JudikaturJustiz1Ob206/05h

1Ob206/05h – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. Oktober 2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Reinhard S*****, vertreten durch Dr. Christian Prader, Rechtsanwalt in Innsbruck, wider die beklagte Partei ***** Bank ***** AG, *****, vertreten durch Neudorfer Rechtsanwälte OEG in Wien, wegen EUR 7.994,01 sA, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 13. Juli 2005, GZ 2 R 2/05s 17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Innsbruck vom 10. November 2004, GZ 12 C 2132/03h 11, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen die mit EUR 683,66 (darin enthalten EUR 110,94 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe :

Die beklagte Bank erstellte im Juli 2001 im Auftrag eines ihrer Kunden zu Gunsten des Klägers eine Bankgarantie über EUR 7.994,01. Im Garantieschreiben ist die Klausel enthalten, dass die Garantieverpflichtung „durch Rückstellung dieses Garantiebriefs an uns", jedenfalls aber am 30. 4. 2011 erlischt. Als der Kläger im Jahr 2003 die Garantie abrufen wollte, nahm die beklagte Partei den Standpunkt ein, die Garantie sei infolge der bereits im August 2001 erfolgten Retournierung der Garantieurkunde erloschen. Es konnte nicht festgestellt werden, von wem diese Rückstellung veranlasst wurde, jedenfalls war dies nicht der Kläger. Nicht feststellbar war weiters, ob für die beklagte Partei der Absender erkennbar war. Tatsächlich hatte der Kläger die Urkunde bald nach deren Ausstellung verloren. Obwohl er den Verlust bemerkte hatte, machte er davon der beklagten Partei keine Mitteilung.

Das Erstgericht wies das auf Zahlung der Garantiesumme gerichtete Begehren des Klägers ab, weil die Bankgarantie durch die Rückstellung „des Garantiebriefs" erloschen und die beklagte Partei zu Nachforschungen über den Grund der Rücksendung bzw zur Person des Rücksenders nicht verpflichtet gewesen sei.

Das Berufungsgericht änderte diese Entscheidung im Sinne einer Klagsstattgebung - mit Ausnahme eines überhöhten Zinsenbegehrens - ab und sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei. Die Retournierung der Garantieurkunde an die beklagte Partei hätte diese nur dann von der Garantieverpflichtung befreit, wenn sie einen Verzichtswillen des Klägers hätte annehmen dürfen.

Die Revision der beklagten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Auch die im Rahmen eines Garantievertrags abgegebenen Erklärungen des Garanten unterliegen den Auslegungsregeln der §§ 914, 915 ABGB unter Bedachtnahme auf Sinn und Zweck des Geschäfts sowie die Übung des redlichen Verkehrs (RIS Justiz RS0033002, RS0017670). Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der vorliegenden Garantieerklärung hält sich im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Auslegungsgrundsätze:

Wie die Revisionswerberin selbst ausführt, dient die von ihr verfasste Klausel zum Erlöschen der Garantie dazu, nach Wegfall des wirtschaftlichen Interesses des Begünstigten auch das Interesse des Garanten und dessen Auftraggebers zu wahren, dass mit der besicherten Verpflichtung auch die Garantieverpflichtung erlösche. Vor dem Hintergrund dieser Interessenlagen ist die Auffassung des Berufungsgerichts, die Klausel sei einschränkend dahin zu interpretieren, dass nicht jegliche Retournierung des Garantiebriefs (also etwa auch eine solche durch den Finder der Urkunde) zum Erlöschen der Garantieverpflichtung führe, sondern nur eine solche, die im Sinne einer Verzichtserklärung vom Willen des Begünstigten umfasst sei, nicht zu beanstanden. Diesem Auslegungsergebnis steht der Grundsatz der Garantiestrenge nicht entgegen, da dieser kein Selbstzweck ist, sondern nur soweit trägt, als dies dem Willen der Vertragsparteien entspricht (RIS Justiz RS0033002).

Für die ordnungsgemäße Inanspruchnahme jeder Bankgarantie ist es unerlässlich, dass sie vom Begünstigten herrührt. Dieser muss die Begünstigtenstellung und die für diese sprechenden Umstände auf eine auch aus der Warte der Garantiebank völlig unbedenkliche Weise dartun (ÖBA 1993, 985; SZ 62/75 ua). Insoweit besteht eine Verpflichtung der garantierenden Bank zur Legitimationsprüfung (ÖBA 1988, 601; vgl Avancini/Iro/Koziol, Bankvertragsrecht II Rz 3/77). Ebenso hat aber die Bank zu prüfen, ob sie ihre Verpflichtungen aus der Garantieerklärung als erloschen betrachten und die Auszahlung der Garantiesumme mit der Begründung verweigern darf, es liege ein Verzicht des Begünstigten auf seine Rechte aus der Garantie vor:

Hier wurde der Retournierung der Garantieurkunde von den Parteien vertraglich eine Erklärungsbedeutung - nämlich jene einer Verzichtserklärung - zugemessen, sodass eine Art fingierte Willenserklärung vorliegt, die den Regeln über die Auslegung von Willenserklärungen unterliegt (vgl RIS Justiz RS0014936) Nach diesen ist bei der Beurteilung eines Verhaltens als Verzicht ein besonders strenger Maßstab anzunehmen (Koziol/Welser, Lehrbuch I12, 93 mwN; SZ 71/179 uva). Nach ständiger Rechtsprechung ist nur dann ein Verhalten als (schlüssiger) Verzicht auf die Geltendmachung eines Rechts im Sinne des § 863 ABGB zu deuten, wenn solche Umstände vorliegen, die keinen vernünftigen Grund daran zu zweifeln übrig lassen, dass der Berechtigte dieses Recht nicht mehr in Anspruch nehmen will (SZ 70/7; Apathy in Schwimann, ABGB2 § 863 Rz 25 mwN). In Wahrnehmung dieser gebotenen besonderen Vorsicht wäre die Beklagte schon auf Grund des kommentarlosen Rücklangens der Garantieurkunde ganz kurze Zeit nach deren Ausstellung zur Rückfrage beim Begünstigten verpflichtet gewesen, ob dieser tatsächlich auf sein Recht aus der Garantie verzichten wolle. Nur dann, wenn dies vom Begünstigten eindeutig klargestellt worden wäre, hätte die beklagte Partei unter Hinweis auf das Erlöschen ihrer Garantieverpflichtung die Auszahlung der Garantiesumme verweigern dürfen. Hingegegen kann sie sich nicht darauf berufen, sie sei in ihrem Vertrauen auf das Vorliegen einer Verzichtserklärung geschützt, da sich der Kläger infolge seiner Fahrlässigkeit (mangelnde Mitteilung über das Abhandenkommen der Garantieurkunde) die Retournierung der Garantieurkunde zurechnen lassen müsse, durfte sie doch beim hier gegebenen Sachverhalt nicht auf einen Verzichtswillen des Klägers schließen. Damit ist aber auch der „Mitschuldeinwand" der beklagten Partei zum Scheitern verurteilt.

Der Revision ist daher ein Erfolg zu versagen.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO.