JudikaturJustiz1Ob237/11a

1Ob237/11a – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. November 2011

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Grohmann, Mag. Wurzer und Mag. Dr. Wurdinger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Peter K***** und 2. Roswitha K*****, vertreten durch Mag. Georg Luckmann, Rechtsanwalt in Klagenfurt am Wörthersee, gegen die beklagte Partei Republik Slowenien wegen 275.000 EUR sA, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 6. Oktober 2011, GZ 2 R 177/11h 5, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 2. September 2011, GZ 23 Cg 130/11h 2, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

1. Die Kläger machen Ersatzansprüche aus ihrer Ansicht nach rechtswidrigen hoheitlichen Rechtshandlungen eines Staats geltend. Der Rechtsvorgänger des beklagten Staats habe die Mutter der Kläger enteignet und dieser das Eigentum an zwei Liegenschaften im nunmehrigen Slowenien entzogen. Die Beklagte verweigere eine Rückübereignung bzw Entschädigung mit dem Argument, die Kläger seien nicht slowenische Staatsbürger.

Rechtliche Beurteilung

Nach der ständigen Judikatur des Obersten Gerichtshofs sind ausländische Staaten aufgrund des Völkerrechts insoweit von der Gerichtsbarkeit inländischer Gerichte eximiert, als es sich um Akte handelt, die sie in Ausübung der ihnen zustehenden Hoheitsgewalt vorgenommen haben; nur in Rechtsstreitigkeiten aus Privatrechtsverhältnissen sind sie der inländischen Gerichtsbarkeit unterworfen (RIS Justiz RS0045581). Die inländische Gerichtsbarkeit ist daher insbesondere für Schadenersatzansprüche gegen einen ausländischen Staat nicht gegeben, wenn sich der geltend gemachte Anspruch auf einen hoheitsrechtlichen Akt des beklagten ausländischen Staats bezieht (RIS Justiz RS0032107). Ein derartiger Fall liegt hier vor.

2. Die Revisionsrekurswerber vertreten zwar die Auffassung, an der „Staatenimmunität“ im dargelegten Sinn hätte sich durch das Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon Entscheidendes geändert und es würde jedenfalls dem „Geist der Europäischen Union, die Recht ohne Binnengrenzen schafft“, widersprechen, „wenn lediglich die Immunität der Beklagten dem Rechtsschutzinteresse der Kläger entgegensteht“, vermag dies allerdings nicht einmal ansatzweise rechtlich zu begründen.

Allein aus den überwiegend programmatischen Ausführungen, dass die Union ihren Bürgerinnen und Bürgern einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne Binnengrenzen bietet und soziale Ausgrenzungen und Diskriminierungen bekämpft, lässt sich kein Schluss darauf ziehen, dass damit für den Bereich der Europäischen Union die allgemeinen völkerrechtlichen Grundsätze verändert werden sollten, nach denen kein Staat berechtigt ist, durch seine Gerichte hoheitliche Akte anderer Staaten zu überprüfen. Vertritt ein Unionsbürger die Ansicht, er werde durch einen dem Unionsrecht widersprechenden staatlichen Akt benachteiligt, kann er diesen Akt regelmäßig vor den Behörden des betreffenden Staats bekämpfen, die bei ihrer Entscheidung auch das einschlägige Unionsrecht zu beachten und gegebenenfalls ein Vorabentscheidungsverfahren beim EuGH zu veranlassen haben. Darüber hinaus muss der betreffende Staat auch damit rechnen, dass im Rahmen eines unionsrechtlichen Vertragsverletzungsverfahrens überprüft wird, ob seine innerstaatlichen Vorschriften dem Unionsrecht entsprechen.

Inwiefern sich darüber hinaus aus dem Unionsrecht, insbesondere dem Vertrag von Lissabon, die Konsequenz ergeben sollte, dass die Gerichte von Mitgliedstaaten berechtigt sein sollten, Hoheitsakte anderer Mitgliedstaaten im Hinblick auf ihre Rechtmäßigkeit bzw die Übereinstimmung mit dem Unionsrecht zu überprüfen, vermögen die Revisionsrekurswerber nicht zu begründen.

3. Wie sich aus den Bestimmungen der ZPO unmissverständlich ergibt, sind Klagen a limine zurückzuweisen, wenn der Klageführung ein Prozesshindernis entgegensteht, wie etwa bei Fehlen der (unprorogablen) internationalen Zuständigkeit (vgl dazu nur § 230 Abs 2 ZPO; Mayr in Rechberger ³ § 42 JN Rz 3 mwN und 1 Ob 236/01i [Zurückweisung auch bei prorogabler internationaler Unzuständigkeit]). Die Revisionsrekurswerber vertreten zwar die Rechtsansicht, im vorliegenden Fall wäre eine sofortige Klagezurückweisung unzulässig gewesen, unternehmen aber mit Ausnahme eines Hinweises auf eine Literaturmeinung, deren Argumentation aber ebenfalls offen gelassen wird kaum den Versuch einer inhaltlichen Begründung. Ob das Völkerrecht eine „solche Behandlung der Immunität“ nicht gebietet, ist jedenfalls dann ohne rechtliche Bedeutung, wenn das innerstaatliche Recht in Fällen der internationalen Unzuständigkeit die Zurückweisung der Klage a limine anordnet.