JudikaturJustiz1Ob129/19f

1Ob129/19f – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. August 2019

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten Univ. Prof. Dr.

Bydlinski als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Dr. Hofer Zeni Rennhofer und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. A***** und 2. B*****, beide vertreten durch Dr. Friedrich Ödl, Rechtsanwalt in Salzburg, gegen die beklagte Partei Agrargemeinschaft W*****, vertreten durch die Stolz Rechtsanwalts-GmbH, Radstadt, wegen Feststellung (Streitwert 10.000 EUR), über die Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Berufungsgericht vom 25. April 2019, GZ 53 R 309/18z 13, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts St. Johann im Pongau vom 12. November 2018, GZ 1 C 131/18w 9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagenden Parteien sind schuldig, der beklagten Partei die mit 917,02 EUR (darin 152,84 EUR USt) bestimmten Kosten ihrer Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung:

Die Kläger sind Eigentümer einer Liegenschaft, auf der sich das Gebäude der ehemaligen „Talstation“ eines mittlerweile eingestellten und abgebauten Sessellifts befindet. Zugunsten dieser Liegenschaft besteht das (der früheren Eigentümerin anlässlich des Erwerbs) vertraglich eingeräumte und im Grundbuch eingetragene Recht, über das Grundstück der Beklagten – eine unbefestigte Almfläche – zu diesem Gebäude zu gehen und zu fahren.

Die Kläger begehren die Feststellung, dass ihnen als (neuen) Eigentümern des herrschenden Grundstücks ein uneingeschränktes Geh und Fahrtrecht auf einer bestimmten Trasse auf dem Grundstück der Beklagten zusteht. Sie beabsichtigen, das auf ihrem (herrschenden) Grundstück befindliche Stationsgebäude zu einem „Seminar und Bildungshaus“ (samt vier Stellplätzen) umzubauen und die Servitutsfläche zur Zufahrt zu verwenden. Das Begehren umfasst somit ersichtlich nicht nur die Benützung durch die Kläger selbst, sondern auch durch andere Personen.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Beklagten Folge und wies die Klage ab, weil die geplante Nutzungsänderung des auf dem herrschenden Grundstück errichteten Gebäudes eine unzulässige Erweiterung der bestehenden Dienstbarkeit bewirken würde. Die Revision sei zulässig, weil keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage bestehe, ob ein uneingeschränktes Geh und Fahrtrecht festgestellt werden könne, wenn eine – mit vorhersehbaren erheblichen Mehrbelastungen verbundene – Änderung der Bewirtschaftungsart (bloß) beabsichtigt sei. Werde die Bewirtschaftungsart „durch raumordnungsrechtliche Vorgaben determiniert“, stelle sich auch die Frage, ob dies im Rahmen der vorzunehmenden Interessenabwägung alleine ausreiche, um von einer unzulässigen Dienstbarkeitserweiterung auszugehen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision der Kläger ist – entgegen dem den Obersten Gerichtshof

nicht bindenden Zulässigkeitsausspruch – mangels Erörterung einer erheblichen Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig.

1. Die

behauptete Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens wurde geprüft; sie liegt nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO).

2. Die nach Ansicht des Berufungsgerichts in der höchstgerichtlichen Rechtsprechung ungeklärte und daher gemäß § 502 Abs 1 ZPO erhebliche (vom Berufungsgericht selbst jedoch unbeantwortet gelassene und daher rein theoretische) Frage, ob ein rechtliches Interesse an der Feststellung des Umfangs einer Servitut besteht, wenn eine – zu erheblichen Mehrbelastungen des dienenden Grundstücks führende – Änderung der Bewirtschaftungsart des herrschenden Grundstücks bloß beabsichtigt ist, wird von den Revisionswerbern (zu Recht; vgl RIS Justiz RS0111271) nicht aufgegriffen.

3. Dass die Servitut ursprünglich zum Zweck der Zufahrt zu dem auf dem herrschenden Grundstück befindlichen Stationsgebäude (in dem für den Liftbetrieb nötigen Ausmaß) eingeräumt wurde, wird nicht bestritten. Soweit sich das Begehren auf Feststellung eines „uneingeschränkten“ Geh und Fahrtrechts am Grundstück der Beklagten darauf bezieht, die Servitutsfläche in einem vergleichbaren Umfang benützen zu dürfen, ist die Klageabweisung schon mangels rechtlichen Interesses zutreffend (RS0039228). Soweit sich das Feststellungsbegehren hingegen darauf erstreckt, die Servitutsfläche auch in einem über den ursprünglichen Zweck der Dienstbarkeit hinausgehenden Umfang, nämlich als Zufahrt zum Gebäude (sowie den geplanten vier Stellplätzen), wenn dieses zu einem „Seminar und Bildungshaus“ umgebaut und als solches genutzt wird, benutzen zu dürfen, begegnet die Klageabweisung deshalb keinen Bedenken, weil das Feststellungsbegehren insoweit auf eine über den ursprünglichen Nutzungszweck hinausgehende und daher grundsätzlich unzulässige Ausweitung der Servitut abzielt (vgl RS0011720). Die von den Revisionswerbern angesprochene Interessenabwägung kann in Fällen wie dem vorliegenden, in dem ein neuer Eigentümer eine erhebliche Ausweitung der Wegbenutzung aufgrund einer gänzlich anderen Bewirtschaftungsart anstrebt, keinesfalls zu ihren Gunsten ausschlagen (vgl nur RS0011733 [T13]).

4. Einer weiteren Begründung bedarf es nicht (§ 510 Abs 3 ZPO). Auch auf die im Zulassungsausspruch weiters als iSd § 502 Abs 1 ZPO erheblich angesehene – in der Revision aufgegriffene – Rechtsfrage, ob bereits die Änderung der raumordnungsrechtlich vorgegebenen Nutzungsart des auf dem herrschenden Grundstück befindlichen Gebäudes (per se) eine unzulässige Erweiterung der Dienstbarkeit begründet (in diesem Sinn ist die vom Berufungsgericht formulierte Rechtsfrage wohl zu verstehen), muss nicht eingegangen werden.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 41 und § 50 ZPO. Die Beklagte hat auf die fehlende Zulässigkeit der Revision hingewiesen (RS0035979 [T16]).