JudikaturJustiz1Ob113/23h

1Ob113/23h – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. Oktober 2023

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Musger als Vorsitzenden sowie die Hofräte und die Hofrätin Mag. Wurzer, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Wessely Kristöfel und Dr. Parzmayr als weitere Richter in der Familienrechtssache der Antragstellerin Mag. M*, vertreten durch Dr. Kristina Venturini, Rechtsanwältin in Wien, gegen den Antragsgegner Dr. K*, vertreten durch Mag. Diether Pfannhauser, Rechtsanwalt in Wien, wegen Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse, über den außerordentlichen Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 4. Mai 2023, GZ 43 R 85/23b-27, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 10. Jänner 2023, GZ 1 Fam 12/22m (1 Fam 24/22a)-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden aufgehoben. Dem Erstgericht wird die neuerliche Entscheidung nach Verfahrensergänzung aufgetragen.

Die Kosten des Rechtsmittelverfahrens sind weitere Verfahrenskosten.

Text

Begründung:

[1] Die am 14. 7. 2013 geschlossene Ehe der Parteien wurde mit Urteil vom 28. 4. 2022 aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Der Ehe entstammt ein 2016 geborener Sohn. Die eheliche Lebensgemeinschaft ist seit 1. 4. 2021 aufgehoben.

[2] Beide Ehegatten beantragten die Aufteilung des ehelichen Gebrauchsvermögens und der ehelichen Ersparnisse. Der Aufteilungsschlüssel von 1:1 ist unstrittig. Es besteht auch Übereinstimmung, dass die im Eigentum beider Ehegatten stehende Ehewohnung zur Gänze der Frau und ein vom Mann erworbenes Schiff („Yacht“) diesem verbleiben soll sowie dass die Frau dafür eine Ausgleichszahlung zu leisten hat. Allerdings strebte der Mann in erster Instanz eine solche in Höhe von 225.310,05 EUR an, wohingegen die Frau nur zu einer Zahlung von 40.988,14 EUR bereit war.

[3] Das Erstgericht sprach dem Mann eine Ausgleichszahlung von 97.250 EUR zu und verpflichtete die Frau zur Zahlung in drei Raten. Es legte seiner Entscheidung unter anderem folgenden Sachverhalt zugrunde:

[4] Die Ehegatten erwarben 2017 eine Eigentumswohnung um rund 650.000 EUR mit einem aktuellen Wert von etwa 751.330 EUR. Rund 450.000 EUR des Kaufpreises wurden durch einen Bankkredit und weitere 100.000 EUR durch ein Darlehen der Eltern der Frau finanziert. Der Rest stammte aus ehelichen Ersparnissen von rund 61.000 EUR sowie vorehelichen Ersparnissen des Mannes von rund 38.200 EUR. Der Bankkredit haftete bei Auflösung der Ehegemeinschaft mit rund 398.500 EUR und zuletzt (per 1. 11. 2022) mit 374.963,66 EUR aus. Das Darlehen der Eltern der Frau ist zur Gänze offen.

[5] Die vom Mann vor Eheschließung um rund 50.000 EUR angeschaffte Yacht wies zuletzt einen Wert von 12.500 EUR auf. Sie wurde zur Gänze durch einen von ihm aufgenommenen Kredit finanziert, der mittlerweile getilgt ist. Die Kreditrückzahlung erfolgte teilweise vor der Eheschließung und teilweise danach.

[6] 2019 erwarb die Frau um 162.750 EUR Anteile an jener Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, bei der sie bereits angestellt war, um sich „als Partnerin einzukaufen“. Die Finanzierung erfolgte (teilweise) durch einen Bankkredit, den die Frau aus ihrem Einkommen als Partnerin und (daneben) auch als Angestellte dieser Gesellschaft in monatlichen Raten von 560 EUR zurückbezahlt.

[7] Die von der Frau zu leistende Ausgleichszahlung bemaß das Erstgericht wie folgt:

[8] Vom aktuellen Wert der Ehewohnung von 751.330 EUR seien die zuletzt offenen Bankschulden von 374.963,66 EUR abzuziehen. Der Differenz von rund 376.400 EUR sei der aktuelle Wert der Yacht (12.500 EUR) hinzuzurechnen. Die sich daraus ergebende Summe von 388.900 EUR sei wertmäßig zwischen den Parteien aufzuteilen. Mit der Ehewohnung abzüglich der konnexen Bankschulden käme ihr ein Wert von rund 376.400 EUR zu. Damit bestehe auf ihrer Seite ein Vermögensüberhang von rund 175.700 EUR (194.450 EUR [die Hälfte der 388.900 EUR] minus 376.400 EUR [Wert des Hauses abzüglich des offenen Kredits] plus 6.250 EUR [halber Wert der Yacht]). Die für den Erwerb der Wohnung verwendeten vorehelichen Ersparnisse des Mannes von rund 38.200 EUR seien entsprechend der Wertsteigerung der Wohnung seit ihrer Anschaffung um etwa 15,6 % auf 44.200 EUR aufzuwerten und von der Frau auszugleichen. Dieser Betrag sei zum „Überhang“ von 175.700 EUR hinzuzurechnen. Von der sich daraus ergebenden Summe von 219.900 EUR sei das von den Eltern der Frau für den Wohnungskauf gewährte Darlehen abzuziehen, wobei auch dieses entsprechend der Wertsteigerung der Wohnung um 15,6 % auf einen Betrag von 115.600 EUR aufzuwerten sei. Von dem sich daraus ergebenden Betrag (104.300 EUR) sei die Hälfte „der zwischen 1. 1. 2022 und 31. 10. 20221 [gemeint: 2022] an die Bank zurückgezahlten Kreditraten“ von 7.050 EUR abzuziehen. Dies ergebe den Ausgleichsbetrag von 97.250 EUR .

[9] Die von der Frau erworbenen Anteile an der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft unterlägen nicht der Aufteilung, weil es sich dabei um keine Vermögensanlage handle.

[10] Das nur vom Mann angerufene Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und ließ den Revisionsrekurs mangels erheblicher Rechtsfrage iSd § 62 Abs 1 AußStrG nicht zu.

[11] Es sei nicht zu beanstanden, dass das Erstgericht die vorehelichen Ersparnisse des Mannes, soweit sie für die Anschaffung der Ehewohnung aufgewendetet worden seien, entsprechend der Wertsteigerung der Wohnung „bei der Bemessung der Ausgleichszahlung berücksichtigt“ habe.

[12] Hinsichtlich der Yacht hätte die Ausgleichszahlung zwar nicht auf Basis ihres aktuellen Verkehrswerts von 12.500 EUR bemessen werden dürfen, weil das Schiff als vom Mann in die Ehe eingebrachte Sache nicht der Aufteilung unterliege. Vielmehr wären der Bemessung der Ausgleichszahlung die während der Ehe erfolgten Kreditrückzahlungen für die Yacht von rund 27.000 EUR zugrundezulegen gewesen. Dies habe sich aber nicht zu Lasten des Mannes ausgewirkt, weil sich dies „in etwa mit den Kreditrückzahlungen [der Frau] für die Unternehmensanteile ausgleiche“.

Rechtliche Beurteilung

[13] Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Mannes ist entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts zulässig , weil die Bemessung der Ausgleichszahlung durch die Vorinstanzen einer Korrektur durch den Obersten Gerichtshof bedarf; das Rechtsmittel ist im Sinn des im Abänderungsantrag enthaltenen Aufhebungsantrags (RS0041774 [T1]) auch berechtigt :

[14] 1. In seinem Rekurs begehrte der Mann eine weitere Ausgleichszahlung von 58.848 EUR. Schon deshalb lag ein den Schwellenwert von 30.000 EUR übersteigender Entscheidungsgegenstand zweiter Instanz vor. Ein Bewertungsausspruch des Rekursgerichts war daher nicht erforderlich.

[15] 2. Die Frau war bei Ehescheidung österreichische Staatsbürgerin, der Mann griechischer Staatsbürger. Die kollisionsrechtlichen Bestimmungen der VO (EU) 2016/1103 (EuGüVO) sind zufolge Eheschließung vor dem 30. 1. 2019 nach Art 69 Abs 3 dieser VO noch nicht anwendbar. Nach ständiger Rechtsprechung des Fachsenats erfolgt die Anknüpfung des Rechts der nachehelichen Vermögensaufteilung daher gemäß § 20 Abs 1 IPRG nach dem für die persönlichen Rechtswirkungen der Ehe maßgebenden Recht im Zeitpunkt der Ehescheidung (1 Ob 17/05i; 1 Ob 94/19h; 1 Ob 60/21m). Mangels gemeinsamen (oder früher gemeinsamen) Personalstatuts der Parteien sind die persönlichen Rechtswirkungen ihrer Ehe gemäß § 18 Abs 1 Z 2 IPRG nach dem Recht des Staats zu beurteilen, in dem beide Ehegatten ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben (1 Ob 544/93). Die Vorinstanzen wandten daher zutreffend materielles österreichisches Recht an.

3. Zum Wertausgleich für die Ehewohnung :

[16] 3.1. Die während der Ehegemeinschaft angeschaffte Ehewohnung unterliegt der Aufteilung. Dass sie der Frau verbleiben soll, ist wie eingangs dargelegt unstrittig.

[17] Die von ihr zu leistende Ausgleichszahlung bemisst sich nach folgenden Grundsätzen :

[18] Bewertungsstichtag für das bei Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft vorhandene und der Aufteilung unterliegende Vermögen ist der Zeitpunkt der Entscheidung erster Instanz (RS0057644). Davon sind die zum Zeitpunkt der Aufhebung der Ehegemeinschaft bestehenden konnexen Schulden abzuziehen. Die Differenz ist zwischen den Ehegatten aufzuteilen. Dem sich daraus ergebenden Ausgleichsbetrag ist jener Betrag hinzuzurechnen, mit dem der Ehepartner, der die Sache nicht erhält, nach Aufhebung der Ehegemeinschaft Kreditrückzahlungen geleistet hat. Die Reduktion des Kreditsaldos durch den Ehegatten, der die Sache erhält, mindert die Ausgleichszahlung hingegen nicht, weil ihm dieser Vorteil ohnehin zukommt (RS0132057).

[19] Voreheliche Beiträge iSd § 82 Abs 1 Z 1 EheG, die in der aufzuteilenden Sache aufgegangen sind, sind wertverfolgend zu berücksichtigen (RS0057490), indem sie vor Aufteilung des Vermögens von dessen Wert rechnerisch abgezogen und dem betreffenden Ehegatten vorweg zugewiesen werden (RS0057478 [T4]). Dabei ist nicht vom seinerzeitigen Wert des Eingebrachten auszugehen, sondern darauf abzustellen, inwieweit die Leistung wertmäßig im betreffenden Vermögensgegenstand fortwirkt (RS0057478 [T5]; RS0057490 [T5]). Dies hat dergestalt zu erfolgen, dass der Wert des eingebrachten Vermögens zum Verkehrswert der damit finanzierten Sache bei deren Erwerb ins Verhältnis gesetzt und daraus die „Einbringungsquote“ ermittelt wird (1 Ob 97/19z; 1 Ob 164/19b mwN).

[20] 3.2. Der Revisionsrekurswerber weist zutreffend darauf hin, dass die Vorinstanzen diese Grundsätze teilweise unberücksichtigt ließen:

[21] Zwar legten sie der Bemessung der Ausgleichszahlung den aktuellen Verkehrswert der Wohnung zugrunde, zogen davon aber nicht die Bankschulden zum Zeitpunkt der Auflösung der Ehegemeinschaft ab, sondern ohne nähere Begründung den zuletzt (per 1. 11. 2022) bestehenden geringeren Kreditsaldo. Dass sich dieser seit Aufhebung der ehelichen Lebensgemeinschaft ohne Beiträge der Ehegatten (etwa aufgrund der Veränderung des Wechselkurses bei einem Fremdwährungskredit) verringert hätte (1 Ob 44/18d; 1 Ob 35/21k), wurde aber weder behauptet, noch bestehen dafür irgendwelche Anhaltspunkte im Sachverhalt.

[22] Die Vorinstanzen wiesen der Frau vorab jenen entsprechend der Wertsteigerung der Wohnung aufgewerteten Betrag von 115.600 EUR zu, mit dem ihre Eltern zu deren Erwerb beigetragen hatten. Dieser Betrag wurde vom Erstgericht stets als Darlehen bezeichnet, was auch dem erstinstanzlichen Vorbringen der Frau entsprach. Die Vorinstanzen behandelten das Darlehen jedoch nicht als konnexe Schuld (vgl 1 Ob 36/09i zum Darlehen der Eltern eines Ehegatten), sondern wieder ohne nähere Begründung als von einem Dritten geschenktes Vermögen iSd § 82 Abs 1 Z 1 EheG.

[23] Die Bemessung der Ausgleichszahlung durch die Vorinstanzen entsprach auch insoweit nicht den dargelegten Grundsätzen, als sie jene Kreditraten, die nach den erstinstanzlichen Feststellungen zwischen 1. 1. 2022 und 31. 10. [richtig:] 2022 (sohin nach Auflösung der ehelichen Lebensgemeinschaft) allein von der Frau bezahlt wurden, zur Hälfte (mit 7.050 EUR) von dem ihr auferlegten Ausgleichsbetrag abzogen.

[24] 3.3. Richtigerweise bemisst sich die von der Frau „für die Wohnung“ zu leistende Ausgleichszahlung wie folgt:

[25] Vom aktuellen Wert der Wohnung (751.330 EUR) sind die bei Auflösung der Ehegemeinschaft bestehenden Bankschulden von 398.500 EUR sowie das offene Darlehen der Eltern der Frau von 100.000 EUR abzuziehen. Von der Differenz (252.830 EUR) ist dem Mann jener Betrag rechnerisch vorab zuzuweisen, mit dem die Wohnung aus seinen vorehelichen Mitteln finanziert wurde, wobei dieser entsprechend der Einbringungsquote von rund 5,88 % (Verhältnis der vorehelichen Mittel von 38.200 EUR zum Kaufpreis der Wohnung von rund 650.000 EUR) auf den aktuellen Wert der Wohnung (751.330 EUR) sohin also auf rund 44.200 EUR aufzuwerten ist. Die 1:1 aufzuteilende (verbliebene) eheliche Wertschöpfung beträgt daher rund 208.630 EUR, wovon auf jeden Ehegatten 104.315 EUR entfallen. Da dem Mann vom Wert der Wohnung rechnerisch vorab ein Betrag von 44.200 EUR zuzuweisen ist, steht ihm an dieser insgesamt ein wertmäßiger Anteil von 148.515 EUR zu. Diesem Betrag sind die vom Mann nach Aufhebung der Ehegemeinschaft (am 1. 4. 2021) anteilig übernommenen Kreditrückzahlungen für die Wohnung hinzuzurechnen. Nach den erstinstanzlichen Feststellungen wurden diese bis Ende 2021 von beiden Parteien gemeinsam (unbestritten jeweils zur Hälfte) geleistet, sodass sich bei festgestellten Monatsraten von 1.892 EUR ein auf den Mann entfallender Betrag von 8.514 EUR ergibt. Insgesamt beträgt der von der Frau „für das Haus“ zu leistende Wertausgleich somit 157.029 EUR .

4. Zur Berücksichtigung der Yacht :

[26] Der Mann erwarb die Yacht vor Eheschließung um rund 50.000 EUR, wobei der Kaufpreis zur Gänze kreditfinanziert wurde. Nach den erstinstanzlichen Feststellungen wurde der Kredit mit 27.087,54 EUR aus ehelichen Mitteln getilgt. Der Mann bringt selbst vor, dass nur rund 40 % des Kaufpreises vor Eheschließung getilgt wurden. Es begegnet daher keinen Bedenken, dass das Erstgericht die Yacht anders als das Rekursgericht, dessen Rechtsansicht weitgehend unbegründet blieb aufgrund der überwiegend während der ehelichen Lebensgemeinschaft erfolgten wirtschaftlichen Wertschöpfung durch die Kredittilgung (1 Ob 147/18a; 1 Ob 46/19z) in die Aufteilung einbezog (RS0057681). Die dafür vom Mann (dem die Yacht nach dem Willen beider Ehegatten verbleiben soll) zu leistende Ausgleichszahlung ist entsprechend den in Punkt 3.1. dargelegten Grundsätzen nach dem aktuellen Verkehrswert der Yacht von 12.500 EUR zu bemessen. Jene Wertschöpfung, die durch Kreditrückzahlungen des Mannes vor Eheschließung bewirkt wurde, ist ihm als eingebrachter Vermögenswert iSd § 82 Abs 1 Z 1 EheG vorweg zuzuweisen, soweit sie wertmäßig noch vorhanden ist (RS0057490 [T1]). Da der Revisionsrekurswerber selbst (nur) eine voreheliche Wertschöpfung von 40 % behauptet, ist ihm dieser Anteil am Wert der Yacht sohin ein Betrag von 5.000 EUR vorab zuzuweisen. Vom verbleibenden Wert der Yacht (7.500 EUR) steht der Frau die Hälfte (somit 3.750 EUR ) als Wertausgleich zu.

5. Zur Unternehmensbeteiligung der Frau:

[27] 5.1. Die Vorinstanzen rechneten die von der Frau erworbenen Anteile an der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft (einer Kapitalgesellschaft) zutreffend nicht dem aufzuteilenden Vermögen zu, weil es sich dabei um keine bloße Wertanlage iSd § 82 Abs 1 Z 4 EheG handle. Dies wird vom Mann nicht kritisiert. Er steht aber auf dem Standpunkt, dass die während der Ehegemeinschaft erfolgte Tilgung des von der Frau für den Beteiligungserwerb aufgenommenen Kredits mit nach seinem Vorbringen insgesamt 12.320 EUR bei der Bemessung der Ausgleichszahlung gemäß § 91 Abs 2 EheG berücksichtigt werden hätte müssen. Konkret wäre ihm die Hälfte dieses Betrags als weitere Ausgleichszahlung zuzuerkennen gewesen.

[28] 5.2. § 91 Abs 2 Satz 1 EheG sieht für den Fall, dass eheliches Gebrauchsvermögen oder eheliche Ersparnisse in ein Unternehmen, an dem einem oder beiden Ehegatten ein Anteil zusteht, eingebracht oder für ein solches Unternehmen sonst verwendet wurden, eine Einbeziehung des Werts des Eingebrachten oder Verwendeten in die Aufteilung vor. Dabei ist nach dem zweiten Satz dieser Bestimmung aber zu berücksichtigen, inwieweit jedem Ehegatten durch die Einbringung oder Verwendung Vorteile entstanden und inwieweit die eingebrachten oder verwendeten ehelichen Ersparnisse aus den Gewinnen des Unternehmens stammten.

[29] 5.3. Dadurch, dass die Frau Anteile an einer (Wirtschaftsprüfungs-)Gesellschaft erwarb, brachte sie bei rein formaler Betrachtung jedenfalls soweit dem Anteilserwerb keine Kapitalerhöhung zugrunde lag kein Vermögen „in“ diese Gesellschaft oder deren Unternehmen ein. Es ist auch fraglich, ob sie iSd § 91 Abs 2 Satz 1 EheG „sonst Vermögen für das Unternehmen verwendete“. Der vorliegende Anteilserwerb kann aber nicht anders behandelt werden als die Einbringung von ehelichem Vermögen in ein Einzelunternehmen oder in eine unternehmerisch tätige Gesellschaft. In jedem Fall wäre das für Unternehmenszwecke aufgewendete Vermögen gemäß § 82 Abs 1 Z 3 oder Z 4 EheG von der Aufteilung ausgenommen. Da § 91 Abs 2 EheG einen Benachteiligungsausgleich für Vermögensverschiebungen an strebt , die zu einer Immunisierung von zuvor der ehelichen Aufteilung unterliegendem Vermögen führen (vgl 1 Ob 133/17s mit Hinweis auf die Gesetzesmaterialien), muss diese Bestimmung wertungsmäßig auch dann zum Tragen kommen, wenn mit ehelichen Mitteln nicht bloß der Wertanlage dienende Gesellschaftsanteile erworben wurden. Nur dies entspricht dem Zweck, den nicht unternehmerisch tätigen Ehegatten vor einer Verschiebung ehelichen Vermögens in die von der Aufteilung ausgenommene unternehmerische Vermögenssphäre des anderen zu schützen.

[30] 5.4. Diese Auslegung des § 91 Abs 2 EheG steht im Einklang mit der rechtswissenschaftlichen Literatur:

[31] So befürwortet Oberhumer (Unternehmen und Gesellschaftsanteile in der nachehelichen Vermögensaufteilung [2011] 357) eine Anwendung des § 91 Abs 2 EheG auch in dem Fall, dass ein Ehegatte an einer Gesellschaft als Unternehmensträgerin beteiligt ist. Der Anteil bestehe dann nicht am Unternehmen, sondern an der Gesellschaft, weshalb auch eine Investition in den Gesellschaftsanteil von dieser Bestimmung erfasst sei. Da die Gesellschaft als Unternehmensträger diene, würden die daran bestehenden Gesellschaftsanteile „für deren Unternehmen“ verwendet (aaO 363).

[32] Nach Stabentheiner / Pierer (in Rummel / Lukas , ABGB 4 [2021] § 91 EheG Rz 13 ff) soll jede Verschiebung von Gebrauchsvermögen und Ersparnissen „in Richtung“ eines Unternehmens, das dem Vermögen eines Ehegatten zumindest partiell zuzurechnen ist, von § 91 Abs 2 EheG erfasst sein.

[33] Linder (Gedanken zum Ausgleich von Benachteiligungen gemäß § 91 EheG, iFamZ 2007, 249 [250]) vertritt, dass § 91 Abs 2 EheG auf jede Verschiebung von Vermögenswerten „in ein Unternehmen“ anzuwenden ist, gleichgültig ob es sich um ein Einzelunternehmen handelt oder ob eine Gesellschaft Unternehmensträger ist. An anderer Stelle (Das Unternehmen in der Ehescheidung zwischen Ehe- und Gesellschaftsrecht, GesRZ 2007, 7 [19]) lässt dieser Autor ganz allgemein eine „Widmung zu Unternehmenszwecken“ ausreichen.

[34] Garber (in Klang³ § 91 EheG Rz 56) geht zwar davon aus, dass § 91 Abs 2 EheG auch die Verwendung ehelichen Vermögens für die Gründung eines Unternehmens umfasst, weil eine Differenzierung zwischen einer Investition in ein bestehendes Unternehmen und einer solchen anlässlich einer Unternehmensgründung sachlich ungerechtfertigt wäre. Zu einem aus ehelichen Mitteln finanzierten Erwerb von Gesellschaftsanteilen an einer unternehmerisch tätigen Gesellschaft nimmt dieser Autor allerdings nicht explizit Stellung.

[35] 5.5. Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass der Erwerb von wie hier nicht der bloßen Wertanlage dienenden Anteilen an einer unternehmerisch tätigen Gesellschaft von § 91 Abs 2 Satz 1 EheG erfasst wird. Diese Bestimmung ist auch auf die Tilgung unternehmensbezogener Schulden aus ehelichen Mitteln anzuwenden (RS0058268 [T10]). Die während aufrechter Ehegemeinschaft erfolgten Rückzahlungen des für den Anteilserwerb der Frau aufgenommenen Kredits aus ihrem laufenden Einkommen und somit aus ehelichen Mitteln sind daher nach § 91 Abs 2 EheG zu beurteilen.

[36] 5.6. Diese Bestimmung ordnet als Rechtsfolge an, dass in ein Unternehmen eines Ehegatten eingebrachtes oder sonst für ein solches Unternehmen verwendetes eheliches Vermögen wertmäßig in die Aufteilung „einzubeziehen“ ist (RS0058268 [T7]). Jener Nachteil, der dem nicht unternehmerisch tätigen Ehegatten durch die Vermögensverschiebung entstand, soll durch einen größeren Anteil an den aufzuteilenden Vermögenswerten ausgeglichen werden. Allenfalls ist ihm eine höhere Ausgleichszahlung zuzuerkennen (RS0058268 [T1, T6, T10]). Der nach § 91 Abs 2 EheG vorzunehmende Vermögensausgleich hat nach Billigkeitsgesichtspunkten zu erfolgen (vgl 2 Ob 98/07m; RS0058268). Dabei ist gemäß Satz 2 dieser Bestimmung zu berücksichtigen, inwieweit jedem Ehegatten durch die Einbringung oder Verwendung ehelicher Mittel in bzw für ein Unternehmen Vorteile entstanden und die eingebrachten oder verwendeten ehelichen Mittel aus den Gewinnen des Unternehmens stammten.

[37] 5.7. Die Vorinstanzen haben § 91 Abs 2 EheG bisher nicht ausreichend beachtet, was auch die insoweit unvollständige Feststellungsgrundlage erklärt. Zwar steht fest, dass die laufenden Tilgungszahlungen des für den Erwerb von Anteilen an der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft aufgenommenen Kredits der Frau aus ihrem Einkommen als Partnerin und Angestellte dieser Gesellschaft finanziert wurden. Den erstinstanzlichen Feststellungen kann jedoch nicht entnommen werden, in welchem Umfang die dafür aufgewendeten Mittel aus dem unselbständigen Einkommen der Frau oder aus ihren Unternehmensgewinnen aus der Gesellschaftsbeteiligung stammten. Es steht auch nicht fest, ob diese Gewinne für die laufenden Kreditzahlungen ausreichten. Damit kann aber nicht beurteilt werden, inwieweit der der unternehmerischen Sphäre der Frau zuzurechnende Kredit während der Ehegemeinschaft iSd § 91 Abs 2 Satz 2 zweiter Fall EheG aus ihren Unternehmensgewinnen getilgt wurde. Darüber hinaus lässt der festgestellte Sachverhalt auch nicht erkennen, ob dem Mann durch die kreditfinanzierte Unternehmensbeteiligung der Frau Vorteile entstanden, was nach § 91 Abs 2 Satz 2 erster Fall EheG ebenfalls zugunsten des unternehmerisch tätigen Ehegatten zu berücksichtigen wäre. Die insoweit behauptungs- und beweispflichtige Frau (vgl auch 1 Ob 142/19t; dort zur Behauptungslast des unternehmerisch tätigen Mannes) erstattete dazu bisher auch kein konkretes Vorbringen.

[38] 6. Das Gericht darf die Parteien nicht mit einer Rechtsauffassung überraschen, die sie nicht beachtet haben und auf die sie nicht aufmerksam gemacht wurden (RS0037300). Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden daher zur weiteren Erörterung der Anwendung des § 91 Abs 2 EheG aufgehoben . Alle anderen die Höhe der allein strittigen Ausgleichszahlung betreffenden Streitpunkte sind abschließend erledigt. Da die Ausgleichszahlung im fortgesetzten Verfahren neu zu bemessen sein wird, werden die Vorinstanzen auch deren Fälligkeit neu festzulegen haben.

[39] 7. Die diese Entscheidung tragenden Erwägungen können wie folgt zusammengefasst werden:

§ 91 Abs 2 EheG umfasst auch den aus ehelichem Vermögen finanzierten Erwerb von nicht der bloßen Wertanlage dienenden Anteilen an einer unternehmerisch tätigen Gesellschaft durch einen Ehegatten.

[40] 8. Der Kostenvorbehalt beruht auf § 78 Abs 1 Satz 2 AußStrG, weil noch keine die Sache zur Gänze erledigende Entscheidung vorliegt (RS0123011 [T5]).

Rechtssätze
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