JudikaturJustiz15Os198/96

15Os198/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
16. Januar 1997

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 16.Jänner 1997 durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Mag.Strieder, Dr.Rouschal, Dr.Schmucker und Dr.Habl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Heißenberger als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Ewald P***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 8.Oktober 1996, GZ 23 Vr 1396/96-26, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluß

gefaßt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugemittelt.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Ewald P***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 2 StGB (1 und 2) schuldig erkannt, weil er in der Nacht zum 15. auf den 16.März 1996 in Linz anderen fremde bewegliche Sachen durch Einbruch mit dem Vorsatz weggenommen hat, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

(zu 1) der Sabine B***** sieben Stangen Zigaretten im Wert von 2.000 S, indem er mit einer Rohrzange das Zylinderschloß der Eingangstür zum Cafe "A*****" aufbrach und so in das Lokal eindrang;

(zu 2) der Firma S***** GesmbH rund 4.000 S Bargeld, indem er nach der unter Punkt 1 beschriebenen Tat an fünf im Lokal befindlichen Automaten mit einem Schraubenzieher die Geldladen aufbrach.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf die Z 4, 5 und 5 a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der keine Berechtigung zukommt.

Entgegen dem Vorbringen in der Verfahrensrüge (Z 4) wurde durch die (vermeintlich durch "unrichtige Rechtsbelehrung" des Vorsitzenden veranlaßte) Rückziehung des vorerst gestellten Beweisantrages auf Vernehmung des Zeugen Otto S*****, "daß er diesen Zylinder in der Gartenhütten Z*****straße abgedreht hat und dieser seit damals in der Gartenhütte gelegen ist, zum Beweis dafür, daß der Zylinder von der Tür der Gartenhütte stammt" (175), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Denn zum einen ist der - anwaltlich vertretene - Beschwerdeführer nach Rückziehung des gestellten Beweisantrages in der Hauptverhandlung vom 8.Oktober 1996 (176) zur Erhebung einer Verfahrensrüge mangels Vorliegens eines entsprechenden Antrages formell nicht legitimiert. Andererseits ist das Schöffengericht entgegen dem - ersichtlich auf den Hinweis des Vorsitzenden, "daß dieses Beweisthema ohnedies bejaht werden kann, weil es unstrittig ist" (176) - bezogenen Einwand des Verteidigers des Angeklagten, er sei durch die "unrichtige Rechtsbelehrung" des Vorsitzenden zur Zurücknahme dieses ("wesentlichen") Beweisantrages veranlaßt worden, ohnedies im Urteil davon ausgegangen, daß der abgebrochene Schließzylinder von der Gartenhütte Z*****straße 26 stammt und dort vor einigen Jahren abgedreht worden ist, damit ein neuer Schließzylinder eingebaut werden konnte (US 4), sodaß von einer "Unrichtigkeit der Rechtsbelehrung" des Vorsitzenden in der Hauptverhandlung keine Rede sein kann. Soferne erst die Beschwerdeschrift - und somit verspätet - das Beweisthema durch das Vorbringen erweitert, daß "die an diesem Teil des Schließzylinders des Hubert E***** vorhandenen Zieh- und Kratzspuren von dem Ausbau bzw Abbrechen dieses Zylinders durch den Zeugen Otto S***** im März 1994 herrühren und keinesfalls von einer Rohrzange stammen können, die ich (der Angeklagte) erst seit Februar oder März 1996 besessen habe", weicht sie prozeßordnungswidrig von dem im Verfahren erster Instanz bezeichneten Beweisthema ab. Damit ist aber im übrigen der Beschwerdeführer im Hinblick auf die Veränderung des Beweisthemas in der Beschwerde gegen jenes der ersten Instanz auch unter diesem Gesichtspunkt formell nicht zur Erhebung der Verfahrensrüge legitimiert (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 41). Letztlich ist noch anzumerken, daß der Richter zwar nach § 3 StPO verpflichtet ist, den unverteidigten Angeklagten darüber zu belehren, daß er die von ihm erwähnten Entlastungszeugen namhaft machen und deren Vernehmung beantragen könne, jedoch nicht einen Verteidiger in der Ausübung seiner Funktion zu kontrollieren oder gar zu belehren hat (Mayerhofer/Rieder aaO § 3 ENr 175 und 178), sodaß im gegenständlichen Fall von einem Verstoß gegen das Prinzip der Erforschung der amtswegigen Wahrheit nicht gesprochen werden kann.

Zu Unrecht behauptet die Mängelrüge (Z 5) eine Aktenwidrigkeit hinsichtlich der vom Erstgericht aus dem Sachverständigengutachten Dris.Si***** gezogenen Schlüsse über die Herkunft und Übereinstimmung der Kratzspuren an den Zylinderschlössern (der Gartenhütte des Hubert E***** und des Lokals "A*****") mit der entsprechenden Ziehspur einer der vier beim Angeklagten aufgefundenen Rohrzangen (172), insoweit als der Sachverständige lediglich die Formulierungen "was darauf hindeutet" bzw "was daraus schließen läßt", das Erstgericht hingegen die Formulierung "eindeutig bewiesen sei", verwendet habe.

Damit vermag die Beschwerde aber nicht darzutun, inwieweit in den Entscheidungsgründen als Inhalt einer Urkunde oder Aussage etwas angeführt wurde, was deren Inhalt nicht bildet oder inwieweit der Inhalt einer Aussage oder eines anderen Beweismittels im Urteil unrichtig wiedergegeben worden ist. Der unter dem Gesichtspunkt eines Begründungsmangels nur einen formalen Vergleich gestattende Nichtigkeitsgrund einer Aktenwidrigkeit wird jedenfalls nicht zur Darstellung gebracht, wenn - wie hier - behauptet wird, daß zwischen den vom Gericht getroffenen Tatsachenfeststellungen und den diesen zugrunde gelegten Beweisergebnissen ein Widerspruch bestehe. Die Richtigkeit der auf richterliche Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) beruhenden Schlüsse kann unter dem Gesichtspunkt einer Aktenwidrigkeit jedenfalls nicht angefochten werden (Mayerhofer/Rieder aaO § 281 Z 5 E 191). In Wahrheit bestreitet die Beschwerde nicht eine inhaltliche Abweichung zwischen den vom Sachverständigen erhobenen Beweisgrundlagen (Übereinstimmung der Ziehspuren des Schlosses mit dem Werkzeug) und den bezüglichen Urteilsfeststellungen, sondern lediglich den Wahrscheinlichkeitsgrad der darauf beruhenden Schlußfolgerungen, wobei sie übersieht, daß nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung (§ 258 Abs 2 StPO) das Gericht nicht nur zwingende, sondern auch Wahrscheinlichkeitsschlüsse zu Tatsachenfeststellungen (Mayerhofer/Rieder aaO § 258 E 21 f, 26, 49 a, 281 Z 5 E 148 f) berechtigt. Wenn daher aus den formell einwandfrei ermittelten Prämissen für den Angeklagten auch günstigere Schlußfolgerungen möglich wären, sich die Erkenntnisrichter aber dennoch für die den Angeklagten ungünstigeren entschlossen haben, liegt ein (mit Nichtigkeitsbeschwerde unanfechtbarer) Akt der richterlichen Beweiswürdigung vor.

Mit dem weiteren Einwand, der Feststellung, der Angeklagte habe der Sabine B***** sieben Stangen Zigaretten im Wert von rund 2.000 S und der Firma S***** GesmbH rund 4.000 S Bargeld gestohlen, mangle es an jeglicher Begründung, übergeht die Beschwerde die - mit den Denkgesetzen im Einklang stehenden - Urteilsfeststellungen US 3, 4 und 6, in denen der Gerichtshof - dem Gebot des § 270 Abs 2 Z 5 StPO Rechnung tragend - in gedrängter Form die entscheidenden (also für die Schuld und den Strafsatz maßgebenden) Tatsachen bezeichnet hat, die er als erwiesen angenommen hat und die die Grundlage für die Annahme des der Täterschaft des Angeklagten darstellen. Mit der Argumentation, das Erstgericht hätte aus den Manipulationen mit den beim Angeklagten vorgefundenen Rohrzangen am Schloß des Lokals "A*****" nicht schließen dürfen, daß der Angeklagte auch tatsächlich den Einbruchsdiebstahl durchgeführt habe, bekämpft der Beschwerdeführer lediglich auf eine im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässige Weise erneut die Beweiswürdigung der Tatrichter nach Art einer Schuldberufung.

Aber auch unter dem Aspekt der Tatsachenrüge (Z 5 a) vermögen die Ausführungen, mit welcher der Beschwerdeführer durch die jeweils isolierte Bezugnahme auf einzelne Beweisergebnisse Zweifel an seiner Täterschaft aufzuzeigen sucht, keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Hiebei versucht der Angeklagte wiederum - wie schon in der Mängelrüge - gegen die - durch das schlüssige Sachverständigengutachten gedeckten - Urteilsfeststellungen über die Übereinstimmung der Zieh- und Kratzspuren von einer der vom Angeklagten den Sicherheitswachebeamten freiwillig ausgefolgten, damals in seinem Besitz befindlichen Rohrzangen mit denjenigen auf den Zylinderteilen der Schlösser (einerseits des Cafes "A*****" und andererseits der Gartenhütte des Hubert E*****) zu argumentieren, indem er - aus dem Zusammenhang gerissen - durch punktuelle Hervorhebung einzelner Beweisergebnisse, welche er als für ihn günstig ansieht, ebenso wie mit der - sachlich jedoch keine Mängel im Sinn der §§ 125, 126 StPO aufzeigenden - Kritik an der inhaltlichen Richtigkeit des Sachverständigengutachtens bzw an der Tauglichkeit und Vollständigkeit der Befundaufnahme die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes auf eine auch im Rahmen der Tatsachenrüge nicht zulässige Weise (NRsp 1994/176) in Zweifel zu ziehen.

Soweit moniert wird, "daß die Untersuchungsbehörden Beweismittel produzieren, die auf nicht überprüfbare und nicht nachvollziehbare Art und Weise im Verfahren Eingang finden", sei darauf verwiesen, daß die (kleinere) blaue Rohrzange, die jenes Spurenbild trägt, das am Außenzylinder des Schlosses des Lokals A***** zu finden ist (75, 77), bei Gericht erliegt (131, 139) und in der Hauptverhandlung vorgewiesen wurde (163), sodaß es freigestanden wäre, einen (zu begründenden) Antrag auf neuerliche Spurenabnahme durch den Sachverständigen vor dessen Gutachtenserstattung zu stellen.

Unverständlich ist schließlich der Rechtsmittelantrag (201) "... nach § 288 a StPO die Hauptverhandlung zu vernichten ...". Denn der - damit der Sache nach relevierte - Nichtigkeitsgrund des § 281 a StPO (Entscheidung eines unzuständigen Oberlandesgerichtes über einen Anklageeinspruch wurde eine Versetzung in den Anklagestand) auf den § 288 a StPO abstellt, konnte im vorliegenden Verfahren gar nicht verwirklicht worden sein, weil der Angeklagte nach der Aktenlage keinen Einspruch gegen die Anklageschrift erhoben hat (113).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285 d Abs 1 StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung - ein Gerichtstag ist erst (und nur dann) anzuberaumen, wenn die Zurückweisungsvoraussetzungen nach dieser Gesetzesstelle nicht gegeben sind - zurückzuweisen.

Über die Berufungen wird demzufolge der hiefür zuständige Gerichtshof zweiter Instanz zu befinden haben (§ 285 i StPO).

Rechtssätze
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