JudikaturJustiz1Ob166/23b

1Ob166/23b – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei R*, vertreten durch die Linsinger Partner Rechtsanwälte OG in St. Johann im Pongau, gegen die beklagte Partei P*, vertreten durch Mag. Dieter Kocher, Rechtsanwalt in St. Michael im Lungau, wegen Feststellung und Einwilligung, über die außerordentliche Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 24. August 2023, GZ 2 R 89/23f 30, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

[1] Der Beklagte wendet in dritter Instanz nur mehr ein, das Fehlen einer Bewilligung nach § 10 Abs 2 WRG bzw § 9 Abs 2 WRG stehe der Ersitzung der Dienstbarkeit des Wasserbezugs und Ableitungsrechts auf und über ein ihm gehörendes Grundstück durch den Kläger entgegen.

Rechtliche Beurteilung

[2] Damit spricht er allerdings in seiner außerordentlichen Revision keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO an:

[3] 1. Der Fachsenat hat in der Entscheidung 1 Ob 50/23v klargestellt, dass das Fehlen einer wasserrechtlichen Bewilligung gemäß § 10 Abs 2 WRG nicht die Ersitzung der Dienstbarkeit des Wasserbenutzungs und Wasserleitungsrechts hindert. In den Fällen, in denen gesetzliche Vorschriften – wie hier für Privatgewässer – kein ausdrückliches Ersitzungsverbot festlegen, liegt ein „rechtlich unmöglicher Sachgebrauch“ als Ersitzungshindernis nur dann vor, wenn die Nutzung während des Ersitzungszeitraums gegen gesetzliche Verbote oder gegen in einem Verwaltungsbescheid enthaltene Anordnungen verstößt. Die fehlende wasserrechtliche Bewilligung ist einer gegen zwingende öffentliche Vorschriften verstoßenden und damit rechtlich unmöglichen Nutzung nicht gleichzusetzen. Vielmehr ist bei Vorliegen der Voraussetzungen eine wasserrechtliche Bewilligung durch die zuständige Wasserrechtsbehörde zu erteilen.

[4] Ebenso hat der Oberste Gerichtshof bereits ausgesprochen, dass § 9 Abs 2 WRG keine die Ersitzung an Privatgewässern hindernde Sondervorschrift ist (RS0119454). Durch die Ersitzung wird nicht in fremde Rechte im Sinn dieser Gesetzesstelle eingegriffen, weil die Ersitzung als Titel zur Erwerbung einer Dienstbarkeit im Sinn des § 480 ABGB anerkannt und daher nicht widerrechtlich ist (1 Ob 275/03b mwN).

[5] 2. Die Beurteilung der Vorinstanzen, dass nichts anderes im vorliegenden Fall gilt und der Kläger daher die Dienstbarkeit des Wasserbezugs und Ableitungsrechts erwerben konnte, obwohl die vor mehr als 38 Jahren auf dem Grundstück des Beklagten errichtete Quellfassung und Ableitung zur Alm des Klägers (bisher) nicht wasserrechtlich bewilligt wurden, steht mit dieser Rechtsprechung in Einklang.

[6] 3. Die Behauptung des Beklagten, hier sei alles anders, weil die Quellfassung eigenmächtig errichtet und damit der Wasserverlauf geändert worden sei, ist schon von den erstinstanzlichen Feststellungen nicht gedeckt. Demnach konnte nicht festgestellt werden, wer die Fassung der Quelle und die Ableitung anlegte. Es kann daher auch nicht davon ausgegangen werden (und wurde vom Beklagten in erster Instanz so gar nicht behauptet), dass es keine Absprache mit den damaligen Grundeigentümern gab und die wasserrechtliche Bewilligung nicht hätte erteilt werden können. Im Übrigen folgt bereits aus 1 Ob 50/23v, dass (ein Ansuchen um) eine nachträgliche wasserrechtliche Bewilligung möglich ist.