JudikaturJustiz15Os147/17g

15Os147/17g – OGH Entscheidung

Entscheidung
17. Januar 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 17. Jänner 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Zach, LL.M. (WU), als Schriftführerin in der Strafsache gegen Nikoll D***** und andere Angeklagte, wegen des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1, § 161 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Nikoll D*****, Martin Dr***** und Albert D***** gegen das Urteil des Landesgerichts St. Pölten als Schöffengericht vom 3. April 2017, GZ 36 Hv 71/14v 184, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Den Angeklagten Nikoll D*****, Martin Dr***** und Albert D***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch rechtskräftige Freisprüche des Erstangeklagten und einer weiteren Angeklagten enthaltenden Urteil, wurden Nikoll D*****, Martin Dr***** und Albert D***** des Verbrechens der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 StGB, Nikoll D***** als leitender Angestellter nach § 161 Abs 1 StGB, der Zweit und Drittangeklagte als Beteiligte nach § 12 dritter Fall StGB schuldig erkannt.

Danach haben in A*****, B***** und anderen Orten

I. Nikoll D***** im bewussten und gewollten Zusammenwirken als Mittäter (§ 12 StGB) mit Dushanka D***** als faktischer Geschäftsführer, sohin als leitender Angestellter (§ 74 Abs 3 StGB) der J***** GmbH, welche Schuldnerin mehrerer Gläubiger war, Bestandteile deren Vermögens verheimlicht bzw sonst wirklich verringert und dadurch die Befriedigung der Gläubiger des Unternehmens vereitelt oder geschmälert, wobei ein 300.000 Euro nicht übersteigender Schaden entstand, indem er

A. zum Schein Einrichtungsgegenstände kaufte, in das Anlageverzeichnis der J***** GmbH aufnahm und durch Entnahme der Rechnungssummen den Kassastand der Gesellschaft um die Kaufpreise verringerte, ohne diese tatsächlich zu bezahlen, nämlich

1. durch die Aufnahme vermeintlicher Zahlungen an Martin Dr***** für den Ankauf von Lokaleinrichtungen in den Kassabericht

a. am 30. Mai 2010 die Zahlung von 18.000 Euro für die Einrichtung des Lokals „H*****“,

b. am 30. September 2010 die Zahlung von 30.000 Euro für die Einrichtung des Lokals „S*****“,

c. am 1. August 2010 die Zahlung von 48.000 Euro für die Einrichtung des Lokals „A*****“,

d. am 30. Dezember 2010 die Zahlung von 36.000 Euro für die Einrichtung des Lokals „H*****“,

e. am 31. März 2011 die Zahlung von 7.200 Euro für eine Büroeinrichtung;

2. am 31. Mai 2011 durch die Aufnahme der vermeintlichen Zahlung von 36.000 Euro an Grisha D***** für den Ankauf der Einrichtung des Lokals „C*****“ in den Kassabericht;

3. am 1. April 2010 durch die Aufnahme der vermeintlichen Zahlung von 48.000 Euro an die A***** KEG für den Ankauf der Einrichtung des Lokals „B*****“ in den Kassabericht,

B. am 1. September 2010 den PKW der J***** GmbH zu einem Preis von 22.000 Euro verkaufte und den Verkaufserlös nicht in das Unternehmen einbrachte;

C. im Jahr 2012 den Masseverwalter der J***** GmbH, Mag. F*****, aus der Kassa des Lokals „S*****“ nur einen Teilbetrag in der Höhe von 1.200 Euro übergab, und der Gesellschaft dadurch 5.584,87 Euro vorenthielt;

II. Martin Dr***** zu der unter I./A./1. angeführten strafbaren Handlung beigetragen, indem er in Kenntnis der inkriminierten Handlungen der unmittelbaren Täter diesen die erwähnten Einrichtungsgegenstände überließ und unrichtige Zahlungsbestätigungen und Rechnungen ausstellte oder unterfertigte;

III. Albert D***** zu der unter I./A./3. angeführten strafbaren Handlung beigetragen, indem er in Kenntnis der inkriminierten Handlung der unmittelbaren Täter diesen die erwähnten Einrichtungsgegenstände überließ und eine unrichtige Zahlungsbestätigung bzw Rechnung ausstellte.

Dagegen richten sich die von Nikoll D***** auf Z 4, 5, 5a, 9 lit a und 11, von Martin Dr***** und Albert D***** auf Z 4, 5 und 9 lit a je des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerden. Die Rechtsmittel verfehlen ihr Ziel.

Rechtliche Beurteilung

Zur Nichtigkeitsbeschwerde des Nikoll D*****:

Mit Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert der Beschwerdeführer die Abweisung mehrerer in der Hauptverhandlung am 3. April 2017 gestellter Beweisanträge (ON 183 S 14 f).

Die Einholung eines Buchsachverständigen-Gutachtens wurde (zusammengefasst) zum Beweis dafür begehrt, dass

sich aus der Buchhaltung der J***** GmbH keine Anhaltspunkte dafür ergeben, dass es sich bei den in der Anklageschrift angeführten Vorgängen um Scheingeschäfte gehandelt hat, dass durch den Verkauf des Mazda ZX7 das Vermögen des Unternehmens zum Nachteil der Gläubiger verringert wurde, dass der Kassastand des Lokals „S*****“ zum Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens den Betrag von 1.200 Euro überstiegen hat und dass der Angeklagte falsche Kassaberichte, Zahlungsbestätigungen oder Rechnungen vorgelegt hätte;

durch die in der Anklageschrift angeführten Rechtsgeschäfte die Befriedigung der Gläubiger in keiner Weise vereitelt oder geschmälert wurde;

die in Punkt B. der Anklageschrift angeführten Mietzahlungen den Kassastand in keiner Weise verringert haben;

und die Verhältnisse der J***** GmbH im Jahresabschluss 2010 richtig und den Grundsätzen ordnungsgemäßer Buchführung entsprechend dargestellt wurden.

Anträge, die nicht erkennen lassen, warum die beantragte Beweisaufnahme das vom Antragsteller behauptete Ergebnis erwarten lasse und inwieweit dieses für die Schuld- oder Subsumtionsfrage von Bedeutung ist, die also mit dem Ziel gestellt werden, erst abzuklären, ob von bestimmten Beweisen eine weitere Aufklärung zu erwarten sei oder ob überhaupt Beweismittel auffindbar sind, deren Heranziehung der Wahrheitsfindung dienlich sein können, laufen auf eine – unzulässige – bloße Erkundungsbeweisführung hinaus (RIS Justiz RS0099841).

Vorliegend ließ der Antrag nicht erkennen, welche konkreten Aufschlüsse sich aus der Buchhaltung, die vom Erstgericht im Übrigen ohnehin als korrekt bewertet wurde (US 19), für die angegebenen Beweisthemen ergeben sollten, werden dem Angeklagten doch keine Manipulationen im Zusammenhang mit der Buchhaltung, sondern Scheinkäufe vorgeworfen, bei denen er zwar durch Entnahme der Rechnungssummen den Kassastand um die Kaufpreise verringerte, tatsächlich aber keine Zahlungen leistete (US 2, 9).

Gleichfalls unklar bleibt, weshalb angesichts der über das Unternehmen eröffneten Insolvenz mit festgestellten Forderungen in der Höhe von 583.756,68 Euro bei einer Verteilungsquote von 6,6 % (US 10) ein Sachverständiger feststellen können sollte, dass „die Befriedigung der Gläubiger in keiner Weise vereitelt oder geschmälert wurde“. Von Punkt B. der Anklageschrift (mehrfache Aufnahme von bereits bezahlten Mietzinsen in die Kassaberichte) wurde der Angeklagte freigesprochen, weshalb die Beschwerde diesbezüglich ins Leere geht. Schließlich betrifft auch die Frage, ob die Verhältnisse des Unternehmens im Jahresabschluss 2010 richtig dargestellt wurden, keinen Gegenstand des Verfahrens.

Auch der Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Unternehmensbewertung zum Beweis dafür, dass die angekauften Einrichtungsgegenstände im Anlagevermögen der J***** GmbH korrekt und ihrem Verkehrswert entsprechend bewertet wurden (ON 183 S 14 f), wurde ohne Schmälerung von Verteidigungsrechten abgewiesen, liegt doch dem Angeklagten nicht eine falsche Bewertung der Einrichtungsgegenstände, sondern die Entnahme des Kaufpreises, ohne dieselben tatsächlich zu bezahlen, zur Last (US 9).

Zur Rüge der Abweisung der in der Hauptverhandlung vom Zweitangeklagten gestellten Beweisanträge ist der Beschwerdeführer nicht legitimiert, weil er sich diesen nicht angeschlossen hat (ON 183 S 17 ff). Soweit er letztlich die Abweisung seiner Anträge auch „als Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs 1 Z 3 StPO“ geltend macht, entzieht sich die Kritik einer inhaltlichen Erwiderung, weil sie keine der in dieser Bestimmung taxativ aufgezählten Normen (vgl RIS-Justiz RS0099128) anspricht, die in der Hauptverhandlung verletzt oder missachtet worden sein soll.

Die Kritik der Mängelrüge (Z 5), die Abweisung der Beweisanträge durch das Erstgericht sei „völlig unzureichend begründet“, ist unbeachtlich, steht die Begründung einer Antragsabweisung als solche doch nicht unter Nichtigkeitssanktion (RIS-Justiz RS0116749). Der in Anspruch genommene Nichtigkeitsgrund bezieht sich überdies nur auf die Begründung für die Schuld oder Subsumtionsfrage entscheidender Tatsachen.

Die Konstatierung, der Beschwerdeführer sei faktischer Geschäftsführer des Unternehmens gewesen, gründeten die Tatrichter logisch und empirisch mängelfrei sowie unter Verwerfung der Verantwortung des Angeklagten auf die Angaben des Masseverwalters und der im Urteil näher bezeichneten Zeugen im Zusammenhalt mit der umfassenden Vertretungsvollmacht, die der Angeklagte besaß (US 13 ff). Indem die Rüge (Z 5 vierter Fall) diesen Erwägungen eine eigenständige Bewertung der Zeugenaussagen entgegensetzt, dazu behauptet, diese „entlastenden Beweisergebnisse“ seien nicht berücksichtigt worden, und das Verhältnis des Beschwerdeführers zu seiner Ex Frau thematisiert sowie die Schlüsse des Erstgerichts als lebensfremd bezeichnet, übt sie lediglich Kritik an der Beweiswürdigung des Erstgerichts nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht zulässigen Berufung wegen Schuld, ohne einen formalen Begründungsmangel darstellen zu können.

Nichts anderes gilt für die Erklärung, er „halte hiezu nochmals ausdrücklich fest, dass es weder zum Vorliegen angeblicher 'Scheingeschäfte' konkrete Beweisergebnisse gibt“, sondern nur „diesbezüglich Vermutungen“. Auch das Vorbringen, die Ausführungen des Erstgerichts seien „in keiner Weise nachvollziehbar“, macht keine Kategorie des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes geltend. Soweit der Beschwerdeführer auf die Ausführungen in der Nichtigkeitsbeschwerde des Zweit und Drittangeklagten verweist und sich „vollinhaltlich“ anschließt, verfehlt er die deutliche und bestimmte Bezeichnung von Nichtigkeitsgründen (RIS-Justiz RS0100063).

Entgegen der weiteren Kritik (zu I./A./2./) blieben die Ergebnisse des zu AZ 4 Cg 142/12a vor dem Landesgericht St. Pölten geführten Anfechtungsprozesses bei der Beweiswürdigung nicht unberücksichtigt (Z 5 zweiter Fall); sie wurden von den Tatrichtern in ihre Erwägungen einbezogen, jedoch anders bewertet (US 16).

Auch zu I./B./ und C./ wird mit der Wiederholung der Verantwortung des Beschwerdeführers und der bloßen Behauptung, es gebe keine hinreichenden Beweisergebnisse, kein Nichtigkeitsgrund prozessordnungskonform zur Darstellung gebracht. Zu I./C./ gründeten die Tatrichter ihre Konstatierungen zum Vorhandensein von 6.784,87 Euro in der Kassa des Lokals „S*****“ ohne Verstoß gegen die Grundsätze logischen Denkens und grundlegende empirische Erfahrungen auf den Stand des Kassabuchs und die diesbezügliche Aussage des Masseverwalters (US 10, 17 f; Z 5 vierter Fall).

Die Tatsachenrüge (Z 5a) verweist lediglich auf die Argumente der Mängelrüge und verkennt damit, dass die Nichtigkeitsgründe wesensmäßig verschieden sind und daher getrennt ausgeführt werden müssen (RIS-Justiz RS0115902).

Mit der Behauptung, das Erstgericht irre bei Beurteilung des Sachverhalts im Hinblick auf die faktische Geschäftsführereigenschaft und die „maßgeblichen Tathandlungen“, geht die Rechtsrüge (Z 9 lit a) nicht – wie dies bei Geltendmachung materiell rechtlicher Nichtigkeit notwendig wäre (RIS-Justiz RS0099810) – von den erstgerichtlichen Konstatierungen aus (vgl US 8 und 9 f).

Weshalb die gesetzlichen Voraussetzungen für den Verfall (§ 20 Abs 3 StGB) nicht vorliegen sollten, macht die Sanktionsrüge (Z 11) angesichts der erstgerichtlichen Konstatierungen, der Beschwerdeführer habe das durch die Begehung der Straftaten erlangte Geld „für private Zwecke verwendet“ (US 9, 10, 21), nicht klar.

Zur (gemeinsam ausgeführten) Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Martin Dr***** und Albert D*****:

Soweit die Verfahrensrüge (Z 4) die Abweisung jener Anträge des Erstangeklagten kritisiert, denen sich der Zweit- und Drittangeklagte in der Hauptverhandlung am 3. April 2017 angeschlossen hatten (ON 183 S 16 f), kann auf die Ausführungen zu dessen Nichtigkeitsbeschwerde verwiesen werden.

Der Antrag, ein Buchsachverständigengutachten auch zum Beweis dafür einzuholen, dass der Zweitangeklagte „Dushanka D***** bzw der J***** GmbH ein Darlehen in der Höhe von 50.000 Euro eingeräumt hat, welches nur teilweise zurückbezahlt wurde“, und dass „die Rechtsgeschäfte zwischen dem Zweitangeklagten und der J***** GmbH korrekt verbucht wurden“, ließ – im Hinblick auf die Martin Dr***** zur Last gelegten Tathandlungen (US 3, 9) und darauf, dass die Tatrichter ohnehin von einer ordnungsgemäßen Buchhaltung ausgingen (US 17, 19) – nicht erkennen, weshalb die Beweisthemen für die Beurteilung des Tatverdachts von Bedeutung sein sollten (§ 55 Abs 2 Z 1 und 3 StPO), und konnte somit ohne Schmälerung von Verteidigungsrechten abgewiesen werden.

Gleiches gilt für den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens aus dem Fachgebiet der Unternehmensbewertung zum Beweis dafür, dass die vom Zweitangeklagten der J***** GmbH „verkauften Inventarteile“ und jene des „Gastronomieprojektes H***** beim Verkauf an Herrn F***** dem tatsächlichen Verkehrswert entsprochen haben“ (ON 183 S 16), war diesem doch nicht zu entnehmen, weshalb damit eine für die Schuld- oder Subsumtionsfrage bedeutsame Tatsache bewiesen werden könnte.

Ob der Erstangeklagte das Inventar der Gastronomieobjekte S*****, A***** und H***** „rechtskonform von der N***** GmbH erworben hat“ und „diese Verkaufsvorgänge in der Buchhaltung der N***** ordnungsgemäß verbucht bzw vom Masseverwalter ordnungsgemäß abgehandelt wurden“, betrifft gleichfalls keine erhebliche Tatsache (und wurde im Übrigen „nicht in Abrede gestellt“; US 19), sodass die Anträge auf Vernehmung des Masseverwalters, Dr. Peter S*****, und Beischaffung des Insolvenzakts der N***** GmbH zu Recht abgewiesen wurden (§ 55 Abs 2 Z 1 und 3 StPO).

Die in der Beschwerde nachgetragenen Gründe als Versuch einer Fundierung der Anträge sind angesichts der auf Nachprüfung der erstgerichtlichen Vorgangsweise angelegten Konzeption dieses Nichtigkeitsgrundes unbeachtlich (RIS Justiz RS0099618).

Unvollständig ist ein Urteil dann, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche in der Hauptverhandlung vorgekommene Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließ (RIS Justiz RS0098646). Hingegen wird mit der Behauptung, dass das Gericht bestimmte Aspekte ohnehin verwerteter Beweismittel nicht oder nicht den Intentionen des Beschwerdeführers entsprechend berücksichtigt habe, weder eine Unvollständigkeit noch eine offenbar unzureichende Begründung der Entscheidungsgründe geltend gemacht (RIS Justiz RS0099599).

Entgegen der Kritik der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) wurden die Verantwortungen des Zweit- und des Drittangeklagten vom Gericht nicht mit Stillschweigen übergangen, sondern aufgrund von Erinnerungslücken sowie „Ungereimtheiten oder Widersprüchlichkeiten“ für unglaubwürdig erachtet (US 13, 16 f). Auch die Aussage des Masseverwalters zur Buchhaltung der J***** GmbH wurde von den Tatrichtern in ihre Erwägungen einbezogen (US 17).

Gleiches gilt für die Angaben der beiden Beschwerdeführer zur Frage, wer tatsächlicher Geschäftsführer des Unternehmens war (US 14). Die Verantwortung des Erstangeklagten zu diesem Thema wurde bei der Beweiswürdigung berücksichtigt, von den Tatrichtern aber als Schutzbehauptung gewertet (US 14). Schließlich wird auch mit aus dem Kontext gerissenen Details der Aussagen der Zeugen S***** (ON 166 S 12 ff; vgl US 14) und B***** (ON 166 S 20 ff) zur Führung der J***** GmbH keine Unvollständigkeit des Urteils dargetan (zur Zeugin S***** vgl ON 166 S 15: „Dushanka D***** spricht kein Deutsch.“). Mit eigenständigen beweiswürdigenden Erwägungen trachtet die Beschwerde in Wahrheit lediglich die Beweiswürdigung der Tatrichter einer Kritik zu unterziehen, ohne dass es ihr damit gelingt einen Begründungsmangel in der Bedeutung des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes aufzuzeigen.

Schließlich steht auch der Umstand, dass der Masseverwalter der J***** GmbH die Einrichtung des Lokals „S*****“ weiterverkauft hat, den entscheidungswesentlichen Feststellungen nicht erörterungsbedürftig entgegen.

Gegenstand von Rechts und Subsumtionsrüge ist ausschließlich der Vergleich des zur Anwendung gebrachten materiellen Rechts mit dem festgestellten Sachverhalt. Gesetzesgemäße Ausführung eines materiell rechtlichen Nichtigkeitsgrundes hat daher das Festhalten am gesamten im Urteil festgestellten Sachverhalt, dessen Vergleich mit dem darauf anzuwendenden Gesetz und die Behauptung, dass das Erstgericht bei Beurteilung dieses Sachverhalts einem Rechtsirrtum unterlegen ist, zur Voraussetzung (RIS Justiz RS0099810).

Indem die Beschwerdeführer entgegen den Urteilsannahmen (US 1, 8) behaupten, der Erstangeklagte sei nur Angestellter, mit „bestenfalls einem tatsächlichen, aber keinem rechtlichen Einfluss“ gewesen (vgl zum faktischen Geschäftsführer Kirchbacher in WK 2 StGB § 161 Rz 13; RIS Justiz RS0119794), und sich darauf stützend argumentieren, der Zweit und Drittangeklagte könnten mangels persönlicher Voraussetzungen des unmittelbaren Täters (§ 14 StGB) keine Beitragstäter sein, verfehlen sie diesen, in der Gesamtheit der Feststellungen gelegenen Bezugspunkt und bringen so den Nichtigkeitsgrund nicht prozessordnungsgemäß zur Darstellung.

Die Behauptungen, die vorgeworfenen Tathandlungen (April 2010 bis 2012) seien alle vor 2015 verübt worden, „weshalb die Änderungen laut Strafrechtsänderungsgesetz 2015 keine Anwendung zum Nachteil der Angeklagten finden“ und „§ 161 StGB alt bezieht sich betreffend des leitenden Angestellten auf § 309 StGB und nicht nach § 161 Abs 1 StGB“, bleiben angesichts der seit 1. September 2009 in Bezug auf § 161 StGB (iVm § 74 Abs 3 StGB) unveränderten Normsituation unverständlich.

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Eines Gerichtstags zur öffentlichen Verhandlung bedurfte es – entgegen dem von den Angeklagten in ihrer Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur gestellten Antrag – nicht; ein solcher ist auch unter dem Aspekt des Art 6 MRK nicht erforderlich (RIS Justiz RS0119917; RS0108489).

Zur Entscheidung über die Berufungen ist das Oberlandesgericht zuständig (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
5
  • RS0108489OGH; AUSL EGMR Rechtssatz

    17. Januar 2018·3 Entscheidungen

    Die in der Äußerung des Angeklagten zur Stellungnahme der Generalprokuratur mit dem Hinweis auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in einem Verwaltungsverfahren (Fall Zumtobel gegen Österreich), in dem in der Regel keine öffentliche Verhandlung stattfindet, erhobene Forderung auf Anberaumung eines Gerichtstages ist nicht zielführend. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat wiederholt - insbesondere im Zusammenhang mit dem Nichtigkeitsverfahren vor dem österreichischen Obersten Gerichtshof - ausgesprochen, daß eine Verhandlung vor dem Rechtsmittelgericht nicht erforderlich ist, wenn in erster Instanz eine öffentliche Verhandlung stattgefunden hat und die Beweiswürdigung des Erstgerichtes nach innerstaatlichen Bestimmungen durch das Rechtsmittelgericht nicht zu prüfen ist (Urteil vom 22.Februar 1996, Nr 59/1994/506/588 = ÖJZ 1996, 430; Urteil vom 19.Februar 1996, Nr 50/1994/497/579 = ÖJZ 1996, 675; jeweils mit Zitaten von Vorjudikatur; Frowein/Peukert MRK-Komm2 Art 6 RN 95,118). Dem aus Art 6 MRK abgeleiteten Prinzip der Waffengleichheit wird dadurch genüge getan, daß - wie vorliegend - der Verteidiger Gelegenheit hatte, sich (als letzter vor der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes) zur Stellungnahme der Generalprokuratur zu äußern (vgl Fall Bulut gegen Österreich = ÖJZ 1996,430).