JudikaturJustiz1Ob228/06w

1Ob228/06w – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Dezember 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Aufgebotssache der Antragstellerin Claudia W*****, vertreten durch Dr. Engelbert Reis, Rechtsanwalt in Horn, wider die Antragsgegnerin R***** reg GenmbH, ***** vertreten durch Mag. Johann Juster, Rechtsanwalt in Zwettl, wegen Kraftloserklärung eines Sparbuchs, über den Revisionsrekurs der Antragstellerin gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 25. Juli 2006, GZ 12 R 129/06p-8, womit infolge Rekurses der Antragsgegnerin der Beschluss des Landesgerichts Krems als Rekursgericht vom 10. Mai 2006, GZ 32 T 45/06v-2, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Die Antragstellerin beantragte die Kraftloserklärung eines in ihrem Besitz befindlichen, von der Antragsgegnerin ausgestellten Sparbuchs mit der Bezeichnung „Karl Sen.", weil sie das Losungswort vergessen habe.

Das Erstgericht erließ das Aufgebotsedikt gemäß § 5 KEG 1951 idF des AußStrG-BegleitG, BGBl I 2003/112. Es bot das näher bezeichnete, „angeblich in Verlust geratene" Wertpapier auf.

Das Rekursgericht änderte diesen Beschluss dahin ab, dass es den Antrag auf Einleitung des Aufgebotsverfahrens abwies. Es sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Eine Bewertung des Entscheidungsgegenstands unterblieb unter Hinweis auf § 59 Abs 2 AußStrG. Über die Einlage auf einem Sparbuch mit Losungswort könne nur nach Vorlage des Sparbuchs und Nennung des Losungsworts verfügt werden. Im Fall des Verlust des Sparbuchs könne der frühere Besitzer der Urkunde die Kraftloserklärung beantragen. Der Kraftloserklärungsbeschluss trete dann an die Stelle der Sparurkunde. Sei ein Losungswort als zusätzliches Legitimationserfordernis vorgesehen, so müsse dieses auch bei Vorlage des Kraftloserklärungsbeschlusses genannt werden. Der Vorbehalt, über ein Sparguthaben nur bei Nennung des Losungsworts zu verfügen, könne durch eine Kraftloserklärung der Urkunde nicht beseitigt werden. Hiefür stehe nur der Nachweis der materiellen Berechtigung (§ 31 Abs 3 BWG) offen. Da schon laut Antragsvorbringen kein Fall einer abhanden gekommenen oder vernichteten Urkunde vorliege, sei der Antrag auf Einleitung des Kraftloserklärungsverfahrens abzuweisen. Der Revisionsrekurs ist mangels Vorliegens einer Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Zweck des Kraftloserklärungsverfahrens liegt in der Verhinderung des Missbrauchs eines abhanden gekommenen Papiers sowie in der Wahrung der Rechte des Eigentümers aus dem Papier (Bachmayer, Die Kraftloserklärung von Urkunden, XV). Die Einleitung eines Aufgebotsverfahren nach dem Kraftloserklärungsgesetz 1951 setzt somit voraus, dass die für kraftlos zu erklärende Urkunde dem Antragsteller „abhanden gekommen" oder verrichtet worden ist (§ 1 Abs 1 KEG). Dies ist nur dann der Fall, wenn die Urkunde unauffindbar und ihr gegenwärtiger Inhaber nicht bekannt oder nicht erreichbar bzw die Urkunde vollständig zerstört oder maßgeblich beschädigt ist (1 Ob 826/82; Zedtwitz, Kraftloserklärung von Urkunden, 13). Kann - wie hier - zwar die Sparurkunde vorgelegt werden, hat aber - nach seiner Behauptung - der Vorlegende das Losungswort vergessen, ist eine Kraftloserklärung infolge Nichtvorliegens der im § 1 Abs 1 KEG genannten Erfordernisses des „Abhandenkommens" oder der Verrichtung der Urkunde unzulässig (8 Ob 206/02f). Die aus dem Vergessen des Losungsworts resultierenden Rechtsfolgen sind in § 31 Abs 3 BWG geregelt. Diese Bestimmung besagt, dass derjenige Vorleger der Sparurkunde, der das Losungswort nicht anzugeben imstande ist, sein Verfügungsrecht über die Spareinlage nachzuweisen hat. Gelingt ihm der Nachweis seiner materiellen Berechtigung über das Guthaben, muss der Aussteller des Sparbuchs das Guthaben auszahlen (SZ 47/24). Allein der Umstand, dass die Antragstellerin beim Nachweis ihres Verfügungsrechts über die Spareinlage in Beweisschwierigkeiten geriet, vermochte die Zulässigkeit der Einleitung des Aufgebotsverfahrens nicht zu begründen. Die Rechtsansicht des Rekursgerichts, mangels Zulässigkeit der Kraftloserklärung sei der Antrag auf Einleitung des Kraftloserklärungsverfahrens abzuweisen, ist zutreffend.

Im Übrigen könnte der Antragstellerin auch die Kraftloserklärung des Sparbuchs nicht von Nutzen sein: Der Beschluss über die Kraftloserklärung tritt an Stelle der abhanden gekommenen Urkunde und vermittelt demjenigen, der die Kraftloserklärung erlangt hat, jene Legitimationswirkung, welche ihm die (für kraftlos erklärte) Sparurkunde gegeben hätte (§ 13 KEG). Die Legitimationswirkung des Kraftloserklärungsbeschlusses reicht also nur so weit wie die der für kraftlos erklärten Urkunde; der Gläubiger kann nur jene Rechte geltend machen, an deren Durchsetzung er mangels des Papiers bisher verhindert war (siehe RIS-Justiz RS0065889). Die Kraftloserklärung bewirkt keine Veränderung oder Aufhebung des durch die kraftlos erklärte Urkunde verkörperten Rechts (SZ 69/65; SZ 71/6 uva). War ein Losungswort als zusätzliches Legitimationserfordernis vorgesehen, muss der Präsentant des Kraftloserklärungsbeschlusses dieses nennen, um die Rechte gegenüber dem Verpflichteten ausüben zu können (Avancini/Iro/Koziol, Österreichisches Bankvertragsrecht I, Rz 9/104). Durch einen Kraftloserklärungsbeschluss ist die Kenntnis des Losungsworts somit nicht ersetzbar.

Ist eine Rechtsfrage im Gesetz so eindeutig gelöst, dass nur eine Möglichkeit der Auslegung in Betracht kommt und Zweifel bei der Auslegung nicht entstehen können, und ist diese Lösung - wie hier - in der Lehre unstrittig, liegt auch bei Fehlen einer Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG vor (vgl Kodek in Rechberger, ZPO2, § 502 Rz 3 mwN).

Der Revisionsrekurs ist daher als unzulässig zurückzuweisen. Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht (§ 528a iVm § 510 Abs 3 ZPO).

Die Antragsgegnerin hat weder im Rekurs noch für die Revisionsrekursbeantwortung Kosten verzeichnet.

Rechtssätze
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