JudikaturJustiz1Ob640/85

1Ob640/85 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. September 1985

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Vormundschaftssache des mj. Kurt A, geb. 13.Oktober 1974, vertreten durch die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt, Jugendamt, Außenstelle Eisenkappel, infolge Revisionsrekurses der Mutter Franziska A, Hausfrau, Wriesnitz Nr. 2, 9141 Eberndorf, vertreten durch Dr. Siegfried Rack, Rechtsanwalt in Völkermarkt, gegen den Beschluß des Landesgerichtes Klagenfurt als Rekursgerichtes vom 12.Juni 1985, GZ 2 R 243/85-53, womit der Beschluß des Bezirksgerichtes Eisenkappel vom 26.April 1985, GZ P 50/74-50, teilweise abgeändert wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird, soweit er sich gegen den Zuspruch eines Unterhaltsbetrages von S 1.000 monatlich richtet, zurückgewiesen.

Im übrigen wird dem Revisionsrekurs Folge gegeben. Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden insoweit aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang zur Verfahrensergänzung und neuerlichen Beschlußfassung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Text

Begründung:

Der mj. Kurt A, ein uneheliches Kind der Revisionsrekurswerberin und des Albert B, wurde auf Grund der am 6.7.1979 angeordneten gerichtlichen Erziehungshilfe im SOS-Kinderdorf Moosburg untergebracht.

Die Revisionsrekurswerberin, die früher mangels eines nennenswerten Einkommens nicht zur Unterhaltsleistung für den mj. Kurt herangezogen werden konnte, wurde über Antrag des Amtsvormundes vom Erstgericht ab 1.2.1985 zu einem monatlichen Unterhaltsbetrag von S 1.000 verpflichtet, weil ihr aus dem Nachlaß ihres Vaters (als Pflichtteil) ca. 1,7 Mio.S in Form von Barmitteln zugeflossen sind. Das Mehrbegehren von S 500,- monatlich wies das Erstgericht mit der Begründung ab, die Mutter könne aus dem noch nicht verbrauchten Teil dieses Vermögens (etwa S 900.000,--) einen Zinsertrag von ca. S 6.000,-- monatlich erzielen und davon nur einen monatlichen Unterhalt von S 1.000 leisten.

Die Mutter focht den erstgerichtlichen Beschluß nicht an. Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Amtsvormundes statt und verpflichtete die Mutter zu Unterhaltsleistungen von S 1.500 monatlich mit der Begründung, das Vermögen der Unterhaltspflichtigen sei bei der Bemessung des Unterhalts auch insoweit zu berücksichtigen, als sie dessen Substanz zur Deckung der Kosten einer von ihr gewählten Lebensführung angreife. Ein Unterhaltsschuldner, der über keine laufenden Mittel verfüge, müsse sein Vermögen insoweit liquidieren, als er den Unterhalt des Kindes zu sichern vermöge.

Rechtliche Beurteilung

Der gegen diese Entscheidung erhobene Revisionsrekurs der Mutter ist insoweit zurückzuweisen, als sie nach dem Wortlaute der Anfechtungserklärung und des Revisionsrekursantrages auch den mangels Anfechtung des erstgerichtlichen Beschlusses in Rechtskraft erwachsenen Unterhaltszuspruch von S 1.000 monatlich bekämpft. Im übrigen ist ihr Rechtsmittel zulässig und auch berechtigt. Wohl ist die Frage, inwieweit sich die gemäß § 140 ABGB bestehende Unterhaltspflicht des einen Elternteils auf die Höhe der Unterhaltsverpflichtung des anderen Elternteils auswirkt, eine der Prüfung durch den Obersten Gerichtshof gemäß § 14 Abs 2 AußStrG entzogene Bemessungsfrage (EFSlg.44.591, 42.277, 39.733, ÖA 1979, 20 uva). Der angefochtene Beschluß, der sich nur mit der Frage auseinandersetzt, wie hoch der von der Mutter zu leistende Unterhalt wegen des ihr zugekommenen (und teilweise verbrauchten) Barvermögens auszumessen ist, läßt aber nicht erkennen, ob das Rekursgericht von den Gesamtbedürfnissen des Kindes im Sinne der §§ 140, Abs 1, 166 ABGB ausging und berücksichtigte, daß die Eltern eines unehelichen Kindes zur Deckung dieser Bedürfnisse nach ihren Kräften anteilig, d.h. nach ihrer verhältnismäßigen Leistungsfähigkeit, beizutragen haben. Dem Akt ist wohl zu entnehmen, daß sich der Vater Albert B in einem vor dem Amtsvormund gemäß § 18 Z 3 JWG geschlossenen Vergleich am 16.1.1975, also vor mehr als 10 Jahren (!), zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von S 600,-- an das Kind verpflichtete (AS 7), mit der Revisionsrekurswerberin anscheinend weiterhin in Lebensgemeinschaft lebt und von seiner Pension von S 4.900,- monatlich S 600,- 'für Alimente' (für den mj. Kurt?) in Abzug gebracht werden (AS 238). Da die Frage der Gesamtbedürfnisse des Kindes und ihrer anteilsmäßigen Deckung durch beide Elternteile nach ihrer verhältnismäßigen Leistungsfähigkeit in den Entscheidungen der Vorinstanzen überhaupt nicht behandelt wurde, muß angenommen werden, daß das Rekursgericht gesetzliche Grundsätze für die Unterhaltsbemessung infolge Verkennung der Rechtslage nicht beachtet und daher aus einem Rechtsirrtum die aufgezeigten Fragen in seine Ermessenserwägungen nicht einbezogen hat (SZ 45/87; SZ 54/52 uva). Der Revisionsrekurs, der diese Umstände ausdrücklich geltend macht, richtet sich somit nicht gegen die Bemessung des gesetzlichen Unterhaltes, sondern bekämpft die Rechtsgrundlagen der Bemessung, bei der wesentlichen Komponenten der Lebensverhältnisse der Beteiligten unberücksichtigt geblieben sind (EFSlg.42.297). Der Revisionsrekurs ist daher zulässig.

Da die Bemessung des Unterhaltes dem Obersten Gerichtshof zufolge der Rechtsmittelbeschränkungen des § 14 Abs 2 AußStrG nicht zukommt (SZ 54/52 mwN), können nur die für die Bemessung zuständigen Instanzen beurteilen, ob der von der Mutter zu leistende Unterhaltsbetrag bei Beachtung der Rechtsgrundlagen der Bemessung mit einem geringeren Betrag als bisher auszumessen ist. Die Rechtssache ist daher im Umfang des noch streitverfangenen Unterhaltsbetrages von S 500,- monatlich an das Erstgericht zur Ergänzung des Verfahrens (insbesondere durch Erhebung der Gesamtbedürfnisse des Kindes und der Lebensverhältnisse des Vaters) und zur neuerlichen Entscheidung zurückzuverweisen. Den Grund des Anspruches betrifft auch die Frage, unter welchen Voraussetzungen das Subsidiaritätsprinzip überhaupt zum Tragen kommt (SZ 54/52). Die vom Revisionsrekurs aufgeworfene Frage der subsidiären Unterhaltspflicht der Großeltern (§ 141 ABGB) und des allfälligen überganges einer solchen Unterhaltsschuld auf den Erben des mütterlichen Großvaters (§ 142 ABGB) bedarf jedoch im vorliegenden, gegen die primär unterhaltspflichtige Mutter geführten Verfahren keiner Klärung, weil der Unterhaltsanspruch des Kindes gegenüber den Eltern dem Anspruch gegen die Großeltern vorgeht. Daß die subsidiäre Unterhaltspflicht der Großeltern - wie die Revisionsrekurswerberin behauptet - bereits in der Vergangenheit zum Tragen gekommen wäre, weil die Eltern nach ihren Kräften zur Leistung des Unterhaltes nicht imstande waren, ist für die Frage, was die Mutter jetzt zu leisten vermag, und daher vor den Großeltern (bzw. deren Erben) zu leisten hat, ohne Bedeutung.

Dem Revisionsrekurs ist daher im ausgesprochenen Umfang Folge zu geben.

Rechtssätze
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