JudikaturJustiz1Ob189/06k

1Ob189/06k – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Oktober 2006

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner, Univ. Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau und Dr. Glawischnig als weitere Richter in der Sachwalterschaftssache der Katharina P*****, über den Revisionsrekurs des Sachwalters Dr. Josef Raffl, Rechtsanwalt in Bad Ischl, gegen den Beschluss des Landesgerichts Wels als Rekursgericht vom 7. Juni 2006, GZ 21 R 217/06w-27, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Bad Ischl vom 21. April 2006, GZ 1 P 163/03s-23, bestätigt wurde, den Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen werden ersatzlos behoben. Der Rekurswerber hat die Kosten seiner Rechtsmittel selbst zu tragen.

Text

Begründung:

Mit Beschluss vom 6. 2. 2004 bestellte das Erstgericht den Revisionsrekurswerber zum Sachwalter für Katharina P*****, und zwar für die Vertretung in finanziellen Angelegenheiten, vor Ämtern und Behörden, und bezüglich der Wahl ihres Aufenthaltsortes. Am 20. 5. 2005 legte der Sachwalter Rechnung für den Zeitraum 6. 2. 2004 bis 30. 4. 2005 und begehrte - ausgehend von einem Gesamteinkommen der Betroffenen in diesem Zeitraum von EUR 10.084,32 - eine Entschädigung im Ausmaß von 10 %, daher EUR 1.008,-- zuzüglich EUR 201,60 an USt. Das erhöhte Honorar sei gerechtfertigt, da er sich erst mühsam sämtliche Informationen hinsichtlich der Betroffenen bzw deren finanziellen Lage habe beschaffen müssen. Die Betroffene selbst habe keinerlei Informationen erteilt, und es sei niemand vorhanden gewesen, der den Sachwalter hätte unterstützen können. Die pensionsauszahlende Stelle sei dadurch eruiert worden, dass der Sachwalter den überquellenden Inhalt des Postkastens der Betroffenen „durchgeackert" habe. Weiters sei eine Vielzahl von Gesprächen mit der Betroffenen, dem früheren Wohnungsvermieter, der Heimleitung usw notwendig gewesen, um zu erreichen, dass die Betroffene bereit gewesen sei, „ins Heim zu gehen". Zusätzlich habe der Sachwalter Anträge auf Pflegegeld etc. gestellt, sodass von einem erheblichen Aufwand im Zusammenhang mit der Führung der Sachwalterschaft auszugehen sei.

Mit Beschluss vom 28. 2. 2006 bestätigte das Erstgericht die Antrittsrechnung für den Zeitraum 6. 2. 2004 bis 30. 4. 2005 und erkannte dem Sachwalter eine Entschädigung von EUR 530,-- (inklusive USt) zu. Das Mehrbegehren auf Zuspruch einer weiteren Entschädigung im Betrag von EUR 679,60 wies es ab. Auf Grund des gegen den abweisenden Teil des Beschlusses erhobenen Rekurses des Sachwalters stellte das Rekursgericht den Akt dem Erstgericht zur Bestellung eines Kollisionskurators für die Betroffene und zur Zustellung des angefochtenen Beschlusses sowie des Rekurses des Sachwalters an den zu bestellenden Kollisionskurator, dem eine Frist zur Äußerung zu setzen sei, zurück. Im Hinblick auf den eindeutigen Gesetzeswortlaut des § 271 Abs 2 letzter Satz ABGB idF des KindRÄG 2001 sei immer dann, wenn gemäß § 266 Abs 3 ABGB eine Entschädigung von mehr als 5 % der Einkünfte begehrt werde, ein Kollisionskurator für das Entschädigungsverfahren zu bestellen.

Mit Beschluss vom 21. 4. 2006 bestellte das Erstgericht Dr. Kurt Waldhör als Kollisionskurator der Betroffenen für das Verfahren zur Entscheidung über die Bestimmung der Entschädigung des Sachwalters. Das Rekursgericht gab dem dagegen erhobenen Rekurs des Sachwalters nicht Folge und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei. Gemäß § 271 Abs 2 ABGB idF des KindRÄG 2001 bedürfe es der Bestellung eines Kollisionskurators nicht, wenn eine Gefährdung der Interessen des mj Kindes oder der sonst nicht voll handlungsfähigen Person nicht zu besorgen sei und die Interessen des mj Kindes oder der sonst nicht voll handlungsfähigen Person vom Gericht ausreichend wahrgenommen werden könnten. Dies gelte gemäß Satz 2 dieser Bestimmung im Allgemeinen in Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des Kindes nach § 140 und § 148 ABGB, auch wenn es durch den betreuenden Elternteil vertreten werde, sowie in Verfahren über Ansprüche nach § 266 Abs 1 und 2 oder § 267 ABGB. Für die Fälle, in denen der Sachwalter eine Entschädigung nach § 266 Abs 1 und 2 ABGB oder ein Entgelt bzw einen Aufwandersatz nach § 267 ABGB begehre, sei - der Rechtsprechung folgend - nunmehr auch gesetzlich eindeutig festgeschrieben, dass „im Allgemeinen" kein Kollisionskurator notwendig sei. In der Regierungsvorlage sei § 271 Abs 2 letzter Satz ABGB noch ohne die detaillierten Absatzangaben zu § 266 ABGB formuliert. Erst im Justizausschussbericht sei „durch Ausnahme der Anführung des § 266 Abs 3 ABGB" vorgekehrt worden, dass für die Zuerkennung einer über 5 % der Bemessungsgrundlage hinausgehenden Entschädigung ein Kollisionskurator zu bestellen sei. Nach dem Wortlaut und der Entstehungsgeschichte des § 271 Abs 2 letzter Satz ABGB ergebe sich somit die Konsequenz, dass in den Fällen, in denen der Sachwalter eine Entschädigung gemäß § 266 Abs 3 ABGB begehre, zur Wahrung der Interessen der besachwalteten Person in jedem Fall ein Kollisionskurator zu bestellen sei, und zwar unabhängig von der Höhe des geltend gemachten Anspruchs. Der vom Sachwalter vertretenen Ansicht, aus der Formulierung des Gesetzestextes ergebe sich, dass eine ausreichende Wahrung der Interessen des Pflegebefohlenen durch das Gericht im Allgemeinen bei Verfahren über Ansprüche nach §§ 266 Abs 1 und 2 oder 267 ABGB anzunehmen sei, dass dies aber auch bei einer begehrten Entschädigung nach § 266 Abs 3 ABGB der Fall sein könne, könne nicht gefolgt werden.

Der Revisionsrekurs des Sachwalters ist zulässig und berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 271 Abs 1 ABGB hat das Gericht, wenn in einer bestimmten Angelegenheit die Interessen einer minderjährigen oder sonst nicht voll handlungsfähigen Person und jene ihres gesetzlichen Vertreters einander widerstreiten, der Person zur Besorgung dieser Angelegenheiten einen besonderen Kurator zu bestellen.

§ 271 Abs 2 ABGB lautet:

„Der Bestellung eines Kurators bedarf es nicht, wenn eine Gefährdung der Interessen des mj Kindes oder der sonst nicht voll handlungsfähigen Person nicht zu besorgen ist und die Interessen des mj Kindes oder der sonst nicht voll handlungsfähigen Person vom Gericht ausreichend wahrgenommen werden können. Dies gilt im Allgemeinen in Verfahren zur Durchsetzung der Rechte des Kindes nach § 140 und § 148, auch wenn es durch den betreuenden Elternteil vertreten wird, sowie in Verfahren über Ansprüche nach § 266 Abs 1 und 2 oder § 267."

Der Revisionsrekurswerber vertritt die Auffassung, dass mit der Neufassung des § 271 ABGB durch das KindRÄG die in der Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätze übernommen worden seien und daher nach wie vor der in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung vertretene Grundsatz gelte, dass es im Allgemeinen im Verfahren zur Festsetzung der Sachwalterbelohnung keines Kollisionskurators zur Vertretung des Betroffenen bedürfe. Diesen Ausführungen ist beizupflichten:

Mit der Neufassung des § 271 ABGB durch das KindRÄG 2001 wurden die in der Rechtsprechung und Lehre entwickelten Grundsätze übernommen (Weitzenböck in Schwimann, ABGB3 § 271 Rz 1; 6 Ob 160/05f). Es gilt daher nach wie vor der in der oberstgerichtlichen Rechtsprechung vertretene Grundsatz, dass es im Allgemeinen in Verfahren zur Festsetzung der Sachwalterentschädigung für die Vertretung des Betroffenen keiner Bestellung eines Kollisionskurators bedarf; im Regelfall genügt die unter Bedachtnahme auf das Wohl des Leistungspflichtigen vorzunehmende amtswegige Prüfung der Entschädigungsansprüche durch das Gericht. Aus besonderem Anlass, etwa bei besonders hohen, den Aufwand rechtfertigenden Ansprüchen auf Entschädigung und Aufwandersatz kann aber die Bestellung eines Kurators notwendig sein, wenn der Betroffene außerstande ist, seine Rechtsposition selbst vorzutragen (RIS-Justiz RS0048964). Soweit verschiedene Autoren (Stabentheiner in Rummel ABGB3 1. ErgBd §§ 266, 267 Rz 8 und §§ 271, 272 Rz 3a; Fucik, „Die Vermögensverwaltung nach dem KindRÄG 2001. Vom Obervormund zur Missbrauchskontrolle", in Ferarri/Hopf, Reform des KindRÄG 2001, 35 [49]; Hopf/Weitzenböck, "Schwerpunkte des KindRÄG 2001", in ÖJZ 2001, 530 [541 FN 188]) teils unter Hinweis auf den Bericht des Justizausschusses, teils ohne nähere Begründung die Auffassung vertreten, dass im Fall des § 266 Abs 3 ABGB - also bei Entschädigungen, die 5 % der Einkünfte des Betroffenen übersteigen - für das Entschädigungsverfahren jedenfalls ein Kollisionskurator zu bestellen sei, kann diese Auffassung nicht geteilt werden:

Im Bericht des Justizausschusses (366 BlgNR 21. GP, 4) wird zwar zu § 271 ABGB dargelegt:

„In Abs 2 wurde durch Ausnahme der Anführung des § 266 Abs 3 ABGB vorgekehrt, dass für die Zuerkennung einer über 5 % der Bemessungsgrundlage hinausgehenden Entschädigung nach § 266 Abs 3 ABGB ein Kollisionskurator zu bestellen ist", doch hat diese Intention keinen Eingang in den Gesetzestext gefunden. Aus § 271 Abs 2 ABGB ergibt sich lediglich, dass (unter anderem) im Verfahren über Ansprüche nach § 266 Abs 1 und Abs 2 oder § 267 ABGB im Allgemeinen keine Kuratorbestellung erforderlich ist, eine solche also nur ausnahmsweise in außergewöhnlichen Fällen zu erfolgen hat. Die bloß demonstrative Aufzählung lässt allerdings keineswegs den Schluss zu, dass in Verfahren über Ansprüche nach § 266 Abs 3 ABGB in jedem Fall ein Kollisionskurator zu bestellen sei, wie dies zum Teil in der Lehre vertreten wird. Vielmehr hat es in diesen Fällen bei den Grundsätzen der bisherigen, vor Inkrafttreten des KindRÄG 2001 ergangenen Judikatur des Obersten Gerichtshofs zu bleiben. Nach der insoweit ständigen Rechtsprechung (6 Ob 507/92; 6 Ob 572/92; 8 Ob 534/92; 3 Ob 513/92 uva) ist die Wahrung des rechtlichen Gehörs schon dadurch gesichert, dass der Richter im außerstreitigen Verfahren zur Wahrung der Interessen des Betroffenen verpflichtet ist und die Bestimmung der Sachwalterentschädigung seinem pflichtgemäßen Ermessen obliegt. Im Regelfall genügt daher die amtswegige Prüfung der Ansprüche des Sachwalters unter Bedachtnahme auf das Wohl des Leistungspflichtigen, dem nicht durch Bestellung eines weiteren Kurators - auf den die ohnedies unter der Sanktion einer Amtshaftung stehende Amtspflicht abgeschoben würde - eine zusätzliche Belastung mit Kuratorkosten auferlegt werden soll. Im Allgemeinen ist es daher entbehrlich, zur Vertretung des Betroffenen im Verfahren zur Festsetzung der Sachwalterentschädigung einen Kollisionskurator zu bestellen, der bei pflichtgemäßem Vorgehen - insbesondere bei Einbringung von Rechtsmitteln - seinerseits Ansprüche auf Honorierung stellen könnte. Der Ansicht, dass das Interesse eines Betroffenen bei der amtswegigen Prüfung der Entschädigungsansprüche in der Regel vom Richter zu wahren ist, ist daher der Vorzug zu geben. In besonderen Fällen - wenn etwa besonders hohe Ansprüche zu beurteilen sind oder Verzicht oder Verjährung vom Betroffenen nicht selbst geltend gemacht werden könnte - kann sich aber dessen ungeachtet die Notwendigkeit der Bestellung eines Kollisionskurators ergeben. Es besteht keinerlei Veranlassung, von diesen - im Gesetzestext des § 271 Abs 2 ABGB Deckung findenden - Grundsätzen im Zusammenhang mit einer Entschädigung des Sachwalters nach § 266 Abs 3 ABGB abzugehen. Vielmehr ist in diesen Fällen an Hand der konkreten Umstände zu prüfen, ob die Voraussetzungen für eine Kuratorbestellung ungeachtet der amtlichen Interessenwahrung durch das Gericht vorliegen. Im hier zu beurteilenden Fall ist die Bestellung eines Kollisionskurators nicht nötig. Zwar beantragt der Sachwalter die nach § 266 Abs 3 ABGB höchstmögliche Entschädigung von 10 % der Einkünfte der Betroffenen, doch liegt der Gesamtbetrag der begehrten Entschädigung in einer Größenordnung, bei der die Wahrung der Interessen der Betroffenen im Wege der amtswegigen Prüfung durch den Richter gewährleistet scheint.

Die Beschlüsse der Vorinstanzen sind daher ersatzlos zu beheben. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 78 AußStrG iVm § 139 Abs 2 AußStrG.

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