JudikaturJustiz1Ob85/22i

1Ob85/22i – OGH Entscheidung

Entscheidung
22. Juni 2022

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. HR Dr. Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin I*, vertreten durch Mag. Egon Stöger, Rechtsanwalt in Innsbruck, gegen den Antragsgegner M*, vertreten durch die Rainer Rück Rechtsanwälte GesbR, Innsbruck, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Teilbeschluss des Landesgerichts Innsbruck als Rekursgericht vom 4. März 2022, GZ 52 R 143/21t 86, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Innsbruck vom 21. November 2021, GZ 33 Fam 15/19h 81, teilweise bestätigt und teilweise aufgehoben wurde, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1] 1.1 Der Aufteilung unterliegt grundsätzlich nur das Vermögen, das die Ehegatten gemeinsam geschaffen und zu dessen Erwerb sie während der ehelichen Lebensgemeinschaft beigetragen haben (RIS Justiz RS0057287). Der Beitrag eines Partners zur Vermögensbildung des anderen während einer vorehelichen Lebensgemeinschaft – und ein daraus allenfalls resultierender Bereicherungsanspruch wegen (teilweiser) Zweckverfehlung – findet im Aufteilungsverfahren keine Berücksichtigung (1 Ob 242/17w; 1 Ob 234/14i; 9 Ob 49/10m mwN). Mündet eine Lebensgemeinschaft in eine Ehe, behalten die von den Lebensgefährten einzeln oder gemeinsam in die Ehe eingebrachten Sachen ihre bisherige rechtliche Zuordnung und gehören im Fall der Auflösung der Ehe nicht in die Aufteilungsmasse (RS0057386), weil es sich dabei eben um keine eheliche Errungenschaft handelt (1 Ob 134/14h). Dann ist nur die durch Leistungen der Ehegatten während der Ehe herbeigeführte Wertsteigerung der betreffenden Sache in die Aufteilung einzubeziehen (RS0057308).

[2] 1.2 Nach den Feststellungen tätigten die Parteien nach der Eheschließung Umbauarbeiten auf der bereits zuvor im Alleineigentum des Antragsgegners stehenden Liegenschaft, auf der sich die Ehewohnung befand, wodurch sich – isoliert betrachtet – der Wert der baulichen Anlagen inklusive Zubehör und Außenanlagen von der Eheschließung bis zum Auszug des Antragsgegners um 26.000 EUR erhöhte. Zudem tilgten sie während aufrechter Ehe ein Wohnbauförderungsdarlehen in Höhe von 16.626,29 EUR. Ausgehend von einem Aufteilungsschlüssel von 2 : 1 zu Gunsten der Antragstellerin, die – wie festgestellt – nahezu sämtliche der von ihr während der aufrechten ehelichen Gemeinschaft erhaltenen Beträge in die Liegenschaft investierte oder für Aufwendungen der ehelichen Gemeinschaft verwendete, billigten die Vorinstanzen ihr eine Ausgleichszahlung von 30.000 EUR zu. Dabei wurde berücksichtigt, dass im Haus ein mit Geldgeschenken ihres Vaters finanzierter Wintergarten noch mit einem Wert von 4.500 EUR vorhanden war, der der Antragstellerin vorweg zugewiesen wurde.

[3] 2. Entgegen dieser Beurteilung strebt die Antragstellerin auch noch im Revisionsrekursverfahren die Einbeziehung der (gesamten) Liegenschaft samt Ehewohnung in die Aufteilung an. Mit ihren Ausführungen zeigt sie im Ergebnis aber keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG auf:

[4] 2.1 Vor dem Hintergrund der gesetzlichen Regelung schwer verständlich sind die Ausführungen der Revisionsrekurswerberin zur „Umwidmung“ der vom Mann in die Ehe eingebrachten Liegenschaft mit der Ehewohnung: In seiner Zusicherung, die Frau und ihre Kinder hätten bei ihm ein Zuhause und das Haus sei nun das Haus von ihnen beiden, liege eine ausdrückliche Umwidmung der Liegenschaft „in eheliches Gebrauchsvermögen“ vor.

[5] Nach § 81 Abs 2 EheG gehören zum ehelichen Gebrauchsvermögen alle beweglichen oder unbeweglichen körperlichen Sachen, die während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft dem Gebrauch beider Ehegatten gedient haben, insbesondere auch der Hausrat und die Ehewohnung. Diese Tatbestandsvoraussetzungen sind im vorliegenden Fall zweifellos erfüllt, weshalb sich die Frage einer „Umwidmung“ in eheliches Gebrauchsvermögen gar nicht stellt. In Anbetracht des ausdrücklichen Verweises in § 82 Abs 1 EheG unterliegen allerdings Sachen des ehelichen Gebrauchsvermögens (sowie eheliche Ersparnisse) unter anderem dann nicht der Aufteilung, wenn sie – wie hier – ein Ehegatte im Sinn der ersten Variante der Z 1 in die Ehe eingebracht hat. Warum dieser Ausnahmetatbestand hier nicht zur Anwendung kommen sollte, vermag die Revisionsrekurswerberin nicht nachvollziehbar zu erklären; eine (formgerechte) Vorausvereinbarung im Sinn des § 97 Abs 1 EheG, mit der die Einbeziehung der vom Mann eingebrachten Liegenschaft mit der Ehewohnung bestimmt worden wäre, behauptet sie nicht. Damit bestehen keine Bedenken gegen die Rechtsauffassung der Vorinstanzen, dass der Aufteilung lediglich die während der ehelichen Lebensgemeinschaft bewirkte Wertsteigerung der Liegenschaft unterliegt, wogegen sie selbst real nicht in die Aufteilung einbezogen werden kann (vgl nur 1 Ob 96/20d). Aus der (nicht weiter präzisierten) Feststellung, dass die Antragstellerin schon vor der Eheschließung einen großen Teil ihres damaligen Vermögens vor allem in diese Liegenschaft investierte, ergibt sich bloß, dass sie damit den Wert einer fremden Sache gesteigert, nicht aber eheliches Vermögen geschaffen hat (vgl 1 Ob 242/17w; Stabentheiner/Pierer in Rummel/Lukas , ABGB 4 § 81 EheG Rz 15 mwN). Die der Eheschließung vorangegangenen Investitionen können daher nur Gegenstand einer bereicherungsrechtlichen Auseinandersetzung sein.

[6] Soweit die Revisionsrekurswerberin als vermeintlichen Beleg für ihre abweichende Rechtsansicht die Entscheidung zu 3 Ob 148/08y ins Treffen führt, übersieht sie offenbar, dass in dem dort zu beurteilenden Fall die Liegenschaft mit der Ehewohnung erst nach der Eheschließung erworben wurde, wobei für die Finanzierung lediglich zu einem geringen Teil (rund 73.000 EUR bei einem Liegenschaftswert von rund 180.000 EUR) voreheliche Ersparnisse herangezogen wurden. Dass unter diesen Umständen die Liegenschaft real in die Aufteilung einzubeziehen war, war (zu Recht) nicht strittig. Die zu den vorehelichen Ersparnissen vertretene Auffassung, auch der insoweit noch fortwirkende Wert sei nicht abweichend zu behandeln, hat mit der hier zu beurteilenden Frage, ob die vom Mann in die Ehe eingebrachte Liegenschaft in die Aufteilungsmasse fällt, nichts zu tun.

[7] Kein Widerspruch besteht im Übrigen zwischen der die vorehelichen Investitionen betreffenden Feststellung und der den Zeitraum der aufrechten ehelichen Lebensgemeinschaft betreffenden Negativfeststellung, wonach nicht feststeht, welche Beträge die Antragstellerin konkret in die Liegenschaft investierte und welche sie für Aufwendungen der ehelichen Gemeinschaft verwendete.

[8] 2.2 Bei ihren sich auf diese beiden Feststellungen stützenden Ausführungen, es liege in Ansehung der Investitionen ein „nicht mehr abgrenzbares Surrogat“ vor, missversteht die Antragstellerin die Rechtslage:

[9] Nach dem Substitutions- oder Surrogations-prinzip sollen grundsätzlich Vermögenswerte, die an die Stelle einer in die Ehe eingebrachten Sache getreten sind, nicht der Aufteilung unterliegen (RS0057322 [T2]). Eine „wertverfolgende“ Berücksichtigung von eingebrachten Mitteln kommt allerdings nur dann in Frage, wenn die mit dem „freien Vermögen“ im Sinne des § 82 Abs 1 Z 1 EheG angeschafften Vermögenswerte noch abgrenzbar – zumindest als Surrogat – vorhanden sind und damit festgestellt werden kann, in welchem aktuellen Vermögenswert die seinerzeit eingesetzten Geldbeträge noch fortwirken (RS0057478 [T6]). Daraus folgt aber nicht, wie die Revisionsrekurswerberin offenbar meint, dass nicht weiter feststell- und damit abgrenzbare Investitionen zu einer Einbeziehung einer nach § 82 Abs 1 Z 1 EheG ausgenommenen Sache in die Aufteilungsmasse führen. Letzteres käme nur dann in Betracht, wenn die von den Ehegatten bewirkte Wertschöpfung während aufrechter ehelicher Lebensgemeinschaft klar überwiegt (vgl RS0057681), was hier nicht der Fall ist.

[10] 2.3 Weder Billigkeitserwägungen noch ein – im Gesetz ohnehin nicht positiviertes – Optionsrecht (vgl dazu RS0057523 [T4, T5]) der Antragstellerin als schuldlos Geschiedene sind für die Frage nach der Einbeziehung des im Alleineigentum des Antragsgegners stehenden Wohnhauses in das Aufteilungsverfahren von Relevanz (1 Ob 233/16w).

[11] 2.4 D ie Rechtsmittelwerberin macht geltend, dass sie mit ihrer Pension keine auch nur annähernd gleichwertige Wohnmöglichkeit finden könne, sodass ihr aus Gründen der Billigkeit ein – „entgeltfreies“ – Wohnungsgebrauchsrecht samt Garagen- und Gartenbenutzung an der im Alleineigentum des Antragsgegners stehenden Liegenschaft einzuräumen wäre.

[12] Nach § 90 Abs 1 EheG darf die Übertragung des Eigentums an unbeweglichen Sachen oder die Begründung von dinglichen Rechten daran nur angeordnet werden, wenn eine billige Regelung in anderer Weise nicht erzielt werden kann (1 Ob 25/18k). Das Rekursgericht hat das Vorliegen dieser Voraussetzung im Hinblick auf die dem Antragsgegner auferlegte Ausgleichszahlung verneint.

[13] Dem vermag die Antragstellerin schon deshalb nichts Stichhaltiges entgegenzusetzen, weil sie nicht aufzeigen kann, dass die Ehewohnung überhaupt in die Aufteilung einzubeziehen ist. Dies wäre – entgegen ihrer Auffassung im Rechtsmittel – aber Voraussetzung für eine entsprechende gerichtliche Anordnung (vgl 1 Ob 613/82 = EFSlg 41.345; 2 Ob 278/03a).

[14] A ls Gegenausnahme zu § 82 Abs 1 Z 1 EheG ist eine in die Ehe eingebrachte Ehewohnung nach § 82 Abs 2 EheG unter anderem dann in die nacheheliche Aufteilung einzubeziehen, wenn der andere Ehegatte auf ihre Weiterbenützung zur Sicherung seiner Lebensbedürfnisse angewiesen ist (RS0058398). Der Oberste Gerichtshof nimmt ein solches „Angewiesensein“ nur an, wenn die Weiterbenützung der Ehewohnung durch den anderen Teil für diesen eine Existenzfrage darstellt, wie dies etwa bei drohender länger dauernder Obdachlosigkeit der Fall wäre (RS0058370; RS0058382 [T1, T2] ua). Ein existenzielles Angewiesensein auf eine bestimmte Wohnung wird etwa dann verneint, wenn schon das laufende Einkommen den ehemaligen Ehegatten in die Lage versetzt, sich eine – wenn auch bescheidene – Wohnmöglichkeit selbst zu finanzieren (1 Ob 95/15z; RS0058370 [T6]; vgl auch RS0058355).

[15] Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, dass die Antragstellerin in der Lage ist, sich mit ihrem Pensionseinkommen (von durchschnittlich 1.283 EUR monatlich im Jahr 2016) eine – wenn auch bescheidene – Wohnmöglichkeit selbst zu finanzieren. D as Rekursgericht hat in dem Zusammenhang den (gerichtsnotorischen) Umstand veranschlagt, dass sämtliche Pensionen in den letzten Jahren erhöht wurden. Darin liegt jedenfalls kein Abgehen von erstinstanzlichen Feststellungen ohne Beweiswiederholung . Die Antragstellerin übergeht zudem die Feststellung, dass sie Zusatzeinnahmen von durchschnittlich 400 EUR netto monatlich für Putz- und Aushilfstätigkeiten etc erzielt, sodass ihr Einkommen insgesamt deutlich über dem Existenzminimum liegt. Eine existentielle Bedrohung bzw eine drohende Obdachlosigkeit hat die Antragstellerin im erstinstanzlichen Verfahren auch gar nicht behauptet; sie berücksichtigt auch die ihr zufließende Ausgleichszahlung von 30.000 EUR nicht. Soweit sie den Ausführungen des Rekursgerichts mit einem Hinweis auf den „Mietwert“ der Ehewohnung von 2.000 EUR im Monat begegnet, übersieht sie, dass die anderweitige Wohnmöglichkeit nicht der bisherigen Ehewohnung entsprechen muss (vgl auch 1 Ob 95/15z; 1 Ob 143/17m ua).

[16] 3.1 Richtig ist, dass Bewertungsstichtag für das zur Zeit der Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft vorhandene, der Aufteilung unterliegende Vermögen der Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz ist (RS0057644).

[17] Wertsteigerungen einer in das Aufteilungsverfahren nicht einzubeziehenden Liegenschaft, die nicht auf die Anstrengungen der Eheleute, sondern auf allgemeine Preissteigerungen von Liegenschaften zurückzuführen sind, sind allerdings keine ehelichen Errungenschaften (RS0113358 [T1]). Dass gerade der hier der Aufteilung unterliegende Wert der während der Ehe geschaffenen baulichen Anlagen in den Jahren zwischen der Trennung und der erstgerichtlichen Entscheidung entgegen dem gewöhnlichen Lauf der Dinge gestiegen wäre, behauptet die Revisionsrekurswerberin aber gar nicht.

[18] 3.2 Die Antragstellerin hat erstmals im Rekurs vorgebracht, eine Privatzimmervermietung im Haus begründe die Ausnahmen nach § 82 Abs 1 Z 2 und 3 EheG. Dabei handelt es sich um ein neues Tatsachen- und Rechtsvorbringen, dem das Rekursgericht zutreffend das auch im Aufteilungsverfahren geltende Neuerungsverbot entgegengehalten hat (§ 49 Abs 2, § 66 Abs 2 AußStrG; RS0119918). Die Revisionsrekursausführungen dazu sind kaum verständlich.

[19] 4. Einer weitergehenden Begründung bedarf es nicht (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Rechtssätze
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