JudikaturJustiz1Ob154/01f

1Ob154/01f – OGH Entscheidung

Entscheidung
26. Juni 2001

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schlosser als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer, Dr. Gerstenecker, Dr. Rohrer und Dr. Zechner als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Dr. Erich P*****, wider die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen Feststellung (Streitwert S 209.800,--) sA infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 5. März 2001, GZ 3 R 13/01d-27, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Linz vom 31. Oktober 2000, GZ 31 Cg 44/99b-16, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen die mit S 8.887,50 bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens zu bezahlen.

Text

Begründung:

In einem Vorverfahren wurde dem dortigen Kläger nach Bewilligung des Armenrechts durch das Gericht der nunmehrige Kläger mit Bescheid der Rechtsanwaltskammer Wien vom 6. 12. 1989 als Armenvertreter bestellt. Auf Grund eines Antrags der im Vorverfahren beklagten Partei wurde das Armenrecht mit Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 28. 1. 1991 für erloschen erklärt. Dagegen erhobene Rechtsmittel blieben erfolglos. Ein weiterer Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe blieb ebenfalls ohne Erfolg. Nach der Beschlussfassung vom 28. 1. 1991 schritt der nunmehrige Kläger im Vorverfahren mehrfach ein, wobei er sich zumeist als Verfahrenshelfer oder "Vertreter im Armenrecht" bezeichnete, immer aber auch als Bevollmächtigter des dortigen Klägers. Für mehrere Eingaben und Tagsatzungen, allesamt nach der Fassung des Beschlusses vom 28. 1. 1991, wurden dem Kläger mit Zahlungsauftrag vom 6. 5. 1998 Eingaben- bzw Protokollgebühren von insgesamt S 209.800 vorgeschrieben. Ein Berichtigungsantrag und eine Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof blieben erfolglos. Der Verwaltungsgerichtshof erachtete sich an den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 28. 1. 1991 über das Erlöschen der Verfahrenshilfe gebunden und befand den über den Berichtigungsantrag ergangenen Bescheid als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten; die Gerichtsgebühren seien dem Rechtsvertreter des dortigen Klägers (= nunmehriger Kläger) - gehe man vom Erlöschen des Armenrechts aus - zu Recht vorgeschrieben worden.

Der Kläger begehrte mit Amtshaftungskalge die Feststellung gegenüber der beklagten Partei, er sei im Vorverfahren "für die ON 107 bis 147 nach der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 28. 1. 1991 ... als Armenrechtsvertreter weiter tätig" geworden; hilfsweise begehrte er die Feststellung, dass er nach Erlöschen des Armenrechts im Vorverfahren für Gebühren des dortigen Klägers in diesem Verfahren nicht oder nur mit dem Fehlbetrag von S 3.000 hafte und dass - erneut hilfsweise - die beklagte Partei schuldig sei, S 209.800 zu zahlen. Er begründete sein Begehren damit, dass der Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 28. 1. 1991, mit dem das Armenrecht für erloschen erklärt wurde, rechtswidrig sei, weil diese Entscheidung nicht öffentlich, ohne Parteiengehör und auf Grund eines unzulässigen Rechtsmittels gefällt worden sei. Für die Bekämpfung des Armenrechts sei kein Rechtszug offen gestanden. Durch die Eintreibung der Gebühren entstehe ihm ein Schaden, der durch die rechtswidrige Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien ausgelöst worden sei. Die Rechtsanwaltskammer habe ihn als Armenrechtsvertreter nie "abbestellt"; deren Bescheid sei nach wie vor gültig. Das Oberlandesgericht Wien habe im Vorverfahren die Begriffe Armenrecht und Verfahrenshilfe vermischt und Verfahrenshilfe-Rekursbestimmungen auf das gewährte Armenrecht angewendet. Im Falle einer Haftung könne er gemäß § 31 Abs 1 und 2 GGG nur für den Mehrbetrag von höchstens S 3.000 herangezogen werden. Infolge Pfändung und Betreibung der Forderung gegen ihn sei sein rechtliches Interesse an den begehrten Feststellungen gegeben.

Die beklagte Partei wendete ein, dass das im Amtshaftungsverfahren erhobene Feststellungsbegehren unzulässig sei. Die Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 28. 1. 1991 sei richtig. Ersatzansprüche aus der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs seien gemäß § 2 Abs 3 AHG ausgeschlossen.

Das Erstgericht wies das Hauptbegehren zurück und die Eventualbegehren ab. Das Hauptbegehren sei unzulässig, weil es gegen die Rechtskraft der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 28. 1. 1991 verstoße. Das auf Feststellung gerichtete Eventualbegehren könne im Amtshaftungsverfahren nicht geltend gemacht werden. Das Zahlungsbegehren sei deshalb nicht berechtigt, weil die Rekursentscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 28. 1. 1991 nicht ohne rechtliche Grundlage ergangen sei. Eine Überprüfung der Höhe der dem Kläger vorgeschriebenen Gebühren sei im Hinblick auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs gemäß § 2 Abs 3 AHG unzulässig.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung; es sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands insgesamt S 52.000, nicht aber S 260.000 übersteige, und ließ die ordentliche Revision letztlich zu. Ein Amtshaftungsanspruch könne nur auf Geldersatz oder Feststellung eines noch nicht bezifferbaren Schadens gerichtet werden. Demnach sei für das Hauptbegehren der Rechtsweg unzulässig. Es könne daher auf sich beruhen, ob dem Hauptbegehren auch die Rechtskraft des Beschlusses des Oberlandesgerichts Wien vom 28. 1. 1991 entgegenstünde. Die Richtigkeit der Rekursentscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 28. 1. 1991 sei bereits in einem vom Kläger als Klagevertreter geführten Amtshaftungsprozess von drei Instanzen geprüft und bejaht worden. Diese Entscheidung sei somit nicht rechtswidrig, geschweige denn unvertretbar. Sie sei aber auch für den vom Kläger behaupteten Schaden nicht kausal. Die ihm vorgeschriebenen Gebühren seien nämlich in einer Zeit aufgelaufen, da das Armenrecht des Klägers im Vorverfahren bereits erloschen gewesen sei. Mit dem Beschluss, mit dem die Verfahrenshilfe als erloschen erklärt worden war, sei nicht in Rechte des Klägers eingegriffen, er sei vielmehr von der "Last der Armenvertretung" befreit worden. Einer zusätzlichen Enthebung durch die Rechtsanwaltskammer habe es nicht bedurft.

Die Revision des Klägers ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Der Kläger ist der irrigen Ansicht, er sei auf Grund seiner Bestellung durch die Rechtsanwaltskammer nach wie vor als Armenrechtsvertreter bzw Verfahrenshelfer des Klägers im Vorverfahren anzusehen. Das Vertretungsverhältnis zwischen Partei und Verfahrenshilfeanwalt bzw Armenrechtsvertreter wird durch den Ausspruch der Entziehung oder des Erlöschens der Verfahrenshilfe (des Armenrechts) durch das Gericht wegen Fehlens oder Fortfalls der Voraussetzungen für die Verfahrenshilfe oder wegen offenbarer Mutwilligkeit oder Aussichtslosigkeit der Prozessführung aufgelöst (Fasching LB2 Rz 485). Das bedeutet, dass ein zum Armenrechtsanwalt bzw Verfahrenshelfer bestellter Rechtsanwalt nicht mehr im Rahmen des Armenrechts oder der Verfahrenshilfe tätig werden kann, selbst wenn der Bestellungsbescheid der Rechtsanwaltskammer formell noch aufrecht ist. Die Rechtsanwaltskammer selbst hat die Bestellung eines Rechtsanwalts nämlich nur nach Maßgabe des § 67 ZPO vorzunehmen, was voraussetzt, dass die Beigebung eines Rechtsanwalts vom Gericht beschlossen und nicht wieder aufgehoben wurde. An den Beigabebeschluss ist die Rechtsanwaltskammer gebunden (Fasching ErgBd 34).

Die Schlussfolgerung, ein zum Vertreter bestellter Rechtsanwalt könne nach Beendigung seiner Beigabe (durch Entziehen oder Erlöschen der Verfahrenshilfe bzw des Armenrechts) nicht mehr als Verfahrenshelfer oder Vertreter im Wege des Armenrechts tätig sein, ergibt sich eindeutig schon aus der Formulierung des § 67 ZPO (Gericht gibt bei, Ausschuss der Rechtsanwaltskammer bestellt die Person des Anwalts), sodass es keiner Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zu dieser vom Kläger aufgezeigten Rechtsfrage bedarf.

Schon deshalb ist es nicht gleichgültig, ob das Armenrecht bzw die Verfahrenshilfe des Klägers im Vorverfahren zu Recht für erloschen erklärt wurde. Ist dies nämlich der Fall, so konnte der Kläger bei seinen Verrichtungen, die er nach dem Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 28. 1. 1991 vornahm, keinesfalls mehr als Verfahrenshelfer (oder Armenrechtsvertreter) tätig werden; seine Begehren mussten schon deshalb dem Grunde nach ins Leere gehen. Nun bestreitet der Kläger gar nicht, dass die Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Wien in dessen Beschluss vom 28. 1. 1991 bereits in der Entscheidung 1 Ob 1017/94 zumindest als vertretbar gebilligt wurde, wurde doch die vom Kläger des Vorverfahrens erhobene außerordentliche Revision, die dieselbe Rechtsfragen betraf, zurückgewiesen. Das bedeutet aber, dass der Kläger mit der Behauptung, die von ihm zur Begründung seines Amtshaftungsanspruchs herangezogene Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien vom 28. 1. 1991 sei unrichtig, keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung aufzeigt.

Der Verwaltungsgerichtshof erachtete sich bei seiner Entscheidung über die vom Kläger erhobene Beschwerde an den Ausspruch des Oberlandesgerichts Wien über das Erlöschen der Verfahrenshilfe als gebunden. Die Höhe des mit Zahlungsauftrag vorgeschriebenen Betrags von S 209.800 wurde - unter Zugrundelegung der Entscheidung des Oberlandesgerichts Wien über das Erlöschen der Verfahrenshilfe - für richtig befunden; der Kläger kann schon gemäß § 2 Abs 3 AHG aus diesem Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofs keinen Ersatzanspruch ableiten. Die von ihm aufgeworfene Frage, in welcher Höhe er Gebühren zu tragen habe, kann demnach vom erkennenden Senat nicht aufgegriffen werden.

Letztlich ist auch die Form der Entscheidungen der Vorinstanzen nicht zu beanstanden. Ein Amtshaftungsanspruch kann gemäß § 1 Abs 1 AHG nur auf Geldersatz bzw Feststellung eines noch nicht bezifferbaren Schadens gerichtet werden (1 Ob 27/92 uva). Ein auf Feststellung künftigen Geldersatzes gerichtetes Begehren ist deshalb durch § 1 Abs 1 AHG nicht ausgeschlossen (SZ 62/98). Ein solches Begehren hat der Kläger aber weder mit seinem Hauptbegehren, es werde festgestellt, dass er im Vorverfahren ... als Armenrechtsvertreter weiter tätig geworden sei, noch im Feststellungseventualbegehren, dass er für Gebühren des Klägers im Vorverfahren nicht oder nur mit dem Fehlbetrag von S 3.000 hafte, erhoben. Diese Begehren können auch nicht dahin umgedeutet werden, dass sie auf Feststellung künftigen Geldersatzes (durch die beklagte Partei) an den Kläger gerichtet wären. Mag der vom Kläger behauptete Schaden tatsächlich auch noch nicht bezifferbar sein, so scheitern seine Feststellungsbegehren schon daran, dass sie nicht auf Feststellung künftigen Geldersatzes gerichtet sind.

Der Kläger zeigt keine Rechtsfragen von erheblicher Bedeutung im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf. Die Revision ist demnach zurückzuweisen. An den gegenteiligen Ausspruch des Berufungsgerichts ist der Oberste Gerichtshof gemäß § 508a ZPO nicht gebunden. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 41 und 50 ZPO. Die beklagte Partei hat auf die Unzulässigkeit der gegnerischen Revision ausdrücklich hingewiesen.