JudikaturJustiz1Ob65/04x

1Ob65/04x – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Juni 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Partei Gertrud Hedwig P*****, vertreten durch Dr. Julius Brändle, Rechtsanwalt in Dornbirn, wider die beklagte Partei und Gegner der gefährdeten Partei Gerhard P*****, vertreten durch Dr. Karl Heinz Plankel, Dr. Herwig Mayrhofer und Dr. Manuela Schipflinger, Rechtsanwälte in Dornbirn, wegen Ehescheidung, hier: Erlassung einer einstweiligen Verfügung gemäß § 382b EO infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der beklagten Partei und Gegners der gefährdeten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Feldkirch als Rekursgericht vom 14. August 2003, GZ 1 R 233/03b 40, womit infolge Rekurses der klagenden und gefährdeten Partei der Beschluss des Bezirksgerichts Dornbirn vom 23. Juni 2003, GZ 1 C 250/02g 32, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts in seinem Punkt 1. wiederhergestellt wird.

Die klagende und gefährdete Partei ist schuldig, der beklagten Partei und Gegner der gefährdeten Partei die mit EUR 2.521,15 (darin EUR 420,19 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit insgesamt EUR 555,46 (darin EUR 92,58 USt) bestimmten Kosten des Verfahrens zweiter Instanz und die mit EUR 399,74 (darin EUR 66,92 USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Streitteile haben am 10. 4. 1987 die Ehe geschlossen; es entstammen ihr drei minderjährige, im Haushalt der Eltern lebende Kinder.

Seit der Einbringung der Scheidungsklage verbringt der Beklagte mehr Zeit zu Hause als früher, weil er sich beruflich verändert und ein eigenes Unternehmen gegründet hat. Er ist untertags unregelmäßig, oft drei bis vier Tage überhaupt nicht zu Hause. Er fährt dann nach Hause, wenn ein Termin ausfällt. Den letzten Besprechungstermin hat der Beklagte regelmäßig um 20 Uhr. Wenn dieser ausfällt, kommt er um diese Zeit nach Hause, ansonsten gegen 21.30 Uhr. Zu Hause unterhält sich der Beklagte mit den Kindern und schaut die Post durch.

Die Klägerin verlässt seit Herbst 2002 täglich das Haus um 5 Uhr, wobei sie entweder in das von ihr betriebene Schuhgeschäft oder zu ihren Eltern geht. Kurz vor halb sieben kommt sie dann wieder nach Hause, um den Kindern das Frühstück zu bereiten. Ca dreimal in der Woche verbringt sie die Abende bei ihren Eltern, wobei sie zwischen 22 und 23 Uhr zu diesen kommt und zwischen 24 Uhr und 1 Uhr nachts wieder nach Hause zurückkehrt. Seit der ersten Scheidungsverhandlung hält die Klägerin das eheliche Schlafzimmer versperrt, doch hat der Beklagte schon zuvor seit einem Jahr nicht mehr im gemeinsamen Ehebett geschlafen. Seit einem Dreivierteljahr kocht die Klägerin lediglich für sich und die drei Kinder, nicht jedoch für den Beklagten, dem sie auch die Wäsche nicht mehr wäscht. Der Beklagte isst entweder auswärts oder bedient sich aus dem Kühlschrank, wobei es auch vorkommen kann, dass er ein für die Klägerin bestimmtes Joghurt isst.

Seit Einbringung der Scheidungsklage kam es zwischen den Ehegatten kaum zu Streitigkeiten, weil sie sich aus dem Weg gehen. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass der Beklagte die Klägerin jemals beschimpft habe oder tätlich gegen sie vorgegangen sei. Lediglich die Klägerin hat den Beklagten einmal mit beiden Händen auf den Oberkörper und den Kopf geschlagen. Der Beklagte, der nicht verletzt wurde, wehrte die Schläge mit den Händen ab, schlug jedoch nicht zurück, sondern stand auf und ging weg. Einmal kam es zu einer Begegnung der Streitteile auf der 1 m breiten Stiege in ihrem Wohnhaus, wobei sie sich berührten. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass der Beklagte die Klägerin vorsätzlich an die Wand gedrückt und dass die Klägerin dadurch einen blauen Fleck am Oberarm davon getragen habe.

Der Beklagte ist im Besitz eines Teils des Schmucks der Klägerin. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass er ihr diesen weggenommen oder vom Boden aufgesammelt habe, nachdem die Klägerin ihn dorthin geworfen habe. Die Klägerin musste einmal, als sie mit einer ihrer Töchter mit den Fahrrädern ausfahren wollte, feststellen, dass die hinteren Reifen drucklos und die Fahrradpumpenaufsätze nicht auffindbar waren. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass der Beklagte die Luft aus den Fahrradreifen abgelassen und die Pumpenaufsätze weggeräumt habe. Die Klägerin wäscht jeden Samstag ihre und der Kinder Wäsche. Der Beklagte hat wiederholt diese Wäsche aus der Waschmaschine heraus genommen und seine eigene Wäsche gewaschen. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass der Beklagte den Waschvorgang für die von der Klägerin eingelegte Wäsche jeweils unterbrochen habe oder dass die Wäsche bereits fertig gewaschen gewesen sei. Die Klägerin richtete für Ostern Geschenke her, wobei in der Folge eines nicht mehr auffindbar war. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass der Beklagte das Geschenk an sich genommen habe.

Seit Einbringung der Scheidungsklage sperrt der Kläger die Garagentür zu, obwohl er weiß, dass die Klägerin deren Offenhaltung wünscht, damit die Kinder, wenn sie früher von der Schule kommen, in das Haus gelangen können. Das Hobby der Klägerin ist die Gartenarbeit. Einmal konnte sie den Rasen nicht mähen, weil der Beklagte den Rasenmäher, ohne die Kägerin zu informieren, seinem Bruder geliehen hatte. In Abwesenheit der Klägerin leerte der Beklagte die Asche aus dem Kachelofen als Dünger auf den Rasen. Dabei verstreute er auch Asche auf die Fensterbänke und die Kellerstiege. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass der Beklagte dies absichtlich getan habe, um die Klägerin zu ärgern. In der Zeit um Ostern schnitt der Kläger die Hecke und füllte das Schnittgut in Plastiksäcke, die er neben der Haustür deponierte. Nach einer Woche stellte die Klägerin die Säcke in die Garage, doch der Beklagte trug sie wieder zurück zur Haustür. Dies ging auch noch ein weiteres Mal so, bis die Klägerin die Abfallsäcke entsorgte. Das Erstgericht konnte nicht feststellen, dass der Beklagte die Plastiksäcke neben die Haustür gestellt habe, weil er wusste, dass dies die Klägerin störe, oder ob er dies getan habe, um nicht zu vergessen, sie zu entsorgen. Der Beklagte bekam von einem Mandanten Möbel geschenkt und beabsichtigte, damit eine noch fertig zu stellende Wohnung einzurichten. In der Zwischenzeit stellte er die Möbel, ohne die Klägerin zu fragen, in einem der beiden Wohnzimmer des Hauses auf. Aus einem dort befindlichen Glasschrank räumte er die Gläser in den neuen Kasten und stellte den Glasschrank in das andere Wohnzimmer. Auf diesem Glasschrank standen verschiedene Gegenstände, die die Eltern der Klägerin ihr aus dem Urlaub mitgebracht hatten. Der Beklagte stellte diese Dinge auf die Stiege und sagte zu den Kindern, ob sie jemand von ihnen wolle. Nachdem eine der Töchter zwei der Gegenstände an sich genommen hatte, landete der Rest im Mistkübel. Das Erstgericht konnte weder feststellen, dass der Beklagte angedroht habe, die Sachen wegzuwerfen, noch dass er dies tatsächlich getan habe. In der zum Wohnhaus gehörenden Doppelgarage parkt der Beklagte meistens so, dass die Klägerin mit ihrem Wagen nur schwer einfahren kann oder zuerst Fahrräder wegräumen muss. Nach der ersten Scheidungsverhandlung wollte die Klägerin mit den Kindern auf Schiurlaub fahren. Der Beklagte nahm ihr jedoch die Autoschlüssel weg, sodass die Klägerin mit einem von ihren Eltern zur Verfügung gestellten Auto fahren musste. Die im Auto des Beklagten verbliebenen Saisonkarten gab er der Klägerin und den Kindern nicht heraus, sodass diese neue Karten kaufen mussten.

Seit sie die Scheidungsklage eingebracht hat, weint die Klägerin sehr oft. Sie leidet an Schlafstörungen und einem juckenden Hautausschlag. Dieser trat auf, als die Klägerin im Jahr 2002 von einem mit dem Beklagten gemeinsam verbrachten Urlaub in der Türkei zurückkehrte. Nach Mitteilung einer Heilpraktikerin ist die Ursache des Hautausschlags in psychischer Belastung zu sehen. Seit Herbst des Jahres 2002 leidet die Klägerin auch an Bauchschmerzen. Diese treten auf, wenn sie mit dem Beklagten eine Auseinandersetzung hat, darüber hinaus aber auch, wenn sie sich in Abwesenheit des Beklagten in ihrem Geschäft befindet. Grund dafür sind die derzeitigen Spannungen. Am 10. 1. 2003 ließ sich die Klägerin von einem Facharzt für Psychiatrie und Neurologie untersuchen. Aufgrund ihrer eigenen Angaben attestierte dieser Arzt der Klägerin eine ausgeprägte reaktive Depression. Psychotische Symptome seien nicht nachweisbar. Der Facharzt führte weiters aus, unter Annahme der Richtigkeit der Angaben der Klägerin sei deren psychischer Zustand allein auf die derzeit belastende Situation zurückzuführen. Eine medikamentöse Behandlung sei nicht erforderlich. Die Klägerin ist in psychologischer Behandlung beim Institut für Sozialdienste. Die Klägerin hat jeweils Angst, nach Hause zu gehen, weil sie befürchtet, dass der Beklagte zu Hause sein könnte. Sie hat dann Angst davor, dass irgend etwa fehle, umgestellt worden bzw "kaputt" sei. Weiters hat sie Angst, dass der Beklagte verbal "ausrastet".

Eine der Töchter hat seit etwa ein bis zwei Monaten vor Erlassung des erstinstanzlichen Beschlusses Bauchschmerzen, die die Schulärztin als Folge der bevorstehenden Scheidung bezeichnete. Außerdem bekam die Tochter ebenfalls einen Hautausschlag und hatte vermehrt Einschlafstörungen.

Die Klägerin brachte am 3. 12. 2002 die Ehescheidungsklage ein, die sie im Wesentlichen darauf stützte, dass der Beklagte in den letzten sechs Jahren kein Interesse mehr gezeigt habe, sich um die Familie, insbesondere die gemeinsamen Kinder, zu kümmern. Er ziehe es vor, seine beruflichen Interessen dermaßen in den Vordergrund zu stellen, dass darunter das gesamte Familienleben leide. Die Klägerin sei nicht mehr in der Lage, dieses lieblose Verhalten zu dulden, weshalb sie zur Klagsführung gezwungen sei.

Im Zuge des Scheidungsverfahrens begehrte die Klägerin mit Schriftsatz vom 23. 1. 2003 (ON 8), dem Beklagten mittels einstweiliger Verfügung aufzutragen, die eheliche Wohnung sofort zu verlassen. Seit Klagseinbringung komme es zwischen den Parteien ständig zu Streitigkeiten. Der Beklagte habe die Klägerin tätlich angegriffen und sie befürchte, dass diese Angriffe im weiteren Verlauf des Scheidungsverfahrens "ausarten" könnten. Der Beklagte versuche, der Klägerin die Kinder zu entziehen, indem er ihr das von ihm zur Verfügung gestellte Fahrzeug grundlos weggenommen habe. Durch die ständigen Auseinandersetzungen sei die Klägerin psychisch belastet. Sie leide an einer ausgeprägten reaktiven Depression, die eine Folge der massiven Spannungen zwischen den Parteien sei. Darüber hinaus sei sie stets den Tränen nahe, leide an Durchschlafstörungen und einem juckenden Hautausschlag. Dieser psychische Zustand der Klägerin sei auf die derzeit äußerst belastende Situation mit dem Beklagten zurückzuführen, weshalb der Klägerin ein weiteres Zusammenleben unzumutbar sei. Die Klägerin habe an der ehelichen Wohnung ein dringendes Wohnbedürfnis, während der Beklagte Eigentümer zweier Wohnungen sei und zudem in das elterliche Wohnhaus ziehen könne.

Der Beklagte wendete ein, er habe die Klägerin zu keinem Zeitpunkt tätlich angegriffen oder auch nur mit einem körperlichen Angriff gedroht. Das weitere Zusammenleben mit ihm sei für die Klägerin nicht unzumutbar. Der Beklagte habe zu keinem Zeitpunkt ein Verhalten gesetzt, durch das die psychische Gesundheit der Klägerin erheblich beeinträchtigt hätte werden können. Dazu bestehe auch kaum Gelegenheit, weil sie den Beklagten seit Einbringung der Scheidungsklage völlig ignoriere und jeglicher Begegung gezielt ausweiche. Der Beklagte betreibe auch keinen Psychoterror. Die Klägerin sei aufgrund ihrer schwierigen Kindheit seit jeher psychisch belastet gewesen. Es liege bei ihr Gewaltbereitschaft vor, was sich in tätlichen Angriffen gegen den Beklagten und unkontrollierten Ausbrüchen manifestiere. Soweit die Klägerin überhaupt an psychisch bedingten Erkrankungen leide, sei dies eine Folge ihrer dramatischen Kindheitserlebnisse und keinesfalls vom Beklagten verursacht. Der Beklagte sei von seinem Naturell her äußerst friedfertig. Die Klägerin führe schon seit Dezember 2000 den gemeinsamen Haushalt nicht mehr. Der Beklagte habe ein dringendes Wohnbedürfnis, weil die in seinem Eigentum stehenden Wohnungen noch nicht fertiggestellt seien und bei seinen Eltern sein Bruder mit Familie lebe. Demgegenüber sei die Klägerin Eigentümerin einer Wohnung und habe die Möglichkeit, zu ihren Eltern zu ziehen.

Das Erstgericht wies den Sicherungsantrag der Klägerin ab. Es führte aus, dem Beklagten habe weder Gewalt noch gefährliche Drohung, die das Zusammenleben unzumutbar machten, nachgewiesen werden können. Es falle ihm auch kein Psychoterror zur Last, hätten doch die Klägerin und auch die Kinder angegeben, dass es zwischen den Parteien kaum zu Streitigkeiten komme, weil man sich aus dem Weg gehe. Die psychischen Beeinträchtigungen der Klägerin und der Kinder hätten ihre Ursache in den "normalen" Spannungen, die es in jedem Scheidungsprozess gebe. Es wäre unbillig, wegen dieser für einen streitigen Scheidungsprozess nicht ungewöhnlichen Situation eine der Parteien aus der Wohnung wegzuweisen.

Das Gericht zweiter Instanz erließ die einstweilige Verfügung und trug dem Beklagten auf, die Ehewohnung binnen 14 Tagen zu verlassen. Die Frage der Zumutbarkeit weiteren Zusammenlebens von Ehegatten sei nicht nach objektiven, sondern nach subjektiven Kriterien zu beurteilen. Entscheidend seien stets die Umstände des Einzelfalls, wobei zu berücksichtigen sei, dass das Gewaltschutzgesetz eine "Entschärfung" der Voraussetzungen für die Erlassung einer einstweiligen Verfügung herbeigeführt habe, sodass es der Zielsetzung dieses Gesetzes entspreche, einen großzügigeren Maßstab anzulegen. Das Erstgericht habe als bescheinigt angesehen, dass bei der Klägerin eine ausgeprägte reaktive Depression vorliege, dass sie seit Einbringung der Scheidungklage häufig weine und aufgrund der Spannungen mit dem Beklagten regelmäßig Bauchschmerzen bekomme sowie dass sie an Schlafstörungen und einem juckenden Hautausschlag leide. Weiters habe die Klägerin Angst davor, nach Hause zu gehen. Vor diesem Hintergrund seien die physischen und psychischen Leidenssymptome der Klägerin als so erheblich einzustufen, dass eine einstweilige Maßnahme nach § 382b EO gerechtfertigt erscheine. Das Verhalten des Beklagten entspreche trotz der zahlreichen Negativfeststellungen des Erstgerichts den typischen Symptomen eines den anderen Teil zermürbenden Kleinkriegs, wodurch Spannungen vergrößert statt abgebaut würden. Dass der Beklagte die Garagentür absperre, obwohl er wisse, dass die Klägerin dies nicht wünsche, müsse ebenso als die Spannungen vermehrendes Verhalten angesehen werden wie die fehlende Rücksichtnahme bei Benützung der Waschmaschine, das Ausstreuen von Asche im Garten gegen den Willen der Klägerin, das Hickhack bei der Entsorgung von Gartenabfällen und das einstweilige, nicht in Absprache mit der Klägerin erfolgte Abstellen von Möbeln im gemeinsamen Wohnzimmer. Auch das Abstellen des Autos in der Doppelgarage in einer Weise, dass die Klägerin dort ihr Fahrzeug nur mit Mühe parken könne, sei als ein solches Symptom zu werten. In einer Scheidungssituation könnten auch anscheinend geringfügige Vorfälle zu einer ins Gewicht fallenden Vermehrung der situationsbedingten Spannungen und zu einer solchen Beeinträchtigung des Zusammenlebens führen, dass dieses unzumutbar werde. Berücksichtige man weiters, dass sich der Beklagte seit Einbringung der Scheidungsklage vermehrt zu Hause aufhalte und dass die Spannungen zwischen den Streitteilen ein Ausmaß erreicht hätten, das zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung der Klägerin sowie einer der Töchter führte, dann erscheine dem Rekursgericht die Erlassung der einstweiligen Verfügung gemäß § 382b EO als gerechtfertigt. Auch die Abwägung des dringenden Wohnbedürfnisses gehe zu Lasten des Beklagten aus, weil dieser aufgrund seiner Einkommenssituation eher in der Lage sei, sich eine Ersatzwohnung zu beschaffen. Dem Beklagten sei allerdings nicht das sofortige Verlassen der Wohnung aufzutragen, sondern eine 14 tägige Frist einzuräumen, um ihm eine entsprechende Vorbereitung zu ermöglichen.

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Beklagten ist berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 382b Abs 1 EO hat das Gericht einer Person, die einem nahen Angehörigen durch einen körperlichen Angriff, eine Drohung mit einem solchen, oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das weitere Zusammenleben unzumutbar macht, auf dessen Antrag unter anderem das Verlassen der Wohnung aufzutragen, wenn die Wohnung der Befriedigung des dringenden Wohnbedürfnisses des Antragstellers dient. Neben der physischen wird somit vom Gesetz auch die psychische Integrität geschützt. Es soll deshalb auch ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten ("Psychoterror") die Ausweisung ermöglichen, wenn es eine Schwere erreicht, die die strenge Maßnahme der einstweiligen Verfügung angemessen erscheinen lässt (RV 252 BlgNR 20. GP, 8). Maßgeblich für die Beurteilung der Unzumutbarkeit weiteren Zusammenlebens nach § 382b EO sind Ausmaß, Häufigkeit und Intensität des die psychische Gesundheit beeinträchtigenden Verhaltens. Je massiver das dem Antragsgegner zur Last fallende Verhalten auf die körperliche und seelische Integrität des Opfers eingewirkt hat, je schwerwiegender die unmittelbaren Auswirkungen und die weiteren Beeinträchtigungen des Antragsgegners sind und je häufiger es zu solchen Vorfällen gekommen ist, desto eher wird unter den maßgeblichen Umständen des Einzelfalls von einer Unzumutbarkeit des weiteren Zusammenlebens auszugehen sein. Je leichtere Folgen das Verhalten des Antragsgegners gezeitigt hat, je länger es ohne weitere "einschlägige" Vorkommnisse zurückliegt und je mehr sich der Antragsgegner in der Folge bewährt hat, desto eher wird man dem betroffenen Ehegatten das weitere Zusammenleben zumuten können. Von Bedeutung ist allerdings stets nicht ein Verhalten, das der Durchschnittsmensch als "Psychoterror" empfände, sondern die Wirkung eines bestimmten Verhaltens gerade auf die Psyche des Antragstellers (SZ 71/118; 9 Ob 286/01a mwH). Die Wegweisung darf jedoch in keinem Fall eine unangemessene Reaktion auf das Verhalten des Antragsgegners sein (Zechner, Sicherungsexekution und einstweilige Verfügung, 174).

Im hier zu beurteilenden Fall steht nun im Vordergrund, dass die Streitteile einander dem bescheinigten Sachverhalt zufolge seit Einbringung der Scheidungsklage bewusst aus dem Weg gehen, sodass es zu keinen Streitigkeiten kommt. Wie sich aus den Feststellungen in ihrer Gesamtheit, etwa jenen über das Vorhandensein zweier Wohnzimmer, ergibt, liegt zudem eine räumliche Situation vor, die die Vermeidung von Kontakten zumindest nicht übermäßig erschwert. Ein guter Teil der vom Erstgericht als bescheinigt angenommenen, von der Klägerin als belastend empfundenen Verhaltensweisen des Beklagten, wie etwa die Verleihung des Rasenmähers, das Einstellen von Möbeln und allfällige Unzukömmlichkeiten bei der Benützung der Waschmaschine, sind wohl gerade auf diese Trennung der Lebensbereiche und die mangelnde Kommunikation auch bei alltäglichen Dingen zurückzuführen. Anhaltspunkte dafür, dass der Beklagte mit seinen Handlungen die Klägerin zu "zermürben" versuche, wie dies das Rekursgericht seiner Entscheidung zugrunde gelegt hat, konnte das Erstgericht in der weitaus überwiegenden Zahl der gegen den Beklagten erhobenen Vorwürfe gerade nicht finden, sodass es zu entsprechenden Negativfeststellungen gelangte. Die übrigen Fälle, wie etwa das Versperren des Garagentores oder das behindernde Parken des Autos, sind in ihrer Intensität auch unter Berücksichtigung subjektiver Empfindlichkeit beträchtlich davon entfernt, als "Psychoterror" eingestuft werden zu können. Der Hinweis auf die Entscheidung 9 Ob 286/01a vermag daran nichts zu ändern, weil das dort festgestellte Verhalten ständiges Beobachten, Nachfahren mit dem Auto, Herumschleichen im Garten und Versuch des gewaltsamen Eindringens in die Wohnung mit dem hier zu beurteilenden Sachverhalt schon deshalb nicht vergleichbar ist, weil sich die Streitteile wie festgestellt aus dem Weg gehen und sich das Verhalten des Beklagten auch einem sensiblen Menschen gegenüber nicht dazu eignet, nachhaltigen psychischen Druck in der der strengen Maßnahme der Wegweisung aus der Wohnung entsprechenden Intensität auszuüben.

Das Erstgericht hat es für glaubhaft gehalten, dass Mutter und Tochter unter den durch das Scheidungsverfahren verursachten Belastungen leiden und dass es dadurch zu psychisch bedingten Leidenszuständen wie Schlafstörungen, Bauchschmerzen und Hautausschlägen komme. Doch ist seinen Feststellungen auch zu entnehmen, dass insbesondere die beiden letztgenannten Symptome keine unmittelbare Reaktion auf bestimmte Verhaltensweisen des Beklagten sind. Im Übrigen hat das Rekursgericht aktenwidriger Weise unterstellt, das Erstgericht habe als bescheinigt angesehen, dass bei der Klägerin eine ausgeprägte reaktive Depression vorliege. Dementgegen hat das Erstgericht festgestellt, der von der Klägerin aufgesuchte Arzt habe diese Diagnose aufgrund der Angaben der Klägerin gestellt und wiederum unter der Annahme, dass die Angaben der Klägerin richtig seien als Ursache die derzeit belastende Situation bezeichnet. Einer Verfahrensergänzung bedarf es jedoch in dieser Hinsicht nicht, weil ein solches Krankheitsbild auch bei seiner Bewahrheitung keinem konkreten Verhalten des Beklagten, sondern nur der besonderen Situation, in der sich die Parteien befinden, zugeordnet werden könnte. Wohl ist dem Rekursgericht darin zuzustimmen, dass die festgestellten körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen von Mutter und Tochter eine endgültige Bereinigung der Situation einschließlich der räumlichen Trennung der Ehegatten als überaus wünschenswert erscheinen lassen, doch hat der erkennende Senat bereits in seiner Entscheidung SZ 71/118 dargelegt, dass eine einstweilige Verfügung nach § 382b EO dann nicht in Frage kommt, wenn das weitere Zusammenleben aus anderen Gründen als wegen Gewalttätigkeiten im weitesten Sinne in der im Gesetz genannten Form unzumutbar ist.

Die Kostenentscheidung gründet auf § 393 Abs 2 EO sowie auf §§ 50 und 41 ZPO. Kosten für die erfolglose Vertagungsbitte vom 5. 6. 2003 und die in der Folge frustrierte Tagsatzung sind nicht zuzusprechen.

Rechtssätze
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