JudikaturJustiz15Ns100/15x

15Ns100/15x – OGH Entscheidung

Entscheidung
14. März 2016

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 14. März 2016 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Danek als Vorsitzenden sowie durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Mag. Lendl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Michel Kwapinski, Mag. Fürnkranz und Dr. Mann als weitere Richter in Gegenwart der Rechtspraktikantin Mag. Fritsche als Schriftführerin in der Strafsache gegen Leonid Z***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 3 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, in dem zu AZ 25 Hv 103/08f des Landesgerichts Innsbruck und zu AZ 11 Hv 106/15s des Landesgerichts Steyr zwischen diesen Gerichten geführten Zuständigkeitsstreit nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Für die Durchführung des (Haupt )Verfahrens gegen Leonid Z***** (Strafantrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 16. Mai 2008) ist das Landesgericht Innsbruck zuständig.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Die Staatsanwaltschaft Innsbruck legte Leonid Z***** mit beim Landesgericht Innsbruck eingebrachtem Strafantrag vom 16. Mai 2008 als Verbrechen des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 3 StGB (Tatzeit 1. Mai 2008, Tatort Sch*****) qualifizierter Verhalten zur Last (ON 7).

Mit Verfügung des Einzelrichters vom 21. Mai 2008 (AZ 25 Hv 104/08f; ON 1 S 5) wurde das Verfahren gegen den Angeklagten mangels bekannter ladungsfähiger Anschrift im Inland gemäß § 197 Abs 1 StPO abgebrochen und die Ausschreibung des Leonid Z***** zur Aufenthaltsermittlung im Inland veranlasst.

Die Staatsanwaltschaft Salzburg brachte am 24. November 2008 beim Landesgericht Salzburg zu AZ 29 Hv 203/08h eine Anklageschrift gegen Vadim S***** und Leonid Z***** ein (ON 57). Darin legte sie dem (mittlerweile rechtskräftig schuldig erkannten; ON 50) Erstangeklagten Vadim S***** neben weiteren strafbaren Handlungen das schöffengerichtliche Zuständigkeit begründende Verbrechen des schweren und gewerbsmäßigen durch Einbruch begangenen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 und 2, 130 letzter Fall, § 15 Abs 1 StGB zur Last (A./). Dem zu mehreren Faktenkomplexen überwiegend als Mittäter Zweitange-klagten Leonid Z***** wurden für sich betrachtet bloß in die Zuständigkeit des Einzelrichters des Landesgerichts fallend (§ 31 Abs 4 Z 1 StPO) das Verbrechen des gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 130 erster Fall, StGB (A./II), die Vergehen der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (B./I), „die“ (vgl dagegen § 29 StGB) Vergehen des unbefugten Gebrauchs von Fahrzeugen nach § 136 Abs 1 StGB (D./I und D./II) sowie nach § 136 Abs 1 und 2 StGB (D./V) zur Last gelegt, wobei keiner der ihn betreffenden Tatorte im Sprengel des Landesgerichts Salzburg liegt.

Noch vor Zustellung der Anklageschrift an den Zweitangeklagten schied die Vorsitzende des angerufenen Schöffengerichts des Landesgerichts Salzburg das Verfahren hinsichtlich der Leonid Z***** zur Last gelegten Taten mit Verfügung vom 1. Dezember 2008 aus und übermittelte dieses unter Hinweis auf den „nach wie vor unsteten Aufenthalt“ des Angeklagten dem Landesgericht Innsbruck zur gemeinsamen Führung „gemäß § 37 StPO“ mit dem bereits anhängigen Verfahren AZ 25 Hv 103/08 f (ON 1 S 7).

Der Einzelrichter des Landesgerichts Innsbruck führte die beiden Verfahren mit Verfügung vom 22. Dezember 2008 (ON 33) aufgrund „einzelrichterlicher Zuständigkeit“ zusammen, bestellte für den abwesenden Leonid Z***** einen Verfahrenshilfeverteidiger und verfügte die Zustellung „eines Aktendoppels“ an diesen (ON 33, 35). In weiterer Folge blieb das Verfahren wegen unbekannten Aufenthalts des Angeklagten Z***** gemäß § 197 Abs 1 StPO abgebrochen.

Mit (rechtskräftigem) Beschluss vom 9. September 2015 sprach der Einzelrichter des Landesgerichts Innsbruck gemäß § 485 Abs 1 Z 1 StPO hinsichtlich sämtlicher Leonid Z***** betreffender Fakten seine örtliche Unzuständigkeit aus (ON 58) und übermittelte das Verfahren dem Landesgericht Steyr zur weiteren Amtshandlung. Begründend führte er im Wesentlichen aus, dass die zeitlich früheste Tat (Faktum D./I./ der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Salzburg; Tatzeit 22. April 2008; Tatort V*****) im Sprengel des Landesgerichts Steyr begangen worden wäre, woraus sich dessen Zuständigkeit gemäß § 37 Abs 2 zweiter Satz StPO ergebe.

Die Einzelrichterin des Landesgerichts Steyr erklärte mit Beschluss vom 14. Oktober 2015, GZ 11 Hv 106/15s 59, die Unzuständigkeit des Landesgerichts Steyr zur Durchführung der Hauptverhandlung, weil kurz zusammengefasst bei § 37 Abs 2 StPO dessen erster Satz vor dem dritten und Letzterer vor dem zweiten zu prüfen sei. In weiterer Folge übermittelte sie die Akten dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung über den Kompetenzkonflikt.

Die zufolge Konnexität mit dem Mitangeklagten Vadim S***** (§ 37 Abs 1 erster Satz erster Fall StPO) das Landesgericht Salzburg als Schöffengericht anrufende Anklageschrift (§ 211 ff StPO) stellt selbst nach der von der Vorsitzenden des Schöffengerichts des Landesgerichts Salzburg getroffenen Ausscheidungsverfügung (auch) betreffend Leonid Z***** formell gerade keinen Strafantrag im Sinn der §§ 484 , 485 StPO dar. Weiters konnte die einer formellen Zustellung der Anklageschrift iSd § 213 Abs 1 und 3 StPO gerade nicht gleichkommende - bloße (kommentarlose und ohne Hinweis auf die Anklageschrift erfolgte) Zustellung einer „Aktenkopie“ an den vom Landesgericht Innsbruck bestellten Verteidiger die Einspruchsfrist bezüglich dieser Anklage (§ 213 Abs 2 erster Satz StPO) nicht in Gang setzen. Abgesehen davon ist - der Aktenlage zufolge - bislang auch keine Feststellung der Rechtswirksamkeit der erwähnten Anklageschrift (§§ 213 Abs 4 und § 215 Abs 6 StPO) erfolgt.

Damit besteht bislang aber auch keinerlei Grundlage für eine Verbindung der Verfahren, weil dies im Fall sukzessiver Anklageerhebung nach der unmissverständlichen Anordnung des § 37 Abs 3 StPO ein bereits anhängiges Hauptverfahren und die Rechtswirksamkeit der späteren Anklage voraussetzt (RIS-Justiz RS0123445).

Das Verfahren betreffend den Strafantrag der Staatsanwaltschaft Innsbruck vom 16. Mai 2008 ist somit weiterhin vom Einzelrichter des Landesgerichts Innsbruck zu führen. Der zu Unrecht einbezogene, die Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Salzburg betreffende Verfahrensteil wird von diesem wieder auszuscheiden und dem Landesgericht Salzburg zur Durchführung des gesetzmäßigen Verfahrens (§ 213 ff StPO) zu übermitteln sein, ohne dass diesbezüglich die eine Ausscheidung aus einem gesetzmäßig (hier: § 37 Abs 3 StPO) gemeinsam geführten Verfahren voraussetzende Zuständigkeitsnorm des § 36 Abs 4 StPO greift (vgl RIS Justiz RS0127578).

Die Frage allfälliger Verfahrensverbindung und damit einhergehender Gerichtszuständigkeit stellt sich erst, wenn im Zeitpunkt der Rechtswirksamkeit der späteren Anklage auch das Hauptverfahren vor dem Einzelrichter (noch) anhängig ist.

Rechtssätze
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