JudikaturJustiz1Ob197/19f

1Ob197/19f – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. November 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Hofrat Mag. Wurzer als Vorsitzenden sowie die Hofräte und Hofrätinnen Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer, Mag. Korn und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei E***** H*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Blaschitz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 7.536,48 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 26. Juni 2019, GZ 5 R 33/19s 17, mit dem das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 21. Jänner 2019, GZ 20 Cg 94/18k 11, teilweise aufgehoben wurde, beschlossen und zu Recht erkannt:

Spruch

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und in der Sache zu Recht erkannt, dass das Endurteil wie folgt lautet:

„II.1. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei 1.440 EUR samt 4 % Zinsen per anno seit 29. 6. 2018 binnen 14 Tagen zu zahlen.

2. Das Mehrbegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei 450 EUR samt 4 % Zinsen per anno seit 29. 6. 2018 zu zahlen, wird abgewiesen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.697,27 EUR (darin enthalten 187,76 EUR USt und 570,70 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens, die mit 912,41 EUR (darin enthalten 152,07 EUR USt) bestimmten Kosten der Berufungsbeantwortung und die mit 382,51 EUR (darin enthalten 36,58 EUR USt und 163,07 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Rekurses binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Eine näher genannte Staatsanwaltschaft führte wegen des Verdachts der Verbrechen der Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB sowie an einer kriminellen Organisation nach § 278a StGB ein Ermittlungsverfahren gegen den Kläger.

Am 30. 11. 2017 ordnete die Staatsanwaltschaft die (gerichtlich bewilligte) Festnahme des Klägers sowie die Sicherstellung unter anderem seines Mobiltelefons an. Nach seiner Festnahme am 1. 12. 2017 verhängte das zuständige Landesgericht mit Beschluss vom 3. 12. 2017 aus den Haftgründen der Flucht und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a StPO die Untersuchungshaft über den Kläger. Zum die Haft tragenden, unter den Tatbestand des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB subsumierten Sachverhalt führte es aus:

„Der Beschuldigte [...] ist dringend verdächtig, sich in G ***** oder anderen Orten des Bundesgebietes seit einem nicht näher bekannten Zeitpunkt bis heute an einer terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs 3 StGB), nämlich dem IS [Islamischer Staat], in dem Wissen beteiligt zu haben, dass er dadurch die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen fördert, indem er sich auftrags nicht näher bekannter weiterer Mitglieder dieser terroristischen Vereinigung bereit erklärte, einen terroristischen Anschlag in G***** oder sonst wo zu verüben, womit er die Ziele der Errichtung eines nach radikalen islamischen Grundsätzen ausgerichteten Gottesstaates fördern wollte.“

Am (richtig:) 17. 1. 2018 langte bei der Staatsanwaltschaft der polizeiliche Abschlussbericht ein, in dem erstmals zur Auswertung des im Zuge der Festnahme sichergestellten USB Sticks und des Mobiltelefons des Klägers wie folgt berichtet wurde:

„2 Fotos auf seinem […] (Mobiltelefon) können dem sexistischen bzw pornografischen Bereich augenscheinlich eindeutig als Kinderpornografie angesehen werden.“

Nachdem der Kläger mit diesem neuen Vorwurf in der (zweiten) Haftverhandlung am 18. 1. 2018 konfrontiert worden war, ordnete die Einzelrichterin des Landesgerichts die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Flucht und Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 3 lit a und b StPO an. Sie ging dabei von folgendem, als das Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB (nachfolgender Punkt I.) sowie die Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Fall, Abs 4 Z 1 StGB (nachfolgender Punkt II.) qualifizierten, Sachverhalt aus:

„Der Beschuldigte ... ist aufgrund der bisherigen Berichterstattung [der Polizei], zuletzt vom 17. Jänner 2018, dringend verdächtig, sich in G***** oder anderen Orten des Bundesgebietes

I. seit einem nicht näher bekannten Zeitpunkt bis heute an einer terroristischen Vereinigung (§ 278b Abs 3 StGB), nämlich dem IS, in dem Wissen beteiligt zu haben, dass er dadurch die Vereinigung oder deren strafbaren Handlung[en] fördert, indem er sich auftrags nicht näher bekannter weiterer Mitglieder dieser terroristischen Vereinigung bereit erklärte, einen terroristischen Anschlag in G***** oder sonst wo zu verüben, womit er die Ziele der Errichtung eines nach radikalen islamischen Grundsätzen ausgerichteten Gottesstaates fördern wollte;

II. seit einem nicht näher bekannten Zeitpunkt bis zum 1. Dezember 2017 zwei Lichtbilder jeweils mit der Darstellung eines unmündigen Mädchens beim Oralverkehr, sohin pornografische Darstellungen unmündiger Minderjähriger, nämlich wirklichkeitsnahe Abbildungen von geschlechtlichen Handlungen unmündiger Personen an anderen Personen, sich durch Beziehen über das Internet verschafft und durch Speichern auf seinem Handy [...] bis zu deren Sicherstellung besessen [zu haben].“

Der dagegen vom Kläger erhobenen (Haft )Beschwerde gab das zuständige Oberlandesgericht mit Beschluss vom 1. 2. 2018 Folge und verfügte seine sofortige Enthaftung. Zur Verdachtslage betreffend das Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB führte es aus:

„Der Beschuldigte, der seit seinem 10. Lebensjahr in Österreich lebt, ist muslimischen Glaubens und besuchte eine Zeit lang regelmäßig die Moschee des Glaubensvereins [...] in G*****, der der Gruppe der T*****, einem radikalen Teil der jihadistischen Bewegung zuzuordnen ist. Wie der eigenen Verantwortung des Beschuldigten [vom 1. 12. 2017] zu entnehmen ist, ist er selbst streng religiös und befürwortet die Scharia.

[...].

Am 19. September 2017 bis zu seiner Festnahme am 1. Dezember 2017 wohnte der Beschuldigte in der Notschlafstelle [...], wo er sich insofern auffällig verhielt, als er den Kontakt zu Mitbewohnern mied, am Gemeinschafts PC Kriegsspiele spielte und sich wiederholt Videos und Berichte über Amokfahrten in G***** und anderen Städten sowie über Polizeieinsätze ansah, wobei er sich über die Amokfahrt in G***** amüsierte. Außerdem murmelte er mehrmals Worte wie 'tot', 'erschießen' oder 'ich mache es wie in Berlin' vor sich hin und erkundigte sich schließlich am 11. Oktober 2017 und am 14. November 2017 bei Mitarbeitern [der Notschlafstelle] danach, ob man sich auch ohne Führerschein ein Auto leihen könne und welche Konsequenzen die Beschädigung eines Leihautos hätte.

[...]

Damit teilt das Beschwerdegericht zwar die erstgerichtliche Annahme, wonach die Gefahr besteht, dass der Beschuldigte in Zukunft eine terroristische Straftat begehen könnte. Allerdings erfüllen die vom Beschuldigten bisher gesetzten Verhaltensweisen nach der aktuellen Gesetzeslage keinen gerichtlich strafbaren Tatbestand. Sie können daher nicht als hafttragend herangezogen werden, weil die Verhängung und die Fortsetzung der Untersuchungshaft neben weiteren Voraussetzungen gemäß § 173 Abs 1 StPO den dringenden Verdacht erfordert, der Beschuldigte habe eine bestimmte Straftat begangen.

Dies ist in Zusammenhang mit dem Sachverhaltskomplex zu Punkt I. aus nachstehenden Erwägungen zu verneinen:

Den Tatbestand der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB verwirklicht, wer sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung beteiligt. Diesbezüglich verweist das Gesetz auf [die] Legaldefinition des § 278 Abs 3 StGB.

Als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung beteiligt sich demnach, wer

1. im Rahmen ihrer kriminellen Ausrichtung eine strafbare Handlung begeht (erster Fall),

oder sich in dem Wissen, dass er dadurch die Vereinigung oder deren strafbare Handlungen fördert, an den Aktivitäten der Vereinigung

2. durch die Bereitstellung von Informationen oder Vermögenswerten (zweiter Fall), oder

3. auf andere Weise (dritter Fall) beteiligt.

Die Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung als Mitglied, die auch versucht werden kann, ist vollendet, sobald der Täter eine Aktivität iSd § 278b Abs 2 iVm § 278 Abs 3 StGB entfaltet [...]. Damit überhaupt eine strafbare Beteiligungshandlung vorliegt, muss diese aber jedenfalls ins Versuchsstadium getreten sein. Ein Versuch liegt allerdings erst dann vor, wenn der Täter seinen Entschluss, die Tat auszuführen, durch eine der Ausführung unmittelbar vorangegangene Handlung (sogenannte ‚ausführungsnahe Handlung‘) bestätigt [...]. Ungeachtet dessen, dass § 278b StGB ein selbstständiges Vorbereitungsdelikt darstellt, ist somit das bloße innere – nach außen nicht dokumentierte – Vorhaben, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung beteiligen zu wollen, ebenso wie die bloße Vorbereitung einer Beteiligungshandlung, die erst in späterer Zukunft gesetzt werden soll, nach der geltenden Rechtslage jedenfalls straflos.

Damit scheidet beim Beschuldigten eine Beteiligungshandlung iSd § 278 Abs 3 erster Fall StGB aus, zumal seine Aktivitäten – nämlich seine Internet-Recherchen ebenso wie die Erkundigung bei Mitarbeitern [der Notschlafstelle] über die Modalitäten der Anmietung von Fahrzeugen – keine Handlungen darstellen, die der Durchführung einer terroristischen Straftat unmittelbar vorausgehen sollten.

Eine Beteiligung nach § 278 Abs 3 zweiter Fall StGB durch Bereitstellen von Informationen oder Vermögenswerten steht nicht im Raum.

Aber auch eine Beteiligung auf andere Weise iSd § 278 Abs 3 dritter Fall StGB ist zu verneinen, zumal eine solche vom Beschuldigten nach der Aktenlage zwar vorbereitet, nicht aber versucht oder vollendet wurde. Mit der Generalklausel nach § 278 Abs 3 dritter Fall StGB werden sämtliche sonstige Beteiligungshandlungen an den Aktivitäten der terroristischen Vereinigung erfasst [...]. Auch die Mitwirkung an der Planung oder Vorbereitung der projektierten Vereinigungstaten im Wissen der organisations- oder deliktsbezogenen Förderung stellt eine Beteiligung in diesem Sinne dar. Unabdingbare Grundvoraussetzung einer diesbezüglichen Beteiligung ist aber jedenfalls ein Kontakt bzw eine zumindest versuchte Kontaktaufnahme mit anderen Vereinigungsmitgliedern [...]. Trägt sich ein Täter bloß innerlich mit dem Gedanken, eine Straftat zu begehen, und schmiedet er diesbezüglich Pläne, ohne dass Mitglieder der Vereinigung davon überhaupt Kenntnis haben und in irgendeiner Art und Weise von seinem Verhalten profitieren könnten, scheidet eine Strafbarkeit nach § 278b Abs 2 iVm § 278 Abs 3 dritter Fall StGB damit jedenfalls aus.

Wenn das Erstgericht in der angefochtenen Entscheidung davon ausgeht, der Beschuldigte habe sich gegenüber anderen bislang unbekannten Mitgliedern bereit erklärt, einen terroristischen Anschlag zu begehen, so würde ein derartiger Verdacht zwar den angenommenen Tatbestand erfüllen, für eine solche Annahme ergibt sich aus den bisherigen Ermittlungsergebnissen jedoch nicht der geringste Anhaltspunkt. Das Erstgericht begründete diese Annahme mit 'vernetzter und lebensnaher Betrachtung' der vorliegenden Beweisergebnisse. Dem ist zu erwidern, dass diese Begründung unzureichend ist, weil die Annahme, der Beschuldigte, der von Gewalttaten und Amokfahrten erkennbar fasziniert ist, trage sich aus eigenem mit der Durchführung eines solchen Anschlages, zumindest ebenso plausibel ist. Es hätte daher konkreter Argumente dafür bedurft, dass er tatsächlich einen Auftrag zur Durchführung eines Anschlages erhalten hätte oder sich zu einem solchen bereit erklärt hätte. Derartige Argumente sind aus den Akten allerdings nicht ableitbar.

Damit scheidet eine Fortsetzung der Untersuchungshaft wegen des Verdachtes des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB aus.“

Zu den (zwei) Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Fall iVm Abs 4 Z 1 StGB bejahte das Oberlandesgericht den dringenden Tatverdacht und führte dazu aus:

„Diese Verdachtslage ergibt sich mit der erforderlichen Dringlichkeit schon daraus, dass die Bilder am Mobiltelefon des Beschuldigten gespeichert waren. Dass der Angeklagte hiebei mit bedingtem Vorsatz handelte, sich die Darstellungen zu verschaffen und diese zu besitzen, lässt sich aus dem objektiven Geschehen ableiten.

Vor dem Hintergrund der bisherigen Unbescholtenheit des Beschuldigten und aufgrund des Umstands, dass das Vergehen der pornographischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Satz StGB nur mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht ist, würde sich eine weitere Fortsetzung der bislang knapp zweimonatigen Untersuchungshaft allein wegen dieses Tatverdachts allerdings als unverhältnismäßig erweisen.“

Abschließend hielt das Oberlandesgericht noch fest:

„Im Hinblick auf die Einschätzung der mit der Betreuung des Beschuldigten befassten Mitarbeiter [der Notschlafstelle], wonach dieser ernsthafte psychische Probleme habe und einer diesbezüglichen Behandlung bedürfe, wird angeregt, eine ärztliche Untersuchung des Beschuldigten iSd §§ 3, 8 f UbG zu veranlassen, um die Voraussetzungen für eine Unterbringung nach dem UbG zu prüfen.“

Am (richtig:) 2. 3. 2018 wurde das Ermittlungsverfahren gegen den Kläger hinsichtlich der Verbrechen der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB sowie der kriminellen Organisation nach § 278a StGB gemäß § 190 Z 2 StPO eingestellt. Gleichzeitig wurde das Verfahren wegen (richtig:) der Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Fall iVm Abs 4 Z 1 StGB gemäß § 197 Abs 1 StPO wegen unbekannten Aufenthalts nach Abschiebung des Klägers nach Bosnien und Herzegowina abgebrochen und der dort zuständigen Strafverfolgungsbehörde zur Übernahme angeboten. Weitere Ermittlungshandlungen wurden nicht gesetzt.

Es kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger während der 63 Tage dauernden Untersuchungshaft besonderen Restriktionen ausgesetzt war. Die Kosten seiner Verteidigung im Haftprüfungsverfahren betrugen 4.386,48 EUR.

Der Kläger begehrt von der Beklagten gestützt auf das StEG 2005 die Zahlung von 7.536,48 EUR. Er sei zu Unrecht des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB verdächtigt worden, zumal sich im Anlassverfahren in Wahrheit keine Anhaltspunkte für eine Tatbegehung durch ihn, geschweige denn für seine Radikalisierung oder seine Anhängerschaft an eine fundamentale Ausprägung des Islam ergeben hätten. Dementsprechend habe das Oberlandesgericht auch unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass ein ausreichendes Tatsachensubstrat zu Rechtfertigung der Verhängung der Untersuchungshaft nie vorgelegen sei. Zwar sei richtig, dass sich im Laufe des Anlassverfahrens auch der Verdacht in Richtung der Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Satz iVm Abs 4 Z 1 StGB ergeben habe. Wie das Oberlandesgericht ebenfalls ausgeführt habe, wäre die Fortsetzung der Untersuchungshaft nur wegen dieser Vergehen aber unverhältnismäßig gewesen, sodass er sich zwischen 1. 12. 2017 und [richtig:] 1. 2. 2018 ausschließlich wegen des Verdachts des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB in Haft befunden habe. Da das Ermittlungsverfahren hinsichtlich dieses hafttragenden Vorwurfs – ebenso wie hinsichtlich des Verdachts in Richtung des Verbrechens der kriminellen Vereinigung nach § 278a StGB – eingestellt worden sei, stehe ihm ein Ersatzanspruch nach § 2 Abs 1 Z 2 StEG 2005 für die 63 Tage dauernde ungerechtfertigte Haft zu. Da der erhobene massive Vorwurf einen Schock bei ihm ausgelöst habe, er zum ersten Mal inhaftiert worden sei und während der Anhaltung aufgrund seiner vermeintlich besonderen Gefährlichkeit auch besonderen Haftrestriktionen ausgesetzt gewesen sei, sei ein Zuspruch des Höchstbetrags von 50 EUR pro Tag der Haft gerechtfertigt, was eine Haftentschädigung von 3.150 EUR ergebe. Zudem habe er Verteidigerkosten aufwenden müssen, die ihm im Rahmen des § 5 Abs 1 StEG 2005 zu ersetzen seien.

Die Beklagte wendete ein, dass die Untersuchungshaft losgelöst vom Vorwurf des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB auch wegen des Verdachts der Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Fall iVm Abs 4 Z 1 StGB verhängt und (erstmalig) fortgesetzt worden wäre. Dem stünden die Ausführungen des Oberlandesgerichts nicht entgegen, weil dieses nur ausgeführt habe, die weitere Fortsetzung der Untersuchungshaft wegen dieser Vergehen sei unverhältnismäßig, was nicht ausschließe, dass auch dieser Vorwurf die Untersuchungshaft zumindest bis zum 1. 2. 2018 gerechtfertigt hätte. Abgesehen davon sei das in diese Richtung geführte Ermittlungsverfahren noch nicht abgeschlossen, sodass die erlittene Haft noch auf eine deswegen allenfalls noch zu verhängende Strafe angerechnet werden könne. Solange dies nicht feststehe, seien seine Ansprüche noch nicht fällig. Schließlich habe das Oberlandesgericht auch angeregt, die Voraussetzungen einer Unterbringung zu prüfen, woraus geschlossen werden könne, dass diese auch vorgelegen seien. Wäre nicht die Untersuchungshaft verhängt worden, wäre der Kläger daher untergebracht worden, sodass er die Nachteile eines Freiheitsentzugs somit nur in anderer Form, nichtsdestotrotz aber dennoch erlitten hätte. Ein Ersatzanspruch stehe ihm insoweit daher nicht zu. Gründe, die den Zuspruch des Höchstbetrags nach § 5 Abs 2 StEG 2005 rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich.

Das Erstgericht gab dem Klagebegehren im Umfang von 6.276,48 EUR sA statt und wies – unbekämpft und damit rechtskräftig – das darüber hinausgehende Begehren von 1.260 EUR sA sowie ein Zinsenmehrbegehren ab. Der Kläger stütze seine Ansprüche auf eine ungerechtfertigte Haft im Sinn des § 2 Abs 1 Z 2 StEG 2005, weil die vorliegende Einstellung des Ermittlungsverfahrens einem Freispruch gleichstehe. Dass die Untersuchungshaft auch wegen der Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Satz iVm Abs 4 Z 1 StGB erfolgt sei, spiele keine Rolle, weil die Bilder erst durch die Auswertung des sichergestellten Mobiltelefons zu Tage getreten seien. Selbst wenn diese schon von Anfang an bekannt gewesen wären, wäre über den unbescholtenen Kläger bloß wegen zwei Bildern keine Untersuchungshaft verhängt worden. Was die Fälligkeit der Entschädigung anlange, sei zwar richtig, dass ein Ersatzanspruch nicht bestehe, wenn die erlittene Haft auf eine Strafe angerechnet worden sei. Die Beklagte übersehe aber, dass eine Anrechnung mangels Verurteilung hier (noch) gar nicht habe erfolgen können und eine etwaige künftige Verurteilung die Geltendmachung des Ersatzanspruchs nicht hindere. Ihr Einwand, dass dem Kläger auch dann die Freiheit entzogen worden wäre, wenn nicht die Untersuchungshaft über ihn verhängt worden wäre, überzeuge nicht. Die Unterbringung nach dem UbG könne mit einer haftbedingten Freiheitsentziehung nicht verglichen werden, zumal sie dem Schutz und der Fürsorge für den Betroffenen, die Untersuchungshaft hingegen der Hintanhaltung der Haftgründe des § 173 StPO diene. Da von einer Gleichwertigkeit der Untersuchungshaft und der Unterbringung nach dem UbG nicht auszugehen sei, sei der darauf gestützte Einwand der Beklagten für die Entscheidung nicht relevant und könne daher unberücksichtigt bleiben. Dem Kläger stünde zwar ein Ersatzanspruch zu, die Gründe, die seiner Ansicht nach den Zuspruch des Höchstbetrags des § 5 Abs 2 StEG rechtfertigen würden, habe er aber nicht unter Beweis gestellt, sodass als maßgebliches Kriterium nur die Dauer der Haft zu berücksichtigen sei. Dies lasse einen Betrag von 30 EUR pro Tag der Haft angemessen erscheinen, sodass ihm insgesamt 1.890 EUR (63 Tage zu je 30 EUR) an Haftentschädigung zustünden. Zusätzlich seien auch alle Kosten ersatzfähig, die zur Aufhebung der Anhaltung notwendig und zweckmäßig aufgewendet worden seien, sodass aus diesem Titel der Betrag von 4.386,48 EUR zuzusprechen sei.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten teilweise Folge. Es bestätigte mit Teilurteil, das in der Folge in Rechtskraft erwuchs, den Zuspruch der Verteidigerkosten von 4.386,48 EUR und hob im Übrigen – im Umfang des Zuspruchs der Haftentschädigung von 1.890 EUR – das Ersturteil auf. Rechtlich führte es zum aufhebenden Beschluss aus, die Beklagte spreche mit ihrem Vorbringen, der Kläger hätte auch ohne Verhängung der Untersuchungshaft einen Freiheitsentzug erlitten, weil er jedenfalls nach dem UbG untergebracht worden wäre, die grundsätzlich beachtliche Frage der hypothetischen (überholenden) Kausalität an. Die Unterbringung nach dem UbG sei mit der Anhaltung im Rahmen der Untersuchungshaft gleichwertig. Die Verfassungsbestimmungen unterschieden weder qualitativ noch sonst in irgendeiner Weise zwischen dem Entzug der Freiheit durch Untersuchungshaft (Art 5 Abs 1 lit c EMRK bzw Art 2 Abs 1 Z 2 PersFrG) oder im Rahmen der Unterbringung nach § 8 UbG (Art 5 Abs 1 lit e EMRK bzw Art 2 Abs 1 Z 5 PersFrG). Ebenso wie für die Untersuchungshaft könne auch für erlittene Nachteile wegen eines in Vollziehung des UbG erfolgten (ungerechtfertigten) Freiheitsentzugs – zwar nicht nach dem StEG 2005, wohl aber im Wege der Amtshaftung – Ersatz begehrt werden. In diesem Sinn stelle die Unterbringung nur eine von mehreren (gleichwertigen) freiheitsentziehenden Maßnahmen dar. Vor allem sei aber die andere Behandlung einer Unterbringung nach dem UbG und der in einer öffentlichen Krankenanstalt für Geisteskrankheiten vollzogenen vorläufigen Anhaltung nach § 429 StPO (die eine Freiheitsentziehung im Sinn des § 1 Abs 1 StEG 2005 bilde) nicht argumentierbar. Auch für diese würden die Bestimmungen der §§ 33 bis 38 UbG (§ 167a StVG) gelten, sodass vorläufig Angehaltene ungeachtet anderer Zuständigkeiten (§ 189 Abs 1 StPO) keinen anderen Beschränkungen als (nach § 8 UbG) Untergebrachte unterliegen. Da die Vorgaben des § 3 UbG praktisch jenen des § 429 Abs 4 StPO entsprechen, liege der maßgebliche Unterschied zwischen der Unterbringung nach dem UbG und der vorläufigen Anhaltung in Wahrheit nur darin, dass letztere eine Anlasstat und das Bestehen eines der Haftgründe des § 173 Abs 2 StPO verlange. Demgegenüber werde bei der Unterbringung nach dem UbG die persönliche Freiheit in gleicher Weise entzogen wie bei der vorläufigen Anhaltung. Betreffend die Haftentschädigung nach § 5 Abs 2 StEG 2005 sei im fortzusetzenden Verfahren das beantragte Sachverständigengutachten aufzunehmen, um das Vorliegen der Voraussetzungen des § 8 UbG beurteilen zu können.

Hier sei ein Fall der ungerechtfertigten Haft im Sinn des § 2 Abs 1 Z 2 StEG 2005 zu beurteilen, wobei auf die in § 10 StEG 2005 angeordnete Bindung an die im Haft (prüfungs )verfahren ergangene Entscheidung des Oberlandesgerichts zu verweisen sei. Die Untersuchungshaft sei nicht auch wegen des Verdachts des Vergehens der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Fall iVm Abs 4 Z 1 StGB verhängt worden, seien doch die Ergebnisse der Auswertung des Mobiltelefons (erst) mit dem Abschlussbericht der Polizei vom 16. 1. 2018 vorgelegen. Der Kläger sei erst in der zweiten, am 18. 1. 2018 stattgefundenen Haftverhandlung (erstmals) mit dem Vorwurf in Richtung § 207a StGB konfrontiert worden. Zwar sei die erlittene Untersuchungshaft auf eine allenfalls wegen der Vergehen der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 iVm Abs 4 Z 1 StGB verhängte Strafe anzurechnen, was im Übrigen daraus folge, dass das Anlassverfahren auch deswegen geführt worden sei und die Anrechnung nicht auf einzelne Delikte aufzuteilen oder auf jene Straftat zu reduzieren sei, die der Grund für die Haft gewesen sei. Die Ansicht der Beklagten, ein Ersatzanspruch stehe erst dann zu, wenn eine Anrechnung im Anlassverfahren (§ 38 Abs 1 Z 1 StGB) nicht mehr erfolgen könne, finde im Wortlaut des § 3 Abs 1 Z 1 StEG 2005 aber keine Deckung. Demnach setze der Ersatzanspruch voraus, dass die Haft bereits angerechnet worden sei, stelle hingegen nicht darauf ab, ob eine Anrechnung in Zukunft ausgeschlossen sei. Damit korreliere auch § 38 Abs 1 letzter Satz StGB, wonach umgekehrt die Anrechnung ausscheide, wenn bereits eine Entschädigung geleistet worden sei.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass der Rekurs an den Obersten Gerichtshof zur Frage zulässig sei, ob die mit der Untersuchungshaft verbundenen Beeinträchtigungen jenen einer Unterbringung nach dem UbG gleichwertig seien. Insoweit liege zur Tauglichkeit des Vorliegens der Voraussetzungen des § 8 UbG als „Reserveursache“ eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung vor.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs des Klägers ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig. Sein Rechtsmittel ist im Ergebnis berechtigt, was einerseits zu einer teilweisen Stattgebung und andererseits zu einer (zulässigen) reformatio in peius (RIS Justiz RS0043903; RS0043939) und damit zur teilweisen Abweisung des Klagebegehrens führt.

1. Der Bund haftet nach § 1 Abs 1 StEG 2005 für den Schaden, den eine Person durch den Entzug der persönlichen Freiheit zum Zweck der Strafrechtspflege oder durch eine strafgerichtliche Verurteilung erlitten hat. Die Voraussetzungen, unter denen ein Ersatzanspruch nach § 1 Abs 1 StEG 2005 überhaupt besteht, sind in § 2 Abs 1 Z 1 bis 3 leg cit angeführt („gesetzwidrige Haft“, „ungerechtfertigte Haft“, „Wiederaufnahme“). Bei der gesetzwidrigen Haft wird an rechtswidriges Verhalten angeknüpft; bei der ungerechtfertigten Haft und in den Fällen der Wiederaufnahme wird aus übergeordneten Gerechtigkeits- bzw Fairnesserwägungen im Wege einer verschuldensunabhängigen Eingriffshaftung eine Entschädigung für eine rechtmäßig verhängte Haft gewährt (1 Ob 116/17s; Kodek/Leupold in Höpfel/Ratz , WK² StEG Vor §§ 1–16 Rz 3).

2. Gemäß § 2 Abs 1 Z 1 StEG 2005 steht ein Ersatzanspruch einer Person zu, die durch eine inländische Behörde oder eines ihrer Organe zum Zweck der Strafrechtspflege oder aufgrund der Entscheidung eines inländischen Gerichts gesetzwidrig festgenommen oder angehalten wurde (gesetzwidrige Haft). Die Gesetzwidrigkeit einer Festnahme oder Haft kann entweder aus der Verletzung materieller oder der Verletzung formeller Vorschriften resultieren und liegt dann vor, wenn entweder gegen eine gesetzliche Bestimmung verstoßen oder eine Rechtsvorschrift überhaupt nicht angewendet worden ist. Damit sind Verstöße gegen grund und verfassungsrechtliche Bestimmungen, aber auch gegen einfache Gesetze wie die StPO erfasst ( Heissenberger , Haftentschädigung [2006] 79; Eder Rieder , StEG 2005 [2007] 36). Die Gesetzwidrigkeit einer Festnahme oder Anhaltung ist nach der Rechts und Sachlage im Zeitpunkt der Entscheidung über die Freiheitsentziehung bzw der Verhaftung zu beurteilen. Dabei sind nachträglich hervorgekommene Umstände nicht mehr zu berücksichtigen (1 Ob 71/12s mwN).

Gemäß § 10 Satz 1 StEG 2005 ist jede rechtskräftige Entscheidung eines inländischen Gerichts, mit der die Rechtswidrigkeit einer Festnahme oder Anhaltung ausgesprochen wird, für das weitere Verfahren über einen Ersatzanspruch nach § 1 Abs 1 leg cit bindend. Nach den Gesetzesmaterialien (ErläutRV 618 BlgNR 22. GP 13) sind davon unter anderem im Haftverfahren nach der StPO ergangene Entscheidungen erfasst. Dieser Bindung kommt nur für Ansprüche nach § 2 Abs 1 Z 1 StEG 2005 Bedeutung zu, also bei gesetzwidriger Haft ( Kodek/Leupold aaO § 10 Rz 1).

Nach der im Haftprüfungsverfahren ergangenen Entscheidung des Oberlandesgerichts, mit der der Haftbeschwerde des Klägers Folge gegeben und seine sofortige Enthaftung verfügt wurde, hat sein Verhalten den Tatbestand der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB nicht verwirklicht, sodass eine darauf gegründete (Verhängung und) Fortsetzung der Untersuchungshaft ausschied. Die Anhaltung, Verhängung und Fortsetzung der Untersuchungshaft beruhte im Zeitraum 1. 12. 2017 bis 17. 1. 2018, somit für 48 Tage, allein auf dem Vorwurf der Erfüllung des Tatbestands des Verbrechens der terroristischen Vereinigung nach § 278b Abs 2 StGB, der aufgrund der gemäß § 10 Satz 1 StEG 2005 bindenden Entscheidung, des Oberlandesgerichts im Haftprüfungsverfahren jedoch nie verwirklicht war. Damit ist in diesem Zeitraum – wovon nunmehr auch der Kläger spricht – von einer gesetzwidrigen Haft nach § 2 Abs 1 Z 1 StEG 2005 auszugehen.

3. Die Fortsetzung der Untersuchungshaft mit Beschluss des Landesgerichts vom 18. 1. 2018 gründete sich (erstmals) auch auf den Verdacht des Vergehens der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Satz, Abs 4 Z 1 StGB. Diesbezüglich bejahte das Oberlandesgericht den dringenden Tatverdacht nach diesem Straftatbestand, hielt jedoch fest, dass vor dem Hintergrund der bisherigen Unbescholtenheit des Klägers und aufgrund des Umstands, dass dieses Vergehen nur mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren bedroht sei, sich eine weitere Fortsetzung der bislang knapp zweimonatigen Untersuchungshaft allein wegen dieses Tatverdachts allerdings als unverhältnismäßig erweisen würde. Das Oberlandesgericht hielt damit nur eine weitere Fortsetzung der Untersuchungshaft für unverhältnismäßig, erkannte aber die für den Fortsetzungszeitraum 18. 1. 2018 bis zur Enthaftung am 1. 2. 2018 verfügte Untersuchungshaft wegen des Verdachts des Vergehens der pornografischen Darstellung Minderjähriger nach § 207a Abs 3 zweiter Fall iVm Abs 4 Z 1 StGB für nicht gesetzwidrig. Insofern besteht mangels rechtskräftiger Entscheidung, mit der die Rechtswidrigkeit einer Festnahme oder Anhaltung ausgesprochen wird, keine Bindungswirkung nach § 10 Satz 1 StEG 2005 (siehe auch ErläutRV aaO 13). Der Entscheidung des Oberlandesgerichts kommt für die Zivilgerichte aber eine wichtige Orientierungsfunktion zu (vgl Kodek/Leupold aaO § 10 Rz 11), sodass entgegen der Beurteilung des Erstgerichts nicht gesagt werden kann, dass allein wegen dieses dringenden Tatverdachts „die Verhängung der Untersuchungshaft [...] unterblieben“ wäre.

In Betracht käme in diesem Fall die „ungerechtfertigte Haft“ im Sinn des § 2 Abs 1 Z 2 StEG 2005, die jedoch voraussetzt, dass der Kläger in der Folge durch ein inländisches Strafgericht in Ansehung dieser Handlung freigesprochen oder außer Verfolgung gesetzt wurde. Diese Tatbestandsvoraussetzung liegt hinsichtlich des Verdachts nach § 207a StGB aber nicht vor, weil der Umstand, dass dieses Ermittlungsverfahren gemäß § 197 Abs 1 StPO wegen unbekannten Aufenthalts des Klägers nach seiner Abschiebung nach Bosnien und Herzegowina abgebrochen und der dort zuständigen Strafverfolgungsbehörde zur Übernahme angeboten wurde, der Einstellung des Strafverfahrens oder einem Freispruch nicht gleichgehalten werden kann. Da somit – entgegen der Ansicht der Vorinstanzen – kein Fall einer ungerechtfertigten Haft in der Zeit vom 18. 1. 2018 bis zu seiner Enthaftung am 1. 2. 2018 vorliegt, scheidet ein Anspruch des Klägers nach § 5 Abs 2 StEG 2005 für diesen Zeitraum aus. Sein Begehren auf Haftentschädigung von 450 EUR sA (15 Tage á 30 EUR) ist daher abzuweisen.

4. Beim Ersatzanspruch nach dem StEG 2005 handelt es sich um einen zivilrechtlichen Ersatzanspruch. Der Umstand, dass nach § 2 Abs 1 Z 1 StEG 2005 die Rechtswidrigkeit der Haft Anspruchsvoraussetzung ist, legt nahe, die im allgemeinen Schadenersatzrecht hierzu ergänzend angestellten Erwägungen zum Rechtswidrigkeitszusammenhang auch beim Ersatzanspruch nach dem StEG 2005 zu berücksichtigen (so ErläutRV 618 BlgNR 22. GP 7; Kodek/Leupold aaO § 2 Rz 14).

Die Beklagte hält dem Anspruch auf Haftentschädigung nach § 5 Abs 2 StEG 2005 entgegen, dass der Kläger im Zeitraum seiner Haft nach dem UbG unterzubringen gewesen wäre, und zielt damit auf den Einwand eines rechtmäßigen Alternativverhaltens ab. Dieser Einwand ist nicht berechtigt: Ersatzfähig als immaterieller Schaden nach § 5 Abs 2 StEG 2005 ist nur das Haftübel im engeren Sinn und damit das während der rechtswidrigen oder ungerechtfertigten Haft entstandene seelische Ungemach ( Kodek/Leupold aaO § 5 Rz 27 unter Bezugnahme auf ErläutRV 618 BlgNR 22. GP 10). Gesetzeszweck ist die Abgeltung des gerade durch die Anhaltung, Festnahme, Untersuchungs und Strafhaft erlittene Haftübel (siehe §§ 1, 2 Abs 1 StEG 2005). Demgegenüber hätte die von der Beklagten als rechtmäßiges Alternativverhalten eingewandte hypothetische Unterbringung im vorliegenden Fall nie dazu geführt, dass dem Kläger die persönliche Freiheit zum Zweck der Strafrechtspflege entzogen worden wäre und er das Haftübel, das ihm nach der Regelung des § 5 Abs 2 StEG 2005 abgegolten werden soll, erlitten hätte. Damit lässt diese Bestimmung keine Bedachtnahme auf eine allfällige Unterbringung nach dem UbG zu. Der Einwand der Beklagten hat daher keinen Einfluss auf die Entschädigung für die erlittene Beeinträchtigung durch die Haft, soll doch der Bund nach den Bestimmungen des StEG 2005 gerade für den Schaden haften, den eine Person durch den Entzug der persönlichen Freiheit zum Zweck der Strafrechtspflege oder durch eine strafgerichtliche Verurteilung erlitten hat (§ 1 StEG 2005).

5. Nach § 5 Abs 2 StEG 2005 umfasst der Ersatzanspruch wegen des Entzugs der persönlichen Freiheit auch eine angemessene Entschädigung für die durch die Festnahme oder die Anhaltung erlittene Beeinträchtigung. Mit dem BBG 2011 wurden in § 5 Abs 2 StEG 2005, der bis dahin keine Beschränkung des Ersatzes für das Haftübel im engeren Sinn enthielt, Mindest und Höchstbeträge eingeführt. Die Ausmessung innerhalb dieses wohl primär aus budgetären Gründen eingezogenen und vom Verfassungsgerichtshof nicht als sachwidrig angesehenen Rahmens (vgl VfGH G 235/2015 = VfSlg 20.072) zwischen mindestens 20 EUR und höchstens 50 EUR pro Tag des Freiheitsentzugs, womit nun die Dauer der Anhaltung schon weitgehend eingeflossen ist, soll also die Änderung der persönlichen Verhältnisse der geschädigten Person nachvollziehen und diese bewerten (1 Ob 116/17s mwN). Der vom Erstgericht nach diesen Kriterien ausgemittelte Betrag von 30 EUR pro Tag ist im Rekursverfahren nicht mehr strittig, sodass dem Kläger ein Haftentschädigungsbetrag von 1.440 EUR (48 Tage á 30 EUR) zusteht.

6. Dem Rekurs ist daher Folge zu geben und mit Endurteil auszusprechen, dass dem Kläger eine Haftentschädigung von 1.440 EUR sA zusteht und sein Mehrbegehren von 450 EUR sA abzuweisen ist.

Die Entscheidung über die Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens beruht auf § 43 Abs 1 ZPO, jene des Rekursverfahrens auf §§ 43 Abs 1 und 50 ZPO. Die Entscheidung über die Kosten des Berufungsverfahrens gründet sich auf § 43 Abs 2 1. Fall ZPO; der Kläger ist in zweiter Instanz nur mit einem verhältnismäßig geringfügigen Teil seines noch strittigen Anspruchs unterlegen.

Rechtssätze
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