JudikaturJustiz1Ob31/02v

1Ob31/02v – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Februar 2002

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer, Dr. Zechner und Univ. Doz. Dr. Bydlinski als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Julia D*****, geboren am *****, infolge Revisionsrekurses der zum Kollisionskurator bestellten Bezirkshauptmannschaft Mödling (Jugendabteilung) gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt als Rekursgericht vom 6. Dezember 2001, GZ 16 R 381/01w 11, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Mödling vom 9. Oktober 2001, GZ 2 P 221/01p 2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung:

Die Minderjährige wurde während der aufrechten Ehe des Heinz und der Dr. Monika D***** geboren. Am 5. 10. 2001 brachte der Vater beim Erstgericht die Ehelichkeitsbestreitungsklage ein, mit der er vorbrachte, er habe erstmals im April 2001 Kenntnis davon erhalten, dass er nicht der Vater des Kindes sei.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestellte das Erstgericht als Pflegschaftsgericht die Bezirkshauptmannschaft Mödling (Jugendabteilung) zum Kollisionskurator der Minderjährigen zwecks Vertretung im Ehelichkeitsbestreitungsverfahren, weil eine Interessenkollision zwischen dem Kind und seiner Mutter nicht auszuschließen sei.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der Rekurswerberin (= Kollisionskurator) sei dahin zuzustimmen, dass es seit dem KindRÄG 2001 nicht mehr in jedem Fall der Durchführung eines streitigen Verfahrens bedürfe, um die Ehelichkeitsvermutung des § 138 Abs 1 ABGB zu beseitigen. Es lägen auch die Voraussetzungen nach § 163e ABGB für ein rechtswirksames Anerkenntnis des wahren Vaters vor. Die vom (vermuteten) Vater eingebrachte Ehelichkeitsbestreitungsklage könne aber nicht a limine zurückgewiesen werden, weshalb die Minderjährige einer Vertretung im Zivilrechtsstreit bedürfe und die Bestellung eines Kollisionskurators nicht zu beanstanden sei.

Der Revisionsrekurs des Kollisionskurators ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs kann die Mutter ihr Kind im Ehelichkeitsbestreitungsprozess wegen nicht auszuschließender Interessenkollision nicht vertreten und ist für das Kind deshalb ein Kollisionskurator zu bestellen (EFSlg 36.070; EvBl 1980/43). Dies wird von der Revisionsrekurswerberin auch nicht in Zweifel gezogen. Sie meint aber, dass dem Ehemann der Mutter lediglich der im Außerstreitverfahren zu behandelnde Widerspruch gegen das "durchbrechende Anerkenntnis" im Sinne des § 163e ABGB zustünde, eine Entscheidung im streitigen Verfahren sei mit absoluter Nichtigkeit gemäß § 477 (Abs 1) Z 6 ZPO bedroht.

Hiezu ist Folgendes auszuführen:

Rechtliche Beurteilung

Nach dem vor Schaffung des KindRÄG 2001, BGBl 2000 I 135, dessen Bestimmungen nach seinem Art XVIII hier anzuwenden sind, geltenden Recht bedurfte es zur Beseitigung einer Vaterschaftsfeststellung gegründet etwa auf die Ehelichkeitsvermutung des § 138 Abs 1 ABGB in jedem Fall der Durchführung eines streitigen Verfahrens, in dem das Kind die Rolle des Beklagten mit dem im Falle des Unterliegens damit verbundenen Kostenrisiko zu übernehmen hatte (296 BlgNR 21. GP, 61). Die notwendige Führung eines Ehelichkeitsbestreitungsprozesses, obwohl allen Beteiligten die Unrichtigkeit der Vermutung des § 138 Abs 1 ABGB bewusst ist, sah der Gesetzgeber als "einen Sonderfall unnötigen Aufwands" an, weshalb § 163e ABGB für diejenigen klaren Fälle geschaffen wurde, in denen sich alle Beteiligten über die tatsächliche Vaterschaft einig sind und gemeinsam den Wunsch haben , dass diese auch auf einfachem Wege festgestellt werde (296 BlgNR 21. GP, 42). Schon aus dieser Intention des Gesetzgebers ergibt sich, dass die Feststellung des wahren Vaters auf einfachem Wege auch vom Wunsch des vermuteten Vaters getragen sein muss. Der Gesetzgeber hat dem Ehemann der Mutter die Möglichkeit der Bestreitung der Ehelichkeit des Kindes im streitigen Rechtsweg offen gelassen, denn § 156 Abs 1 ABGB blieb in Geltung, und aus den Gesetzesmaterialien geht eindeutig hervor, dass die "frühere Vaterschaftsfeststellung im Rahmen eines Verfahrens wegen Bestreitung der ehelichen Geburt" nicht beseitigt werden sollte (296 BlgNR 21. GP, 61). Mag der Aufwand, der durch die Führung eines Ehelichkeitsbestreitungsprozesses entsteht, auch "unnötig" sein, so steht dem Ehemann der Mutter nach wie vor die Ehelichkeitsbestreitungsklage gemäß § 156 Abs 1 ABGB offen und ist in dem auf Grund einer solchen Klage abzuführenden Verfahren wie schon dargestellt die Bestellung eines Kollisionskurators für das Kind unumgänglich.

Der Hinweis des Kollisionskurators darauf, der im § 163e Abs 3 ABGB normierte Widerspruch gegen das Anerkenntnis sei der ausschließliche Rechtsbehelf des Ehemanns der Mutter, ist nicht zielführend. Ein solcher Widerspruch soll verhindern, dass nicht jedes von einem beliebigen Mann abgegebene Anerkenntnis die Ehelichkeitsvermutung außer Wirksamkeit setzen kann; dieser Widerspruch ist selbstredend nur dann sinnvoll, wenn der Ehemann der Mutter meint, der seine Vaterschaft Anerkennende sei nicht der Vater des Kindes. Sinnlos wäre ein solcher Widerspruch jedenfalls dann, wenn auch der Ehemann der Mutter von der Vaterschaft des Anerkennenden überzeugt ist. Dann steht ihm aber nach dem Willen des Gesetzgebers wie bereits dargestellt auch die Möglichkeit offen, die Ehelichkeit des Kindes gemäß § 156 Abs 1 ABGB zu bestreiten.

Dem Revisionsrekurs ist ein Erfolg zu versagen.