JudikaturJustiz15Os6/16w

15Os6/16w – OGH Entscheidung

Entscheidung
25. Mai 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Mai 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. T. Solé und Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Isep als Schriftführer in der Strafsache gegen Hicham B***** wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Abs 4 erster Fall FPG über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 9. November 2015, GZ 7 Hv 64/15a 18b, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hicham B***** des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs 1, Abs 3 Z 1, Abs 4 erster Fall FPG schuldig erkannt.

Danach hat er am 9. September 2015 in N***** als Mitglied einer kriminellen Vereinigung im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit weiteren Mittätern (§ 12 StGB) gewerbsmäßig (§ 70 StGB) die rechtswidrige Ein und Durchreise von Fremden, die nicht zum Aufenthalt in der Europäischen Union berechtigt sind, in und durch einen Mitgliedstaat der Europäischen Union und Österreich mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, gefördert, indem er acht Fremde nahe der ungarisch serbischen Grenze in das von ihm gelenkte Fahrzeug aufnahm und diese nach Österreich beförderte.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 5, 9 lit a, 10a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, die ihr Ziel verfehlt.

Die Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) reklamiert, die Verantwortung des Angeklagten, er habe nur an eine Bezahlung von „50 Euro pro Person für die Treibstoffkosten“ gedacht, sei bei den Feststellungen zum auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatz unberücksichtigt geblieben, übersieht aber dabei, dass das Schöffengericht dessen Angaben zu diesem Thema als „reine Schutzbehauptung“ verworfen hat (US 6 f).

Der Beschwerde zuwider stehen die beweiswürdigenden Annahmen, der Angeklagte habe zum einen zwar die exakte Höhe des von der Schlepperorganisation einkassierten Entgelts nicht gewusst, sei aber zum anderen davon ausgegangen, dass die Geschleppten mehr als einen angemessenen Fuhrlohn zahlen mussten, nach den Kriterien logischen Denkens und allgemeiner Lebenserfahrung zueinander nicht im Widerspruch (Z 5 dritter Fall).

Die zulässigerweise auf das „äußere Geschehen“ gestützte (US 7; vgl RIS Justiz RS0098671) - Begründung der Feststellungen zum Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung ist weder undeutlich noch offenbar unzureichend (Z 5 erster und vierter Fall), zumal die Tatrichter hiefür nicht nur die Höhe des (an ein Mitglied der kriminellen Vereinigung) gezahlten Entgelts von 1.400 Euro pro Person (sohin bei den acht zugleich Geschleppten in Summe 11.200 Euro) ins Treffen führten (US 7), sondern auch die näheren Umstände der Rekrutierung des Angeklagten für „dauerhafte“ Schlepperfahrten von Ungarn nach Österreich und der tatgegenständlichen Fahrt (Zurverfügungstellen des Schlepperfahrzeugs durch die kriminelle Vereinigung, Begleitung durch zwei Mitglieder derselben zur Abholstelle in einem Waldstück nahe der serbisch-ungarischen Grenze, Begleitung des Transports durch ein weiteres Fahrzeug der Organisation, Empfang von Anweisungen per Mobiltelefon nach Passieren der Grenze; US 3) beschrieben.

Auch die Feststellungen zur Gewerbsmäßigkeit wurden nicht offenbar unzureichend begründet (Z 5 vierter Fall), leiteten die Tatrichter diese doch nicht nur aus den wegen Vermögensdelikten erfolgten Vorstrafen des Angeklagten ab, sondern auch aus seiner Verantwortung und dem objektiven Tathergang (US 7). Soweit sich die Beschwerde in diesem Zusammenhang erneut auf die als unglaubwürdig verworfenen Angaben des Angeklagten zu seinen Annahmen über die Bezahlung von nur 50 Euro pro Person beruft und behauptet, für die zur Dauer der beabsichtigten Verschaffung von Einnahmen getroffenen Feststellungen gäbe es „keine Anhaltspunkte im Akt“, erschöpft sie sich in einer Beweiswürdigungskritik nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung.

Zur Qualifikation der Begehung als Mitglied einer kriminellen Vereinigung (§ 114 Abs 4 erster Fall FPG) vermisst die Beschwerde (nominell Z 5, der Sache nach Z 10) Feststellungen darüber, „wodurch der Beschwerdeführer ein Mitglied einer kriminellen Vereinigung geworden sein soll und sich in dem Wissen beteiligt haben soll, dass er eine Vereinigung oder deren strafbare Handlungen gefördert hätte“, und behauptet dazu, eine bloß einmalige Beteiligung reiche nicht aus. Damit lässt sie jedoch zum einen die Feststellungen zur urteilsgegenständlichen Schlepperfahrt des Angeklagten und seinen Intentionen (US 3 f) außer Acht, zum anderen eine methodengerechte Ableitung aus dem Gesetz vermissen, warum für die Beteiligung als Mitglied an einer kriminellen Vereinigung entgegen der Definition des § 278 Abs 3 StGB die Begehung von mehr als einer (einzigen) strafbaren Handlung des Angeklagten im Rahmen der kriminellen Ausrichtung der Vereinigung erforderlich sein soll (vgl RIS Justiz RS0125249; Plöchl in WK 2 StGB § 278 Rz 36). Ebenso entbehrt sie mit der Behauptung des Fehlens von Feststellungen „über die fortgesetzte Ausführung von strafbaren Handlungen eines oder mehrerer Mitglieder“ jeglicher Argumentation, warum es entgegen § 278 Abs 2 und 4 StGB für das Vorliegen einer kriminellen Vereinigung bereits begangener Straftaten derselben bedürfte und nicht nur auf die Ausrichtung, solche auszuführen, ankommt (vgl Plöchl in WK 2 StGB § 278 Rz 11 f). Mit der Behauptung schließlich, „die Aktenlage“ gebe „keinerlei Auskunft“ über die beabsichtigte Dauer der „deliktischen Tätigkeit“ der Vereinigung, wird kein Nichtigkeitsgrund aufgezeigt, sondern wiederum nur die Beweiswürdigung kritisiert.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) behauptet das Fehlen von für die Frage des Vorsatzes des Angeklagten, sich oder einen Dritten durch ein für seine Tathandlung geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, maßgeblichen - Feststellungen „betreffend die Höhe des Entgelts“, vernachlässigt aber dabei die Konstatierungen, wonach die acht geschleppten Personen für den gegenständlichen Transport jeweils 1.400 Euro an ein Mitglied der Schlepperorganisation bezahlten und es der Angeklagte ernstlich für möglich hielt und sich damit abfand, dass die kriminelle Organisation „mehr als den üblicherweise, nämlich bei rechtmäßiger Einreise, zu zahlenden adäquaten Fuhrlohn erhalten würde“ (US 4).

Warum Feststellungen über die „zum Tatzeitpunkt und davor seit dem 4. September 2015 offenen Grenzen“ für die Klärung der Frage des auf unrechtmäßige Bereicherung gerichteten Vorsatzes erforderlich sein sollen, macht die Beschwerde nicht klar.

Mit der Behauptung der Verfassungswidrigkeit des § 114 FPG wird kein Nichtigkeitsgrund geltend gemacht (RIS Justiz RS0053859). Ein subjektives Recht auf Normanfechtung durch die Strafgerichte besteht im Hinblick auf die mit 1. Jänner 2015 in Kraft getretene Gesetzeslage (Art 140 Abs 1 lit d B-VG idF BGBl I 2013/114 iVm § 62a VfGG idF BGBl I 2014/92) nicht (13 Os 88/15p mwN = RIS Justiz RS0130514).

Die das Vorliegen des prozessualen Verfolgungshindernisses nach § 191 StPO (RIS Justiz RS0124922) behauptende Rechtsrüge nach Z 9 lit b und die Diversionsrüge (Z 10a) orientieren sich nicht am nach § 114 Abs 4 FPG (Strafdrohung bis zu zehn Jahren) erfolgten Schuldspruch, indem sie die gesetzlichen Einschränkungen auf mit nicht mehr als drei (§ 191 Abs 1 StPO) bzw fünfjähriger (§ 198 Abs 2 Z 1 StPO) Freiheitsstrafe bedrohte Taten außer Acht lassen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
5