JudikaturJustiz15Os131/96

15Os131/96 – OGH Entscheidung

Entscheidung
24. Oktober 1996

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. Oktober 1996 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kuch, Mag. Strieder, Dr. Rouschal und Dr. Schmucker als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Berger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Hafir K***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes St. Pölten als Schöffengericht vom 27.März 1996, GZ 15 Vr 1165/95-8, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Dr. Bierlein, und des Angeklagten, jedoch in Abwesenheit seines Verteidigers, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die durch seine Rechtsmittel verursachten Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Hafir K***** des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt.

Darnach hat er am 5.September 1995 in S***** Helga Ko***** außer dem Fall des § 201 Abs 1 StGB dadurch mit Gewalt zur Duldung des Beischlafes zu nötigen versucht, daß er sie in seinen PKW zerrte, sich auf sie legte, ihr unter der Kleidung auf den Bauch griff und die Gürtelschnalle ihrer Hose zu öffnen trachtete.

Nach den Urteilsfeststellungen (US 3 ff) hatte der Beschwerdeführer am Tattag zunächst erfolglos versucht, sich seiner ehemaligen Arbeitskollegin (der damals 18-jährigen) Helga Ko***** auf einem entlegenen Waldweg in seinem PKW sexuell zu nähern. Entgegen seiner ausdrücklichen Zusage, die Genannte - nach Scheitern seines Vorhabens - umgehend zum Bahnhof nach Ybbs zu bringen, hielt er das Fahrzeug in der Folge auf einem Seitenweg im Gemeindegebiet S***** mit dem Vorsatz an, das Mädchen nunmehr gewaltsam zur Duldung eines Geschlechtsverkehrs zu zwingen. Aus Angst vor unsittlichen Belästigungen trachtete Helga Ko*****, den PKW zu verlassen. Der Angeklagte hinderte sie jedoch daran, indem er sie in das Wageninnere zurückzerrte, die Türen mit der Zentralverriegelung sicherte, die Lehnen der Vordersitze in waagrechte Position brachte, Helga Ko***** am Beifahrersitz mit seinem Körpergewicht niederdrückte, sich über sie kniete, sie festhielt, eine Hand unter den Pullover auf ihren nackten Bauch schob und mit der anderen Hand den Gürtel ihrer Hose zu öffnen versuchte, was jedoch an der massiven Gegenwehr des schreienden Mädchens scheiterte. Hafir K***** setzte seine Gewalt gegen das sich zur Wehr setzende Opfer ein, um dessen widerstrebenden Willen gegen die beabsichtigte Vornahme des Beischlafes zu überwinden. "Lediglich der hinhaltende heftige Widerstand des Mädchens" und auch dessen Drohung mit einer Anzeige hielten den Beschwerdeführer davon ab, die Tat zu vollenden (US 5, 7).

In rechtlicher Hinsicht erachtete das Erstgericht die objektiven und subjektiven Tatbestandsmerkmale des Verbrechens des versuchten Beischlafs nach §§ 15, 201 Abs 2 StGB für erfüllt. Den Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB) verneinte der Schöffensenat, weil das hiefür vorausgesetzte Kriterium der Freiwilligkeit nicht gegeben sei.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten gegen das Urteil aus den Gründen der Z 4 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde ist nicht begründet.

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider bewirkte die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrages auf Durchführung eines Lokalaugenscheins "über die Frage der Positionierung des Anhaltens des Angeklagten nach seiner Darstellung zum Beweis dafür, daß es nicht so weit war und daß die Darstellung der Zeugin diesbezüglich unrichtig ist" (S 61), keine Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten. Inwieweit die Kenntnis vom konkreten Standort des PKWs die Annahmen über die vom Angeklagten im Fahrzeuginneren durch Einsatz von Gewalt als Nötigungsmittel begonnene Tatausführung in Frage zu stellen geeignet wäre, kann dem insoweit unsubstantiiert gebliebenen Beweisbegehren nicht entnommen werden. Auch die Angaben des Angeklagten (S 55) lassen keine Rückschlüsse auf die Glaubwürdigkeit der Tatschilderung der Belastungszeugin zu, sodaß das Beweisbegehren der Sache nach lediglich auf die Aufnahme eines unzulässigen Erkundungsbeweises hinausläuft (Mayerhofer/Rieder StPO3 § 281 Z 4 E 88, 90).

Entgegen der Rechtsrüge (Z 9 lit b) ist dem Schöffensenat bei Verneinung des Strafaufhebungsgrundes nach § 16 Abs 1 StGB kein Irrtum unterlaufen:

Wie der Angeklagte in diesem Zusammenhang grundsätzlich zutreffend ausführt, ist "Freiwilligkeit" im Sinne dieser Gesetzesstelle beim (hier gegebenen) unbeendeten Versuch nur dann zu bejahen, wenn der Täter aus eigenem Antrieb - dh, frei von psychischem oder physischem Zwang - auf jede weitere Ausführung der Tat verzichtet. Hiefür können auch - allerdings nur unter der (unabdingbaren) Voraussetzung, daß beim Täter die Vorstellung erhalten bleibt, ihm wäre die seinem Tatplan entsprechende Deliktsvollendung noch möglich - äußere (situationsbedingte) Umstände (wie etwa ein Appell des Opfers) mitbestimmend wirken (vgl Leukauf/Steininger Komm3 RN 2, 7; Foregger/Serini StGB5 Erl III, jeweils zu § 16).

An der Freiwilligkeit fehlt es jedoch, wenn der Täter (wie hier) nur zufolge Widerstandes des Opfers - mag dieser auch nicht unüberwindbar sein - und aus Furcht vor Entdeckung (und Strafe) im Bewußtsein der Aussichtslosigkeit, sein deliktisches Ziel tatplangemäß zu erreichen, die Vollendung der Tat aufgibt (Leukauf/Steininger aaO RN 2 und 3). Nach den erstgerichtlichen Konstatierungen war für das Unterbleiben der Vollendung der durch Nötigungshandlungen begonnenen Vergewaltigung neben der massiven Gegenwehr des Opfers auch dessen Ankündigung der Anzeigeerstattung maßgeblich (US 4, 5). Die erstgerichtliche Annahme der Unfreiwilligkeit des Rücktritts vom Versuch ist demnach rechtsrichtig, zumal unter den gegebenen Umständen (mehrfache Fluchtversuche des Opfers, Heftigkeit und Dauer der Gegenwehr) von einer beim Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Aufgabe weiterer Tathandlungen vorgelegenen autonomen Entscheidungsfreiheit, den beabsichtigten Beischlaf tatplangemäß - ohne Anwendung schwerer Gewalt (Hager/Massauer in WK §§ 15, 16 Rz 131) - zu verwirklichen, keine Rede sein kann (vgl auch JUS 1996/6/1946).

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 201 Abs 2 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten; gemäß § 43 a Abs 3 StGB wurde hievon ein Teil im Ausmaß von fünf Monaten unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen. Bei der Strafbemessung wertete das Erstgericht als erschwerend die einschlägige Vorstrafe, als mildernd hingegen, daß es beim Versuch geblieben ist.

Mit seiner Berufung begehrt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und deren gänzliche bedingte Nachsicht, weil es sich "in jedem Fall um einen Grenzfall" handle; die Staatsanwaltschaft hingegen beantragt eine Erhöhung der Freiheitsstrafe und die Ausschaltung des § 43 a Abs 3 StGB, weil der Angeklagte keinerlei Schuldeinsicht gezeigt habe, sodaß sich daraus ein erheblicher Charaktermangel offenbare, zumal er sich ersichtlich noch immer nicht vom begangenen Unrecht gelöst und sein Fehlverhalten eingesehen habe.

Keiner der Berufungen kommt Berechtigung zu.

Die vom Schöffengericht angeführten Strafzumessungsgründe sind vollständig, dies wird auch von keinem Berufungswerber angezweifelt.

Was nun den Unrechtsgehalt der Tat und die Schuld des Täters anlangt, so kann in Erwiderung der Berufung des Angeklagten von einem Grenzfall des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung keine Rede sein, hat der Angeklagte doch schon kurze Zeit vor der gegenständlichen Tat versucht, sich der Zeugin K***** - gegen deren Willen - unsittlich zu nähern. Als die Zeugin deswegen den PKW des Angeklagten verlassen hatte und zu Fuß zur Hauptstraße gehen wollte, hat er ihr versprochen, sie zum Bahnhof zu führen. Ungeachtet dieses Versprechens ist der Angeklagte aber nicht zum Bahnhof, sondern auf einen Seitenweg gefahren, wo er die verfahrensgegenständliche Tat verübte. Dieses Verhalten des Angeklagten zeigt, daß er nicht nur dem Rechtsgut der Sittlichkeit zumindest gleichgültig gegenübersteht, sondern daß er die Zeugin K***** durch Täuschung letztlich in den Zustand der Wehrlosigkeit versetzt hat. Dieses Verhalten läßt die Annahme geringen Verschuldens des Täters nicht zu, sodaß zum einen das Strafausmaß nicht reduktionsbedürftig, zum andern aber aus spezialpräventiven Erwägungen der Vollzug zumindest eines Teiles der Freiheitsstrafe geboten ist.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft ist zu entgegnen, daß trotz des Fehlens der Milderungsgründe des Geständnisses und der Schuldeinsicht im Hinblick auf das relative geringe Gewicht jener Tat, die zur Vorabstrafung geführt hat, und den Umstand, daß der Versuch in einem Frühstadium des gegenständlichen Verbrechens geblieben ist, die von den Tatrichtern ausgemessene Freiheitsstrafe durchaus tatschuldangemessen ist. Aus ebendenselben Erwägungen ist weder aus spezial-, noch aus generalpräventiven Erwägungen der gänzliche Vollzug der Freiheitsstrafe geboten.

Es war daher insgesamt spruchgemäß zu entscheiden.

Rechtssätze
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