JudikaturJustiz1Ob2334/96h

1Ob2334/96h – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr.Schlosser als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr.Schiemer, Dr.Gerstenecker, Dr.Rohrer und Dr.Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und gefährdeten Parteien 1) T***** Aktiengesellschaft, ***** 2) S***** Baugesellschaft mbH, *****, und 3) Dipl.Ing. Herbert L***** Kommanditgesellschaft *****, alle vertreten durch Dr.Horst Ebhardt, Dr.Egon Engin Deniz, Dr.Bernhard Hainz, Dr.Georg Karasek, Dr.Johannes Reich Rohrwig, Dr.Alfred Strommer, Dr.Stefan Weber und Dr.Nikolaus Weselik, Rechtsanwälte in Wien, wider die beklagte Partei und Gegnerin der gefährdeten Parteien Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1, Singerstraße 17 19, wegen Erlassung einer einstweiligen Verfügung zur Sicherung des Anspruchs auf Unterlassung des Abrufs von Bankgarantien bzw des Widerrufs des Abrufs von Bankgarantien (Gesamtstreitwert 383.625,92 S), infolge außerordentlichen Revisionsrekurses der Gegnerin der gefährdeten Parteien gegen den Beschluß des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 4.März 1996, GZ 12 R 13/96 9, in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses vom 26.August 1996, womit teils der Rekurs der gefährdeten Partei gegen die einstweilige Verfügung des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20.Dezember 1995, GZ 12 Cg 314/95 2, zurückgewiesen und teils diese einstweilige Verfügung bestätigt wurde, folgenden

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird teilweise Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluß wird im Ausspruch der Zurückweisung des Rekurses der Gegnerin der gefährdeten Parteien aufgehoben. Die Rechtssache wird in diesem Umfang an das Gericht zweiter Instanz zur neuerlichen Entscheidung über diesen Rekurs unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund zurückverwiesen.

Im übrigen wird der Revisionsrekurs ebenso zurückgewiesen wie die Revisionsrekursbeantwortung der gefährdeten Parteien.

Die Revisionsrekurskosten der Gegnerin der gefährdeten Parteien sind weitere Kosten des Verfahrens zweiter Instanz.

Text

Begründung:

Die drei zu einer ARGE vereinigten klagenden und gefährdeten Baugesellschaften (im folgenden klagende Parteien) waren von der beklagten Partei und Gegnerin der gefährdeten Parteien (im folgenden beklagte Partei) mit der Ausführung von Straßenbauarbeiten in einem bestimmten Baulos beauftragt und hatten zur Sicherung von deren Gewährleistungsansprüchen Bankgarantien zu bestellen. Die nachstehenden Garanten (Banken) erklärten über Auftrag jeweils einer klagenden Partei (als Mitglied der ARGE) Garantien über folgende Summen:

a) die B***** Aktiengesellschaft am 14.Dezember 1994 zu Garantie Nr 1313 4057 über 545.300 S,

b) die E***** Spar Casse am 12.Dezember 1994 zu 612 CR sn über 545.400 S,

c) die Ö***** Aktiengesellschaft am 7.Dezember 1994 über 545.300 S,

d) die Ö***** Aktiengesellschaft zu Nr 313 3774 am 8.Juni 1993 über 14.500 S,

e) die E***** Spar Casse am 8.September 1993 über 14.600 S und

f) die Ö***** Aktiengesellschaft am 14.September 1993 über 14.900 S,

alle mit der Widmung: „ Zur Sicherung der Rechtsansprüche, welche der Republik Österreich/... aus dem über diese Leistungen abgeschlossenen Vertrag erwachsen, übernehmen wir hiemit die Haftung gegenüber der Republik Österreich/... bis zum Hochstbetrag von ... “ (es folgt jeweils die Garantiesumme). Die Garantiebriefe a) bis c) verloren ihre Wirksamkeit am 25.Dezember 1995, die Garantiebriefe d) bis e) verlieren sie am 25.Dezember 1996. Ein Organ der beklagten Partei kündigte mit Schreiben vom 9.Oktober 1995 den Abruf von 383.625,92 S aus den Haftbriefen wegen Werklohn Überzahlungen an.

Mit einstweiliger Verfügung vom 20.Dezember 1995 verbot das Erstgericht der beklagten Partei - ohne deren Anhörung - zur Sicherung des Anspruchs der klagenden Parteien auf Unterlassung des Abrufs (gemeint: Inanspruchnahme) der sechs Bankgarantien, in eventu auf Widerruf des bereits erfolgten Abrufs, antragsgemäß ab sofort, diese Bankgarantien abzurufen sowie den Garanten, Auszahlungen aus den Bankgarantien an die beklagte Partei vorzunehmen. Die beklagte Partei behaupte tatsächlich nicht bestehende Rückforderungsansprüche aus Werklohnüberzahlungen und habe angekündigt, die Bankgarantien zu deren Befriedigung in Anspruch zu nehmen, obwohl diese ausschließlich für Gewährleistungsansprüche gewidmet gewesen seien. Dies sei evident rechtswidrig und daher rechtsmißbräuchlich.

Das Rekursgericht wies den Rekurs der beklagten Partei, soweit er sich gegen die Verbote in Ansehung der Bankgarantien a) bis c) wendete, als unzulässig zurück, weil diese ihre Wirksamkeit mit 25.Dezember 1995 verloren hätten und ab diesem Zeitpunkt der beklagten Partei das Rechtsschutzinteresse fehle, und bestätigte die erstgerichtliche Entscheidung in Ansehung der Bankgarantien d) bis f) aus im einzelnen genannten Gründen. Es sprach zunächst aus, daß der Wert des Entscheidungsgegenstands 50.000 S übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei, und nach Verbesserungsauftrag durch den erkennenden Senat (1 Ob 2056/96a), daß der Wert des Entscheidungsgegenstands in Ansehung der Bankgarantien a) bis c) jeweils 50.000 S übersteige und insoweit ein weiterer Rekurs nicht zulässig sei, in Ansehung der Bankgarantien d) bis f) hingegen jeweils 50.000 S nicht übersteige und insofern ein weiterer Rekurs jedenfalls unzulässig sei.

Rechtliche Beurteilung

Der nach den Verbesserungsbeschlüssen neuerlich eingebrachte außerordentliche Revisionsrekurs der beklagten Partei - zum ursprünglich eingebrachten liegt bereits eine Revisionsrekursbeantwortung der klagenden Parteien vor - ist in Ansehung der Bankgarantien a) bis c) zulässig und berechtigt, in Ansehung der Bankgarantien d) bis f) hingegen unzulässig.

Das Verfahren über die Anfechtung des rekursgerichtlichen Zurückweisungsbeschlusses ist nicht iSd des § 402 Abs 1 EO zweiseitig (vgl EB zur RV der ZVN 1983, 669 BlgNR XV.GP, 73 zu § 402 EO; 2 Ob 547/95 = JBl 1996, 599 [ König ]; 4 Ob 509/93 = RZ 1994/47; 6 Ob 564, 565/93), weil nicht unmittelbar über den Gegenstand der erstinstanzlichen Entscheidung, sondern nur über die Richtigkeit der zweitinstanzlichen Formalentscheidung abzusprechen ist.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs fehlt das für die Zulässigkeit des Rechtsmittels erforderliche Rechtsschutzinteresse, wenn der Entscheidung nur mehr theoretisch abstrakte Bedeutung zukäme, weil es nicht Aufgabe der Rechtsmittelinstanzen ist, über bloß theoretisch bedeutsame Fragen abzusprechen. So wurde auch seit mehr als zwei Jahrzehnten unverändert der Rechtssatz aufrecht erhalten, ein durch einstweilige Verfügung angeordnetes Verbot könne auch nach Ablauf der Zeit (§ 389 Abs 1, § 391 Abs 1 EO), für die es erlassen worden sei, für den Betroffenen schon im Hinblick auf seine möglichen Ersatzansprüche nach § 394 EO noch einen anfechtungswerten Beschwerdegegenstand darstellen (GesRZ 1991, 106; MietSlg 36.876; 1 Ob 21/89; 6 Ob 564, 565/93). Im vorliegenden Fall war im Zeitpunkt der Rekursentscheidung nicht etwa das formale Verfügungsverbot abgelaufen, sondern die zeitliche Geltungsdauer der Bankgarantien a) bis c). Dazu vertrat der 2.Senat in seiner Entscheidung 2 Ob 547/95 = JBl 1996, 599 [ König ] die Auffassung, auch wenn eine einstweilige Verfügung inhaltlich überholt sei (Ablauf einer Bankgarantie, deren Abruf verboten worden war), begründe die Möglichkeit der Erhebung eines Schadenersatzanspruchs gemäß § 394 EO die Beschwer für einen Rekurs gegen die Bewilligung dieser einstweiligen Verfügung. König (aaO) erachtete diese Entscheidung nur im Ergebnis als zutreffend, weil die einstweilige Verfügung auch bei inhaltlicher Überholung nicht von selbst erlösche, sondern bis zur ihrer Aufhebung (§ 399 EO) aufrecht bleibe; vor einer Aufhebung könne dem Rechtsmittel die Beschwer nicht abgesprochen werden, nach ihrer Aufhebung könnten aber mögliche Schadenersatzansprüche den Beschwermangel nicht substituieren. Einerlei, welcher Auffassung man nun anhängen will, muß im vorliegenden Fall schon angesichts der Tatsache, daß die einstweilige Verfügung noch nicht aufgehoben wurde, der beklagten Rechtsmittelwerberin ein Interesse an einer meritorischen Entscheidung (und nicht nur an einer Kostenentscheidung gemäß § 50 Abs 2 ZPO) zugebilligt werden. Der angefochtene Beschluß ist daher aufzuheben. Das Rekursgericht wird insoweit über den Rekurs der beklagten Partei unter Abstandnahme vom gebrauchten Zurückweisungsgrund neuerlich zu entscheiden haben.

In Ansehung der Bankgarantien d) bis f) übersteigt der Wert des Entscheidungsgegenstands zweiter Instanz (§ 502 Abs 2 ZPO) jeweils nicht 50.000 S, die Ansprüche aus den Bankgarantien sind, wie bereits zu 1 Ob 2056/96a dargelegt wurde, getrennt zu behandeln. Insoweit ist der außerordentliche Revisionsrekurs absolut unzulässig (§ 402, § 78 EO iVm § 528 Abs 2 Z 1 ZPO) und demnach zurückzuweisen.

Die Revisionsrekursbeantwortung der klagenden Parteien ist zurückzuweisen, weil einerseits, wie bereits dargestellt wurde, bei Zurückweisung des Rechtsmittels der beklagten Partei durch die zweite Instanz das daran anschließende drittinstanzliche Verfahren einseitig ist und andererseits in Ansehung des bestätigenden Teils der Rekursentscheidung ein Rechtsmittel absolut unzulässig ist. Weicht die den Parteien zugestellte Ausfertigung von der gefällten Entscheidung ab, so ist dies gemäß § 419 Abs 1 ZPO (hier iVm § 430 ZPO und § 402 Abs 4, § 78 EO) zu berichtigen. Mit der Zustellung der berichtigten Ausfertigung beginnt eine neue Rechtsmittelfrist zu laufen, es sei denn, daß - anders als hier - der Rechtsmittelwerber keinen Zweifel über den wirklichen Inhalt des richterlichen Ausspruchs haben konnte (RZ 1983/5; MietSlg 33.652; EFSlg 27.794 ua; zuletzt 3 Ob 529, 530/95). Damit konnte zwar die beklagte Partei einen neuen außerordentlichen Revisionsrekurs erheben, der allerdings vom vorher erstatteten ohnedies nicht abweicht, es bestand aber kein Anlaß, den klagenden Parteien bei der gegebenen Verfahrenslage neuerlich die Erstattung einer Revisionsrekursbeantwortung aufzutragen.

Die Kostenentscheidung fußt in Ansehung der beklagten Partei auf den § 402 Abs 4, § 78 EO iVm § 52 Abs 1 ZPO, in Ansehung der klagenden Parteien teilt ihr allfälliger Kostenanspruch (§ 393 Abs 1 EO) das Schicksal ihres Rechtsmittels.