JudikaturJustiz15Os9/20t

15Os9/20t – OGH Entscheidung

Entscheidung
20. März 2020

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. März 2020 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in der Strafsache gegen Karim A***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 2. Oktober 2019, GZ 9 Hv 69/19x 43, nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 62 Abs 1 zweiter Satz OGH Geo 2019 zu Recht erkannt:

Spruch

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Landesgericht für Strafsachen Graz verwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Karim A***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG (1./), des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 vierter Fall SMG (2./) und des Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter Fall SMG (3./) schuldig erkannt.

Danach hat er in G***** vorschriftswidrig Suchtgift

1./ in einer das Fünfundzwanzigfache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er zwischen Ende Juli/Anfang August 2018 und 27. Februar 2019 zumindest 6.910 Gramm Cannabiskraut „mit einem Reinheitsgehalt von acht Prozent (552 Gramm Delta-9-THC Reinsubstanz; 27,6 Grenzmengen)“ ankaufte und in der Folge gewinnbringend an die abgesondert verfolgten Philipp N*****, Mario H*****, Benjamin G*****, Jerry F*****, Angelo Hu***** und Marcel R***** weiterverkaufte, wobei sein Vorsatz auf eine Tatbildverwirklichung in Teilmengen gerichtet war und auch die kontinuierliche Tatbegehung über einen längeren Deliktszeitraum und den daran geknüpften Additionseffekt sowie die Überschreitung des Fünfundzwanzigfachen der Grenzmenge mitumfasste;

2./ in einer die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen angeboten, indem er zu einem unbekannten Zeitpunkt zwischen September 2018 und 27. Februar 2019 dem abgesondert verfolgten Marcel R***** eine Menge von 1.000 Gramm Cannabiskraut „mit einem Reinheitsgehalt von acht Prozent (80 Gramm Delta-9-THC Reinsubstanz; 4 Grenzmengen)“ anbot, wobei der Preis pro 25 Gramm Cannabiskraut bei einer Abnahmemenge von 250 Gramm bei 90 Euro und bei 500 bis 1.000 Gramm bei 80 Euro liege;

3./ besessen, indem er am 28. Februar 2019 59 Gramm brutto Delta-9-THC-hältiges Cannabiskraut und 118 MDMA hältige Ecstasy-Tabletten in seiner Wohnung aufbewahrte.

Rechtliche Beurteilung

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – Berechtigung zukommt.

Zu Punkt 1./ des Schuldspruchs zeigt die Mängelrüge zutreffend eine unvollständige Begründung (Z 5 zweiter Fall) der Feststellungen zur Beschaffenheit auf, also zur Wirkstoffart und -menge des tatverfangenen (anderen überlassenen) Cannabiskrauts zur (jeweiligen) Tatzeit .

Im Urteil blieben in diesem Zusammenhang nämlich jene Passagen aus dem in der Hauptverhandlung erstatteten Gutachten des Sachverständigen ao. Univ. Prof. Dr. Martin S***** unerörtert, wonach – sinngemäß zusammengefasst – (getrocknetes) Cannabiskraut die Wirkstoffe THCA und Delta-9-THC enthalte (wobei Benjamin De Backer in einer wissenschaftlichen Veröffentlichung eine „ Berechnungsformel “ aufgestellt habe [s konkret dazu Hv Protokoll ON 42 S 7]), sich der Wirkstoff THCA im Lauf der Zeit in Delta-9-THC umwandle, die Frage, ob in der „ zu Punkt 1./ angeklagten “ Menge Cannabiskraut „ zum Tatzeitpunkt mehr als 70 % THCA vorhanden waren “, von ihm [zwar] nicht beantwortet werden könne, es aber „ höchstwahrscheinlich “ „ nicht weniger “ gewesen sei (gemeint also, dass das tatverfangene Cannabiskraut wohl nicht weniger als 70 % THCA beinhaltet habe) und sich ausgehend von dieser Verteilung (70 % THCA, 30 % Delta-9-THC) die relevanten Wirkstoffe mit 440,5 g THCA und 165,6 g Delta 9 THC – also mit (richtig) dem 19,29-fachen (und nicht dem „ 90,29-fachen “ [vgl ON 42 S 9 ganz unten; hierbei handelt es sich ersichtlich um einen Schreibfehler]) der Grenzmenge (§ 28b SMG) – errechnen ließen (s zum Ganzen HV Protokoll ON 42 S 3 ff und insbesondere S 9 f).

Diese Ausführungen stehen den Erwägungen der Tatrichter erörterungsbedürftig entgegen. Denn die in § 28a Abs 1 SMG angeführten Tathandlungen beziehen sich – wie der Rechtsmittelwerber zutreffend betont – auf in der Suchtgiftverordnung erfasste, die Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigende und im Tatzeitpunkt tatsächlich vorhandene Wirkstoffe, weshalb im Urteil Feststellungen zur Beschaffenheit tatverfangener Substanzen im Zeitpunkt der Tatbegehung und zu einem darauf bezogenen Vorsatz erforderlich sind (RIS Justiz RS0132031).

Daraus folgte die Aufhebung des Punktes 1./ des Schuldspruchs bereits bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO). Somit erübrigte sich ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen zu diesem Schuldspruch.

Zu 2./ des Schuldspruchs zeigt die Subsumtionsrüge (Z 10) zutreffend auf, dass dem angefochtenen Urteil ein Rechtsfehler mangels Feststellungen anhaftet. Denn der Ausspruch, dass der „ zumindest bedingte Vorsatz “ des Angeklagten beim „ Angebot “ (gerichtet an Marcel R*****, diesem 1.000 g Cannabiskraut zu verkaufen) das Überschreiten „ der Grenzmenge des § 28b SMG “ mitumfasste (US 4), bringt weder den Reinsubstanzgehalt der fallaktuell angebotenen Suchtgiftmenge, auf den es aber für die Grenzmenge (§ 28b erster Satz SMG) ankommt, noch den vom Gesetz geforderten – gerade auf das Übersteigen dieser Menge gerichteten – Vorsatz zum Ausdruck, sodass es dem angefochtenen Schuldspruch am unter dem Aspekt rechtsrichtiger Subsumtion erforderlichen Sachverhaltsbezug (RIS Justiz RS0119090) mangelt (14 Os 33/10z, 13 Os 13/13f ua; Ratz , WK StPO § 281 Rz 8).

Der Eintritt von Teilrechtskraft kam nicht in Betracht (§ 289 StPO), um im zweiten Rechtsgang die Prüfung der Voraussetzungen einer vorläufigen Einstellung nach § 37 SMG iVm § 35 Abs 2 SMG zu ermöglichen (vgl RIS Justiz RS0119278).