweifel gezogen wird, zu teilen.

Was letztlich die Abweisung der begehrten Inkassospesen von € 107,78 betrifft, so enthält das Rechtsmittel keine näheren Ausführungen hiezu. Der bloße Verweis auf den Inhalt eines vorbereitenden Schriftsatzes ersetzt ein Berufungsvorbringen nicht (RIS-Justiz RS 0043616). Außerdem teilt das Berufungsgericht die Rechtsmeinung des Erstgerichts, die Beiziehung eines Inkassobüros sei nicht zweckmäßig, wenn der Beklagte schon vor Inanspruchnahme des Inkassobüros der Klägerin ausdrücklich in seiner Auflösungserklärung mitteilt, dass derartige Maßnahmen erfolglos bleiben werden, weil er auf dem Standpunkt steht, dass er den begehrten Betrag nicht schuldet. Insgesamt konnte der Berufung der Klägerin daher kein Erfolg beschieden sein.

Gemäß §§ 41, 50 ZPO hat sie dem Beklagten die Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen, wobei aber einerseits die begehrten Inkassospesen gemäß § 54 Abs. 2 JN nicht zum Streitwert zählen, das Berufungsinteresse sich demnach nur mit € 673,19 bemisst, was zu einem Ansatz von € 86,80 führt, und andererseits gemäß § 23 Abs. 10 RATG hier nur einfacher Einheitssatz zusteht.

Gemäß § 502 Abs. 2 ZPO ist die Revision jedenfalls unzulässig. Landesgericht St. Pölten

3100 St. Pölten, Schießstattring 6