JudikaturJustiz15Os163/94

15Os163/94 – OGH Entscheidung

Entscheidung
15. November 1994

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.November 1994 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr.Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr.Kuch und Mag.Strieder als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag.Hradil als Schriftführerin in der bei dem Landesgericht Wels zum AZ 17 Vr 328/94 anhängigen Strafsache gegen Zivorad M***** und andere wegen des Verbrechens des Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 2 und 129 Z 1 StGB über die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten M***** gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Linz vom 23.September 1994, AZ 7 Bs 323/94, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Durch den angefochtenen Beschluß wurde Zivorad M***** in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Gegen den serbischen Staatsangehörigen Zivorad M***** ist beim Landesgericht Wels zum AZ 17 Vr 328/94 ein Strafverfahren anhängig. Am 17.April 1994 wurde gegen ihn die Voruntersuchung wegen "Verdachtes des Verbrechens des schweren Diebstahls" eingeleitet und über ihn die Untersuchungshaft aus den Haftgründen der Verdunkelungsgefahr (§ 180 Abs 1 und Abs 2 Z 2 StPO) und der Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 1 und Abs 2 Z 3 lit a StPO (S 268/I, ON 42) verhängt. Am 20.April 1994 wurde er unter Anwendung der gelinderen Mittel gemäß § 180 Abs 5 Z 1, 2, 3 und 5 StPO enthaftet (S 269/I).

Am 17. (oder 18. - vgl S 269 verso/I und 285/III) August 1994 wurde die Voruntersuchung in Richtung "§§ 232 und 278 StGB" ausgedehnt (S 269 verso/I) und erneut über ihn gemäß § 180 Abs 1, Abs 2 Z 1, 2 und 3 lit b StPO die Untersuchungshaft verhängt (S 269 a/I und ON 233). Der dagegen von Zivorad M***** erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Linz mit Beschluß vom 23.September 1994, AZ 7 Bs 323/94 (= ON 298), nicht Folge und sprach aus, daß die Untersuchungshaft aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 1 und Abs 2 Z 3 lit b StPO fortzusetzen sei.

Zivorad M***** bekämpft diesen Beschluß des Gerichtshofes zweiter Instanz mit Grundrechtsbeschwerde, in der er den (dringenden) Tatverdacht des Einbruchsdiebstahls in der Nacht zum 31.Jänner 1994 (Diebstahl zweier PKWs in Regau und Salzburg), des Werkzeugdiebstahls zum Nachteil der A*****-GesmbH sowie hinsichtlich seiner Beteiligung an den Delikten "§§ 232 und 278 StGB" bestreitet. Ebenso wird das Vorliegen des Haftgrundes der "Z 3" des § 180 Abs 1 und Abs 2 StPO in Zweifel gezogen und die Nichtanwendung der gelinderen Mittel der Z 3 bis 5 des § 180 Abs 5 StPO moniert.

Vorweg ist anzumerken, daß die Grundrechtsbeschwerde angesichts der dem Gesetz entsprechenden gebotenen Dringlichkeit (§ 4 GRBG) nur insoweit einer sachlichen Erledigung zugänglich ist, als sie zusammenhängende Ausführungen enthält; dies ist vorliegend infolge der zweimaligen Wiedergabe der Seite 7 und des Fehlens der Seite 8 nur im nachstehend aufgezeigten Umfang möglich.

Was die Annahme eines für die Verhängung und Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft erforderlichen dringenden Tatverdachtes anlangt, so wird der Beschwerdeführer hinsichtlich der PKW-Diebstähle in der Nacht zum 31.Jänner 1994 in Regau und Salzburg sowie der Inverkehrsetzung von falschen DM-Scheinen von Budimir T***** in einer die diesen Tatverdacht rechtfertigenden Weise belastet.

Zwar hat T***** seine wiederholt geäußerten belastenden Angaben letztlich widerrufen, doch ist der hierauf beruhende Tatverdacht in Richtung des Diebstahls zweier Autos im Wert von mehr als einer halben Million Schilling, des Verbrechens nach § 232 Abs 2 StGB und des Vergehens nach § 278 Abs 1 StGB nach wie vor gegeben, weil diese Vorwürfe durch eine Reihe von im bekämpften Beschluß einzeln angeführten weiteren Beweisen (Grenzübertrittseintragungen in Reisepässen, Deckung der Angaben über die Autodiebstähle durch nur in geringfügigen Details abweichenden Anzeigen der Bestohlenen, Auffindung gefälschter Banknoten beim Mitbeschuldigten K***** und bei dessen Freundin, der von T***** als Komplize des Beschwerdeführers bezeichnet wird, Übereinstimmung dieser gefälschten Banknoten mit einer Vielzahl sichergestellter Falsifikate), aber auch dadurch gestützt werden, daß der Mitbeschuldigte V***** zunächst ähnliche belastende Behauptungen des T***** in Gesprächen mitangehört zu haben behauptete.

Da die Aktenlage hinreichende Anhaltspunkte dafür bietet, daß auf T***** wie auch auf V***** noch in der Haft Druck ausgeübt wurde, die belastenden Aussagen nicht aufrechtzuerhalten, vermag der Widerruf der Bezichtigungen durch T***** den Tatverdacht nicht zu entkräften.

Zutreffend ist auch der Hinweis des Oberlandesgerichtes Linz auf die Aussagen sowohl des derzeitigen (Zeuge H*****) als auch des früheren (Zeuge Ing.M*****) Betriebsleiters der Dienstgeberfirma sowie auf die einem Verstecken gleichzuhaltenden Verwahrung der aus dieser Firma stammenden, vorwiegend originalverpackten Gegenstände durch den Beschwerdeführer, die den Tatverdacht eines Dienstdiebstahls in hinreichender Weise zu stützen vermögen.

Im übrigen ist den breiten, nach Art einer Schuldberufung gehaltenen Ausführungen des Beschwerdeführers zu entgegnen, daß die Frage, ob Belastungsmomente letztlich für einen Schuldspruch hinreichen werden, nach den das österreichische Strafverfahrensrecht beherrschenden Grundsätzen der Mündlichkeit, Unmittelbarkeit und freien richterlichen Beweiswürdigung den Tatrichtern überlassen bleiben muß, denen der Oberste Gerichtshof im Verfahren über eine Grundrechtsbeschwerde nicht vorzugreifen hat (RZ 1993/7 = NRsp 1993/52, EvBl 1993/151 = NRsp 1993/137, EvBl 1993/95, NRsp 1994/9 ua).

Bei Bestreitung des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr gemäß § 180 Abs 1 und Abs 2 Z 3 lit b StPO stützt sich der Beschwerdeführer weitgehend auf seine gegen die Dringlichkeit des Tatverdachtes angeführten - unbegründeten - Argumente. Soweit er darüber hinaus behauptet, der Diebstahl von Werkzeugen aus der früheren Dienstgeberfirma könne auch in einem einzigen Zugriff verübt worden sein und beruhe nicht auf derselben schädlichen Neigung wie § 232 StGB sowie dieser Diebstahl liege schon längere Zeit zurück, ist auf den Umfang der in firmeneigenen Verpackungen sichergestellten Diebsbeute und auf die zutreffenden Erwägungen des Oberlandesgerichtes Linz über die kriminologische Zugehörigkeit des § 232 StGB zur Vermögensdelinquenz im weiteren Sinne (vgl Leukauf/Steininger, Komm3 § 71 RN 2 f, Pallin im WK § 71 Rz 3) zu verweisen; daß der Werkzeugdiebstahl bereits längere Zeit zurückliegt, vermag am Vorliegen des Haftgrundes der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 1 und Abs 2 Z 3 lit b StPO nichts zu ändern, weil Zivorad M***** mit Urteil des Landesgerichtes Salzburg vom 9.September 1991 zum AZ 33 E Vr 1208/91 wegen §§ 146 und 15 StGB, sohin wegen einer strafbaren Handlung gegen das Rechtsgut fremdes Vermögen verurteilt worden ist (S 201/I) und ihm nunmehr u.a. zwei im Jahr 1994 begangene Diebstähle von Kraftfahrzeugen im Wert von mehr als einer halben Million Schilling, sohin mit nicht bloß leichten Folgen, angelastet werden.

Aus der Intensität dieser Tatbegehungsgefahr ergibt sich, daß der Haftzweck durch die Anwendung der vom Beschwerdeführer angeregten gelinderen Mittel im Sinne der Z 3 bis 6 des § 180 Abs 5 StPO nicht erreicht werden kann, weil bei lebensnaher Betrachtung unter Einbeziehung der in die Richtung organisierter Kriminalität weisenden Verdachtsmomente auch die Befolgung von Weisungen und die Abnahme der Reise- und Kfz-Papiere der Fortsetzung der verfahrensgegenständlichen kriminellen Tätigkeit gerade im Umkreis des Beschwerdeführers in keiner Weise im Wege stehen würde.

Die bisherige Dauer der seit 18.August 1994 währenden Untersuchungshaft ist angesichts des objektiven Unrechtsgehaltes der Straftaten, deren der Beschwerdeführer verdächtig ist, auch keineswegs unverhältnismäßig.

Da Zivorad M***** durch die in Rede stehende Entscheidung des Oberlandesgerichtes Linz in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt wurde, war die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.