JudikaturJustiz1Ob167/16i

1Ob167/16i – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. November 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Hon. Prof. Dr. Sailer als Vorsitzenden sowie die Hofräte Univ. Prof. Dr. Bydlinski, Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger und die Hofrätin Dr. Hofer Zeni Rennhofer als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Mag. F***** A*****, vertreten durch Dr. Michael Stögerer, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich (Bund), vertreten durch die Finanzprokuratur in Wien, wegen 8.240,77 EUR sA und Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 9. Juni 2016, GZ 14 R 41/16a 55, mit dem das Teilzwischenurteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 8. Jänner 2016, GZ 30 Cg 3/14b 51, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens wird der Endentscheidung vorbehalten.

Text

Entscheidungsgründe:

Der Kläger bekleidete seit 1. 9. 1970 unterschiedliche Positionen im österreichischen Militärdienst und war ab 1984 auch in leitender Funktion tätig, zuletzt als Leiter der Sektion III des Bundesministeriums für Landesverteidigung und Sport. Nachdem dem Kläger mitgeteilt worden war, dass der Bundesminister nicht beabsichtige, ihn in seiner (auf fünf Jahre befristeten) Funktion des Sektionsleiters weiter zu bestellen, beantragte er die Erstellung eines Gutachtens durch eine Weiterbestellungskommission gemäß § 17 Abs 1 AusG. In ihrem – nach einem kursorischem Verfahren und mit unzureichender Begründung erstatteten – Gutachten wurde der Kläger als „in hohem Ausmaß“ für die Weiterbestellung als Leiter der Sektion III geeignet befunden; nachdem zwei Funktionsmitglieder für das Kalkül „im höchsten Ausmaß geeignet“ votiert hatten, gab die Stimme des Vorsitzenden, dem insoweit das Dirimierungsrecht zukam, den Ausschlag. Hätte das Gesamtkalkül der Weiterbestellungskommission auf „in höchstem Maße geeignet“ gelautet, wäre der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine weitere Periode zum Sektionsleiter bestellt worden; eine Ausschreibung der Position wäre unterblieben. Tatsächlich unterblieb eine Wiederbestellung des Klägers, der sich im darauf folgenden Besetzungsverfahren bewarb. Die dort eingesetzte Begutachtungskommission erachtete ihn zwar für die angestrebte Stellung des Sektionsleiters als „im höchsten Ausmaß geeignet“, doch wurde die Stelle an einen anderen Bewerber mit demselben Gesamtkalkül vergeben. Der Kläger trat bald darauf in den Ruhestand, weil er nach der Nichtverlängerung als Sektionschef trotz seines Rangs als Drei Sterne General als einfacher Referent in der ehemals von ihm geleiteten Sektion hätte tätig sein sollen, was er als Demütigung empfand. Im Falle einer Weiterbestellung wäre er zum spätest möglichen Zeitpunkt in den Ruhestand getreten.

Neben einem (noch nicht behandelten) Feststellungsbegehren begehrte er von der Beklagten die Zahlung von 8.240,77 EUR sA, weil er seit seinem Pensionsantritt einen Verdienstentgang in dieser Höhe erlitten habe. Das Ergebnis der Weiterbestellungskommission, dessen Mitglieder nicht alle unbefangen gewesen seien, sei nicht objektiv gewesen und habe ihn gröblichst benachteiligt, zumal für ihn sprechende Umstände nicht gewürdigt worden seien. Tatsächlich habe das Weiterbestellungsverfahren keine Grundlage für seine Nichtweiterbestellung ergeben. Das für ihn negative Ergebnis sei objektiv nicht nachvollziehbar. Richtigerweise hätte seine Eignung – ebenso wie später durch die Begutachtungskommission – als „im höchsten Maße“ vorhanden beurteilt werden müssen. Die Kommission habe ergänzende Erhebungen unterlassen, durch die für ihn günstige Umstände hervorgekommen wären. Bei pflichtgemäßem Vorgehen der Kommission hätte ihn der Bundesminister in seiner Funktion als Sektionsleiter weiter bestellt.

Die Beklagte wandte im Wesentlichen ein, dass sämtliche Mitglieder der Weiterbestellungskommission unbefangen gewesen seien. Sie seien zu Recht davon ausgegangen, dass beim Kläger auch Defizite vorgelegen seien, die sich bei seiner bisherigen Amtsausübung als Sektionsleiter bemerkbar gemacht hätten. Schließlich sei der Kläger auch nicht der bestgeeignete Bewerber gewesen, weshalb zu Recht ein anderer zum Sektionsleiter bestellt worden sei. Der Bundesminister wäre bei seiner Personalentscheidung auch nicht an das Gutachten der Weiterbestellungskommission gebunden gewesen. Es wäre diesem freigestanden, die Planstelle auch dann auszuschreiben, wenn sich aus dem Gutachten der Weiterbestellungskommission eine Eignung des Klägers „im höchsten Ausmaß“ ergeben hätte. Aus einer Nichtweiterbestellung könne schon deshalb keine Amtshaftung abgeleitet werden, weil dem Kläger jedenfalls die Bewerbung für die betreffende Stelle offengestanden sei. Mit seiner freiwilligen Ruhestandsversetzung habe der Kläger auch seine Schadensminderungspflicht verletzt.

Das Erstgericht erkannte mit Teilzwischenurteil das Zahlungsbegehren als dem Grunde nach berechtigt. Amtshaftungsansprüche kämen im Zusammenhang mit Ernennungsvorgängen dann in Betracht, wenn die Behörde beim Ernennungsverfahren besonders unsachlich vorgegangen ist. Die willkürliche Vorgangsweise könne sich sowohl auf das Ernennungsergebnis wie auch auf das Bestellungsverfahren beziehen. Ein Ersatzanspruch nach dem AHG werde begründet, wenn das zur Ernennung berufene Organ das ihm eingeräumte Ermessen missbraucht oder wenn gegen tragende Grundsätze der rechtsstaatlichen Ordnung verstoßen wird. Maßgebend sei, ob der ernannte Bewerber die Stelle auch im Falle eines fehlerfreien Ernennungsvorgangs erhalten hätte. Hier sei der Weiterbestellungskommission ein Verstoß gegen tragende Grundsätze der rechtsstaatlichen Ordnung vorzuwerfen. Dabei sei etwa zu berücksichtigen, dass keine zweckentsprechenden Erhebungen gepflogen, etwa Vorgesetzte oder unterstellte Mitarbeiter befragt wurden, obwohl zwei Kommissionsmitglieder derartige Erhebungen eingefordert haben. Weiters enthalte das Gutachten eine teils mangelnde, großteils im Widerspruch zu den festgestellten Umständen stehende Begründung, weshalb sowohl das Kalkül als auch die Begründung des Gutachtens gegen die aus dem AusG hervorleuchtenden Zwecke des Bestellungsgutachtens verstießen, nämlich die Erstellung einer objektiven Grundlage, die Bewährung des befristeten Ernannten zu beurteilen. Jedenfalls wäre von einem Gutachten diese Tragweite zu verlangen, dass sich die Kommission nicht mit einer formelhaften Aneinanderreihung begnügt, sondern anhand konkreter Beispiele die Verhaltensweisen beschreibt, die mögliche Unzulänglichkeiten zeigen sollen. Nach den getroffenen Feststellungen sei das Gesamtkalkül samt Begründung aber für die mangelnde Weiterbestellung des Klägers kausal gewesen. Der daraus resultierende Nachteil des Klägers sei von der Beklagten nach dem AHG zu ersetzen. Wegen der Verletzung des Rechts auf Durchführung eines gesetzmäßigen Verfahrens, sei nicht entscheidend, ob der Weiterbestellungskommission lediglich beratende Funktion zukommt. Bei willkürlichem Vorgehen von Mitgliedern eines für ein Bestellungsverfahren nach dem Gesetz eigens bestimmten Kollegialorgans, das kausal für die Nichtbestellung ist, weil ihm das Ernennungsorgan bei rechtmäßigem Vorgehen gefolgt wäre, komme es zur Amtshaftung.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die ordentliche Revision für zulässig. Es folgte der Rechtsansicht des Erstgerichts, wonach nicht nur die Rechtswidrigkeit des Ernennungsergebnisses, sondern auch die des Ernennungsvorgangs haftungsbegründend sein könne, weil der vom Gesetz gewährte Rechtsschutz im Recht auf Durchführung eines gesetzmäßigen Verfahrens bestehe. Dass ungeachtet der bloß beratenden Funktion der Weiterbestellungskommission ein willkürliches Vorgehen von Mitgliedern eines derartigen Kollegialorgans dann Amtshaftung begründen könne, wenn es kausal für die Nichtbestellung ist, ziehe die Beklagte nicht in Zweifel. Auch das Berufungsgericht sehe durch den Ablauf des Weiterbestellungsverfahrens tragende Rechtsgrundsätze verletzt, ebenso durch das Kalkül im erstatteten Gutachten. Aus den gesetzlichen Bestimmungen über das Weiterbestellungsverfahren lasse sich ableiten, dass das AusG jedenfalls auch die Interessen des Funktionsinhabers schütze, der sich in einer leitenden Funktion bereits fünf Jahre lang bewähren habe können. Andernfalls wären die Regelungen über den dem Funktionsinhaber zustehenden Antrag auf eine Begutachtung durch eine Weiterbestellungskommission ohne wirklichen Zweck; wollte man im Sinn der Besetzung durch den bestmöglichen Bewerber dem Minister in jeden Fall das Recht zugestehen, eine Planstelle auszuschreiben, hätte der Gesetzgeber auf dieses Weiterbestellungsverfahren verzichten können. Allein die Existenz dieser Bestimmungen zeige, dass es für den Amtsinhaber einer derartigen befristeten Planstelle nach dem Willen des Gesetzgebers ein besonders ausgestaltetes Verfahren geben solle, in dem seine Bewährung in dieser Funktion durch eine unabhängige Kommission überprüft wird. Diese Überprüfung in einem fairen Verfahren sei allerdings unterblieben. Damit habe schon das willkürliche und gegen tragende Rechtsgrundsätze verstoßende Verhalten der Kommission im Weiterbestellungsverfahren den Schaden des Klägers verursacht, der ja nach dem festgestellten Sachverhalt weiter bestellt worden wäre, wenn das Kalkül der Weiterbestellungskommission – bei gesetzmäßigem Vorgehen – auf „im höchsten Maße geeignet“ gelautet hätte. Damit sei dem Kläger im Rahmen seines Amtshaftungsanspruchs nicht nur ein Vertrauensschaden, sondern das Erfüllungsinteresse dem Grunde nach zuzusprechen. Die ordentliche Revision sei zulässig, weil höchstgerichtliche Rechtsprechung im Zusammenhang mit unvertretbarem und willkürlichem Verhalten einer Weiterbestellungskommission nach dem AusG nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Beklagten ist aus dem vom Berufungsgericht genannten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Vorauszuschicken ist, dass die Beklagte schon in ihrer Berufung weder die festgestellten Tatsachen noch die Beurteilung des Erstgerichts bekämpft hat, dass das Gesamtkalkül der Weiterbestellungskommission auf einem gegen tragende Grundsätze der rechtsstaatlichen Ordnung verstoßenden Verfahren beruhte. Ebensowenig hat sich die Beklagte gegen die klar erkennbare Annahme des Erstgerichts gewendet, dass das Gesamtkalkül der Weiterbestellungskommission bei pflichtgemäßem Vorgehen auf „im höchsten Ausmaß geeignet“ gelautet hätte, wie dies später im Gutachten der Begutachtungskommission der Fall war. Schließlich wurde auch die Tatsachenfeststellung, wonach der Kläger bei einem solchen Kalkül mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine weitere Periode wiederbestellt und eine Ausschreibung unterblieben wäre, nicht bekämpft. Auch in ihrer Revision spricht die Beklagte diese Fragen – mit Ausnahme der (im Ergebnis unerheblichen) Ausführungen gegen eine vom Berufungsgericht angenommene Befangenheit des Vorsitzenden der Weiterbestellungskommission – nicht an.

Wenn sie nun – entgegen der Rechtsauffassung der Vorinstanzen – vermeint, allfällige Mängel des Verfahrens bzw des Gutachtens der Weiterbestellungskommission seien unerheblich, weil Ziel des AusG lediglich die optimale Stellenbesetzung sei, weshalb der Schutzzweck der Ausnahmeregeln über die Weiterbestellung restriktiv auszulegen sei, ist ihr nicht zu folgen. Gleiches gilt für ihre Ausführung, es entspreche wohl nicht dem Willen des Gesetzgebers, dass es für den Amtsinhaber einer derartigen befristeten Planstelle ein besonders ausgestaltetes Verfahren geben solle, in dem seine Bewährung in dieser Funktion durch eine unabhängige Kommission überprüft wird; vielmehr würde damit dem Dienstgeber lediglich noch einmal die Möglichkeit eingeräumt, seine Entscheidung zu überdenken.

Dem hat das Berufungsgericht entgegengehalten, dass die Bestimmungen über das Weiterbestellungsverfahren weitgehend zwecklos wären, wenn damit nicht auch die Interessen des Funktionsinhabers geschützt würden, der sich in einer leitenden Funktion bereits fünf Jahre lang bewähren konnte; der Gesetzgeber hätte auf dieses Verfahren verzichten können, wenn man im Sinn der Besetzung durch den bestmöglichen Bewerber dem Minister in jedem Fall das Recht zugestehen wollte, die Planstelle auch dann auszuschreiben, wenn sich der bisherige Inhaber in seiner Funktion bestens bewährt hat und mit dem höchstmöglichen Kalkül beurteilt wird.

Dieser Argumentation tritt der erkennende Senat grundsätzlich bei, zumal auch die Gesetzesmaterialien (ErläutRV 481 BlgNR 17. GP 7, 11) ausdrücklich von einem Recht des Funktionsinhabers, eine ad hoc einzurichtende Kommission anrufen zu können, sprechen. Abgesehen von der (objektiv oft schwer feststellbaren; 1 Ob 273/01f) besten Eignung eines von mehreren höchstqualifizierten Bewerbern, stellt die langjährige Erfahrung und Bewährung in einer derartigen leitenden Funktion ein nicht unerhebliches Kriterium für eine (Weiter )Bestellung dar, weil eben ein außenstehender Bewerber bei noch so guter Qualifikation mit den Vorgängen und den Mitarbeitern im betreffenden Bereich notwendigerweise weniger vertraut ist als der bisherige Amtsinhaber. Diesem Umstand soll ersichtlich durch das Weiterbestellungsverfahren, das ausschließlich dem bisherigen Funktionsträger zugänglich ist, Rechnung getragen werden. Auch wenn der Leiter der zuständigen Zentralstelle – aus welchen Gründen auch immer – an sich beabsichtigt, die betreffende Person nicht neuerlich (befristet) mit der Funktion zu betrauen, soll das Gutachten der Weiterbestellungskommission ersichtlich objektive Grundlagen für die anstehende Personalentscheidung schaffen, wohl nicht zuletzt auch, um sachfremde Motive für die beabsichtigte Nichtverlängerung auszuschließen. Entgegen der Auffassung der Beklagten haben die Bestimmungen der §§ 16 bis 19 AusG daher durchaus den Zweck, dem bisherigen Planstelleninhaber die Chance zu geben, weiterbestellt zu werden, ohne sich einem Verfahren mit weiteren Konkurrenten stellen zu müssen, sofern er nachweisen kann, dass er sich in seiner Funktion bisher in höchstem Maße bewährt hat. Wird ihm diese Chance nun durch ein willkürliches bzw tragende Rechtsgrundsätze verletzendes Verfahren (vgl nur RIS Justiz RS0102403 [insbes T3]) vor der Weiterbestellungskommission genommen, hat er Anspruch darauf, vermögensmäßig so gestellt zu werden, wie er stünde, wenn die Kommission in der gebotenen Weise vorgegangen wäre.

Da nun im vorliegenden Fall feststeht, dass eine Ausschreibung unterblieben wäre, und der Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit (vgl dazu nur RIS Justiz RS0022825) weiter bestellt worden wäre, wenn ihm die Kommission das Kalkül der höchsten Eignung, das sich bei pflichtgemäßem Vorgehen ergeben hätte, zugestanden hätte, war die unterlaufene Pflichtwidrigkeit für den Verlust der Funktion als Sektionsleiter – und die damit verbundenen Vermögensnachteile – kausal. Darauf, ob es dem Minister freigestanden wäre, ungeachtet eines solchen Gutachtens eine Ausschreibung zu veranlassen, kommt es angesichts des festgestellten hypothetischen Kausalverlaufs nicht an.