JudikaturJustiz15Os75/04

15Os75/04 – OGH Entscheidung

Entscheidung
18. November 2004

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. November 2004 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Klenk als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl Heinz S***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 (§ 161 Abs 1) StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Wels als Schöffengericht vom 5. Dezember 2003, GZ 12 Hv 143/03f 16, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Weiß, der Angeklagten Karl Heinz S***** und Heinrich Adolf S***** sowie ihres Verteidigers Dr. Rumplmayr, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Text

Gründe :

Mit dem angefochten Urteil wurden Karl Heinz S***** und sein Vater Heinrich Adolf S***** von der (jeweils) wider sie erhobenen Anklage, "als Gesellschafter" - womit noch keine Stellung als leitender Angestellter iSd § 161 Abs 1 StGB angesprochen ist - der S***** GmbH im bewussten und gewollten Zusammenwirken am 8. Juli 2002 in Vöcklabruck das Vermögen der genannten Gesellschaft wirklich oder zum Schein verringert und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger oder wenigsten eines von ihnen vereitelt oder geschmälert zu haben, wobei der durch die Tat herbeigeführte Schaden 40.000 Euro überstieg, indem sie die Einverleibung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes zu Gunsten des Karl Heinz S***** auf Liegenschaft EZ 1, Grundbuch 42124 Kampesberg, BG Gmunden (Grundstücke 126/4, 128, 132/2, 134, 135/1, 190, 15, 76 und 78) sowie EZ 3, Grundbuch 42124 Kampesberg, BG Gmunden (Grundstücke 110/1, 110/7 und 127) im Gesamtwert von zumindest 270.491 Euro (Verkehrswert der Liegenschaften abzüglich der bevorrangten pfandrechtlich gesicherten Geldlasten) veranlassten, und hiedurch jeweils das Verbrechen der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 (§ 161 Abs 1) StGB begangen zu haben, jeweils gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Nach den hier wesentlichen Urteilsannahmen hat der Angeklagte Heinrich S***** mit Einbringungsvertrag vom 28. September 1998 samt Nachtrag vom 8. Oktober 1998 unter anderem die im Urteilsspruch genannten, damals im wesentlichen geldlastenfreien, ihm gehörigen Liegenschaften in die von ihm und seinem Sohn Karl Heinz S***** gegründete, am 3. September 1998 in das Firmenbuch eingetragene S***** GmbH "eingebracht". Eine Verbücherung wurde nicht durchgeführt, sodass sich die oben genannten Liegenschaften EZ 1 und 3 weiterhin im (grundbücherlichen) Eigentum des Zweitangeklagten befanden.

Bereits im Jahr 2001 war auf den Liegenschaften EZ 1 als Haupteinlage und EZ 3 als Nebeneinlage aufgrund einer Pfandurkunde zugunsten der H***** Bank V*****bank V***** ein Pfandrecht in der Höhe von 239.820 Euro einverleibt worden. Aufgrund der wirtschaftlichen Verluste der mit Heizöl, Baustoffen und landwirtschaftlichen Produkten handelnden S***** GmbH wurde mit Beschluss des Landesgerichtes Wels vom 15. Juli 2002 zum AZ 20 S 384/02z über deren Vermögen das Konkursverfahren eröffnet. Vor Antragstellung auf Konkurseröffnung wurde zwischen den Angeklagten und ihrem Rechtsfreund Dr. H***** auch die finanzielle Situation des Zweitangeklagten Heinrich S***** erörtert und festgestellt, dass dieser Schuldner von mindestens 2 Gläubigern (so die H***** Bank, die A***** V*****bank, die O*****bank ua) war und auch überschuldet war.

Somit ergab sich die Situation, dass die gegenständlichen Liegenschaften infolge der unterbliebenen Verbücherung trotz des bestehenden Einbringungsvertrages nicht im grundbücherlichen Eigentum der S***** GmbH standen; andererseits war zu befürchten, dass Gläubiger des Zweitangeklagten (weitere) Pfandrechte auf den Liegenschaften einverleiben könnten. Um letzteres zu verhindern, vereinbarten die beiden Angeklagten am 8. Juli 2002 die Eintragung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes gemäß § 364c ABGB (zur Sicherung und Erhaltung des Familienvermögens) zugunsten des Erstangeklagten Karl Heinz S***** auf den gegenständlichen Liegenschaften des Zweitangeklagten, die auch durchgeführt wurde. Überdies erwirkte Heinrich S***** zwei am 9. Juli 2002 ausgestellte Rangordnungen für die Veräußerung der Liegenschaften. "Beide Angeklagte hielten es zumindest ernstlich für möglich und fanden sich damit ab, dass hiedurch das Vermögen des Zweitangeklagten verringert und dadurch die Befriedigung zumindest eines Gläubigers des Zweitangeklagten in einem 40.000 Euro übersteigenden Forderungsbetrag vereitelt oder zumindest geschmälert wurden" (US 4).

Am 24. September 2002 wurde durch das Bezirksgericht Gmunden zum AZ 8 S 3/02v über das Vermögen des Heinrich S***** das Schuldenregulierungsverfahren eröffnet. Bereits zuvor hatte der Privatbeteiligte (gemeint: der Masseverwalter im Konkurs der S***** GmbH) beim Landesgericht Wels zu 1 Cg 109/02b eine Klage gegen die beiden Angeklagten auf Rechtsunwirksamerklärung und Herausgabe von Rangordnungsbeschlüssen eingebracht. In diesem Zusammenhang unterfertigte der Erstangeklagte am 11. September 2002 bei einem öffentlichen Notar eine Löschungserklärung bezüglich des zu seinen Gunsten ob der gegenständlichen Liegenschaften eingeräumten Belastungs- und Veräußerungsverbotes und beantragte mit Schriftsatz vom 17. Oktober 2002 beim Bezirksgericht Gmunden deren gerichtlichen Erlag gemäß § 1425 ABGB, der mit Beschluss dieses Gerichtes vom 30. Oktober 2002, AZ 1 Nc 1110/02s, auch angenommen wurde. Am 21. Oktober 2002 erstattete das Landesgericht Wels als Konkursgericht nach einem Bericht des Masseverwalters Dr. H***** gegen den Erstangeklagten Karl Heinz S***** eine Pflichtanzeige gemäß § 177 KO, die noch am selben Tag bei der Staatsanwaltschaft Wels einlangte. Zwischenzeitig war im Konkursverfahren über das Vermögen der S***** GmbH der Verkehrswert der beiden Liegenschaften mit 514.700 Euro festgestellt worden. Die vom Privatbeteiligten (Masseverwalter im Konkurs der S***** GmbH) im Schuldenregulierungsverfahren des Zweitangeklagten Heinrich S***** angemeldete Forderung wurde mit einem Betrag von 270.491 Euro (Verkehrswert der Liegenschaften abzüglich der vorrangig gesicherten Geldlasten) vom Masseverwalter Mag. Thomas L***** anerkannt.

Mit Notariatsakt vom 7. April 1998 hatte Heinrich S***** seinen Sohn Karl Heinz S***** zu allen ordentlichen und außerordentlichen Maßnahmen, welche der Betrieb seines damals von ihm geführten Unternehmens erforderlich machen sollte, bevollmächtigt, wobei diese Bevollmächtigung auch insbesondere alle Maßnahmen in Bezug auf seine Liegenschaften EZ 1 und EZ 3, KG 42124 Kampesberg, BG Gmunden umfasste.

Nach der Vorstellung der beiden Angeklagten sollte durch die Einverleibung eines Belastungs- und Veräußerungsverbotes gemäß § 364c ABGB zugunsten des Erstangeklagten auf den nach wie vor im grundbücherlichen Eigentum des Zweitangeklagten stehenden Liegenschaften diese dem exekutiven Zugriff seiner Gläubiger entzogen werden, wobei sich beide Angeklagte bewusst mit der "durch die Eintragung des Verbots bewirkten Vermögensverringerung und daraus resultierenden Verletzung der Befriedigungsrechte der Gläubiger des Zweitangeklagten abgefunden haben". Da beide Angeklagte von Befriedigungsrechten von Gläubigern in einer Höhe von mehr als 40.000 Euro ausgingen und sich damit abfanden, haben sie nach Ansicht des Tatgerichtes durch ihr Verhalten jeweils den Tatbestand des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht verwirklicht (US 7).

Dennoch kam eine Verurteilung der beiden Angeklagten nach Ansicht des Schöffengerichtes nicht in Betracht, weil zum einen die Anklage von einer Verletzung der Befriedigungsrechte der Gläubiger der S***** GmbH ausgegangen sei, welche aber zum Tatzeitpunkt vom 8. Juli 2002 tatsächlich nicht Eigentümerin der verfahrensgegenständlichen Liegenschaften war, zum anderen stützte es den Freispruch vorrangig darauf, dass beiden Angeklagten der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach § 167 Abs 1 und Abs 2 Z 2 StGB zugute komme.

Im Hinblick auf die Unterfertigung der Löschungserklärung in Bezug auf das Belastungs- und Veräußerungsverbot am 11. September 2002 bei einem öffentlichen Notar und deren Hinterlegung beim Bezirksgericht Gmunden mit Eingabe vom 17. Oktober 2002, der erst zeitlich nachfolgenden Anzeige gemäß § 177 KO durch das Konkursgericht vom 21. Oktober 2002 an die Staatsanwaltschaft Wels, wodurch letztere (als eine Behörde iSd § 151 Abs 3 StGB) Kenntnis vom Verschulden (zumindest) des Erstangeklagten erlangt habe, sei nach Auffassung der Tatrichter die Ausstellung der Löschungserklärung ohne Zwang und auch rechtzeitig vor Kenntnis der Strafverfolgungsbehörde vom Verschulden der Angeklagten erfolgt. Überdies sei von einer gänzlichen Schadensgutmachung zumindest durch vertragliche Verpflichtung auszugehen, sodass die Voraussetzungen des § 167 Abs 1 und Abs 2 StGB als gegeben anzunehmen seien.

Dies treffe auch auf den Zweitangeklagten zu, auch wenn dieser nicht unmittelbar in den Vorgang mit der Löschungserklärung eingebunden war. Aufgrund der nach wie vor gültigen Originalvollmacht sei der Erstangeklagte ermächtigt gewesen, den Zweitangeklagten in allen Belangen zu vertreten und für ihn rechtswirksame Erklärungen abzugeben. Unter diesem Aspekt wurde auch die Strafbarkeit des Zweitangeklagten in entsprechender Anwendung der Bestimmung des § 167 Abs 4 StGB durch tätige Reue als aufgehoben gewertet, weshalb hinsichtlich beider Angeklagter ein Freispruch wegen Vorliegen eines Strafaufhebungsgrundes erging.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen von der Staatsanwaltschaft aus Z 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO (richtig: Z 9 lit a, vgl RIS Justiz RS0118286) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht im Recht.

Soweit die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf die von Liebscher in WK1 zu § 151 Rz 14, § 156 Rz 25 und § 167 Rz 18 vertretene Meinung, Konkursgerichte seien - kraft ihrer Funktion als verlängerte Hand des Staatsanwaltes (§ 85 StPO) - in Insolvenzfällen zur Strafverfolgung berufene Behörden iSd § 151 Abs 3 StGB, zur Frage der Rechtzeitigkeit der tätigen Reue Mängel an Feststellungen dahin behauptet, ob das Bezirksgericht Gmunden als Schuldenregulierungs- und damit Konkursgericht vor der (am 17. Oktober 2002 erfolgten) Übermittlung der Löschungserklärungen an das Hinterlegungsgericht vom Verschulden der Angeklagten erfahren habe, verkennt die Beschwerde die von der Rechtsprechung nunmehr vertretene, vom Obersten Gerichtshof auch im gegebenen Fall geteilte Ansicht, wonach Tatkenntnis des Konkursgerichtes, des Ausgleichsgerichtes, des Masseverwalters oder des Ausgleichsverwalters der Rechtzeitigkeit tätiger Reue nicht entgegensteht, weil es sich dabei nicht um zur Strafverfolgung berufene Institutionen iSd § 151 Abs 3 StGB handelt (vgl Kirchbacher/Presslauer in WK² § 156 Rz 26; Leukauf/Steininger StGB³ § 156 Rz 28; Tipold in Triffterer Kommentar § 151 Rz 36, Rainer in Triffterer Kommentar § 167 Rz 26). Dem steht nicht entgegen, dass das Konkursgericht einer Anzeigepflicht gemäß § 177 KO unterliegt. Damit kommt dem Umstand, wann das Konkursgericht vom Verschulden der Angeklagten erfahren hat, keine entscheidungswesentliche Bedeutung zu.

Insofern die Rechtsrüge hilfsweise unrichtige rechtliche Beurteilung der Anwendungsvoraussetzung der tätigen Reue betreffend den Angeklagten Heinrich Adolf S***** geltend macht, befasst sie sich in ihrem Vorbringen zwar mit den - vermeintlich nicht gegebenen - näheren Voraussetzungen zum Vorliegen tätiger Reue, indem sie das ernstliche Bemühen des Zweitangeklagten um Schadensgutmachung vermisst, verkennt aber Folgendes:

Auf Basis der Konstatierungen des Erstgerichtes, es könne nicht von der Verletzung von Befriedigungsrechten der Gläubiger der S***** GmbH, welche am 8. Juli 2002 tatsächlich nicht Eigentümerin der verfahrensgegenständlichen Liegenschaften war, ausgegangen (US 8), sondern müsse eine Schädigung der Gläubiger des Zweitangeklagten angenommen werden (US 6), und der (nicht weiter präzisierten) Urteilsannahme, wonach es zu einer "Vermögensverringerung und daraus resultierenden Verletzung der Befriedigungsrechte der Gläubiger des Zweitangeklagten (US 7)" kam, mangelt es der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft an der deutlichen und bestimmten Darstellung, aus welchen ausdrücklich zu bezeichnenden Tatsachen welche rechtliche Konsequenz hätte abgeleitet werden sollen.

Betrügerische Krida nach § 156 StGB ist erst vollendet, sobald feststeht, dass ein Gläubiger infolge eines wirklich oder scheinbar Vermögen verringernden Verhaltens des Schuldners seine Forderung nur zum Teil oder gar nicht beglichen erhält, somit effektiv eine Befriedigungsausfall erleidet. Bevor eine solche Auswirkung nicht sicher ist, kann Vollendung des Verbrechens nicht angenommen werden ( Kirchbacher/Presslauer in WK² § 156 Rz 19; RZ 2002/20, 11 Os 92/02). Die Deliktsqualifikation nach § 156 Abs 2 StGB kommt zur Anwendung, wenn der - durch die Höhe der Vermögensverringerung limitierte - Gläubigerausfall, dh die Summe der Forderungen, soweit sie unbefriedigt geblieben sind, 40.000 Euro übersteigt ( Kirchbacher/Presslauer aaO Rz 31). Versuch kann unter anderem dann vorliegen, wenn es trotz Gelingens der Vermögensverringerung - Schädigungsvorsatz vorausgesetzt - nicht zur Gläubigerschädigung kommt. Im Ersturteil wird dazu ausgeführt, dass sich beide Angeklagte mit der durch die Eintragung des Verbots bewirkten Vermögensverringerung und daraus resultierenden Verletzung der Befriedigungsrechte der Gläubiger des Zweitangeklagten in einem 40.000 Euro übersteigenden Forderungsbetrag abgefunden haben. Feststellungen, die eine Beurteilung ermöglichen, ob es tatsächlich zu einem Befriedigungsausfall kam, sind dem angefochtenen Urteil jedoch ebenso wenig zu entnehmen wie solche, die zur Beurteilung der Höhe des Gläubigerausfalls erforderlich wären.

Demgemäß hätte eine gesetzgemäße Ausführung des (inhaltlich geltend gemachten) materiellen Nichtigkeitsgrundes nach § 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO erfordert, dass die Beschwerdeführerin anhand des Urteils die Feststellungen, aufgrund deren eine Verurteilung wegen einer bestimmt zu bezeichnenden strafbaren Handlung zu erfolgen hätte, anführt oder aber unter Hinweis auf einen nicht durch Feststellungen geklärten, jedoch durch darzustellende Verfahrensergebnisse indizierten Sachverhalt, nämlich den tatsächlichen Befriedigungsausfall aufgrund der Einverleibung des Belastungs- und Veräußerungsverbotes, aufzeigt, weshalb eine vom Erstgericht nicht bedachte, von der Beschwerdeführerin aber anzuführende rechtliche Konsequenz zu ziehen wäre (vgl Ratz in WK StPO § 281 Rz 585 und 600, RIS Justiz RS0118580).

Insoweit erweist sich die Nichtigkeitsbeschwerde mangels solcher Darlegungen als nicht den Prozessvorschriften gemäß ausgeführt.

Sie war demnach - entgegen der Ansicht der Generalprokuratur, jedoch im Ergebnis in Übereinstimmung mit der Ansicht der Verteidigung in der gemäß § 35 Abs 2 StPO erstatteten Äußerung - zu verwerfen.

Rechtssätze
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