JudikaturJustiz15Os13/03

15Os13/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
13. Februar 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Hietler als Schriftführer, in der Strafsache gegen Manfred Robert F***** wegen des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 14. Juni 2002, GZ 34 Hv 1037/01f-66, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Manfred Robert F***** wurde (I) des Verbrechens der versuchten Erpressung nach §§ 15, 144 Abs 1 StGB und (II und III) der Vergehen der teils vollendeten, teils versuchten Zuhälterei nach §§ 216 Abs 1, Abs 2 zweiter, dritter und vierter Fall, Abs 4 und 15 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er in Linz und an anderen Orten

(I) von Anfang bis 20. August 2001 mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, Sabine B***** in zwei Angriffen durch die sinngemäßen telefonischen Äußerungen, er liebe sie und sie könne nur gehen, wenn sie ihm 100.000 S - allenfalls in Teilbeträgen - bezahle; ansonsten werde er ihr jemanden schicken oder ihr den Schädel "abhacken" bzw er lasse sich nicht "verarschen" wenn es nicht anders gehen würde, würde er kommen und ihr den Schädel "runterhauen" oder er würde ihr Leute schicken, die dies machen würden, sohin durch Drohungen zumindest mit einer Körperverletzung zu einer Handlung, die sie am Vermögen geschädigt hätte, nämlich zur Ausfolgung von 100.000 S zu nötigen versucht; (II) von Ende Juni bis 20. August 2001 mit dem Vorsatz, sich aus der gewerbsmäßigen Unzucht einer anderen Person eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen

1) Sabine B***** und Stefanie Alexandra O*****, sohin mehrere solche Personen zugleich ausgenützt bzw ausnützen versucht, indem er Sabine B***** den Schandlohn für die ersten Wochen Prostitution im Bordell "S*****" in Höhe von 30.000 S abnahm und von Stefanie Alexandra O***** täglich 500 S für die Vermittlung in das Bordell "S*****" und von Sabine B***** den weiteren Schandlohn forderte, wobei die Tat bezüglich der beiden zuletzt angeführten Forderungen beim Versuch geblieben ist;

2) Sabine B*****

a) eingeschüchtert, indem er sie aufforderte, genauere Beträge über ihre erzielten Verdienste als Prostituierte anzugeben, wobei er erklärte, "sie solle sich nicht trauen etwas zu verschweigen oder (Geld) zur Seite zu legen";

b) die Bedingungen der Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht vorgeschrieben, indem er telefonisch ihre Anwesenheit im Bordell "S*****" überwachte und ferner bestimmte, dass sie keinen zweiten freien Tag in der Woche beanspruchen konnte;

(III) von etwa Mitte Juli bis 20. August 2001 Sabine B***** in mindestens vier Angriffen durch Einschüchterungen, nämlich durch die unter (I) angeführten sinngemäßen telefonischen Äußerungen sowie zusätzlich mit den Worten: "Sie solle sich nicht trauen abzuhauen, weil er überall seine Leute habe und sie überall wieder gefunden werde" und "Sie solle aufpassen", abgehalten, die gewerbsmäßige Unzucht aufzugeben, wobei die Tat betreffend die telefonische Äußerung am 20. August 2001 beim Versuch geblieben ist.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Die Verfahrensrüge (Z 4) kritisiert die Abweisung zweier (in der Verhandlung vom 8. Jänner 2002 gestellter und in der Verhandlung vom 14. Juni 2002 aufrecht erhaltener) Beweisanträge (S 485), nämlich

1) Auswertung und Beischaffung der bezughabenden Unterlagen von der T***** AG mit Aufstellung dieser Aktiv- und Passivanrufe sowohl für das vom Angeklagten benützte Handy mit der Nummer ***** sowie das von B***** benützte Handy mit der Nummer ***** im Zeitraum vom 1. Juni 2001 bis 31. August 2001 zum Beweis dafür, "dass B***** in diesem Zeitraum den Angeklagten weitaus öfter angerufen hat als umgekehrt, der Angeklagte die Zeugin B***** nicht täglich angerufen hat und dass die Zeugin B***** unmittelbar mit der Anzeigeerstattung zahlreiche Telefonate mit anderen Personen führte" und

2) zeugenschaftliche Einvernahme von Frau Dr. M*****, Facharzt für Psychiatrie in Linz, zum Beweis dafür, "dass die Zeugin B***** bei ihr in ärztlicher Behandlung war, ärztlicherseits manisch-depressiv war, ärztlicherseits manisch-depressive Erkrankungen festgestellt wurden, schwere Kokainentzugserscheinungen mit psychischen Wahnvorstellungen einhergegangen sind und die sich auf einen Zeitraum mehrere Jahre zurückliegende Krankheitszustände bezogen hat und es sich keinesfalls um akute Krankheitszustände handelt". Wie das Erstgericht in seinem abweislichen Zwischenerkenntnis (S 485, 487), ergänzt durch die Urteilsausführungen US 16 bis 18, im Ergebnis zutreffend darlegt, konnte die Aufnahme dieser Beweise ohne Verletzung von Verteidigungsrechten unterbleiben.

Abgesehen davon, dass der über die historische Rufdatenerfassung vor dem 1. Juli 2001 hinausgehende Beweisantrag des Verteidigers - wie in der Verhandlung klargestellt wurde - schon aus technischen Gründen nicht möglich war (S 461) und es sich daher insofern um ein unerreichbares Beweismittel handelte, legt der Beweisantrag nicht dar, inwieweit die Klärung der Frage, wer wen (Angeklagter oder Zeugin) im angeführten Zeitraum öfter angerufen hat, ob der Angeklagte die Zeugin nicht täglich angerufen hat und dass nach der Anzeigeerstattung zahlreiche Telefonate mit anderen Personen geführt wurden, eine Verbreiterung der Erkenntnisgrundlage erwarten ließe. Anträge, welche nicht unmissverständlich erkennen lassen, dass sie einen für die Schuld- oder Subsumtionsfrage erheblichen Umstand betreffen, sind allerdings aus Z 4 unbeachtlich (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 321).

Die in der Beschwerde dazu nachgetragenen Erwägungen haben dabei außer Betracht zu bleiben, weil bei Prüfung der Berechtigung eines Antrages stets von der Verfahrenslage zum Zeitpunkt der Entscheidung darüber und den dazu vorgebrachten Gründen auszugehen ist (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 40).

Gleiches gilt für die abgelehnte Vernehmung der Zeugin Dr. M*****. Wenn auch die mangelnde Entbindung durch die Zeugin die Aussage der behandelnden Ärztin nicht gehindert hätte, weil das Entschlagungsrecht der im § 152 Abs 1 Z 5 StPO bezeichneten Personen ein Recht der dort genannten (Abs 3 leg cit) höchstpersönlicher Natur ist und nicht der Disposition anderer unterliegt (Foregger-Fabrizy StPO8 § 152 Rz 18, 13 Os 124/97), gebricht es auch diesem Antrag an jeglicher Darlegung, inwieweit die beantragte Beweisaufnahme für die Schuld- oder Subsumtionsfrage von Bedeutung sein soll. Im Übrigen ist das Schöffengericht ohnedies davon ausgegangen, dass die Zeugin B***** sich in einer insgesamt psychisch labilen Verfassung befunden hat (US 12), und hat sich mit der Frage ihrer Wahrnehmungs- und Wiedergabefähigkeit ausführlich auseinandergesetzt (US 17, 18). Inwieweit die zurückliegenden Krankheitszustände Relevanz für die Wahrnehmungsfähigkeit der Zeugin zum Tatzeitpunkt haben sollen, lässt der Antrag nicht erkennen.

Die (gemeinsam ausgeführte) Mängel- (Z 5) und Tatsachenrüge (Z 5a) behauptet Widersprüchlichkeit und Unvollständigkeit der Urteilsfeststellungen, kritisiert damit aber in Wahrheit unter isolierter Betrachtung und zum Teil spekulativer Hervorhebung einzelner für den Standpunkt des Beschwerdeführers günstig scheinender Teile des Beweisverfahrens sowie eigener Beweiserwägungen lediglich unzulässig nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung die Beweiswürdigung der Tatrichter. Diese haben jedoch ausführlich, mit den Grundsätzen der Logik im Einklang stehend und dem Gebot der gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO Rechnung tragend, unter Berücksichtigung von Divergenzen begründet dargelegt, warum sie den Depositionen der Zeuginnen B***** und O***** gefolgt sind und aufgrund welcher weiterer Verfahrensergebnisse sie zu den Urteilsfeststellungen gelangt sind (US 9 bis 18). Dass diese dem Beschwerdeführer nicht überzeugend genug erscheinen und dass andere, günstigere möglich gewesen wären, vermag keinen der herangezogenen Nichtigkeitsgründe darzustellen. Weiters verkennt die Beschwerde, dass ein Begründungsmangel nicht schon deshalb gegeben ist, weil nicht der vollständige Inhalt sämtlicher Aussagen und überhaupt sämtliche Verfahrensergebnisse im Einzelnen erörtert und darauf untersucht werden, wie weit sie für oder gegen diese oder jene Geschehensvariante sprechen, wobei unerhebliche Widersprüche der Beweisergebnisse ohnehin nicht erörterungsbedürftig sind (Ratz aaO Rz 428). Letztlich stellen Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit (wie hier: der Belastungszeuginnen) nichts anderes als eine erhebliche Tatsache dar, deren sachverhaltsmäßige Bejahung oder Verneinung in Frage zu stellen auf eine Bekämpfung der Beweiswürdigung hinausläuft (Ratz aaO Rz 431).

Der Tatsachenrüge (Z 5a) ist dabei noch zu erwidern, dass eine für die Anfechtung erforderliche, an die Aktenlage gebundene Geltendmachung von Bedenken gegen die Annahme entscheidender Tatsachen weder durch Berufung auf den Zweifelsgrundsatz noch mit der Behauptung dargetan wird, die Schlussfolgerungen des Erstgerichtes seien nicht überzeugend. Aktenkundige Umstände, welche die aufgezeigten erheblichen Bedenken wecken könnten, werden mit der Beschwerde jedoch nicht dargetan.

Die Rechtsrüge (Z 9 lit a) übergeht mit der Behauptung, "mit O***** habe ich nach den Feststellungen nie über die Prostitution gesprochen und nie von ihr Geld verlangt", die bezüglichen gegenteiligen Konstatierungen (US 5, 8, 11 und 16) und erweist sich daher mangels Orientierung am gesamten Urteilssubstrat als ebenso nicht gesetzgemäß dargelegt (vgl Ratz aaO Rz 581) wie mit dem - ebenfalls nicht urteilskonformen - Einwand, 100.000 S wären als Abstandszahlung verlangt worden, wenn B***** mit der Ausübung der Prostitution aufhören würde. Hier negiert die Beschwerde die ausdrückliche Verknüpfung der Forderung der Bezahlung dieses Betrages mit der Drohung laut US 8 und die dort dazu getroffenen Urteilsannahmen. Soweit Mängel an Feststellungen zur Annahme des § 216 StGB bezogen auf B***** reklamiert werden, begehrt die Beschwerde - selbst beweiswürdigend - auf Basis einer urteilsfremden Sachverhaltsgrundlage eine andere rechtliche Beurteilung und lässt erneut die gebotenen Vorschriften zur prozessordnungsgemäßen Darstellung einer Rechtsrüge außer Acht.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO (zum Teil nach § 285d Abs 1 Z 1) bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Über die Berufung wird das zuständige Oberlandesgericht zu entscheiden haben (§ 285i StPO).

Rechtssätze
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