JudikaturJustiz15Os62/96

15Os62/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
12. September 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. September 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Berger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Jiri B***** wegen des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG und eines weiteren Finanzvergehens über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 9. November 1994, GZ 1 c Vr 5033/94-32, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

I. Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten wird teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in den Schuldsprüchen wegen des Finanzvergehens der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG in bezug auf Zigaretten sowie wegen des Finanzvergehens der Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG (Punkte I a, I b und I c sowie II a, II b und II c des Urteilssatzes) gleichwie in den Strafaussprüchen sowie den Entscheidungen über Verfall und Wertersatz aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Darauf werden der Angeklagte mit seiner, eine Verletzung des § 21 Abs 1 FinStrG monierenden Nichtigkeitsbeschwerde (§ 281 Abs 1 Z 11 StPO) und seiner Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer Nichtigkeitsbeschwerde verwiesen.

II. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zurückgewiesen.

III. Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen, den erfolglosen Teil seiner Nichtigkeitsbeschwerde betreffenden Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Jiri B***** der Finanzvergehen der gewerbsmäßigen Abgabenhehlerei nach §§ 37 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG (I) sowie der Monopolhehlerei nach § 46 Abs 1 lit a FinStrG (II a bis c) schuldig erkannt, weil er in Wien in der Zeit zwischen 9. Juni 1992 und 17. März 1994 in mehreren Tathandlungen vorsätzlich

zu I: im Rückfall sowie in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Abgabenhehlerei eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, gewerbsmäßig nachangeführte Mengen an Zigaretten sowie Fleisch (Rinderlungenbraten), welche unbekannte Täter im Reiseverkehr heimlich nach Österreich verbracht, sohin bezüglich Einfuhrumsatzsteuer und AF-Beitrag, das Fleisch auch bezüglich Importausgleich und VWG-Beitrag die Zigaretten auch bezüglich Zoll- und Tabaksteuer, eingangsabgabepflichtige Waren, hinsichtlich welcher ein Schmuggel begangen wurde, unter Verletzung einer zollrechtlichen Stellungs- und Erklärungspflicht beim Zollamt dem Zollverfahren entzogen hat, nämlich

a) 2,929.000 Stück Zigaretten verschiedener, nicht mehr feststellbarer Marken sowie 80 Stück der Marke Marlboro Light 100 durch Erwerb von unbekannten Ausländern und Veräußerung an unbekannte Abnehmer (strafbestimmender Wertbetrag 4,301.018 S),

b) 3.000 Stück Zigaretten der Marke Memphis Classic durch Erwerb von unbekannten Ausländern und Veräußerung an Angelika K***** (strafbestimmender Wertbetrag 4.615 S),

c) 24.920 Stück Zigaretten im Ersturteil einzeln angeführter Marken durch Erwerb von unbekannten Ausländern gekauft (strafbestimmender Wertbetrag 46.785 S) sowie

d) zumindest 500 Kilogramm Fleisch (Rinderlungenbraten) durch Erwerb von unbekannten Ausländern und Veräußerung an unbekannte Abnehmer (strafbestimmender Wertbetrag 68.282 S) sowie

zu II: durch die zu I a bis c geschilderten Tathandlungen einem monopolrechtlichen Einfuhrverbot zuwider Monopolgegenstände des Tabakmonopols, hinsichtlich welcher in Monopolrechte eingegriffen wurde, nämlich die zu I a (strafbestimmender Wertbetrag 4,125.714 S), I b (strafbestimmender Wertbetrag 4.200 S) und I c (strafbestimmender Wertbetrag 46.644 S) angeführten Zigaretten gekauft und verhandelt hat.

Rechtliche Beurteilung

Dieses Urteil bekämpfen der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft mit Nichtigkeitsbeschwerden; der Angeklagte macht die Gründe der Z 4, 5, 5 a, 9 lit a und 11 des § 281 Abs 1 StPO geltend, die Staatsanwaltschaft releviert den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO.

Berechtigung kommt der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten schon insofern zu, als sie Begründungsmängel (Z 5) in bezug auf die Schuldsprüche wegen gewerbsmäßiger Abgabenhehlerei hinsichtlich der Zigaretten sowie wegen Monopolhehlerei geltend macht.

Das Erstgericht stützt diese Schuldsprüche im wesentlichen auf die Angaben der Zeugen Angelika K***** und Julius M***** vor dem Zollamt Wien (vgl US 9 und 10). Diese Zeugen (und zwar entgegen der Urteilsbegründung US 9 auch K*****) haben jedoch den Angeklagten in der Hauptverhandlung hinsichtlich dieser Anklagevorwürfe entlastet. Ihre früheren Angaben vor dem Zollamt Wien sind für sich allein aber keineswegs ausreichend, die erwähnten Schuldsprüche in formal einwandfreier Weise zu begründen. Eindeutig belastet, daß der Angeklagte einen schwunghaften Handel mit geschmuggelten Zigaretten getrieben hat, wurde er nämlich nur vom Zeugen Attila P***** (S 23 ff, 289, 137 und 298 ff sowie Niederschrift vor dem Zollamt Wien vom 21. Juni 1994, Beilagenmappe f zu ON 7), dessen Aussage aber im Urteil mit Stillschweigen übergangen wird. Dagegen hat der Zeuge M***** selbst vor dem Zollamt Wien bloß die Beobachtung des P***** insofern bestätigt, daß zweimal wöchentlich eine Person zweimal hintereinander mit zwei vollen Taschen zum Angeklagten in dessen Lokal gekommen sei und es mit leeren Taschen wieder verlassen habe; was der Inhalt dieser Taschen war, will M***** dagegen nicht wahrgenommen haben (vgl S 5 seiner Niederschrift vom 24. Juni 1994, gleichfalls in der Beilagenmappe f zu ON 7). Die Zeugin K***** hat den Angeklagten eindeutig nur in der mit ihr als Verdächtige vor dem Zollamt Wien vom 4. Mai 1994 aufgenommenen Niederschrift belastet und diese Angaben anläßlich ihrer Zeugenvernehmung vor dem Landesgericht für Strafsachen Wien am 10. August 1994 (ON 23) aufrecht erhalten. Damals gab sie an, der Angeklagte habe im Tatzeitraum ca dreißig Stangen geschmuggelte Zigaretten der Marke Memphis Classic an sie verkauft; sie wisse, daß der Angeklagte seit der letzten "Beanstandung" durch das Zollamt Wien weitere Schmuggelzigaretten verkauft habe (S 4 der Niederschrift vor dem Zollamt Wien, enthalten in der Beilagenmappe zu ON 7).

Die Angaben der Zeugen K***** und M***** bieten aber (für sich allein genommen) keine formal zureichende Basis für die Urteilsannahme eines derart umfangreichen Handels mit geschmuggelten Zigaretten. Das Erstgericht ist ersichtlich unter Verletzung des in § 258 Abs 1 StPO statuierten Gebotes Aktenstücken gefolgt, die in der Hauptverhandlung nicht verlesen und auch nicht erörtert wurden, nämlich der Anzeige ON 7 und dem Schlußbericht des Zollamtes Wien (ON 14), das aus einem Beobachtungszeitraum des P***** von wenigen Wochen im Jahr 1994 hinsichtlich geschmuggelter Zigaretten iVm den seinerzeitigen Angaben der Zeugin K*****, wonach im Lokal des Angeklagten seit 1992 weiterhin Schmuggelzigaretten verkauft worden sein sollen, unter Zugrundelegung der Angaben des Zeugen M***** eine Hochrechnung angestellt hat (vgl S 111 und 113).

Ohne eine ausdrückliche Bezugnahme auf die Würdigung der Aussage des Zeugen P***** ist aber außerdem dieser - mangels Verlesung nicht verwertbaren - Hochrechnung des Zollamtes Wien ein essentieller Teil der Grundlage entzogen. Demnach haftet dem Ersturteil in bezug auf die den Fakten I a und I b (= II a und II b) zugrunde liegenden Zigarettenmengen, sohin hinsichtlich einer entscheidenden Feststellung, ein vom Angeklagten relevierter Begründungsmangel an, der zur Anordnung der Verfahrenserneuerung nötigt.

Aber auch der Schuldspruch im Faktum I c (= II c) ist, wie der Angeklagte in der Nichtigkeitsbeschwerde aufzeigt, mangelhaft begründet. Denn das Erstgericht stützt die Feststellung, daß der Angeklagte auch über jene Zigaretten verfügungsberechtigt war, die am 17. März 1994 in einem Kellerabteil des Hauses W***** sichergestellt wurden, darauf, daß sich in diesem Kellerabteil auch Fleischkisten befanden, in denen "offenbar" die vom Angeklagten verkauften Fleischteile gelagert wurden (US 10). Schon diese eine bloße Vermutung zum Ausdruck bringende Ausführung des Erstgerichtes ist als solche mit einem Begründungsmangel behaftet (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 5 E 116). Die weitere Begründung, in diesem Kellerabteil sei von Erhebungsorganen des Zollamtes Wien auch Fleisch sichergestellt worden, ist unrichtig (vgl S 11 und 35), weil damals nur Zigaretten und Munition sichergestellt wurde. Aus dem bloßen Vorhandensein von Fleischkisten in einem (im Gegensatz zum "muffelnden" Kellerlokal, das zum Gastlokal des Angeklagten gehört) trockenen Kellerabteil in einem auch noch von anderen Parteien bewohnten Haus ist aber ein logisch einwandfreier Schluß auf eine Verfügungsgewalt des Angeklagten über die dort sichergestellten Zigaretten noch nicht zu ziehen. Die im Polizeibericht vom 17. März 1994 (S 63) angeführten, einen Tatverdacht erhärtenden Umstände hingegen wurden (ersichtlich auch mangels Verlesung in der Hauptverhandlung) im Urteil nicht erwähnt.

Hinsichtlich der Schuldsprüche wegen des Finanzvergehens der Abgabenhehlerei mit Bezugnahme auf die geschmuggelten Zigaretten und des damit in Tateinheit stehenden Finanzvergehens der Monopolhehlerei ist daher die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden, sodaß eine Erörterung der weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgründe der Z 4 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO nicht erforderlich ist.

Die den Schuldspruch im Faktum I d des Urteilssatzes (gewerbsmäßige Abgabenhehlerei in bezug auf 500 kg illegal importierten Rinderlungenbratens) bekämpfende Rechtsrüge (Z 9 lit a) hingegen läßt eine prozeßordnungsgemäße Ausführung vermissen, weil sie von der urteilsfremden (und auch der Aktenlage widerstreitenden) Behauptung ausgeht, der Angeklagte sei wegen dieser Tat bereits finanzstrafbehördlich bestraft worden. Der mit Bescheid des A, vom 29. Juni 1994 deshalb festgesetzte Importausgleichsatz von 113,25 S/kg Rinderlungenbraten, weil die Ware dem Zollamt bei der Einfuhr (S 207 ff) nicht gestellt wurde, betrifft nur den Ersatz für den ansonsten bei der Einfuhr zu zahlenden Abgaben und ist somit keine finanzstrafbehördliche Verurteilung.

Es war daher schon bei der nichtöffentlichen Beratung einerseits der zu seinem Vorteil ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten im oben aufgezeigten Umfang Folge zu geben (§ 285 e StPO), andererseits die nicht gesetzmäßig ausgeführte Rechtsrüge zurückzuweisen (§ 285 d Abs 1 Z 1 iVm § 285 a Z 1 StPO).

Infolge Aufhebung der genannten Schuldsprüche waren auch die Strafaussprüche und die damit im Zusammenhang stehenden Entscheidungen (Geld- und Freiheitsstrafen, Wertersatz, Verfall) zu kassieren.

Darauf waren der Angeklagte mit seiner, den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 11 StPO relevierenden Nichtigkeitsbeschwerde, die einerseits zutreffend einen Verstoß gegen § 21 Abs 1 FinStrG rügt, andrerseits aber zu Unrecht die Nichtgewährung bedingter Strafnachsicht als nichtig bekämpft (weil damit ein Berufungsgrund geltend gemacht wird) und mit seiner Berufung sowie die Staatsanwaltschaft mit ihrer gleichfalls an sich zutreffend Nichtigkeitsgründe in Ansehung der Wertersatzstrafe sowie der Unterlassung einer Ersatzfreiheitsstrafe aufzeigenden Nichtigkeitsbeschwerde zu verweisen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.