JudikaturJustiz15Os11/03

15Os11/03 – OGH Entscheidung

Entscheidung
06. März 2003

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 6. März 2003 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Markel als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker, Dr. Zehetner, Dr. Danek und Dr. Kirchbacher als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Zucker als Schriftführer, in der Strafsache gegen Cüneyit A***** und andere Angeklagte wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerden und die Berufungen der Angeklagten Cüneyit A*****, Mesut Robert F***** und Harald H***** sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Geschworenengerichtes beim Landesgericht Linz vom 29. Juni 2002, GZ 33 Hv 50/02b-276, und über die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den gleichzeitig verkündeten Beschluss gemäß § 494a StPO nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Gemäß § 390a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil, das auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruht (und auch in Rechtskraft erwachsene Teilfreisprüche enthält), wurden

Cüneyit A***** der Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach (richtig:) § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB und des teilweise als Beteiligter begangenen gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall und 12 dritter Fall StGB sowie der Vergehen der schweren Körperverletzung als Beteiligter nach §§ 12 dritter Fall, 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 3 StGB und nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 SMG,

Mesut Robert F***** der Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach (richtig:) § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB, des Mordes nach § 75 StGB und des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall StGB sowie der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 3 StGB und nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 SMG,

Harald H***** der Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung nach (richtig:) § 87 Abs 1 und Abs 2 zweiter Fall StGB, des Mordes nach § 75 StGB, des gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 148 erster Fall StGB und des schweren sexuellen Missbrauchs von Umündigen nach § 206 Abs 1 StGB sowie der Vergehen der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 3 StGB und nach § 27 Abs 1 und Abs 2 Z 1 und Z 2 SMG schuldig erkannt. Danach haben (zusammengefasst wiedergegeben)

I. Cüneyit A*****, Mesut Robert F***** und Harald H***** in der Nacht vom 12. zum 13. Juli 2001 in Perg der Sandra Ha***** dadurch, dass sie ihr in Kenntnis der letalen Wirkung des Giftes Strychnin eine Linie Strychnin-Nitrat in der Länge von rund 2,5 cm mit einer Breite von 3 bis 4 mm zur Einnahme überließen und dabei vorgaben, es handle sich um ein Amphetaminderivat (Speed), absichtlich eine schwere Körperverletzung in Form einer mit Lebensgefahr verbundenen Strychninvergiftung zugefügt, wobei die Tat den Tod der Sandra Ha***** zur Folge hatte;

II. Cüneyit A*****, Mesut Robert F***** und Harald H*****, die in der Nacht vom 12. zum 13. Juli 2001 in Perg in Kenntnis der letalen Wirkung des Giftes Strychnin dem Dominik W***** eine Linie Strychnin-Nitrat in der Länge von rund ca 2,5 cm mit einer Breite von 3 bis 4 mm zur Einnahme überlassen und dabei vorgegeben, es handle sich um ein Amphetaminderivat (Speed),

1. Cüneyit A***** dem Dominik W***** dadurch absichtlich eine schwere Körperverletzung in Form einer mit Lebensgefahr verbundenen Strychninvergiftung zugefügt, wobei die Tat den Tod des Dominik W*****, der nach Einnahme des Strychnins in dem durch die Vergiftung geschaffenen moribunden Zustand in der nahegelegenen Naarn zu liegen kam und ertrank, zur Folge hatte,

2. Mesut Robert F***** und Harald H***** ohne Beisein und Wissen des Cüneyit A***** den Dominik W***** dadurch getötet, dass sie in Ausnützung des durch die Vergiftung geschaffenen moribunden Zustandes mehrere Stunden nach Eintreten der mit der Vergiftung verbundenen Starrkrämpfe dessen Körper erfassten, zur nahegelegenen Naarn trugen und, um ihn zu töten, im Wasser so ablegten, dass Dominik W***** ertrank;

III. Cüneyit A*****, Mesut Robert F***** und Harald H***** am 10. Juli 2001 in Mauthausen dadurch, dass sie Walter G***** Strychnin-Nitrat unter der Vorgabe übergaben, es handle sich um "Speed", also um ein gebräuchliches Suchtgift, diesen, der nach dem Konsum dieser Substanz einen Starrkrampf erlitt und zu Boden fiel, dadurch ein Hämatom im Bereich des rechten Auges, Abschürfungen an der rechten Gesichtshälfte, eine Schnittwunde unter dem linken Auge, eine Platzwunde an der Lippe sowie eine Lockerung des Eckzahnes erlitt, vorsätzlich am Körper an sich schwer verletzt, wobei die Tat mit einem solchen Mittel und auf solche Weise, womit in der Regel Lebensgefahr verbunden ist, sowie unter Zufügung besonderer Qualen begangen wurde;

IV. Cüneyit A*****, Mesut Robert F***** und Harald H***** gewerbsmäßig mit dem Vorsatz, durch das Verhalten der Getäuschten sich unrechtmäßig zu bereichern, andere durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Behauptung, bei dem von ihnen zum Verkauf oder Tausch angebotenen und übergebenen Gift Strychnin handle es sich um ein gutes, qualitativ hochwertiges "Speed" bzw eine Mischung aus "Speed" und Kokain, sowie durch Verschweigen der gefährlichen (letalen) Wirkung des Giftes bei Einnahme bzw Überdosierung zu Handlungen verleitet, die sie am Vermögen schädigten, und zwar

1. am 10. Juli 2001 in Mauthausen Walter G***** zum Ankauf von rund 3 g Strychnin um 1.000 S,

2. am 11. Juli 2001 in Linz einen nicht näher bekannten Mann mit dem Namen "Ergin" zum Eintausch von rund 1 g Strychnin-Nitrat gegen 4 g Haschisch;

V. Harald H***** am 12. Juli 2001 in Perg mit der unmündigen, 13-jährigen Sandra Ha***** eine dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlung, nämlich das Einführen seines Fingers in die Scheide, unternommen;

VI. den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift erworben, besessen sowie anderen überlassen, und zwar

1. Mesut Robert F***** und Harald H***** am 10. Juli 2001 in Perg der Petra S***** 1 g Haschisch,

2. Cüneyit A*****, Mesut Robert F***** und Harald H***** am 12. Juli 2001 in Perg der am 25. Oktober 1987 geborenen Sandra Ha***** sowie dem am 9. März 1985 geborenen Dominik W***** rund 3 g Canabisharz zum Preis von 280 S,

3. Mesut Robert F***** und Harald H***** am 13. Juli 2001 in Mitterkirchen den Minderjährigen Gregor Hi*****, geboren 2. März 1986, Manfred B*****, geboren 28. Oktober 1985, Nikolaus L*****, geboren 10. Dezember 1985 und Simone Hei*****, geboren 26. September 1985, 0,5 bis 1 g Dope um den Betrag von 300 S,

4. Mesut Robert F***** und Harald H***** am Tag des Begräbnisses von Dominik W***** in Mitterkirchen den Minderjährigen Peter St*****, geboren 14. April 1985, Nikolaus L*****, geboren 10. Dezember 1985, Manfred B*****, geboren 28. Oktober 1985, und Gregor Hi*****, geboren 2. März 1986, Dope um einen Betrag von 300 bis 350 S,

5. Harald H***** zu nicht genau bekannten Zeiten im Jahr 2001 in Perg und anderen Orten den Minderjährigen Cüneyit A*****, geboren 8. März 1986, und Mesut Robert F*****, geboren 16. November 1985, in zahlreichen Angriffen Haschisch und Marihuana in nicht genau bekannter Menge,

wobei Harald H***** bei den Fakten VI/2, 3, 4 und 5 selbst volljährig und um mehr als zwei Jahre älter als die angeführten Minderjährigen war und durch die angeführten Taten diesen Minderjährigen den Gebrauch eines Suchtmittels ermöglichte.

Die Geschworenen hatten die die Schuldprüche begründenden Haupt- und Eventualfragen bejaht, weitere für den Fall der Verneinung der Hauptfragen gestellte Eventualfragen demgemäß unbeantwortet gelassen. Dieses Urteil bekämpfen die Angeklagten mit getrennt ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, Cüneyit A***** und Mesut Robert F***** gestützt auf Z 5, 9 und 10a sowie Harald H***** auf Z 5, 8, 9, 10a und 12 des § 281 Abs 1 StPO. Sie sind nicht im Recht.

Rechtliche Beurteilung

Den Verfahrensrügen (Z 5) aller Angeklagten, die im Wesentlichen die abgelehnte Einholung weiterer Gutachten monieren, ist zunächst entgegenzuhalten:

Im Verfahren wurden Gutachten aus den Fachgebieten der Toxikologie (Dr. Thomas K***** ON 22 und 23/I, S 5 ff und S 209 ff/IX), der Pharmakologie (Univ. Prof. Dr. Michael Fr***** ON 48 und 55, S 51 ff/IX), der Psychiatrie und Neurologie (Prim. Dr. Kurt Si***** ON 86, S 89 ff/IX), der Gerichtsmedizin (Univ. Prof. Dr. Edith T***** und Ass. Prof. Dr. Robert La***** ON 98, 162, 164, 166 sowie S 107 ff/IX), der Biologie (RR Ernst O***** ON 182 und S 136 ff/IX), der Kriminaltechnik (Ing. Johann Fu***** ON 186 und S 160 ff/IX) sowie der Kinder- und Jugendpsychiatrie (Univ. Prof. Dr. Max Fri***** ON 97 und S 183 ff/IX) eingeholt.

Weitere Expertisen aus demselben Fachgebiet sind nach der Strafprozessordnung nur dann zu veranlassen, wenn der Befund dunkel, unbestimmt, im Widerspruch mit sich selbst oder mit erhobenen Tatumständen ist, die Angaben zweier Sachverständiger über die von ihnen wahrgenommenen Tatsachen erheblich voneinander abweichen und sich die Bedenken nicht durch eine nochmalige Vernehmung beseitigen lassen (§ 125 StPO) oder wenn sich solche Widersprüche oder Mängel in Bezug auf das Gutachten ergeben oder sich zeigt, dass dieses Schlüsse enthält, die aus den angegebenen Vordersätzen nicht folgerichtig gezogen sind, und sich die Bedenken nicht durch die nochmalige Vernehmung der Sachverständigen beseitigen lassen (§ 126 StPO). Solche (unbehebbare) Mängel sind bei Antragstellung darzutun, weil bei Prüfung der Berechtigung eines Beweisantrages durch den Obersten Gerichtshof stets von der Verfahrenslage im Zeitpunkt der Entscheidung in erster Instanz darüber auszugehen ist (Mayerhofer StPO4 § 281 Z 4 E 40 und 41).

In der Hauptverhandlung vom 25. Juni 2002 (S 48/IX) und mit weiterer Begründung in der Hauptverhandlung vom 26. Juni 2002 stellte der Verteidiger des Zweitangeklagten den Antrag auf Einholung eines "fachübergreifenden Gutachtens eines Sachverständigen aus der Pharmakologie, Toxikologie, hilfsweise der Gerichtsmedizin, insbesondere aus dem Grunde der §§ 125 und 126 StPO, hilfsweise eines Gutachtens aus dem Gebiet der Pharmakologie und - getrennt davon - aus dem Gebiet der Toxikologie" (S 176 f/IX). Durch die Expertise sollte (zusammengefasst wiedergegeben) erwiesen werden, dass die von Dominik W***** aufgenommene Menge Strychnin-Nitrat aufgrund der Zusammensetzung der Substanz, "der besonderen Umstände" und der körperlichen Konstitution des Konsumenten nicht tödlich gewesen ist, sondern vielmehr dieser nach der Einnahme noch in der Lage war, sich eigenständig zu bewegen und den 17,5 m langen Weg bis zum Fluss, ohne zu stürzen und sich zu verletzen, zurückzulegen. Der Antragsteller wies darauf hin, dass der Sachverständige Dr. K***** die angeführte, zu beweisende Tatsache nicht habe ausschließen können, während der Experte Dr. Fr***** eine völlige Bewegungsunfähigkeit behauptet habe. Letztere Meinung stünde auch in Widerspruch zur Fachliteratur, wo ua in einem Lehrbuch von Luis Leven "Gifte und Vergiftungen" ausgeführt sei, dass bei "besonderen Begleitumständen - welche im Übrigen bei Dominik W***** vorgelegen sind - ein Überleben selbst nach Aufnahme von 5 g Strychnin möglich gewesen sei". Der beschriebene Verlauf der Krämpfe nach Einnahme des Giftes entspreche dem Gutachten Dris Keller.

Diesem Antrag schlossen sich die Verteidiger der beiden anderen Angeklagten an.

Während Cüneyit A***** in seinem Rechtsmittel nur die Nichteinholung eines weiteren Gutachtens aus dem Gebiete der Toxikologie bekämpft, erstrecken sich die Rechtsmittel der Angeklagten F***** und H***** auf den gesamten Beweisantrag.

Zu den unter Beweis zu stellenden Tatsachen haben im Verfahren die Sachverständigen Dr. K***** und Univ. Prof. Dr. Fr***** Stellung genommen. Entgegen der Behauptung im Antrag bestehen zwischen diesen Gutachten in den wesentlichen Punkten keine Widersprüche. Auch Dr. K***** kam zu dem Schluss, dass die von Dominik W***** konsumierte Menge Strychnin nach der von ihm beachteten forensisch-toxischen Fachliteratur tödlich und eine Person nach Einsetzen der durch das Gift bewirkten Krämpfe nicht mehr in der Lage sei, sich selbständig zu bewegen, sondern vielmehr jede Bewegung einen neuen Krampf auslöse (vgl insbes S 5, 6, 14 ua IX). Nur über mehrmaliges Befragen, ob bei Vorliegen besonders günstiger Umstände ein Überleben nach Konsumation einer derartigen Menge Strychnin, wie Dominik W***** sie eingenommen hatte, absolut auszuschließen sei, hat der Sachverständige angegeben, dass er absolut nichts ausschließen könne, ein solcher Verlauf aber aufgrund des geschilderten Zustandsbildes äußerst unwahrscheinlich und zu bezweifeln sei (vgl ua S 10, 20 f ua IX).

Wenn nun die Beschwerde diesen Teil des Gutachtens herausgreift und isoliert betrachtet, übergeht sie damit dessen Aussagekraft in seiner Gesamtheit. Stellt man aber die beiden zitierten Expertisen in ihrer vollen und uneingeschränkten Tragweite gegenüber, ergeben sich keine Widersprüche, welche gemäß §§ 125, 126 StPO für die Einholung weiterer Gutachten vorausgesetzt sind. Dazu kommt, dass die Beschwerdeführer Gelegenheit hatten, in der Hauptverhandlung die Sachverständigen zu befragen, wovon sie im Übrigen auch extensiv Gebrauch gemacht haben, und es ihnen dabei offen gestanden wäre, vermutete Widersprüche durch entsprechende Fragen und Gegenüberstellung der Gutachter aufzuklären.

Soweit im Beweisantrag unter Berufung auf Fachliteratur ein Überleben nach Einnahme einer größeren Menge Strychnin als im vorliegenden Fall behauptet wird, übergehen die Antragsteller, dass dies inhaltlich des Antrages "infolge besonderer Begleitumstände" geschehen ist und daher keinen Regelfall darstellt. Es wurde zwar behauptet, solche besonderen Begleitumstände seien bei Dominik W***** vorgelegen, welche das aber gewesen sein sollten, wurde weder dargetan noch sind solche im Zusammenhang mit dem Beweisantrag dem Akt zu entnehmen. Wenn der Angeklagte H***** sein Vorbringen wie auch die Beschwerde auf ein Lehrbuch aus dem Jahr 1907 stützt, ist ihm zu erwidern, dass die vernommenen Sachverständigen sich nicht auf eine möglicherweise bereits überholte Lehrmeinung stützten, sondern wesentlich neuere, somit dem derzeitigen Stand der Wissenschaft entsprechende Literatur verwendeten (s Literaturliste in ON 48). Auch sein Einwand, die Frage der Wirkstoffe "Benzodiazepin" und Alkohol hätten durch das fachübergreifende Gutachten erörtert werden müssen, geht fehl. Nach Antragstellung wurde der Sachverständige Dr. Thomas K***** neuerlich ausschließlich zu diesem Thema vernommen (S 209 ff/IX). Dabei kam er zu dem Schluss, dass der im Schenkelvenenblut des Dominik W***** gefundene Wert von Diazepam unterhalb des therapeutischen Bereiches lag und daher ebenso wie Alkohol auf eine Lösung der durch die Strychninvergiftung verursachten Krämpfe keinen Einfluss hatte. Nach Erstellung dieses Gutachtens wurde der Beweisantrag zwar wiederholt, jedoch lediglich auf der Expertise widersprechende Behauptungen und Spekulationen gestützt, sodass die von §§ 125, 126 StPO geforderten Voraussetzungen für ein weiteres Gutachten nicht vorlagen. Die Einholung des begehrten fächerübergreifenden Gutachtens sowie gesonderter Expertisen aus den Fachgebieten der Toxikologie und Pharmakologie wurden daher vom Schwurgerichtshof zu Recht abgelehnt. Der Angeklagte Cüneyit A***** bekämpft darüber hinaus die Abweisung des Antrages, dem er sich angeschlossen hatte, auf Beischaffung einer Masse mit gleicher kristalliner Beschaffenheit und gleichem spezifischem Gewicht wie Strychninnitrat zum Beweis dafür, dass in etwa die Linie, die Harald H***** selbst eingenommen hatte, der entspricht, die er Sandra Ha***** und Dominik W***** gelegt hat, und dass die Linie, die der Zeuge G***** als die gezeigt hat, welche er genommen hat, wesentlich größer war (S 207 f/VIII). Er übersieht zunächst, dass dazu nicht vorgebracht wurde, aus welchen Gründen der Antrag das behauptete Ergebnis haben werde, zumal die Angaben der vernommenen Personen nur grobe Richtwerte darstellen können. Darüber hinaus war der Beweis undurchführbar, weil der Sachverständige ein Pulver mit gleicher kirstalliner Beschaffenheit und gleichem spezifischem Gewicht wie Strychnin-Nitrat nicht vorlegen konnte und die Durchführung der Schätzung mittels Strychnin-Nitrat zu gefährlich ist. Dieses ist nämlich extrem giftig und wird auch durch die Haut absorbiert (S 293/VIII).

Auch die Beschwerde des Angeklagten H***** gegen die Abweisung des Antrages auf Einholung eines kriminaltechnischen Gutachtens zum Beweis dafür, dass auf der Hose des Dominik W***** keine Spuren von Gras oder insbesondere Chlorophyll vorhanden sind, die auf ein Schleifen des Dominik W***** über Gras schließen lassen (S 222/IX), versagt. Einerseits wurde nicht vorgebracht, aus welchen Gründen die zu diesem Thema durchgeführte Begutachtung durch den Sachverständigen RR O***** mit Mängel behaftet sein sollte. Andererseits übersieht er, dass ihm nicht ein Schleifen des Körpers sondern dessen Tragen angelastet wurde. Dazu kommt, dass die Hose am Leib des Toten längere Zeit im Flusswasser gelegen ist und anschließend noch gewaschen wurde, sodass eine weitere Begutachtung nicht möglich ist (S 155 ff/IX).

Die Beweisanträge wurden daher vom Schwurgerichtshof zutreffend abgelehnt, ohne dass dadurch Gesetze oder Grundsätze des Verfahrens hintangesetzt oder unrichtig angewendet noch sonst Verteidigungsrechte verletzt worden wären.

Zur weiteren Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Cüneyit A*****:

Unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5 (der Sache nach jedoch Z 6) des § 345 Abs 1 StPO macht der Beschwerdeführer geltend, zum "Faktum G*****" (gemeint wohl die Hauptfrage 62 und die Eventualfrage 63) hätte eine Eventualfrage nach "§ 88 StGB (fahrlässige Begehung)" gestellt werden müssen. Er habe in der Hauptverhandlung auch einen entsprechenden Antrag gestellt, der jedoch abgewiesen worden sei. Da der Rechtsmittelwerber jedoch nicht jene Tatsachen bezeichnet, die in der Hauptverhandlung vorgebracht wurden und welche die Stellung einer (weiteren) Eventualfrage gemäß § 314 StPO gerechtfertigt hätten, sondern nur unterstellt, "auch die Möglichkeit einer fahrlässigen Begehung konnte nicht ausgeschlossen werden", ist der Nichtigkeitsgrund nicht gesetzmäßig ausgeführt.

Die Tatsachenrüge (Z 10a) behauptet unsubstantiiert einen Irrtum der Geschworenen, verweist im Übrigen auf die leugnende Verantwortung und bringt vor, die Geschworenen hätten keine entsprechenden Feststellungen getroffen.

Damit werden aber auf Aktengrundlage keine erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen aufgezeigt.

Zum Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 9 StPO bringt der Angeklagten A***** lediglich vor, "aus den angeführten Gründen erscheint die Antwort der Geschworenen auch zu den gestellten Fragen undeutlich und widersprüchlich". Damit fehlt es aber an der konkreten und bestimmten Bezeichnung jener Umstände, welche einen Nichtigkeitsgrund bilden sollen. Die Beschwerde ist daher nicht prozessordnungsgemäß dargestellt.

Zur weiteren Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Mesut Robert F*****:

Entgegen der Tatsachenrüge (Z 10a) ergibt sich aus dem widerrufenen Geständnis des Angeklagten H***** sehr wohl, dass er und der Angeklagte F***** den Dominik W***** zum Fluss getragen haben. Er umfasste - so die Aussage - den Körper bei den Füßen, F***** bei den Schultern (S 153/VIII). Dazu kommt, dass nach den Sachverständigengutachten jede Berührung zu einem (Streck )Krampf des Vergifteten geführt hat, sodass gegen das im Wahrspruch festgestellte "Tragen" keine Bedenken bestehen.

In der gemäß § 331 Abs 3 StPO vom Obmann der Geschworenen zu verfassenden kurzen Niederschrift sind die Erwägungen anzugeben, von denen die Mehrheit der Geschworenen bei der Beantwortung der jeweiligen Fragen ausgegangen sind. Der Inhalt der Niederschrift entspricht daher in keiner Weise einer in anderen Verfahrensarten vorgeschriebenen Urteilsbegründung. Sie kann auch nicht zum Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde gemacht werden (Mayerhofer StPO4 § 331 E 10 ff). Die Einwände gegen die angeblich von den Laienrichtern unterlassene Feststellung einer "Absichtlichkeit" bei der Eventualfrage 23 sind daher verfehlt. Sie sind aber auch nicht geeignet, erhebliche Bedenken gegen die im Wahrspruch festgestellten entscheidenden Tatsachen zu erzeugen. Dasselbe gilt für die Erwägungen der Geschworenen zu den Hauptfragen 35 und 40. Auch zu diesen Fakten werden aus den Akten keine Umstände aufgezeigt, welche erhebliche Bedenken hervorrufen könnten. Vielmehr wird neuerlich unzulässig die Niederschrift gemäß § 331 Abs 3 StPO bekämpft. Im Übrigen hat der Angeklagte F***** vor dem Untersuchungsrichter zugestanden, den Angeklagten H***** zum Verkauf von Suchtgift ermuntert zu haben und dann zu diesen Verkäufen mitgefahren zu sein (S 492/I). Bereits dieses Geständnis ist ausreichende Grundlage für die zur Mittäterschaft rechtlich gleichwertige Beteiligung im Sinne von § 12 zweiter Fall StGB an dem ihm angelasteten Delikt. In der Subsumtionsrüge (Z 9) macht der Nichtigkeitswerber geltend, bei der Hauptfrage 43 liege das von den Geschworenen zur Begründung angeführte Geständnis nicht vor und ergebe sich daraus ein offensichtlicher Irrtum der Laienrichter. Der Nichtigkeitsgrund ist jedoch nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil - wie bereits oben dargelegt - die Niederschrift der Geschworenen nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde sein kann.

Im Übrigen hat der Angeklagte in der Hauptverhandlung zwar angegeben, zum gegenständlichen Suchtgiftverkauf nichts sagen zu können (S 219/VIII), er hat jedoch allgemein zugestanden, in zahlreichen Fällen für die und mit den anderen Angeklagten Suchtgift an zahlreiche weitere nicht namentlich angeführte Personen verkauft zu haben (vgl ua S 219/VIII). Daher kann das Vorbringen auch keine Bedenken im Sinne des § 345 Abs 1 Z 10a StPO erzeugen.

Richtig ist zwar der Einwand, die Geschworenen hätten durch (uneingeschränkte) Bejahung der Hauptfrage 43 (und auch der Hauptfrage 16 in entsprechender Weise zum Angeklagten H*****) festgestellt, Mesut Robert F***** habe mit Cüneyit A***** und Harald H***** den bestehenden Vorschriften zuwider gewerbsmäßig Suchtgift erworben und besessen und am 10. Juli 2001 in Perg der Petra S***** in Form von 1 g Haschisch überlassen, während sie durch Verneinung der Hauptfrage 70 eine Mittäterschaft des Cüneyit A***** nicht angenommen hätten. Der Rechtsmittelwerber zeigt aber nicht auf, inwieweit ihm diese Unrichtigkeit zum Nachteil gereichen sollte, weil sich dadurch an seiner Täterschaft nichts ändert. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist daher in diesem Punkt nicht zugunsten des Angeklagten und daher nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt.

Zur weiteren Nichtigkeitsbeschwerde des Harald H*****:

Undifferenziert unter den Nichtigkeitsgründen der Z 8, 9 und 10a des § 345 Abs 1 StPO macht der Beschwerdeführer geltend, jener Teil der Rechtsbelehrung, welcher zur Hauptfrage 5 die mögliche teilweise Bejahung erkläre, sei missverständlich. Woraus er dies schließt, wird nicht dargetan, sodass es an der genauen Bezeichnung jener Umstände mangelt, welche einen Nichtigkeitsgrund bilden sollen. Zur Eventualfrage 2 bekämpft er die in der gemäß § 331 Abs 3 StPO vom Obmann der Geschworenen verfassten Niederschrift angeführten Erwägungen und behauptet, damit sei Absichtlichkeit nicht festgestellt. Wie bereits zum Rechtsmittel des Angeklagten F***** ausgeführt, kann die Niederschrift der Laienrichter nicht Gegenstand einer Nichtigkeitsbeschwerde sein. Soweit er zu diesen Fakten vorbringt, aufgrund der Ergebnisse des Beweisverfahrens und der Verantwortung aller drei Angeklagten sei der Nichtigkeitsgrund des § 345 Abs 1 Z 10a StPO gegeben, unterlässt er es wiederum, Nichtigkeit begründende Umstände aus den Akten konkret zu bezeichnen. Dasselbe gilt für den unsubstantiierten Einwand, die Rechtsbelehrung sei zu diesen Punkten geeignet gewesen, die Geschworenen bei Beantwortung der Frage zu seinem Nachteil zu beeinflussen.

Zur Hauptfrage 14 bekämpft er neuerlich unzulässig die Erwägungen der Geschworenen, indem er vorbringt, diese hätten kein bestimmtes Ausmaß einer Demütigung oder Erniedrigung des Opfers festgestellt. Wenn er schließlich unter dem Aspekt der Z 10a des § 345 Abs 1 StPO meint, aus der Verletzung in der Scheide der Sandra Ha***** sei das Verbrechen nach § 206 Abs 1 StGB nicht abzuleiten, führt er dazu wiederum keine Gründe an und übergeht, dass der Angeklagte in der Hauptverhandlung selbst zugestanden hat, dem Mädchen unter der Unterhose auf den Geschlechtsteil im Schamlippenbereich gegriffen zu haben (S 187 ff/VIII). Das Verbrechen ist mit dem Unternehmen (des Beischlafes oder) einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung bereits vollendet, die zugestandene Berührung im Schamlippenbereich reicht bei entsprechendem Vorsatz somit aus.

Die Subsumtionsrüge (Z 12) ist nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil sie nicht jenes Strafgesetz bezeichnet, dem die im Wahrspruch festgestellte Tat nach Meinung des Beschwerdeführers zu unterstellen wäre (Mayerhofer StPO4 § 345 Z 12 E 6). Im Übrigen entspricht die im Rechtsmittel nicht näher bezeichnete, offensichtlich zum Verbrechen nach § 201 StGB ergangene Judikatur nicht dem neuesten Stand (vgl 15 Os 88/01 ua).

Die Nichtigkeitsbeschwerden waren daher teils als offenbar unbegründet, teils als nicht dem Gesetz gemäß ausgeführt bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d, 344 StPO). Entgegen der Äußerung gemäß § 35 Abs 2 StPO des Angeklagten H***** hindert der Umstand, dass ziffernmäßig die Nichtigkeitsgründe des § 345 Abs 1 Z 8, 9 und 12 StPO geltend gemacht wurden, keineswegs eine Erledigung in nichtöffentlicher Sitzung, weil nur prozessordnungsgemäß ausgeführte Rügen zur Anordnung eines Gerichtstages führen können. Darüber hinaus hatte er Gelegenheit, seine Verantwortung in öffentlicher Verhandlung vor dem in erster Instanz erkennenden Gericht darzulegen, die vorgeführten Beweismittel zu kommentieren und selbst Anträge zu stellen. Soweit in der angeführten Äußerung zum Ausdruck kommt, allen seinen Anträgen wäre vom Gericht ohne Rücksicht auf deren Berechtigung nachzukommen gewesen, übersieht er die entgegenstehenden Bestimmungen der Strafprozessordnung (vgl insb §§ 125, 126; 345 Abs 1 Z 5 ua StPO). Daraus folgt, dass zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde der Gerichtshof zweiter Instanz zuständig ist (§§ 285i, 344 StPO).

Rechtssätze
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