JudikaturJustiz15Os66/03

15Os66/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
21. August 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. August 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Dachsberger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Josef A***** und andere Angeklagte wegen des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Josef A*****, Hans Peter K***** und Günther L***** gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 5. Dezember 2001, GZ 38 Hv 1017/02w-47, sowie die Beschwerde des Angeklagten Günther L***** gegen den Beschluss gemäß § 498 StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Den Nichtigkeitsbeschwerden der Angeklagten Josef A***** und Hans Peter K***** wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil - das im Übrigen unberührt bleibt - hinsichtlich dieser beiden Angeklagten sowie gemäß § 290 Abs 1 StPO auch hinsichtlich des Angeklagten Günther L***** aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen. Die Angeklagten werden mit ihren Berufungen, der Angeklagte Günther L***** auch mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Beschwerde auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem (auch einen unbekämpft gebliebenen Schuldspruch des Mitangeklagten Werner C***** enthaltenden) angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Josef A*****, Hans Peter K***** und Günther L***** des Vergehens des schweren gewerbsmäßigen Schmuggels (richtig: des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels) nach §§ 35 Abs 1, 38 Abs 1 lit a FinStrG, Hans Peter K***** und Günther L***** "darüber hinaus" als Beteiligte gemäß § 11 dritter Fall FinStrG (in Ansehung des Hans Peter K***** richtig: ausschließlich als Beteiligter gemäß § 11 dritter Fall FinStrG, vgl US 18) schuldig erkannt. Danach hat im Raum Salzburg

1./ Josef A***** eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungspflicht dem Zollverfahren entzogen, und zwar

1.1/ im Mai 1994 in drei Fällen durch heimliche Einfuhr von EDV-Zubehör (Toner, Tintenpatronen, Lichtleiter etc) im Gesamtzollwert von 350.000 S; verkürzte Eingangsabgaben (EUSt):

90.000 S.

1.2/ Im Zeitraum von Juni bis Dezember 1994 durch wiederholte heimliche Einfuhr von EDV-Zubehör (Toner, Tintenpatronen, Disketten etc) im Gesamtzollwert von 5,580.016,78 S; verkürzte Eingangsabgaben (Zoll 256.812 S, EUSt 1,167.365 S) insgesamt: 1,424.177 S, wobei es ihm darauf angekommen ist, sich durch die wiederkehrende Begehung dieser Taten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen; 2./ Hans Peter K***** zu den oben unter Punkt 1.2/ beschriebenen Taten des Josef A***** zumindest vorsätzlich (dadurch) beigetragen, dass er gemeinsam mit A***** die Lieferanten der zu schmuggelnden Ware aussuchte und die Kauf- und Lieferbedingungen vereinbarte, im Bewusstsein des von Josef A***** begangenen Schmuggels diese Ware direkt bei einem Lieferanten bestellte und den Kauf jeweils finanzierte, um die Ware anschließend weiter zu verkaufen und sich jeweils Scheinrechnungen von einer von A***** dafür eigens gegründeten Firma ausstellen ließ, wobei es ihm darauf ankam, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen;

3./ Günther L*****

3.1/ im Zeitraum März bis Juli 1994 eingangsabgabepflichtige Waren vorsätzlich unter Verletzung der zollrechtlichen Stellungspflicht dem Zollverfahren entzogen, indem er in sechs Fällen für die C***** KEG heimlich EDV-Zubehör (1.000 Lichtleiter, 500 Toner) im Gesamtzollwert von 205.000 S einführte; verkürzte Eingangsabgaben (EUSt): 41.000 S; und

3.2/ zu den oben unter Punkt 1.2/ beschriebenen Taten des Josef A***** dadurch vorsätzlich beigetragen, dass er in Kenntnis des Tatplanes und des Tatgeschehens auftragsgemäß die Firma Ö***** zwecks Erstellung von Scheinrechnungen über das Schmuggelgut an die L***** GesmbH des Hans Peter K***** gründete und formell Geschäftsführer war;

4./ Werner C***** den Josef A***** zu den oben unter Punkt 1.1/ beschriebenen und Günther L***** zu den oben unter Punkt 3.1/ beschriebenen Taten als Inhaber und Geschäftsführer der C***** KEKG durch den jeweiligen Auftrag zu heimlicher Einfuhr nach Österreich bestimmt.

Das Erstgericht verhängte (soweit für die Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde relevant) über die beiden Angeklagten Josef A***** und Hans Peter K***** jeweils unter Bedachtnahme gemäß §§ 31, 40 StGB (richtig: § 21 Abs 3 FinStrG) auf das Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 18. April 2000, AZ 40 Vr 2277/95, gemäß § 26 Abs 1 FinStrG iVm § 43a Abs 1 StGB teilweise bedingt nachgesehene Zusatzgeldstrafen in Höhe von 700.000 S (A*****) bzw einer Million S (K*****). Für den Fall der Uneinbringlichkeit der Geldstrafen setzte das Erstgericht Ersatzfreiheitsstrafen von sieben Monaten (A*****) bzw zehn Monaten (K*****) fest. Im Urteil vom 18. April 2000, auf das Bedacht genommen wurde, waren für die über diese Angeklagten verhängten Geldstrafen Ersatzfreiheitsstrafen von fünfeinhalb Monaten (A*****) und zehn Monaten (K*****) bestimmt worden (vgl ON 41, 42).

Den Schuld- und Strafausspruch bekämpfen die Angeklagten A***** und K***** mit auf §§ 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a und 11 StPO gestützten, getrennt ausgeführten, inhaltlich aber im Wesentlichen übereinstimmenden Nichtigkeitsbeschwerden. Der Angeklagte L***** stützt seine nur gegen den Schuldspruch gerichtete Nichtigkeitsbeschwerde auf die Gründe der Z 5, 5a und 9 lit a leg cit.

Rechtliche Beurteilung

Zutreffend zeigen die Angeklagten A***** und K***** als Begründungsmangel (Z 5) auf, dass das Erstgericht die Verantwortung des Angeklagten A***** keinesfalls alle ihm angelasteten Waren in einem Gesamtzollwert von über fünf Millionen S selbst, sondern nur Waren im Umfang von ca einer Million S Gesamtzollwert nach Österreich geschmuggelt zu haben, während der (überwiegende) Teil ohne seine Mitwirkung von Chauffeuren der Firma S***** in mehreren Überstellungen unverzollt nach Österreich gebracht worden sei (S 251 Finanzstrafakt, AS 240 f/I), mit Stillschweigen übergangen hat. Dieser Begründungsfehler betrifft die für die rechtliche Beurteilung der Taten als in die gerichtliche Zuständigkeit fallende Finanzvergehen entscheidende Tatsache, ob die Beschwerdeführer A***** und K*****, aber auch der sein Rechtsmittel in diese Richtung nicht ausführende Angeklagte L***** durch den ihnen angelasteten Schmuggel Eingangsabgaben in einem 500.000 S übersteigenden Betrag vorsätzlich verkürzt haben.

Der vom Angeklagten A***** bestrittene Schmuggel von Waren in einem Gesamtzollwert von mehr als vier Millionen S als unmittelbarer Täter (§ 11 erster Fall FinStrG) kann ihm auch nicht unter einer der beiden anderen Täterschaftsformen des § 11 FinStrG mängelfrei zugeordnet werden: Das Erstgericht hat keine Konstatierungen getroffen, die eine Beurteilung zulassen, ob der Angeklagte A***** durch die festgestellte Ausstellung von Scheinrechnungen der Firma Ö***** Günther L***** über die Schmuggelwaren (US 11, 12) einen zumindest psychischen Tatbeitrag zum Schmuggel geleistet habe (die Feststellung, die Beschwerdeführer A***** und K***** hätten die Ausstellung von Scheinrechnungen unter anderem auch zum Zweck der "Weißwaschung" der Schmuggelware vereinbart - vgl US 10 - sagt noch nichts darüber aus, ob hiedurch auch die Ausführung des Schmuggels selbst gefördert worden wäre). Da der Angeklagte A***** in Ansehung des von ihm bestrittenen Schmuggels von Waren in einem Gesamtzollwert von ca vier Millionen S nach den Feststellungen auch als Bestimmungstäter nicht in Betracht kommt, ist trotz der rechtlichen Gleichwertigkeit der drei Täterschaftsformen des § 11 FinStrG (vgl Fabrizy in WK2 § 12 Rz 120 und 126) Nichtigkeit des ihn betreffenden Schuldspruches infolge unvollständiger Erörterung der Beweisergebnisse gegeben. Denn durch den - mängelfrei begründeten - Schmuggel von Waren in einem Zollwert von 350.000 S (= Punkt 1.1/ des Schuldspruches; richtig 450.000 S, vgl Anzeige ON 2) und den vom Angeklagten A***** zugestandenen Schmuggel (als unmittelbarer Täter) von Waren im Gesamtzollwert von ca einer Million S (= Teilbetrag aus Punkt 1.2/) wird ein im Tatzeitraum die gerichtliche Zuständigkeit begründender Verkürzungsbetrag von mehr als 500.000 S (§ 53 Abs 2 lit a FinStrG aF) nicht erreicht. Dieser auch vom Beschwerdeführer K***** zurecht geltend gemachte Begründungsmangel wirkt sich ebenfalls zum Nachteil des Angeklagten L***** aus, weil dieser auch wegen Beitragstäterschaft zu der dem Angeklagten A***** unter Punkt 1.2/ angelasteten Tat schuldig erkannt wurde. In Ansehung des Günther L***** liegt auch unter Berücksichtigung des weiteren Schuldspruches, die unter 3.1/ bezeichnete Tat als unmittelbarer (Allein )Täter begangen zu haben, eine mängelfrei begründete Feststellung einer den Betrag von 500.000 S übersteigenden Abgabenverkürzung nicht vor. Das aufgezeigte Begründungsgebrechen erfordert die Aufhebung der Schuld- und demgemäß auch der Strafaussprüche (einschließlich der rechtsirrig im Urteil anstelle mit gesondertem Beschluss erteilten Weisungen gemäß § 26 Abs 2 FinStrG - vgl Dorazil/Harbich FinStrG § 26 E 13) in Ansehung aller drei Beschwerdeführer (hinsichtlich des Angeklagten L***** gemäß § 290 Abs 1 StPO) und die Verfahrenserneuerung im Umfang der Aufhebung bei nichtöffentlicher Beratung (§ 285e StPO).

Ein Eingehen auf die weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgründe (insbesondere auf die von den beiden Angeklagten A***** und K***** zu Recht aus § 281 Abs 1 Z 11 StPO gerügte Überschreitung der Strafbefugnis des Schöffengerichtes bei Verhängung von Ersatzfreiheitsstrafen für den Fall der Uneinbringlichkeit der Zusatzgeldstrafen) erübrigt sich daher. Für eine im zweiten Rechtsgang allenfalls erforderliche Strafbemessung genügt der Hinweis, dass § 20 Abs 2 FinStrG in der im Tatzeitraum geltenden Fassung für die anstelle einer Geldstrafe oder eines Wertersatzes festzusetzende Ersatzfreiheitsstrafe bei Finanzvergehen, deren Ahndung dem Gericht vorbehalten war, ein Höchstmaß von (nur) je einem Jahr vorsah. Im Fall einer - hier erfolgten - Zusatzverurteilung darf die Summe der Ersatzfreiheitsstrafen (für Geldstrafen einerseits und Wertersatzstrafen andererseits) aus den mehreren durch § 21 Abs 3 FinStrG miteinander verknüpften gerichtlichen Finanzvergehen das Höchstmaß von einem Jahr nicht übersteigen (§ 21 Abs 3 letzter Satz FinStrG). Die für bestimmte gerichtliche Finanzvergehen geltende nunmehrige strengere Bestimmung des § 20 Abs 2 FinStrG darf vorliegend nicht zur Strafbemessung herangezogen werden (§ 4 Abs 2 FinStrG).

Die Aufhebung des Schuldspruches zu 1./ bis 3./ hat hingegen keine Auswirkung auf den rechtskräftigen Schuldspruch des Angeklagten Werner C***** (vgl Dorazil/Harbich FinStrG § 53 E 15). Das Fehlen des Ausspruches, dass mit seiner Verurteilung wegen des Finanzvergehens des Schmuggels als Beteiligter nach §§ 11 zweiter Fall, 35 Abs 1 FinStrG (bei einem Verkürzungsbetrag von 90.000 S) nur die mit einer Ahndung durch die Finanzstrafbehörde verbundenen Folgen eintreten (§ 53 Abs 4 FinStrG), ist zwar gesetzwidrig, begründet aber keine Nichtigkeit (vgl Harbich, FinStrG, MTA6, § 53 Anm 5). Da die Feststellung nach § 53 Abs 4 FinStrG weder Teil des Ausspruches über die Strafe noch diesem gleichgestellt ist (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 664), hätte das Erstgericht auch ohne Vorliegen dieses (bloß deklarativen) Ausspruches eine Verständigung der Bundespolizeidirektion Wien von dem gerichtlichen Schuldspruch wegen eines bloß verwaltungsbehördlich zu ahndenden Finanzvergehens unterlassen müssen. Infolge der hier allerdings bereits erfolgten Verständigung (vgl Punkt 4./ der Endverfügung ON 53a) wird diese Mitteilung (zwecks Löschung der Verurteilung aus dem Strafregister) zu berichtigen sein (vgl 14 Os 32/02, 14 Os 72/99). Die drei Beschwerdeführer waren mit ihren Berufungen, der Angeklagte Günther L***** auch mit seiner Nichtigkeitsbeschwerde und seiner Beschwerde auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

Rechtssätze
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