JudikaturJustiz15Os117/06d

15Os117/06d – OGH Entscheidung

Entscheidung
29. März 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 29. März 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Brandstetter als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Karl F***** und andere Angeklagte wegen Finanzvergehen nach §§ 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Karl F***** sowie die Berufung der Angeklagten Edith S***** gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 11. Juli 2006, GZ 10 Hv 40/06w-45, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten F***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auch rechtskräftige Schuldsprüche der Mitangeklagten Edith S***** und August F***** enthaltenden - Urteil wurde Karl F***** des Finanzvergehens des gewerbsmäßigen Schmuggels nach §§ 35 Abs 1 lit a, 38 Abs 1 lit a FinStrG (I./A/) und des Finanzvergehens des vorsätzlichen Eingriffes in die Rechte des Tabakmonopols nach § 44 Abs 1 lit a FinStrG (I./B) schuldig erkannt. Danach hat er

(I./A./) in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßige Begehung), im Zeitraum von Ende 1999 bis Ende April 2004 eingangsabgabepflichtige Waren unverzollter, drittländischer Herkunft und zwar zumindest

327.800 Stück Zigaretten diverser Sorten, auf welchen Eingangsabgaben von 55.733,87 Euro lasten, in wiederholten Angriffen über nicht näher bekannte Zollämter ohne Abgabe einer Zollanmeldung vorschriftswidrig nach Österreich, somit in das Zollgebiet der Europäischen Union verbracht;

(I./B./) die unter I./A./ angeführten Tabakwaren, also Monopolgegenstände im Sinne des § 17 Abs 4 FinStrG, für welche ein Kleinverkaufspreis von insgesamt 52.448 Euro festgesetzt ist, zu seinem oder eines anderen Vorteil vorsätzlich unter Verletzung der Vorschriften des Tabakmonopols zu einem Preis zwischen 19 Euro bis 23 Euro je Zigarettenstange an die Zweitangeklagte verkauft.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die undifferenziert auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Karl F*****; sie verfehlt ihr Ziel.

Durch die Nichterledigung der in der Verhandlung vom 11. April 2006 gestellten Beweisanträge (S 216) wurden Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht verletzt.

Voranzustellen ist, dass die Verfahrensparteien in der Hauptverhandlung vom 11. Juli 2006 einvernehmlich auf die Neudurchführung der (am 11. April 2006 auf unbestimmte Zeit vertagten) Hauptverhandlung wegen Zeitablaufs verzichtet haben. Aufgrund der (unbeachtet gebliebenen) Änderung der Senatszusammensetzung (Schöffe Georg D***** statt Schöffe Ing. Franz Josef P***** vgl S 307 und 203) war die Hauptverhandlung jedoch jedenfalls zu wiederholen (§ 276a zweiter Satz StPO). Einer formellen Beschlussfassung über die nach dieser Gesetzesstelle vorzunehmende Neudurchführung - welcher ohnehin nur deklaratorische Bedeutung zukäme - bedarf es nicht; die „spätere" Verhandlung ist schon ex lege eine „wiederholte" (RIS-Justiz RS0099022). Demgemäß hätte der Beschwerdeführer die in der Hauptverhandlung vom 11. April 2006 gestellten Anträge - ungeachtet des Verzichtes auf Neudurchführung „wegen Zeitablaufs" - in der Hauptverhandlung vom 11. Juli 2006 wiederholen müssen. Da dies nicht geschah, fehlt der Verfahrensrüge die Legitimation (RIS-Justiz RS0099049).

Die Anträge sind aber auch inhaltlich unberechtigt. Der zu Beginn der Erhebungen noch als Zollbeamter tätige Polizeibeamte GI Markus S***** wurde - nach der in der Hauptverhandlung vom 11. April 2006 (ON 28) beschlossenen Rückleitung des Aktes an den Untersuchungsrichter - ohnehin als Zeuge vernommen (ON 39). Das hierüber aufgenommene Protokoll wurde sodann in der Hauptverhandlung vom 11. Juli 2006 einvernehmlich zur Verlesung gebracht (S 315). Bei dieser Sachlage wäre die Verfahrensrüge wegen Unterbleibens der persönlichen Vernehmung dieses Zeugen in der Hauptverhandlung nur dann berechtigt gewesen, wenn der Beschwerdeführer in seinem Antrag Gründe genannt hätte, weshalb die persönliche Vernehmung im Interesse der Wahrheitsfindung erforderlich sei (RIS-Justiz RS0098378).

Die damit im Zusammenhang stehende Rüge wegen Unterbleibens der Ausforschung des Informanten des Markus S***** übergeht, dass dieser bei seiner Zeugenvernehmung zur Person des Informanten ohnehin befragt wurde, sich an diese aber nicht mehr erinnern konnte (S 274). Die Ausforschung ist somit ohnehin (wenngleich erfolglos) versucht worden.

Die beantragte Ausforschung und Vernehmung des Informanten N. H***** sollte zur Erhebung des gesamten Wissensstandes dieser Person dienen, „da nur auf einer breiten Beweisgrundlage die Anschuldigungen der Zweitbeschuldigten (= Edith S*****) gegenüber dem Erstbeschuldigten (= dem Beschwerdeführer) widerlegt werden können" (S 173 Mitte). Damit lässt der relevierte Beweisantrag ein konkretes Beweisthema vermissen und läuft im Ergebnis auf einen unzulässigen bloßen Erkundungsbeweis hinaus (vgl Ratz WK-StPO § 281 Rz 330 f). Gleiches gilt auch für den Antrag auf Vernehmung des Zeugen Thomas S***** (S 216 iVm S 175), hat der Beschwerdeführer in der Hauptverhandlung vom 11. Juli 2006 doch ein bestimmtes Beweisthema gar nicht genannt, vielmehr bloß ganz allgemein darauf verwiesen, dass „es praktisch undenkbar ist, dass jemand am Grenzübergang Heiligenkreuz alle 14 Tage 35 bis 40 Stangen Zigaretten unbemerkt in einem Pkw über die Grenze bringen kann, ohne jemals perlustriert oder entdeckt zu werden", ... und dass er selbst „zumindest bei 40 % seiner Grenzübertritte kontrolliert wurde". Zudem lässt der Antrag die hier gebotene Begründung vermissen, weshalb gerade ein Beamter des Grenzüberganges Heiligenkreuz zur Widerlegung des Anklagevorwurfes, Zigaretten seien gewerbsmäßig in wiederholten Angriffen „über nicht näher bekannte Zollämter" nach Österreich, somit in das Zollgebiet der Europäischen Union geschmuggelt worden, beitragen könnte.

Einen Verstoß gegen die Verpflichtung zur amtswegigen Wahrheitsforschung releviert der Beschwerdeführer wegen Unterbleibens einer näheren Befragung der vom Untersuchungsrichter vernommenen Zeugen S***** und B***** (ON 32 und 36) über die Häufigkeit der Observierungen der Angeklagten Edith S*****, nachdem diese am 12. Februar 2004 als Zigarettenlieferantin enttarnt worden war (Z 5a), macht hiebei aber nicht deutlich, wodurch er an der Ausübung seines Rechtes, die persönliche Vernehmung dieser Zeugen in der Hauptverhandlung zwecks genauerer Befragung sachgerecht zu beantragen, gehindert war und daher hätte belehrt werden müssen (WK-StPO § 281 Rz 480).

Sachlich eine Unvollständigkeit der Entscheidungsgründe (Z 5 zweiter Fall) macht der Beschwerdeführer wegen Unterbleibens der Erörterung des Erhebungsberichtes des Hauptzollamtes Graz vom 15. März 2004 geltend, dies indes zu Unrecht. Zwar wurde die Angeklagte Edith S***** schon damals beim Verkauf von Zigaretten aus einem, dem Kofferraum ihres Kraftfahrzeuges entnommenen Sack beobachtet, doch ergibt sich (der Beschwerde zuwider) aus dem Bericht keineswegs, dass dieser Sack mit jenem ident war, den sie zuvor aus dem Anwesen des Franz R***** geholt hatte. Demgemäß vermochte der genannte Erhebungsbericht zur Frage, ob andere Personen als der leugnende Beschwerdeführer als Lieferanten geschmuggelter Zigaretten an die (geständige) Angeklagte Edith S***** in Betracht kommen, nichts beizutragen. Die Erörterung dieses Beweisergebnisses ist somit zu Recht unterblieben. Der Beschwerde zuwider ergeben sich daraus auch keine Bedenken im Sinne der Z 5a gegen die Richtigkeit der erstgerichtlichen Feststellungen.

Weshalb derartige Bedenken sich daraus ableiten ließen, dass die Behauptung der Mitangeklagten Edith S*****, zum Beschwerdeführer seit dem „Zugriff" vom 6. Mai 2004 keinen Kontakt mehr gehabt zu haben, lebensfremd sei, und dass die aus dem Reisepass ersichtliche „intensive Reisetätigkeit" des Beschwerdeführers zwischen Österreich und Ungarn ihre (vom Erstgericht übergangene) Begründung in der Lage des Wohnortes seiner Lebensgefährtin in Ungarn finde, wird aus der Beschwerde nicht klar.

Die Annahme, die verfahrensgegenständlichen Zigaretten seien aus Ungarn (das damals noch nicht EU-Mitglied war) über „nicht näher bekannte Zollämter" nach Österreich, somit in das Zollgebiet der Europäischen Union geschmuggelt worden (US 2, 8, 12), findet in der konstatierten „intensiven Reisetätigkeit" (US 11) jedenfalls ihre zureichende Deckung.

Die übrigen Ausführungen der generell nicht zwischen Begründungsmängeln und erheblichen Bedenken (Z 5, 5a) differenzierenden Beschwerde beschränken sich auf den (auch im Rahmen der Tatsachenrüge) unzulässigen Versuch, die erstgerichtlichen Tatsachenfeststellungen nach Art einer Schuldberufung zu bekämpfen. Zudem wird das Beschwerdevorbringen, das Erstgericht habe auch den Lebensgefährten der Mitangeklagten Edith S***** (Venizio D*****) als Lieferanten der Zigaretten in Betracht gezogen und „anklingen lassen", ihn zur nächsten Hauptverhandlung zu laden, durch den Inhalt der zitierten Aktenseite (S 212) gar nicht gestützt. Auch tragen Erklärungsversuche dafür, weshalb der Beschwerdeführer telefonischen Ersuchen der Finanzstrafbehörde um Kontaktaufnahme über mehrere Monate nicht Folge leistete (US 13), zur Lösung der Tatfrage nichts bei.

Die unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerung des Verteidigers schon bei nichtöffentlicher Beratung sogleich zurückzuweisen (§ 285d StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen folgt (§ 285i).

Bleibt anzumerken, dass die Angeklagte Edith S***** den Feststellungen zufolge die vom Angeklagten Karl F***** in das Zollgebiet der Europäischen Union geschmuggelten Zigaretten als Erste übernommen und sich insofern am gewerbsmäßigen Inverkehrbringen von Tabakerzeugnissen im Monopolgebiet (§ 5 Abs 4 TabMG) beteiligt hat (US 3, 8 f, 12). Da sie somit Beteiligte iS des § 11 dritter Fall FinStrG am Handel (des Angeklagten Karl F*****) mit Monopolgegenständen nach § 44 Abs 1 lit a FinStrG iVm § 5 TabMG ist, gereicht ihr der - mangels abgeschlossener Vortat verfehlte - Schuldspruch wegen des Finanzvergehens der vorsätzlichen Monopolhehlerei gemäß § 46 Abs 1 lit a FinStrG (= II./B./) im Hinblick auf die gleich hohe Strafdrohung des § 44 Abs 1 lit a FinStrG nicht zum Nachteil (vgl RIS-Justiz RS0120331).

Rechtssätze
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