JudikaturJustiz15Os112/18m

15Os112/18m – OGH Entscheidung

Entscheidung
23. August 2018

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 23. August 2018 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski und Mag. Fürnkranz in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieser als Schriftführerin in der Auslieferungssache des Milo B*****, AZ 30 HR 213/18p des Landesgerichts Innsbruck, über die Grundrechtsbeschwerde des Genannten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Innsbruck als Beschwerdegericht vom 13. Juli 2018, AZ 7 Bs 159/18t, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

Spruch

Milo B***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Im Verfahren zur Auslieferung des kroatischen Staatsangehörigen Milo B***** an die serbischen Behörden zur Strafverfolgung wurde die mit Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 13. Mai 2018 (ON 9) über den Betroffenen gemäß § 29 Abs 1 ARHG iVm § 173 Abs 2 Z 1 StPO verhängte Auslieferungshaft am 28. Mai 2018 (ON 21) aus dem genannten Haftgrund fortgesetzt.

Mit über Enthaftungsantrag des Betroffenen (ON 25) ergangenem Beschluss vom 22. Juni 2018 (ON 30, 31) setzte das Landesgericht Innsbruck – nachdem es dessen Auslieferung zur Strafverfolgung mit Beschluss vom 20. Juni 2018 (ON 29) für zulässig erklärt hatte – die über ihn verhängte Auslieferungshaft aus demselben Haftgrund fort.

Der gegen diesen Beschluss gerichteten Beschwerde (ON 34) gab das Oberlandesgericht Innsbruck mit Beschluss vom 13. Juli 2018, AZ 7 Bs 159/18t, nicht Folge.

Nach den vom Beschwerdegericht referierten Auslieferungsunterlagen (ON 26, 28 S 9) steht Milo B***** im Verdacht, am 18. März 2015 in B*****, Serbien, dadurch (Suchtgift enthaltendes) Marihuana in Umlauf gebracht zu haben, dass er sich nach vorangehender Vereinbarung mit Dejan C***** getroffen habe, um ihm ein Säckchen mit 0,4 Gramm Marihuana (Bruttomasse) zu verkaufen, und dadurch die Straftat der unerlaubten Herstellung und des In Umlaufbringens von Drogen nach § 246 Abs 1 des serbischen Strafgesetzbuchs begangen zu haben. Die Tat sei nach österreichischem Recht als das Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 zweiter und achter Fall SMG zu beurteilen. Der Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 173 Abs 2 Z 1 StPO sei anzunehmen, weil der Betroffene weder über einen Wohnsitz in noch über Bindungen zu Österreich verfüge und sich nach den vorliegenden Unterlagen dem Zugriff der serbischen Behörden entzogen habe (BS 13). Dem vorliegenden Haftgrund könne durch die (bislang nicht erfolgte) Leistung einer Sicherheit in Höhe von 4.000 Euro und Ablegung der Gelöbnisse nach § 173 Abs 5 Z 1 und 2 StPO durch gelindere Mittel begegnet werden (BS 1 und 13). Eine Unverhältnismäßigkeit der Auslieferungshaft sei angesichts der Dauer von rund zwei Monaten (noch) nicht auszumachen (BS 14).

Gegen diesen Beschluss richtet sich die Grundrechtsbeschwerde des Betroffenen, der – in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur – keine Berechtigung zukommt.

Der Beschwerdeführer sieht sich im Grundrecht auf persönliche Freiheit insoweit verletzt, als er über eine Dauer von 18 Tagen hinaus angehalten wurde.

Gemäß Art 16 Abs 4 des (im Verhältnis zur Republik Serbien anwendbaren) Europäischen Auslieferungsübereinkommens kann die vorläufige Auslieferungshaft aufgehoben werden, wenn das Auslieferungsersuchen und die in Art 12 des genannten Übereinkommens erwähnten Unterlagen dem ersuchten Staat nicht innerhalb von 18 Tagen nach der Verhaftung vorliegen; sie ist jedoch erst zwingend aufzuheben, wenn das Ersuchen samt Unterlagen nicht innerhalb von 40 Tagen eingetroffen ist (vgl Göth-Flemmich in WK 2 ARHG § 28 Rz 6 und § 29 Rz 21).

Da es sich bei der oben genannten 18 tägigen Frist nach dem eindeutigen Wortlaut nicht um zwingendes Recht handelt und die genannte Frist von 40 Tagen nicht überschritten wurde (vgl ON 26, 28), ist insoweit ein Beurteilungsfehler durch das Oberlandesgericht nicht ersichtlich.

Soweit der Beschwerdeführer (unter Berufung auf RIS Justiz RS0124741) eine „Vereitelung“ der Akteneinsicht behauptet, orientiert er sich nicht am Akteninhalt, dem dazu zu entnehmen ist, dass dem am 12. Juni 2018 eingelangten Antrag des einschreitenden Wahlverteidigers auf Übermittlung einer Aktenabschrift (ON 24) mit Verfügung vom selben Tag entsprochen wurde (ON 1 S 6). Dass der Verteidiger einen Antrag iSd § 52 Abs 3 letzter Satz StPO (iVm § 9 Abs 2 ARHG) gestellt hätte, ist dem Akteninhalt demgegenüber nicht zu entnehmen und wird auch nicht behauptet. Entgegen der vom Betroffenen in seiner Äußerung zur Stellungnahme der Generalprokuratur vertretenen Ansicht ergibt sich aus §§ 29 Abs 3 iVm § 31 Abs 1 ARHG oder aus § 213 Abs 1 StPO keine Verpflichtung zur amtswegigen Zustellung der Auslieferungsunterlagen.

Die rechtliche Annahme eines Haftgrundes kann im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens dahin überprüft werden, ob die Prognoseentscheidung aus den im angefochtenen Beschluss angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste (RIS Justiz RS0117806 [T7]). Indem die Beschwerde bloß darauf hinweist, dass der Betroffene im EU-Ausland, nämlich in Kroatien, seinen Wohnsitz habe, dort sozial integriert sei und auch keine Fluchtvorbereitungen getätigt habe, lässt er die Erwägungen des Oberlandesgerichts außer Acht, wonach er für die serbischen Behörden für etwa drei Jahre nicht auffindbar war und Zustellungen an ihn scheiterten, obwohl ihm zuvor von der Oberstaatsanwaltschaft in Serbien mitgeteilt worden war, dass er jeden Wohnsitzwechsel bekanntzugeben habe (BS 13). Somit wird eine Grundrechtsverletzung nicht gesetzmäßig dargestellt.

Die Höhe einer Kaution ist unter dem Aspekt des Grundrechtsschutzes nur insoweit relevant, als sie nicht unverhältnismäßig in Relation sowohl zu den persönlichen Verhältnissen einschließlich der finanziellen Lage des Angeklagten als auch zum Gewicht der Straftat(en) und ihren Folgen sein darf, mit anderen Worten ihre Festsetzung nicht willkürlich erfolgt ist (RIS Justiz RS0126238). Die diesbezügliche Beschwerdeargumentation geht ins Leere, weil sie allein auf das angebliche monatliche Einkommen des Angeklagten Bezug nimmt, ohne – wie es das Oberlandesgericht zutreffend tat – auf das Gewicht der Straftat und die dem Betroffenen im ersuchenden Staat drohende Strafe Bedacht zu nehmen. Eine Unverhältnismäßigkeit der Höhe der Sicherheitsleistung im Sinn von Willkür wird damit ebenfalls nicht dargelegt.

Die Grundrechtsbeschwerde war daher ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.