JudikaturJustiz17Os56/14k

17Os56/14k – OGH Entscheidung

Entscheidung
08. Juni 2015

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 8. Juni 2015 durch den Präsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden, die Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek und Hon. Prof. Dr. Kirchbacher sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Nordmeyer und Dr. Oberressl in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Kampitsch als Schriftführer in der Strafsache gegen Josef W***** wegen des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. August 2014, GZ 115 Hv 22/14v-97, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Josef W***** soweit vorliegend von Bedeutung des Verbrechens des Missbrauchs der Amtsgewalt nach § 302 Abs 1 StGB (A und B) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien und L***** als Polizeibeamter der Polizeiinspektion K***** mit dem Vorsatz, (richtig:) dadurch die von seinen Nachforschungen betroffenen Personen an deren Grundrecht auf Datenschutz zu schädigen, seine Befugnis, im Namen des Bundes als dessen Organ in Vollziehung der Gesetze Amtsgeschäfte vorzunehmen, wissentlich missbraucht, indem er ohne dienstliche Rechtfertigung oder entsprechenden Auftrag

(A) kriminalpolizeiliche Ermittlungen durchführte, und zwar dadurch, dass er

1) ohne örtlich und sachlich zuständig zu sein, mit der (wahrheitswidrigen) Vorgabe, im Auftrag der Staatsanwaltschaft „wegen eines Vaterschaftsnachweises“ zu ermitteln, Nachforschungen in der Privatklinik D***** anstellte, nämlich

a) zwischen 27. und 30. Dezember 2011, Auskunft aus dem Krankenakt einer Patientin begehrte;

b) zwischen 9. und 13. Jänner 2012 die Krankengeschichte dieser Patientin ausheben ließ, wobei ihm mitgeteilt wurde, dass es keine Aufzeichnungen zum Vater gebe;

2) am 22. Februar 2012 mit der (wahrheitswidrigen) Vorgabe, die Staatsanwaltschaft ermittle „intern“ in der „Sache K*****“, die Direktorin der Volksschule L***** erfolglos um die Besorgung von DNA-Material einer Schülerin, etwa auf einem benützten Taschentuch, zwecks DNA-Untersuchung ersuchte;

(B) am 11. Jänner 2012 Datenabfragen im Büro-, Automations- und Kommunikationssystem (BAKS) des Bundesministeriums für Inneres durch Einsichtnahme „in die Protokoll- und Anzeigedatei (PAD) des Amel G*****“ vornahm, wobei er sich dessen Vernehmung als Beschuldigter und den Abschlussbericht ausdruckte und bis zur Sicherstellung am 13. April 2012 zu Hause aufbewahrte.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Die Verfahrensrüge (Z 4) bekämpft zum Schuldspruch A die Abweisung von Beweisanträgen (auf Anfrage an die Polizeibehörde des Beschwerdeführers und auf Vernehmung seines Vorgesetzten) zusammengefasst zum Thema, dass der Beschwerdeführer schon mehrfach wegen Ermittlungen außerhalb seines örtlichen Zuständigkeitsbereichs „belobigt“ worden sei und solche Ermittlungen niemals Gegenstand disziplinärer Maßnahmen gewesen seien, womit die „Nichtverwirklichung der subjektiven Tatseite“ bewiesen werden sollte (ON 96 S 31).

Der Einwand bleibt schon deshalb erfolglos, weil das Erstgericht das Beweisthema ohnehin als erwiesen angenommen hat (RIS-Justiz RS0099135), ohne ihm allerdings (schuld- oder subsumtions-)erhebliche Bedeutung beizumessen (US 10 und ON 96 S 32). Das Vorbringen übersieht zudem, dass vorliegend der Befugnismissbrauch nicht bloß aus der Überschreitung örtlicher Zuständigkeitsgrenzen, sondern auch aus dem Fehlen eines dienstlichen Auftrags für die Ermittlungen resultiert (vgl RIS Justiz RS0118319).

Der von der Mängelrüge zum Schuldspruch B behauptete Widerspruch (Z 5 dritter Fall) liegt nicht vor. Das Erstgericht ging davon aus, der Beschwerdeführer habe durch die Datenabfrage überprüfen wollen, ob der (von ihm so verstandene) Vorwurf einer Bekannten, die Polizei habe nach einem Überfall auf eine Tankstelle über eine Stunde bis zum Eintreffen am Tatort gebraucht, gestimmt habe. Die Feststellung, der Beschwerdeführer habe bei der inkriminierten Recherche ohne dienstlichen Auftrag „aus rein privaten Motiven“ gehandelt (US 11 f), steht dazu keineswegs im Widerspruch, denn dem (restlichen) Urteilssachverhalt ist nicht zu entnehmen, dass dem Beschwerdeführer irgendeine Befugnis im Rahmen der Dienstaufsicht über die nach dem Überfall einschreitenden Beamten zugekommen wäre. Er habe die Äußerung seiner Bekannten vielmehr „als massive Beleidigung seiner Berufsehre“ aufgefasst (US 11), woraus sich zwanglos die private Motivation seiner Datenabfrage ergibt.

Zum Schuldspruch A vermisst die Rechtsrüge (Z 9 lit a) „Feststellungen zum abstrakten Aufgabenbereich“ des Beschwerdeführers. Sie übergeht dabei die Konstatierungen zu seiner Tätigkeit als Polizeibeamter, der im Tatzeitraum Dienst als „Kriminalsachbearbeiter“ versehen habe (US 5). Davon ausgehend ergibt sich seine zumindest abstrakte (vgl RIS-Justiz RS0096134, RS0096049) Befugnis zur Vornahme kriminalpolizeilicher Ermittlungen (unter bestimmten Umständen auch außerhalb des örtlichen Zuständigkeitsbereichs seiner Sicherheitsbehörde vgl § 14 Abs 3 SPG) unmittelbar aus dem Gesetz (§ 18 Abs 2 und 3 StPO zum Ganzen Vogl , WK StPO § 18 Rz 5 ff und 105; vgl auch 14 Os 138/11t, EvBl 2012/84, 566), weshalb dazu ebenso wie zu einem in der Rüge (ohne nähere Erläuterung) thematisierten „Ermessensspielraum bei der Durchführung“ von Ermittlungen keine (weiteren) Tatsachenfeststellungen zu treffen waren ( Ratz , WK-StPO § 281 Rz 343 und § 288 Rz 19). Dass hier die (gesetzlichen) Voraussetzungen für eine ausnahmsweise Ermittlungskompetenz außerhalb von Zuständigkeitsgrenzen vorgelegen seien, behauptet die Rüge gar nicht. Sie erklärt auch nicht, warum es für die Beurteilung eines Missbrauchs der Befugnis bloß auf deren abstrakten Umfang und nicht auf das Überschreiten der (im Einzelfall konkret gezogenen) Grenzen ankommen soll (vgl RIS-Justiz RS0096134 [T3]; RS0096049).

Im Übrigen habe der Beschwerdeführer nach dem Urteilssachverhalt von der Nichtigkeitsbeschwerde übergangen seine Nachforschungen „in Kenntnis der offiziellen“ Einstellung des zu Grunde liegenden Strafverfahrens betrieben, um dessen „neuerliche Aufrollung“ zu erreichen (US 5). Angesichts des (konstatierten) Fehlens einer in diesem Sinn ergangenen staatsanwaltschaftlichen Anordnung (US 7 und 9), war der Beschwerdeführer, da Gefahr im Verzug nicht in Rede stand (vgl Nordmeyer , WK StPO § 193 Rz 4), auch aus diesem Grund zu weiteren Ermittlungen (in concreto) nicht befugt.

Den Feststellungen zum Schädigungsvorsatz zufolge „hielt es der Angeklagte ernstlich für möglich und fand sich damit ab“, „durch diese Ermittlungstätigkeiten“ die Betroffenen an deren Grundrecht auf Datenschutz zu schädigen (US 7 und 9). Weshalb es darüber hinaus weiterer Konstatierungen „hinsichtlich der Wissenskomponente, als auch der Wollenskomponente“ und einer näheren Auseinandersetzung mit der vom Tatbestand geforderten Verknüpfung von Befugnismissbrauch und Schädigungsvorsatz (vgl RIS-Justiz RS0129143) bedurft hätte, legt die weitere Rechtsrüge nicht im Einzelnen dar (RIS-Justiz RS0099620 [T6 und T7]).

Gleiches gilt für den wortgleich gegen die Feststellungen zur subjektiven Tatseite im Zusammenhang mit dem Schuldspruch B erhobenen Einwand. Im Übrigen umfasst die dazu konstatierte Wissentlichkeit (§ 5 Abs 3 StGB) hinsichtlich der Rechtsschädigung durch „gezieltes unbefugtes Beschaffen personenbezogener Daten“ (US 12 und 27) auch das bei allen Vorsatzformen enthaltene ( Fuchs AT I 8 14/1 ff; Reindl-Krauskopf in WK 2 StGB § 5 Rz 2 f) voluntative Element (RIS-Justiz RS0088835 [T4]; vgl 17 Os 10/14w).

Weshalb es angesichts der Feststellungen zum Schuldspruch B, der Beschwerdeführer habe mit entsprechender subjektiver Tatseite in den (gesamten) Abschlussbericht (vgl § 100 Abs 2 Z 4 StPO) einschließlich der Beschuldigtenvernehmung Einsicht genommen (US 12), erforderlich gewesen wäre, zu klären, ob „das Ausdrucken ausschließlich des Einsatzberichtes“ (ohne personenbezogene Daten [vgl US 12]) „möglich gewesen wäre“, sagt die weitere Rechtsrüge nicht. Die daran und an den festgestellten Umstand, dass der Beschwerdeführer die korrespondierende Aktenzahl von einem Kollegen erfahren habe (US 11 f), anknüpfenden spekulativen Erwägungen zur subjektiven Tatseite (dem Beschwerdeführer sei es ohne Schädigungsvorsatz nur um den Einsatzbericht gegangen) erschöpfen sich in einer Bekämpfung der tatrichterlichen Feststellungen nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung.

Die Forderung nach einer Auseinandersetzung mit der Frage, ob der Beschwerdeführer „die personenbezogenen Daten des Räubers überhaupt gelesen bzw. wahrgenommen hat“, ist nicht methodengerecht aus dem Tatbestand des § 302 Abs 1 StGB abgeleitet (RIS-Justiz RS0116565), der tatsächlichen Schadenseintritt gerade nicht voraussetzt (RIS Justiz RS0095844 [T9]).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO).

Der Kostenausspruch beruht auf § 390a Abs 1 StPO.