JudikaturJustiz15Os103/07x

15Os103/07x – OGH Entscheidung

Entscheidung
11. Oktober 2007

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 11. Oktober 2007 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofes Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Danek, Hon. Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gutlederer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert M***** wegen Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Klagenfurt als Schöffengericht vom 2. April 2007, GZ 18 Hv 10/07i-106, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Herbert M***** (zu I.) der Verbrechen des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels nach § 217 Abs 1 StGB, (zu II.) der Vergehen der Fälschung besonders geschützter Urkunden nach §§ 223 Abs 2, 224 StGB und (zu III.) des Vergehens nach § 50 Abs 1 (richtig:) Z 2 und 3 WaffG schuldig erkannt. Danach hat er - soweit für das Verfahren über die Nichtigkeitsbeschwerde von Bedeutung - in Kühnsdorf, St. Lorenzen und anderen Orten in der Absicht, sich durch die wiederkehrende Begehung der Tat eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, „nachangeführte Personen, mögen sie auch bereits der Prostitution nachgegangen sein, zur Prostitution in Österreich im Bordell 'B*****' in *****, sohin in einem anderen Staat als in dem, dessen Staatsbürgerschaft sie besaßen oder in dem sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatten, angeworben und zugeführt, und zwar

1.) in der Zeit von Anfang Juni 2005 bis Jänner 2006 die rumänische Staatsangehörige Loredana C***** wiederholt unter eindringlicher Darlegung ihrer wirtschaftlichen Notsituation und durch Versprechen guter Verdienstmöglichkeiten als Prostituierte durch fernmündliche Aufforderungen, im Bordell 'B*****' als Prostituierte zu arbeiten, angeworben und sie anschließend nach ihrer Einreise nach Österreich durch Eingliedern in den Bordellbetrieb als Geheimprostitutierte der Prostitution zugeführt;

2.) im Jänner 2006 im bewussten und gewollten Zusammenwirken mit dem hiefür zu hg 18 Hv 138/06m (des Landesgerichtes Klagenfurt) rechtskräftig verurteilten Simion N***** die rumänische Staatsangehörige Timea Andrea G***** unter Bezahlung eines Betrages von 400 Euro an die Vermittlerin Julia K***** durch In-Aussicht-Stellen guter Verdienstmöglichkeiten im Bordell 'B*****' angeworben und danach durch Verbringen mit einem Personenkraftwagen von Rumänien nach Österreich und anschließend in das Bordell 'B*****', wo er sie in den Bordellbetrieb als Geheimprostituierte eingliederte, der Prostitution zugeführt."

Rechtliche Beurteilung

Inhaltlich nur gegen den Schuldspruch I. richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 1, 4, 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten; sie verfehlt ihr Ziel.

Aus Z 1 rügt die Beschwerde einen Verstoß gegen die Geschäftsverteilung des Landesgerichtes Klagenfurt, weil in der Hauptverhandlung nicht die in der Geschäftsverteilung vorgesehene Richterin Mag. Wietrzyk, sondern das siebente Ersatzmitglied Dr. Alfred Pasterk als Beisitzer fungiert habe.

Nach dem aufklärenden Bericht des Vorsitzenden waren aber die vorgesehene Beisitzerin sowie das nach der Geschäftsverteilung fünfte Ersatzmitglied wegen untersuchungsrichterlicher Tätigkeiten gemäß § 68 Abs 2 StPO von der Mitwirkung ausgeschlossen, die ersten vier in der Liste genannten Ersatzmitglieder sowie das sechstgereihte Ersatzmitglied dienstlich verhindert oder urlaubsbedingt abwesend. Die Beiziehung von Richter Dr. Alfred Pasterk als beisitzender Richter im Schöffensenat aufgrund der Verhinderung der ihm vorgehenden Mitglieder und Ersatzmitglieder stand daher mit der Geschäftsverteilung des Landesgerichtes Klagenfurt im Einklang, die behauptete Nichtigkeit liegt demnach nicht vor.

Der Beschwerde zuwider wurde durch Abweisung des Antrages auf Einholung einer Auskunft beim Innenministerium der Republik Rumänien sowie beim österreichischen Bundesministerium für Inneres zum Beweis dafür, dass „die Zeugin Loredana C***** schon mindestens ein bis zwei Jahre vor den inkriminierten Tathandlungen ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich hatte, welcher Umstand an Hand von Sichtvermerken sowie Ein- bzw Ausreisestempeln festzustellen wäre" (S 323/III), Verteidigungsrechte nicht verkürzt (Z 4). Der Antrag lässt nämlich die - nicht unmittelbar einsichtige - Begründung vermissen, warum die beantragte Beweisaufnahme das behauptete Ergebnis erwarten lasse (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330), insbesondere, weshalb aus einer allenfalls dokumentierten Reisetätigkeit ein einwandfreier Rückschluss auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Zeugin im Tatzeitraum möglich wäre.

Eine - unzulässige - Erkundungsbeweisführung stellt auch der Antrag auf Ladung der Zeugen Judith I*****c, Simion N*****, Loredana C***** sowie Timea Andrea G***** zum Beweis dafür, „dass der Angeklagte die beiden Letztgenannten nicht der Prostitution zugeführt und diese nicht hiefür angeworben hat", dar.

Zudem fehlt hier der Hinweis, aufgrund welcher Umstände ein geändertes Aussageverhalten der bereits vernommenen Zeugen zu erwarten wäre (WK-StPO § 281 Rz 331). Hinsichtlich Simion N***** wäre überdies darzulegen gewesen, warum eine neuerliche Ladung - die erste Ladung an der vom Verteidiger bekanntgegebenen Anschrift (ON 93) war erfolglos und kam mit dem Vermerk „verzogen" zurück (ON 102) - erfolgreich sein sollte. Die in der Beschwerde nachgereichten Spekulationen zum möglichen Aussageverhalten dieses Zeugen sind unbeachtlich, da die Prüfung der Berechtigung eines Antrages auf den Antragszeitpunkt bezogen zu erfolgen hat (WK-StPO § 281 Rz 325). Soweit die Beschwerde den Schuldspruch zu I.1. als unzureichend begründet erachtet (Z 5 vierter Fall), weil sich die Tatrichter im Wesentlichen auf die Angaben der Zeugin C***** gestützt hätten, bekämpft sie mit einer eigenständigen Bewertung der Depositionen dieser Zeugin lediglich die Beweiswürdigung des Erstgerichtes, ohne einen Begründungsmangel aufzeigen zu können. Die Aussage, wonach sie „bei jeder Gelegenheit, wo sie Urlaub nehmen konnte, nach Rumänien eine Reise unternommen" habe (S 247/I), blieb zu Recht unerörtert, bezog sie sich doch auf Ereignisse vor dem unter Anklage gestellten Zeitraum (Z 5 zweiter Fall).

Den Schuldspruch zu I.2. haben die Tatrichter - logisch und empirisch einwandfrei - unter anderem auf die Ergebnisse der kontradiktorischen Vernehmung der Zeugin Andrea G***** (ON 21) gestützt. Dass die Zeugin dabei die Worte „Anwerbung" und „Zuführen" nicht verwendet hat, bedurfte ebensowenig einer Erörterung wie der Umstand, dass sie - nach eigenen Angaaben - nicht „unter Druck" nach Österreich gekommen sei (S 233/I), ist doch Zwang kein tatbestandsessentielles Merkmal des Verbrechens des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels. Die Beschwerde trachtet lediglich durch eigene Beweiswerterwägungen andere, für den Angeklagten günstigere Schlüsse aus dieser Aussage zu ziehen.

Die vom Rechtsmittelwerber mit der Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde vorgelegte „Erklärung" des Simion N*****, er sei in seinem Verfahren durch Staatsanwalt, Richter und seinen Verteidiger zu einer Aussage gezwungen worden, kann im vom Neuerungsverbot geprägten Nichtigkeitsverfahren zu keiner anderen Einschätzung der Tatfrage führen, sondern allenfalls als Grundlage für ein Wiederaufnahmeverfahren dienen. Bleibt anzumerken, dass eine wissentlich falsche „Erklärung" dieses Inhalts - sowie dessen identifizierende Wiedergabe - den Vorwurf zumindet einer gravierenden Standespflichtverletzung darstellen würde (§ 297 StGB). Indem die Nichtigkeitsbeschwerde schließlich behauptet (Z 10), dem angefochtenen Urteil ließe sich nicht entnehmen, dass der Angeklagte in der Absicht gehandelt habe, sich durch grenzüberschreitenden Prostitutionshandel eine fortlaufende Einnahmequelle zu verschaffen, negiert sie die ebendiese Willensausrichtung bejahenden Feststellungen (US 13). Warum im Falle des grenzüberschreitenden Prostitutionshandels „nicht ohne weiteres von einer Gewerbsmäßigkeit gesprochen werden" könne, legt die Beschwerde nicht dar und verfehlt so die gebotene Ausrichtung an den Verfahrensgesetzen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der Äußerung des Verteidigers - bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Zuständigkeit des Gerichtshofs zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Rechtssätze
6
  • RS0116658OGH Rechtssatz

    11. Oktober 2007·3 Entscheidungen

    Ungeachtet der Frage, ob durch §28a GOG allenfalls eine Anfechtungserweiterung des Nichtigkeitsgrundes der Z1 des §281 Abs1 StPO auf den Fall einer der Geschäftsverteilung widersprechenden Gerichtsbesetzung geschaffen wurde oder nicht, ist es jedenfalls unzulässig, mit diesem Nichtigkeitsgrund eine mit den Rechtsmittelausschlüssen nach §§71 Abs2, 74 Abs3 StPO; § 27a Abs5 GOG kollidierende Überprüfung solcher richterlicher Verfügungen im Vorfeld der Hauptverhandlung herbeizuführen, die indirekt in die Verteilung des Geschäftsanfalls eingreifen, indem durch den Entscheidungsinhalt ein nach der Geschäftsverteilung an sich berufener Richter von der konkreten Fallbearbeitung wegen Ausschlussgründen oder Befangenheitsgründen entbunden wird. Gegen diese Anfechtungsbeschränkung bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Auf welche Weise innerstaatlich sichergestellt ist, dass sich ein Angeklagter über behauptete Verletzungen der in der MRK festgelegten Rechte und Freiheiten wirksam beschweren kann, ist Sache des nationalen Gesetzgebers (SSt57/47; EvBl 1984/138); im Fall einer schon erfolgten richterlichen Prüfung des Beschwerdegegenstandes kann demnach kraft innerstaatlicher Beschränkung des Rechtszuges ein weiteres Rechtsmittel durchaus konform mit der MRK ausgeschlossen werden. Sowohl derartige Gerichtsentscheidungen als auch die Beschlüsse des Personalsenates werden in Wahrung des Prinzips "sichtbarer Gerechtigkeit" als wesentlicher Bestandteil eines in Art6 MRK festgeschriebenen fair trial dem Spannungsverhältnis zwischen dem Recht auf den gesetzlichen Richter und jenem auf einen unparteilichen Richter in ausgleichender Form gerecht. Eben weil das Gesetz eine Bekämpfung von Befangenheitsentscheidungen verbietet, bleibt eine Anfechtung im Nichtigkeitsverfahren - von einer Rüge nach §281 Abs1 Z4 StPO abgesehen - ausdrücklich auf die Fälle der Ausgeschlossenheit beschränkt (§281 Abs1 Z1 dritter Fall StPO). Dieser klare Regelungsinhalt schließt eine Anfechtungsvariante durch Anerkennung einer Befangenheit als Verhinderungsgrund im Sinne des Art87 Abs3 B-VG im Umweg über den Nichtigkeitsgrund einer nicht gehörigen Besetzung des Gerichtes im Sinne des ersten Falles der Z1 des §281 Abs1 StPO aus. In dieser Richtung kommen daher weder eine extensive Interpretation noch Analogie in Betracht.