JudikaturJustiz1Ob57/60

1Ob57/60 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. März 1960

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Zweiten Präsidenten Dr. Fellner als Vorsitzenden und durch die Räte des Obersten Gerichtshofes Dr. Gitschthaler, Dr. Stanzl, Dr. Zierer und Dr. Bachofner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Republik Österreich, Sondermasse Deutsche Ansiedlungsgesellschaft, Zweigstelle Wien, Wien I., Wallnerstraße 3, vertreten durch den öffentlichen Verwalter Niederösterreichische Landwirtschaftskammer, Wien I., Löwelstraße 16, diese vertreten durch Dr. Friedrich Zeller, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Theresia H*****, vertreten durch Dr. Ludwig Franz Tlapek, Rechtsanwalt in Wien, wegen Einwilligung in die Verbücherung von Grundstückseigentum infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien als Berufungsgerichtes vom 18. Jänner 1960, GZ 6 R 5/60-14, womit das Urteil des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien vom 4. November 1959, GZ 40 Cg 201/59-9, aufgehoben wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem als Revisionsrekurs bezeichneten Rekurs wird Folge gegeben. Das Urteil des Berufungsgerichtes wird aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zur neuerlichen Entscheidung, allenfalls nach neuerlicher Berufungsverhandlung, zurückverwiesen, wobei auf die Kosten dieses Rekurses als auf weitere Verfahrenskosten Bedacht zu nehmen sein wird.

Text

Begründung:

Die klagende Partei brachte in der Klage folgenden unbestritten gebliebenen Sachverhalt vor:

Zwischen der Deutschen Ansiedlungsgesellschaft und der Beklagten wurde am 3. 3. 1940 ein Tauschvertrag abgeschlossen, wonach die Beklagte sich verpflichtete, das Grundstück ***** EZ ***** der klagenden Partei ins Eigentum zu übertragen, wogegen sich die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft verpflichtete, der Beklagten die Grundstücke 1017/1 und 1017/2 der EZ ***** ins Eigentum zu übertragen. Der Tauschvertrag wurde grundbücherlich nicht durchgeführt. Mit Zusatzübereinkommen vom 18. 7. 1940 erklärte sich die Beklagte mit der Errichtung von Bauten durch die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft auf dem Tauschgrundstück einverstanden, wogegen die grundbücherliche Durchführung des Tauschvertrages erst später erfolgen sollte. Die Deutsche Ansiedlungsgesellschaft errichtete auf diesen Liegenschaften Bauten. Die Beklagte hatte Kenntnis von der Baubewilligung.

Die klagende Partei führt sodann aus, die Beklagte habe von der Bauführung nicht nur gewusst und sie der redlichen Bauführerin nicht sogleich untersagt, sondern vielmehr ausdrücklich ihr Einverständnis zur Bauführung erteilt. Sie könne also gemäß § 418 letzter Satz ABGB nur den gemeinen Wert für den Grund fordern, welcher 10 S pro m2 betrage. Die klagende Partei begehrt sohin die Einwilligung in die Einverleibung ihres Eigentumsrechtes auf den abzuschreibenden Teilflächen des Grundstückes 625 gegen Zahlung eines Betrages von

112.920 S.

Das Erstgericht wies die Klage mit der Begründung ab, die Klägerin habe sich ausschließlich auf den Klagegrund des § 418 ABGB gestützt, welcher deshalb nicht anwendbar sei, weil zwischen den Parteien eine Vereinbarung getroffen worden sei. Die Beklagte habe die eingetauschte Liegenschaft im Zuge des Rückstellungsverfahrens 6 RK 421/55 des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien zurückstellen müssen. Es sei jedoch der Parteiwille der Beklagten gewesen, gegen Hingabe eigener Liegenschaften andere Liegenschaften zu empfangen, nicht aber bloß den gemeinen Wert der Liegenschaft zu erhalten. Das Berufungsgericht hob das Ersturteil unter Vorbehalt der Rechtskraft auf. Es führte im Wesentlichen aus: Die Bestimmung des § 418 ABGB komme nicht zur Anwendung. Es müsste von der Vereinbarung ausgegangen werden, wonach auf dem der Klägerin zum Zwecke der Bauführung außerbücherlich übergebenen Grundstücke Gebäude errichtet werden sollten. Die Erfüllung des Tauschvertrages sei unmöglich geworden. Die Bestimmung des § 1435 ABGB komme nicht zur Anwendung, weil die Bauführung einen Umfang angenommen habe, der einem Zuwachs entspreche. Es kommen in einem solchen Fall die Bestimmungen der §§ 414 ff ABGB zur Anwendung. Die Zurückversetzung in den vorigen Stand gemäß § 415 1. Satz ABGB sei bei Aufführung von festen Gebäuden nicht möglich. Es müsse daher auf die allgemeinen Bestimmungen über den künstlichen Zuwachs, dessen Rückführung in den vorigen Stand nicht möglich ist, gemäß § 415 ABGB zurückgegriffen werden. Ob das Klagebegehren berechtigt sei, hänge demnach davon ab, ob der Klägerin kein Verschulden angelastet werden könne und ob ihr Anteil an der gemeinsamen Sache mehr wert sei als der Anteil der Beklagten. Unter diesen Voraussetzungen stehe der Klägerin das Wahlrecht zwischen Herausgabe oder Behalt der Sache gegen Verhütung zu, welches sie durch die Einbringung der Klage in letzterem Sinne ausgeübt habe. Der von der Beklagten gegen den Beschluss des Berufungsgerichtes als Revisionsrekurs bezeichnete Rekurs ist begründet.

Rechtliche Beurteilung

Wie sich aus der Wiedergabe des Klagevorbringens ergibt, stützt die Klägerin ihren Anspruch ausdrücklich auf den Klagegrund der Bauführung auf fremdem Grund nach § 418 letzter Satz ABGB. Nach ständiger Rechtsprechung ist das Gericht dann, wenn sich die klagende Partei ausdrücklich auf einen bestimmten Klagegrund beruft, an diesen gebunden. Die rechtliche Beurteilung hat sich in einem solchen Fall auf diesen Klagegrund zu beschränken. Erweist er sich als unbegründet, dann ist das Klagebegehren abzuweisen. Wie die Untergerichte richtig erkannten, kommt die Bestimmung des § 418 ABGB dann nicht zur Anwendung, wenn zwischen dem Grundeigentümer und dem Erbauer eine Vereinbarung über die Bauführung getroffen wurde (SZ XXI/57, 3 Ob 804/53 = EvBl 1954 Nr 65, 7 Ob 467/57 u.a.). Im vorliegenden Falle wurde eine Vereinbarung über die Bauführung getroffen, sodass § 418 ABGB nicht anwendbar ist.

Wie der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung SZ XXIX/60 ausgesprochen hat, ist der Klagegrund des § 418 ABGB und jener des § 415 ABGB verschieden. Es ist demnach unzulässig, bei Nichtvorliegen des ausdrücklich geltend gemachten Klagegrund auf einen anderen zurückzugreifen. Die klagende Partei hat sich ja auf letzteren Klagegrund nicht berufen.

Auf den Klagegrund des Vertrages hat sich die Klägerin gleichfalls nicht gestützt, offenbar im Hinblick auf die inzwischen erfolgte Entziehung des Tauschobjektes durch Dritte. Es war demnach auch nicht zu prüfen, ob die Anwendung des § 415 ABGB als Folge der Unmöglichkeit der Erfüllung des Tauschvertrages überhaupt in Frage käme, wie das Berufungsgericht vermeint.

Zusammenfassend ergibt sich also, dass die Sache spruchreif ist, weshalb kein Grund zur Aufhebung des Ersturteiles vorlag. Da der Oberste Gerichtshof im Rekursverfahren nicht in der Lage ist, das Ersturteil wiederherzustellen, musste der angefochtene Beschluss aufgehoben werden.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.