JudikaturJustiz15Os25/91

15Os25/91 – OGH Entscheidung

Entscheidung
02. Mai 1991

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Mai 1991 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, Dr. Lachner, Dr. Kuch und Dr. Hager als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Sauer als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Michael S***** und andere wegen § 2 Abs. 1 lit a StEG über die Beschwerde des Alexander W***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 12.Dezember 1990, AZ 24 Ns 366/90, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluß

gefaßt:

Spruch

Der Beschwerde wird Folge gegeben, der angefochtene Beschluß aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung nach Verfahrensergänzung an das Oberlandesgericht Wien zurückverwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Beschluß hat das Oberlandesgericht Wien festgestellt, daß dem 24 Jahre alten Alexander W***** für die durch seine strafgerichtliche Anhaltung im Verfahren AZ 23 c Vr 8033/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien in der Zeit vom 12.August 1988, 8,30 Uhr bis zum 25.August 1988, 18,15 Uhr, entstandenen vermögensrechtlichen Nachteile ein Ersatzanspruch gemäß § 2 Abs. 1 lit a StEG nicht zusteht.

Nach den Konstatierungen des Oberlandesgerichtes wurde Alexander W***** am 12.August 1988 um 8,30 Uhr über Anordnung des an Ort und Stelle in Wien 6, Aegidigasse anwesenden Journalrichters des Landesgerichtes für Strafsachen Wien festgenommen und anschließend in das Gefangenenhaus dieses Gerichtshofes eingeliefert. Nach Erlassung eines schriftlichen Haftbefehls durch den Journalrichter wurde am 14.August 1988 die Voruntersuchung gegen Alexander W***** wegen des Verdachts der Vergehen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt (§§ 15, 269 Abs. 1 StGB), der schweren Körperverletzung (§§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 2 Z 2 und Z 4 StGB und des Landfriedensbruchs (§ 274 Abs. 1 StGB) eingeleitet und über ihn gemäß § 180 Abs. 2 Z 2 und Z 3 lit b und c StPO die Untersuchungshaft verhängt. Am 25. August 1988 um 18,15 Uhr wurde Alexander W***** enthaftet und schließlich am 4.November 1988 das gegen ihn eingeleitete Strafverfahren gemäß § 109 Abs. 1 StPO eingestellt.

Das Begehren auf Feststellung eines Entschädigungsanspruchs nach § 2 Abs. 1 lit a StEG erachtete der Gerichtshof zweiter Instanz deshalb als nicht berechtigt, weil die Festnahme auf Grund eines mündlichen Haftbefehls des Journalrichters erfolgt sei, wobei gegen Alexander W***** ein dringender Tatverdacht (zumindest in Richtung einer Beitragstäterschaft zu den bezeichneten Vergehen) bestanden habe und die Voraussetzungen des Haftgrundes des § 175 Abs. 1 Z 1 StPO gegeben gewesen seien; auch eine (gar nicht behauptete) gesetzwidrige Verlängerung der Haft sei nicht vorgelegen, weil W***** sofort nach Einlangen der Vollanzeige enthaftet worden sei.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen fristgerecht erhobenen Beschwerde des Alexander W***** kommt im Ergebnis Berechtigung zu.

Vorweg ist festzuhalten, daß es nur eine Ausführung des Rechtsmittels gibt und demnach in dieser das gesamte Vorbringen des Rechtsmittelwerbers darzustellen ist, weshalb Verweisungen auf andere Eingaben udgl nicht statthaft sind. Soweit der Beschwerdeführer eingangs seiner Ausführungen auf seine Beschwerde vom 21.März 1989 und auf die darin begehrten ergänzenden Erhebungen verweist, ist daher darauf nicht weiter einzugehen.

Unzutreffend ist der Beschwerdeeinwand, der am 12.August 1988 am Tatort anwesende Journalrichter habe keinesfalls einen mündlichen Haftbefehl erlassen. Wie das vor dem Verfassungsgerichtshof (ua) zum AZ B 1624/88 durchgeführte Verfahren mit Bezug auf die in Rede stehenden Geschehnisse ergeben hat, hat der Untersuchungsrichter durch die Worte "Festnehmen, natürlich" unmißverständlich zu verstehen gegeben, daß er einen mündlichen Haftbefehl gegen die am Tatort anwesenden Personen erlassen hat. Zu diesem Ergebnis kam auch der Verfassungsgerichtshof (ua) in seinem Erkenntnis vom 7.März 1990, GZ B 1624/88-41.

Was schließlich den Einwand betrifft, der angefochtene Beschluß wäre nicht dem Antragsteller, sondern seinem ausgewiesenen Verteidiger zuzustellen gewesen, so übersieht die Beschwerde, daß gemäß § 6 Abs. 4 StEG der nach den Abs. 1 und 2 der zitierten Gesetzesstelle zu fassende Beschluß dem (der) Angehaltenen oder Verurteilten zu eigenen Handen zuzustellen ist und demnach insoweit die allgemeine Vorschrift des § 79 Abs. 2 StPO nicht zur Anwendung kommt (vgl 15 Os 21-24/90 = EvBl 1990/150 = RZ 1990/127).

Berechtigt ist die Beschwerde jedoch, soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Annahme des Oberlandesgerichtes wendet, es habe (auch) gegen ihn ein seine Festnahme und sodann die Verhängung der Untersuchungshaft rechtfertigender Tatverdacht (§§ 175 Abs. 1, 180 Abs. 1 StPO) bestanden und es seien in bezug auf seine Person die Voraussetzungen des § 175 Abs. 1 Z 1 StPO gegeben gewesen.

Denn das Oberlandesgericht hat sich bei seiner Entscheidung nicht damit auseinandergesetzt, daß der Beschwerdeführer bei seiner gerichtlichen Einvernahme am 14.August 1988 (ON 221 des Aktes 23 c Vr 8033/88 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) angegeben hat, am 11.August 1988 gegen 15,30 Uhr in den Bereich der Spalowskigasse gekommen zu sein und gesehen zu haben, daß das Haus bereits abgerissen wurde, die Polizeiaktion daher offensichtlich schon beendet war; er sei dann gegangen und in der Nacht wiedergekommen, im Haus Aegidigasse 13 sei er nicht gewesen. Letzterer Angabe steht allerdings entgegen, daß es im Antrag des Beschwerdeführers vom 21.November 1988 (ON 587 des Vr-Aktes) heißt, "in 1060 Wien, Aegidigasse 13" festgenommen worden zu sein.

War aber der Beschwerdeführer - so wie er es vor dem Untersuchungsrichter angegeben hat - zur Tatzeit nicht im Haus Aegidigasse 13, so würde dies bedeuten, daß er nicht zu jenen Hausinsassen gehörte, die von dort aus die den Anlaß der Festnahme bildenden strafbaren Handlungen verübten, womit es aber in bezug auf ihn an einem konkreten Verdacht, sich an diesen strafbaren Handlungen beteiligt zu haben, fehlte. Diesfalls wäre aber seine Festnahme (und umsomehr die Verhängung der Untersuchungshaft über ihn) gesetzwidrig gewesen. Daran könnte auch der Umstand nichts ändern, daß es der Beschwerdeführer abgelehnt hatte, sich vor den ihn vernehmenden Polizeibeamten am 12. August 1988 zu den gegen ihn erhobenen Anschuldigungen zu äußern.

Bei dieser Sachlage durfte das Oberlandesgericht nicht ohne Erörterung der Verantwortung des Beschwerdeführers vor dem Untersuchungsrichter das Vorliegen eines entsprechenden Tatverdachts gegen den Beschwerdeführer im jeweils maßgebenden Zeitpunkt bejahen. Es wäre vielmehr verpflichtet gewesen, die Stichhältigkeit dieser Verantwortung - gegebenenfalls durch ergänzende Erhebungen iS des § 6 Abs. 3 StEG - zu überprüfen.

Somit erweist sich die gegenständliche Sache noch nicht als entscheidungsreif, so daß in Stattgebung der Beschwerde spruchgemäß zu erkennen war.