JudikaturJustiz15Os178/15p

15Os178/15p – OGH Entscheidung

Entscheidung
19. Juli 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juli 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl, die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Jülg, BSc, als Schriftführer in der Strafsache des Privatanklägers Mag. Ralph K***** gegen Martin R***** wegen des Vergehens der üblen Nachrede nach § 111 Abs 1 und Abs 2 StGB, AZ 91 Hv 75/09d des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag des Privatanklägers auf Erneuerung des Strafverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Mit (im zweiten Rechtsgang ergangenem) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 10. Juli 2014, GZ 91 Hv 75/09d 122, wurde – soweit hier von Bedeutung – Martin R***** von der Anklage, er habe am 28. Mai 2009 in Wien durch Überreichung einer von ihm gegen Ralph K***** erstatteten Strafanzeige an Markus O***** dazu beigetragen, dass letzterer als Medieninhaber des Internetportals „Blaulicht und Graulicht – Das Online Magazin“ auf dieser Internetseite ab 29. Mai 2009 durch das Verfassen und Veröffentlichen des Artikels „Entreicherter zeigt Anwalt Ralph K***** beim Staatsanwalt an“ und der Veröffentlichung der Strafanzeige des R*****, die ehrenrührige Darstellungen über den Privatankläger enthielt, sowie durch das Verfassen eines weiteren Textes (mit näher bezeichnetem Inhalt) den Privatankläger in einer für Dritte wahrnehmbaren Weise verächtlicher Eigenschaften zieh sowie unehrenhaften und gegen die guten Sitten verstoßenden Verhaltens beschuldigte, das geeignet war, ihn in der öffentlichen Meinung verächtlich zu machen und herabzusetzen, gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen. Des weiteren wurde der auf die Veröffentlichung des Artikels vom 29. Mai 2009 gestützte Antrag auf Zuspruch einer Entschädigung gemäß §§ 6 ff MedienG unter „solidarischer Haftung“ der Angeklagten R***** und O***** abgewiesen.

Das Oberlandesgericht Wien als Berufungsgericht gab mit (dem Privatankläger am 29. Mai 2015 zugestelltem) Urteil vom 20. Mai 2015, AZ 17 Bs 402/14p, der dagegen erhobenen Berufung des Privatanklägers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Dieser beantragte mit Eingabe vom 27. November 2015 unter Behauptung von Verletzungen der Art 6, 8 und 10 MRK sowie des Art 1 des 1. ZPMRK die Erneuerung des Privatanklageverfahrens gemäß § 363a StPO per analogiam (RIS Justiz RS0122228); ihm kommt jedoch ein Antragsrecht nicht zu.

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs sind Ankläger (zu denen auch Privatankläger und Antragsteller nach §§ 6 ff MedienG zählen) zur Stellung eines Antrags auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO – auch im Bereich der erweiterten Anwendung (RIS Justiz RS0122228) – nicht legitimiert (RIS Justiz RS0123644).

Soweit der Antragsteller behauptet, es bestünden „eine massive Divergenz und Widersprüchlichkeiten“ zwischen jenen Entscheidungen, die Zivilgerichte in einem vom Erneuerungswerber angestrengten Verfahren getroffen haben, und der gegenständlichen Berufungsentscheidung des Oberlandesgerichts Wien, versucht er unter Verweis auf das Gebot der Rechtssicherheit eine Verletzung des Art 6 MRK im Privatanklageverfahren aufzuzeigen (vgl zu den Voraussetzungen jedoch Grabenwarter/Pabel , EMRK 6 § 24 Rz 78) , leitet damit aber eine Antragslegitimation für die Erneuerung nach § 363a StPO nicht ab.

Weder der unter dem Aspekt des Rechts auf ein faires Verfahren (Art 6 MRK) angesprochene Grundsatz der Waffengleichheit noch das Recht auf Zugang zu Gericht machen die Einräumung einer Antragslegitimation des Privatanklägers für Erneuerung nach § 363a StPO erforderlich, verpflichtet doch Art 6 MRK (das Recht auf Überprüfung von Strafurteilen nach Art 2 des 7. ZPMRK steht hier nicht in Rede) nicht dazu, Rechtsmittel oder -behelfe vorzusehen und dafür zuständige Gerichte einzurichten ( Grabenwarter/Pabel , EMRK 6 § 24 Rz 63; Frowein/Peukert , EMRK Kommentar³ Art 6 Rz 93).

Mit der Behauptung, Verfahrenserneuerung müsse auch einem Privatankläger gewährt werden, „der berechtigt staatlichen Rechtsschutz wegen Beeinträchtigung seines Rufes und seiner Privatsphäre iSd Art 8 EMRK sowie Art 10 EMRK begehrt“, setzt sich der Antragsteller über den Wortlaut des § 363b StPO hinweg, womit er eine Abkehr von der – auf diese Gesetzesbestimmung Bezug nehmenden – ständigen Rechtsprechung nicht einzuleiten vermag.

Soweit sich die Behauptungen einer Antragslegitimation auf Art 6 iVm Art 13 MRK stützt, wird übersehen, dass vorliegend bereits ein den Garantien des Art 6 MRK entsprechendes Strafverfahren (einschließlich eines ordentlichen Rechtsmittelverfahrens) geführt wurde.

Der Hinweis auf Art 14 MRK und die Behauptung, die Verweigerung des Antragsrechts eines Privatanklägers sei „in letzter Konsequenz“ eine Diskriminierung gegenüber diesem, ist unverständlich (vgl zum Anwendungsbereich dieses Rechts Grabenwarter/Pabel , EMRK 6 § 26 Rz 1 und 4).

Bloße Kritik am Ausgang des Privatanklageverfahrens übt der Antragsteller, wenn er Art 1 des 1. ZPMRK verletzt erachtet, weil er „im Vertrauen auf die oberstgerichtliche Rechtsprechung zu § 111 StGB geklagt“ habe, wohingegen er seine Antragslegitimation damit einmal mehr nicht begründet.

Für die vom Erneuerungswerber angeregte amtswegige Normanfechtung (Art 89 Abs 2 B VG) besteht mangels Bedenken gegen die Verfassungskonformität des § 363b StPO keine Veranlassung (vgl in diesem Zusammenhang auch RIS Justiz RS0130514; Ratz , WK StPO § 285j Rz 4 bis 6).

Da dem Erneuerungswerber kein Antragsrecht zusteht, hat eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den behaupteten Grundrechtsverletzungen zu unterbleiben und ist der Erneuerungsantrag – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – in nichtöffentlicher Beratung gemäß § 363b Abs 2 Z 2 StPO zurückzuweisen.