JudikaturJustiz1Ob163/68

1Ob163/68 – OGH Entscheidung

Entscheidung
27. Juni 1968

Kopf

SZ 41/85

Spruch

Wurde ein Sachverständigenbeweis von Amts wegen beschlossen, so liegt im Nichterlag des den Parteien aufgetragenen Kostenvorschusses durch den Kläger keine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens im Sinne des § 1407 ABGB.

Entscheidung vom 27. Juni 1968, 1 Ob 163, 164/68.

I. Instanz: Bezirksgericht Innsbruck; II. Instanz: Landesgericht Innsbruck.

Text

Begründung:

Die klagende Partei begehrte mit der bereits seit 3. Mai 1961 anhängigen Klage von der Beklagten Zahlung von 131.049.36 S s. A. und führte dazu aus, sie sei durch das schuldhafte Verhalten der Beklagten genötigt worden, den Rücktritt von einem mit dieser geschlossenen, eine Laufzeit von zehn Jahren vorsehenden Bestandvertrag zu erklären. Durch die vorzeitige Vertragsauflösung habe die Klägerin erhebliche Vermögensschäden erlitten, deren Ersatz ebenso begehrt werde wie die Kosten für umfangreiche Investitionen am Bestandobjekt, die sie im Vertrauen auf die Zuhaltung des Vertrages durch die Bestandgeberin am Mietobjekt habe vornehmen lassen.

Die Beklagte bestritt das Klagebegehren im wesentlichen mit der Behauptung, sie habe der klagenden Partei keinen Anlaß zu dem von dieser erklärten Vertragsrücktritt gegeben; überdies erhob sie im Verlaufe des Verfahrens die Einrede der Verjährung und machte eine Gegenforderung in der Höhe von 45.000 S geltend.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Die klagende Partei habe zwar ihre im Zusammenhang mit der vorzeitigen Auflösung des Bestandverhältnisses stehenden Schadenersatzansprüche vor Ablauf der dreijährigen, spätestens am 17. Februar 1964 endenden Verjährungsfrist gerichtlich geltend gemacht, die erhobene Klage jedoch nicht gehörig fortgesetzt. Dies deshalb, weil sie dem ihr in der Tagsatzung vom 3. Juni 1965 unter Androhung von Säumnisfolgen erteilten Auftrag, innerhalb einer Frist von drei Wochen zur Deckung der mit der Aufnahme des Beweises durch Sachverständige verbundenen Kosten einen Vorschuß von 3000 S zu erlegen, bis zur Fällung des Urteiles in erster Instanz am 25. September 1967 nicht nachgekommen sei. Durch den Nichterlag des Kostenvorschusses habe die klagende Partei zum Ausdruck gebracht, daß es ihr an dem erforderlichen Willen zur Fortsetzung des Verfahrens und zur Erreichung des Prozeßzieles fehle. Die erhobene Forderung sei deshalb verjährt.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der klagenden Partei teilweise statt und hob die erstrichterliche Entscheidung hinsichtlich der Abweisung des Begehrens auf Zahlung von 49.375.36 S s. A. unter Rechtskraftvorbehalt auf; im übrigen bestätigte es das Ersturteil als Teilurteil. Das Erstgericht sei nach dem den Parteien in der Tagsatzung vom 3. Juni 1965 unter Androhung der Rechtsfolgen nach § 279 ZPO. erteilten und von diesen nicht befolgten Auftrag zum Erlag eines Kostenvorschusses in dieser Streitsache über ein Jahr lang untätig geblieben und habe die Akten erst am 5. August 1966 dem Bezirksgericht Bregenz mit einem Rechtshilfeersuchen übermittelt; am 2. November 1966 habe es ein Rechtshilfeersuchen an das Amtsgericht Hamburg gerichtet und am 17. November 1966 eine Tagsatzung abgehalten, in der es zwischen den Parteien zum Abschluß eines bedingten, von der Beklagten später allerdings widerrufenen Vergleiches gekommen sei. Das Erstgericht habe damit zwar ungeachtet des Nichterlages des Kostenvorschusses durch die Parteien - auch die Beklagte hat den an sie gerichteten gleichartigen Auftrag nicht befolgt - das Verfahren fortgesetzt, doch lasse sich für die klagende Partei hieraus nichts gewinnen, weil als nicht gehörige Fortsetzung der Klage im Sinne des § 1497 ABGB. nicht nur ein zum völligen Stillstand des Prozesses führendes Verhalten des Anspruchswerbers, sondern schon ein solches zu verstehen sei, das den Verfahrensgang durch geraume Zeit aufhalte. Diese Voraussetzung liege hier vor, weil die über ein Jahr währende Untätigkeit des Gerichtes in diesem Rechtsstreit auf den Nichterlag des Prozeßkostenvorschusses zurückzuführen sei. Unter diesen Umständen treffe die klagende Partei zu Recht der Vorwurf, die Klage nicht gehörig fortgesetzt zu haben; sie müsse daher auch die durch ihre Verhaltensweise bewirkten nachteiligen Folgen, die in der Verjährung der erhobenen Schadenersatzansprüche gelegen seien, tragen.

Dem Erstgericht sei jedoch - so führte das Berufungsgericht weiter aus - entgangen, daß die klagende Partei die erhobenen Ansprüche nicht ausschließlich auf den Titel des Schadenersatzes gestützt habe; die auf diesen Rechtsgrund aufgebauten Forderungen bezifferten sich lediglich auf 81.674 S, der auf die gesamte Klagsforderung von 131.049.36 S verbleibende Restbetrag, also der Teilbetrag von 49.375.36 S werde von der Klägerin auch auf einen anderen Rechtsgrund, nämlich jenen der ungerechtfertigten Bereicherung, gestützt. Die Berechtigung dieser Teilforderung, die der dreißigjährigen Verjährung unterliege, sei vom Erstgericht noch zu prüfen und - gegebenenfalls - müsse auch noch zu der von der Beklagten eingewendeten Gegenforderung Stellung genommen werden.

Gegen diese, teils in Beschluß, teils in Urteilsform ergangenen Entscheidungen des Berufungsgerichtes wurden von beiden Parteien Rechtsmittel ergriffen.

Der Oberste Gerichtshof gab der Revision der klagenden Partei Folge, dem Rekurs der Beklagten hingegen nicht.

Rechtliche Beurteilung

Dem Berufungsgericht ist zunächst darin beizupflichten, daß nunmehr Lehre und Rechtsprechung im wesentlichen darin übereinstimmen, daß eine nicht gehörige Fortsetzung des Verfahrens im Sinne des § 1497 ABGB. dann anzunehmen ist und die Unterbrechungswirkung der Klage dann beseitigt wird, wenn der Kläger eine ungewöhnliche Untätigkeit bekundet und solcherart zum Ausdruck bringt, daß ihm an der Erreichung des Prozeßzieles nichts gelegen ist (vgl. Klang[2] VI 656 f. und die dort angegebenen Literatur- und Judikaturhinweise). Vor der Prüfung dieses Problems ist aber zu erörtern, ob der Kläger im Hinblick auf den erhaltenen Auftrag, einen Kostenvorschuß zu erlegen, gehalten war, eine Prozeßhandlung vorzunehmen, um einem Verfahrensstillstand wirksam zu begegnen. Hiebei ist davon auszugehen, daß der Sachverständigenbeweis vom Erstgericht ohne Parteienantrag, vielmehr im Rahmen der dem Verhandlungsrichter zukommenden Prozeßleitungsbefugnisse (§ 183 (1) Z. 4 und § 431 ZPO.) zugelassen wurde. Der klagenden Partei kam also nicht die Stellung eines "Beweisführers" zu und demzufolge war auch für die Anwendung der §§ 365, 332 (2) ZPO., die es dem Gericht zur Pflicht machen, dem nicht das Armenrecht genießenden Beweisführer den Erlag eines Kostenvorschusses aufzutragen, kein Raum (vgl. die Erl. Bem. zur Regierungsvorlage des Gesetzes vom 5. November 1947, BGBl. Nr. 1/1948, 446 der Beilagen zu den stenogr. Protokollen des NR., V. GP., S. 4).

Bei diesen dem Akteninhalt zu entnehmenden Gegebenheiten konnte die Unterlassung des Erlages des beiden Parteien aufgetragenen Kostenvorschusses weder die Aufnahme des von Amts wegen zugelassenen Sachverständigenbeweises verhindern noch einen Stillstand des Prozesses bewirken (Fasching, Kommentar zu den Zivilprozeßgesetzen, II S. 498; JBl. 1961 S. 127 und die dort enthaltene Judikaturangabe). Ungeachtet des erhaltenen Auftrages, einen Kostenvorschuß zu erlegen, durfte die klagende Partei erwarten, daß sich das Gericht dieser prozessualen Lage entsprechend verhalten, das Verfahren fortsetzen und den beschlossenen Sachverständigenbeweis von Amts wegen aufnehmen werde. Tatsächlich hat das Prozeßgericht - wenngleich erst nach Jahresfrist - das Verfahren ohne Parteienantrag fortgesetzt.

Der Umstand, daß die klagende Partei die ungewöhnlich lange Untätigkeit des Gerichtes nach der Erteilung des Auftrages zum Erlag eines Kostenvorschusses hingenommen und es insbesondere unterlassen hat, einen förmlichen Antrag auf Anberaumung einer Tagsatzung zu stellen, läßt sich schon deshalb nicht mit Grund als Interesselosigkeit an der Weiterverfolgung des gesetzten Prozeßzieles deuten, weil das Erstgericht diesen Rechtsstreit auch vor dem erwähnten Auftrag auffallend saumselig geführt und beispielsweise schon vorher einmal zwischen zwei Tagsatzungen ein volles Jahr gelegen war.

Da sohin die Verzögerung des Prozeßablaufes keineswegs mit einer Untätigkeit der klagenden Partei begrundet werden kann, erweisen sich die von den Vorinstanzen gezogenen Schlüsse über den Eintritt der Verjährung der erhobenen Schadenersatzansprüche als rechtsirrig.

Die im Zusammenhang mit der Erledigung der Rechtsrüge der klagenden Partei stehenden Darlegungen entziehen auch den Rekursausführungen der Beklagten den Boden; diese beschränken sich nämlich darauf, darzutun, daß sämtliche der geltend gemachten Ansprüche der klagenden Partei der dreijährigen Verjährungsfrist unterliegen und sich die klagende Partei - entgegen der Annahme des Gerichtes zweiter Instanz - auch nicht hinsichtlich einzelner Klagsposten auf eine längere Verjährungsfrist berufen könne. Da aber selbst die dreijährige Verjährungsfrist nicht abgelaufen ist, weil die Unterbrechungswirkung der fristgerecht erhobenen Klage nicht beseitigt worden ist, können die Rechtsmittelausführungen der Beklagten nicht zielführend sein.