JudikaturJustiz1Ob69/00d

1Ob69/00d – OGH Entscheidung

Entscheidung
28. März 2000

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Erlagssache der Antragstellerin Stadt Wien, wider die Antragsgegner 1. Dr. Peter L*****, 2. Ing. Matthias U*****, 3. Donaustadt Partei, vertreten durch Dr. Peter L*****, und 4. Donau Stadt Partei (Bürgerforum Donaustadt), vertreten durch Ing. Matthias U*****, wegen Gerichtserlags infolge Revisionsrekurses der Antragstellerin gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 9. Dezember 1999, GZ 45 R 722/99f 12, womit infolge Rekurses der Antragsgegner zu 1) und 3) der Beschluss des Bezirksgerichts Donaustadt vom 30. August 1999, GZ 19 Nc 21/99f 7, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die angefochtene Entscheidung wird mit der Maßgabe bestätigt, dass der Antrag auf Annahme des Erlags ab gewiesen wird.

Text

Begründung:

Unstrittig ist, dass die wahlwerbende Gruppe "Donaustadt Partei" bei der Bezirksvertretungswahl 1996 im 22. Wiener Gemeindebezirk ein Mandat erreichte und der erstgereihte Kandidat (= Erstantragsgegner) als gewählter Bewerber verlautbart wurde. Er übt dieses Mandat seit der Wahl aus. Der Zweitantragsgegner war bei der Bezirksvertretungswahl 1996 ein weiterer Kandidat der Donaustadt Partei. Mit Gemeinderatsbeschluss der Stadt Wien vom 30. 9. 1992 wurde unter anderem den in den Bezirksvertretungen vertretenen politischen Parteien eine nach der Mandatszahl unterschiedliche Par- teienförderung zuerkannt, und der Magistrat ermächtigt, diese Förderungen abzuwickeln und die jeweiligen Förderungsbeträge nach entsprechender Antragstellung durch die Parteien auszuzahlen.

Die Antragstellerin brachte vor, die 1996 angetretene wahlwerbende Gruppe "Donaustadt Partei" sei mittlerweile offensichtlich zerfallen. Der Erstantragsgegner habe in der Folge die politische Partei "Donaustadt Partei", der Zweitantragsgegner die politische Partei "Donau Stadt Partei (Bürgerforum Donaustadt)" gegründet. Beiden Parteien käme Rechtspersönlichkeit zu, sie könnten aber jeweils nicht als Rechtsnachfolger der seinerzeitigen wahlwerbenden Gruppe angesehen werden. Der Parteienförderungsbetrag werde von beiden politischen Parteien in Anspruch genommen, sodass mehrere Forderungsprätendenten vorhanden seien. Es sei unklar, wem der Förderungsbetrag tatsächlich zustehe.

Das Erstgericht nahm den von der Antragstellerin für die Antragsgegner am 6. 7. 1999 vorgenommenen Erlag von S 108.409 gemäß § 1425 ABGB zu Gericht an. Die Voraussetzungen für den Erlag seien gegeben, weil Erleger und Erlagsgegner bestimmt seien. Auch Leistungen aus öffentlich rechtlichen Ansprüchen seien erlagsfähig; tatsächlich bestehe eine ungeklärte Rechtslage.

Infolge Rekurses des Ersterlagsgegners und der Dritterlagsgegnerin änderte das Rekursgericht diese Entscheidung dahin ab, dass es den Antrag auf Annahme des Erlags zurückwies. Es sprach aus, dass der Revisionsrekurs zulässig sei. Auf Grund des erwähnten Gemeinderatsbeschlusses habe jede politische Partei, die ein Mandat erzielt habe, Anspruch auf Parteienförderung. Der Magistrat, der die Förderungsbeträge auszuzahlen habe, sei jene Stelle, an die der Auszahlungsantrag zu richten sei. Da der Anspruch auf Parteienförderung "gegenüber" einer Verwaltungsbehörde geltend zu machen sei, sei der Zivilrechtsweg ausgeschlossen. Der Anspruch auf Parteienförderung sei materiellrechtlich nicht im Zivilrecht und auch in keinem sonstigen Gesetz begründet; er beruhe vielmehr auf einem Gemeinderatsbeschluss, und der Magistrat habe bei Geltendmachung eines Anspruchs auf Parteienförderung zu entscheiden. Für "Angelegenheiten des öffentlichen Rechts" sei aber ein Gerichtserlag gemäß § 1425 ABGB nicht vorgesehen.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs der Antragstellerin ist zulässig, aber im Ergebnis nicht berechtigt.

Der Antragstellerin ist dahin beizupflichten, dass die vom Gemeinderat beschlossene Parteienförderung ein Akt der Privatwirtschaftsverwaltung und nicht ein solcher der Hoheitsverwaltung ist. Die Frage, ob eine bestimmte Aufgabe zu ihrer Wahrnehmung der Hoheitsverwaltung oder der Privatwirtschaftsverwaltung übertragen ist, ist ausschließlich nach den maßgeblichen Rechtsvorschriften zu beurteilen; es gilt unter Ausschöpfung aller Interpretationsmöglichkeiten zu ermitteln, welche Vollzugsform der Gesetzgeber angewendet wissen will (SZ 69/25). Wichtiges Indiz für die privatrechtliche Natur des Verwaltungshandelns ist der Mangel der gesetzlichen Determinierung; der Wille des Verwaltungsorgans, einen Bescheid zu erlassen, kann dagegen für die Hoheitsverwaltung sprechen (SZ 67/208; SZ 65/40; SZ 61/261). Die Förderung der politischen Parteien im Wirkungsbereich der Antragstellerin ist gesetzlich nicht determiniert: es wurde bisher kein "Wiener Parteienförderungsgesetz" erlassen, vielmehr ist die Parteienförderung durch den Gemeinderatsbeschluss vom 30. 9. 1992 geregelt. Die Antragstellerin hat auch nicht vorgebracht, die Parteienförderung werde bescheidmäßig zuerkannt; dem Gemeinderatsbeschluss vom 30. 9. 1992 ist bloß zu entnehmen, dass die Förderungsbeträge " gegen entsprechende Antragstellung durch die Parteien auszubezahlen" sind. Gerade die Kombination von "Zusage der Parteienförderung" mittels Gemeinderatsbeschlusses und "Auszahlung über Antrag" spricht für eine nicht hoheitliche Gestaltung der Parteienförderung (vgl Adamovich/Funk, Allgemeines Verwaltungsrecht3 191). Im Zweifel ist für jegliche Förderungsverwaltung privatrechtliches Handeln anzunehmen (SZ 67/208). Die vom Gemeinderat der Stadt Wien beschlossene Förderungsmaßnahme ist einer Subvention gleichzuhalten, also einer vermögenswerten Zuwendung aus öffentlichen Mitteln, die ein Verwaltungsträger oder eine andere mit der Vergabe solcher Mittel betraute Institution einem Privatrechtssubjekt zukommen lässt (vgl SZ 67/208; SZ 66/84, SZ 65/40; Adamovich/Funk aaO 188 ff). Die Zurückweisung des Erlagsantrags durch das Rekursgericht mit der Begründung, dass der Zivilrechtsweg ausgeschlossen sei, ist demnach verfehlt. Damit ist aber für die Antragstellerin nichts gewonnen:

Der Erlagsantrag ist in Ansehung des Erst und des Zweitantragsgegners schon deshalb nicht berechtigt, weil diesen Personen schon nach dem Vorbringen der Antragstellerin kein Anspruch auf den Förderungsbetrag zustehen kann, so dass diesen Personen gegenüber keine Schuld abzutragen ist: In Übereinstimmung mit dem Inhalt des Gemeinderatsbeschlusses vom 30. 9. 1992 brachte die Antragstellerin nämlich vor, dass lediglich den im Gemeinderat bzw in den Bezirksvertretungen vertretenen politischen Parteien eine Parteienförderung zustehe, sodass schon allein deshalb den beiden Proponenten verschiedener politischer Parteien als physischen Personen jedenfalls kein solcher Anspruch zustehen kann und ihnen gegenüber der Erlagsantrag abzuweisen ist.

Gemäß § 1425 ABGB steht es dem Schuldner "bevor", die abzutragende Sache bei dem Gericht zu hinterlegen, wenn eine Schuld aus dem Grunde, weil der Gläubiger unbekannt, abwesend, oder mit dem Angebotenen unzufrieden ist, oder aus anderen wichtigen Gründen nicht bezahlt werden kann. Im vorliegenden Fall kommt nur ein "anderer wichtiger Erlagsgrund" im Sinne des § 1425 ABGB in Frage. Ein solcher wichtiger Grund liegt etwa vor, wenn mehrere Forderungsprätendenten auftreten und der Schuldner bei zumutbarer Prüfung nicht erkennen kann, wer von ihnen Gläubiger ist (EvBl 1964/13; SZ 30/79; Reischauer in Rummel, ABGB2 Rz 4 zu § 1425). Im vorliegenden Fall ist der Antragstellerin eine verlässliche Prüfung dahin, wer von den Erlagsgegnern zum Bezug der Parteienförderung berechtigt ist, durchaus möglich und auch zumutbar. Nach dem Gemeinderatsbeschluss ist den "in den Bezirksvertretungen vertretenen politischen Parteien" die Parteienförderung zu gewähren. Nach ihrem eigenen Vorbringen ist der Erstantragsgegner jene Person, die das Mandat für die im Jahre 1996 wahlwerbende Gruppierung ausübt und die die Drittantragsgegnerin als politische Partei gegründet hat. Das bedeutet aber, dass er für diese politische Partei und keinesfalls für die Viertantragsgegnerin in der Bezirksvertretung tätig ist; diese ist mit keinem Mandat ausgestattet und somit auch in der Bezirksvertretung für den 22. Wiener Gemeindebezirk nicht vertreten. Die Parteienförderung kann aber nur einer in der Bezirksvertretung vertretenen Partei ausgezahlt werden, sodass ein Anspruch der Viertantragsgegnerin auch nicht in Betracht kommt. Da sämtliche politischen Parteien Satzungen zu beschließen haben, aus denen ihre Organe und die nach außen hin Vertretungsbefugten ersichtlich sind (§ 1 Abs 4 Parteiengesetz), ist es der Antragstellerin auch schon aus diesem Grund ganz einfach möglich, den für die Parteienförderung Anspruchsberechtigten zu ermitteln. Es geht hier nicht um die Frage, wer im Jahre 1996 als Wahlpartei aufgetreten und ob diese Wahlpartei allenfalls nicht mit der Drittantragsgegnerin identisch ist (vgl Walter/Mayer, Grundriss des österreichischen Bundesverfassungsrechts8 Rz 317), sondern lediglich darum, welche politische Partei in der Bezirksvertretung tatsächlich vertreten ist: Dieser steht der Anspruch auf die vorgesehene Parteienförderung zu.

Es liegt daher keiner der im § 1425 ABGB genannten Erlagsgründe vor, weshalb dem Revisionsrekurs im Ergebnis kein Erfolg beschieden sein kann.

Rechtssätze
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